aufgenötigte schweizerische Staatsgestaltung hielt aber nur kurze Zeit stand.
In der Mediationsakte von 1803 vermittelte
Napoleon I. eine den früheren Verhältnissen entsprechendere Staatsform, nämlich
die Eidgenossenschaft der 19 Kantone. Zu den 13 alten Orten (Kantonen) kam als 14. Kanton St. Gallen
mit seinem heutigen Territorialbestand
und der Hauptstadt St. Gallen. Aber auch dieses geographisch und geschichtlich verschiedenartig zusammengefügte
Staatsgebilde gestaltete sich erst nach der Restaurationszeit zu einem einheitlichen und gefestigten Staatsganzen, da die
Verfassungsform eine verkümmerte Demokratie vorstellte, der gegenüber sich nicht blos die Abtei und die ihr anhänglichen
Elemente, sondern auch die Stadt
St. Gallen als ehemalige Republik mit eigener Rechtsstellung und eigentümlicher
Organisation, sowie endlich auch die übrigen Landesteile, beeinflusst durch ihre frühere
Freiheits- und Selbständigkeitsbestrebungen
einerseits und andererseits durch die ehemaligen Orte, denen sie untergeben gewesen waren, der Neuordnung der Dinge längere
Zeit zu erwehren suchten.
Der Kanton wurde in 8 Bezirke (St.
Gallen,
Rorschach,
Rheinthal, Sargans,
Uznach, Ober
Toggenburg, Unter
Toggenburg
und
Gossau) und 44 Kreise eingeteilt. Jeder Kreis erhielt einen Kreisammann und Friedensrichter und jede Gemeinde einen Gemeinderat.
Für die Beurteilung von Verbrechen setzte man ein Kriminalgericht und als oberste richterliche Instanz ein Appellationsgericht
ein. Die höchste oder souveräne Gewalt übertrug die Verfassung einem aus 150 Mitgliedern und auf 5 Jahre
gewählten Grossen
Rat.
Dieser gesetzgebenden Behörde unterstand der Kleine
Rat als vollziehende, regierende Behörde, die dem Grossen
Rat die Gesetzesentwürfe
zur Annahme oder Verwerfung vorlegte und alle Vollziehungsbeamte der Bezirke ernannte. Aus den 9 Mitgliedern des Kleinen
Rates hatte der Grosse
Rat seinen Präsidenten zu nehmen. Das Schulwesen kam unter staatliche Leitung
mit einem Erziehungsrat, und die ersten Gesetze oder Verordnungen betrafen die Gemeindeverwaltung, das Steuerwesen, das Sanitäts-,
Armen-, Polizei-, Justiz- und Militärwesen etc. Ein Ehrendenkmal setzte sich der junge Kanton durch den Bau der gewaltigen
steinernen Sitterbrücke (1807-1811) und den kräftigen Anteil an der Linthkorrektion.
Aus dieser Zeit sei ferner noch erwähnt die endgiltige Aufhebung des
KlostersSt. Gallen
(1805), die Gründung einer allgemein verbindlichen
Versicherungsanstalt gegen Brandschaden (1807), der Erlass eines Erbgesetzes (1809), das im Wesentlichen heute noch Geltung
hat, ferner die Einsetzung einer staatswirtschaftlichen Kommission, die Ausarbeitung eines Strafgesetzbuches für geringere
Vergehen und eines Kriminalkodex etc. In diese Zeit fällt auch die Aufstellung einer eigenen katholischen Verwaltung für
den aus den Klostergütern ausgeschiedenen
Fonds von 837000
Gulden, die Gründung des katholischen Gymnasiums (1809) und die
Bestellung des katholischen Administrationsrates (1813) für die Leitung der katholischen Angelegenheiten und Anstalten.
Die zweite Verfassung von 1814 trug noch, der allgemeinen Richtung jener Zeit entsprechend, einen vorherrschend
aristokratischen Charakter. Sie enthielt kein allgemeines Stimmrecht, gab der Stadt
St. Gallen das Privilegium einer grösseren
Vertretung (24 Kantonsräte) im Grossen
Rat und eine besondere innere Organisation, setzte die Parität in den Oberbehörden
und die konfessionell gesonderte Verwaltung der religiösen, kirchlichen, matrimoniellen und Schulangelegenheiten,
unter Vorbehalt der Staatsaufsicht, fest.
Aus dieser Periode ist zu erwähnen eine Reihe von Verbesserungen im Vormundschafts-, Armen-, Hypothekar-, Militär- und
besonders Strassenwesen. Der schwierige Bau der Schollbergstrasse unterhalb
Sargans wirkte für den besseren Anschluss des
Oberlandes; die Linthkorrektion schuf dem Linthgebiet Sanierung und diente zugleich dazu, dessen
Bevölkerung dem neuen Staatswesen günstiger zu stimmen. In der Stadt
St. Gallen entstanden zu dieser Zeit die Hilfsgesellschaften
und alle die verschiedenen Vereine und Gesellschaften zur Hebung und Förderung von Kunst, Wissenschaft, Gewerbe, Industrie,
Landwirtschaft etc.
Eine mehr demokratische Reform brachte 1831 eine dritte Verfassung. Diese verkündete die
Souveränetät
des Volkes, stellte den Grundsatz der Gewaltentrennung auf, gewährleistete die Gewerbe- und Pressfreiheit, das Petitionsrecht
und die freie Niederlassung, verordnete die Oeffentlichkeit des Staatshaushaltes, der Gerichts- und Grossratsverhandlungen,
eine kürzere Amtsdauer der Behörden, direkte Volkswahl des Grossen Rates und die selbständige Stellung desselben gegenüber
dem KleinenRat, sowie die Beseitigung des Zensus für das Wahlrecht, und führte in die Gesetzgebung
das Veto ein, d. h. das Recht der Gemeinden, in der Frist von 45 Tagen einem vom Grossen
Rat erlassenen Gesetz die Annahme
zu verweigern.
Das Staatsgebiet wurde in die heute noch bestehenden 15 Bezirke eingeteilt, das Volk wählte die Bezirksammänner,
die Unter- und Bezirksgerichte, den Grossen
Rat, die Gemeinderäte und Vermittler (Friedensrichter) und in den zahlreichen
Ortsgemeinden die Verwaltungsräte mit kurzer Amtsdauer und nach der Parität. Der Grosse
Rat war die gesetzgebende, der Kleine
Rat die vollziehende und das Kantonsgericht die oberste richterliche Behörde. Kleiner
Rat und Kantonsgericht
wurden vom Grossen
Rat gewählt, ebenso die Tagsatzungsabgeordneten (mit bestimmter Instruktion), das Kriminalgericht und
die Kassationsbehörde.
Der Grosse
Rat setzte Jahr für Jahr das Staatsbudget fest und übte die Kontrole über die ganze Staatsverwaltung. Umfassende
Aufmerksamkeit schenkte man dem Verkehrswesen und den Wasserbauten (Rheinkorrektion, Zentralisation der Weg- und Brückengelder
und der Zölle, Uebernahme des Postwesens vom Kaufmännischen Direktorium der Stadt durch den Staat), sowie der Hebung des
Finanzwesens. 1846 wurde das Bistum St. Gallen
gegründet, und 1847 entschieden die Abgeordneten St. Gallens an der Tagsatzung den Beschluss
betr. die Auflösung des Sonderbundes. Nach der Mitte der 50 er Jahre entstanden mit Staatsbeteiligung
nacheinander die st. gallischen Eisenbahnen.
Das Jahr 1861 sah die vierte Kantonsverfassung erstehen, die die Wahl des Grossen Rates nach politischen Gemeinden (anstatt
nach Bezirken) und im Verhältnis von einem Mitglied auf 1200 Einwohner einführte. Nach langen und leidenschaftlichen politischen
Kämpfen, in denen es sich hauptsächlich um die Autonomie der Konfessionsteile handelte, wurde die Organisation
der rein kirchlichen Angelegenheiten und die amtliche Besorgung des Ehewesens als Sache der Konfessionen erklärt, unter
Vorbehalt der Sanktion durch den Staat.
Ferner wurde das Erziehungswesen verstaatlicht und die paritätische staatliche Kantonsschule, sowie ein ebensolches Lehrerseminar
gegründet. Die Volksschulen blieben im Wesentlichen konfessionell gesondert. 1864 konzessionierte der
Grosse
Rat die Toggenburgerbahn mit Staatssubvention, und 1868 gründete man die Kantonalbank. Beginn einer durchgreifenden
Rhein- und Binnengewässerregulierung, Gründung des Kantonsspitales und des kantonalen Asyles für Altersschwache und
unheilbare Geisteskranke
in Wil. 1875 nahm man eine Partialrevision der Verfassung mit Erleichterung des Referendums vor,
und 1890 erweiterte eine nochmalige Totalrevision von neuem die Rechte des Volkes unter gleichzeitiger
Erweiterung des sozialen Aufgabenkreises des Staates.
Der Kanton St. Gallen
sendet in den Nationalrat 13 in 5 Wahlkreisen vom Volk gewählte Abgeordnete, während die beiden Ständeräte vom
Grossen
Rat gewählt werden. Von Männern, die sich um die politische Entwicklung des Kantons St. Gallen
und seine innere
und äussere Verwaltung und Vertretung besonders verdient gemacht haben, nennen wir die Landammänner Müller von
Friedberg,
J. Baumgartner, Sailer und Keel, den Bundesrat Näf, die Nationalräte J. J. Müller und Dr. Weder, den Ständerat Dr. Hoffmann,
den schweizerischen Gesandten in Wien Dr. O. Aepli. Vergl. die Festschrift zur Zentenarfeier des Kantons St. Gallen
1903.
Gallen.Bezirk und Gemeinde, Hauptstadt des Kantons St. Gallen.
Stadt und Gemeinde bilden zusammen den gleichnamigen Bezirk.
Meteorologische Säule: 669,5 m über Meer und 273,5 m über dem
Bodensee. 9° 22' 32" OL. von Greenwich
und 47° 25' 36" NBr. Waffenplatz der 7. Armeedivision, Sitz des 9. eidgenössischen Postkreises, der Kreisdirektion IV der
Schweizer. Bundesbahnen und eines Hauptzollamtes des 3. eidgen. Zollgebietes
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(Direktionssitz in Chur). Sitz der kantonaleng Regierung, des Kantonsgerichtes, des Kassationsgerichtes, der Kantonalbank,
des Kantonsspitales und der kantonalen Strafanstalt. Die Stadt St. Gallen ist namentlich wegen ihrer regen industriellen und
gewerblichen Tätigkeit bekannt, verdient aber auch in verschiedener anderer Hinsicht volle Beachtung. Sie liegt zwischen
dem Rosenberg und der Höhe von Rotmonten einerseits und dem Freudenberg und Bernegg andererseits in einem
einst von einem diluvialen Gletscher erfüllten, engen Hochthal des Mittellandes, das sich nach NO. ziemlich rasch zum Bodensee
senkt, während es sich nach SW. zum sog. Fürstenland öffnet. Es bildet das Hochthal von St. Gallen
somit den Uebergang
zwischen dem fruchtbaren Acker- und Wiesland der st. gallischen Landschaft, den ertragreichen Obstbaumgärten des Rheinthales
und den saftigen Weiden des Appenzellerlandes, welch' letztere bis nahe an die Stadt heranreichen, sodass diese selbst im
Hochsommer von bemerkenswert frischgrünen Hangen umrahmt wird.
Als Ganzes bietet die Stadt einen überaus freundlichen Anblick. In der Altstadt mit ihren vielen unregelmässig
verlaufenden malerischen Gassen und ihren alten, meist mit Erkern geschmückten Häusern herrscht gewöhnlich ein lebhaftes
Treiben uni reges Leben, besonders während der Stickereibörse, die unter freiem Himmel abgehalten wird und zur Zeit
der Oeffnung und des Schlusses der Geschäfte die Gassen in einen wahren Ameisenhaufen verwandelt, sodass
dann der Verkehr sehr schwierig wird und der Passant sich zwischen den dichtgedrängten Reihen von meist hübsch herausgeputzten
Arbeiterinnen mühsam seinen Weg suchen muss.
Viele der in gerader Linie verlaufenden neuen Strassen mit ihren prunkvollen Bauten und luxuriösen Verkaufsläden, die elektrische
Beleuchtung und die rastlos verkehrenden Strassenbahnen bieten uns ganz das Bild einer geschäftigen Grossstadt.
Doch erinnern uns gewisse altväterische Charakterzüge und Bräuche an die noch nicht so weit hinter uns liegende Zeit, da
St. Gallen
blos eine einfache Landstadt war: man wird, ganz wie auf dem Lande, oft von Unbekannten gegrüsst, altertümliche und einfache
kleine Läden finden sich dicht neben den am besten eingerichteten Magazinen, das
Abfuhrwesen wäre noch
bedeutender Verbesserungen fähig, zahlreiche Kinder gehen während der warmen Jahreszeit barfuss und zeigen, sobald sie
erscheinen, den nahenden Frühling an. Wenige Städte bieten ihren Bewohnern auch so zahlreiche Spaziergangs- und Ausflugsziele,
und alle die zum Teil mit Tannenwald bestandenen Höhen geben dem durch seine Tagesarbeit Ermüdeten
Gelegenheit, in nächster Nähe der Stadt sich in frischer und kräftigender Luft zu erholen und an schönen Ausblicken auf
die grüne Landschaft, den glänzenden Spiegel des Bodensees oder die herübergrüssenden Gipfel des Säntisgebirges zu erfreuen.
Geologische und topographische Verhältnisse.
Seiner Zugehörigkeit zum schweizerischen Mittelland entsprechend ist das Thal von St. Gallen
in die Molassebildungen
eingesenkt, die hier in den drei Stufen der Untern Süsswassermolasse (aquitanische Stufe), der Meeresmolasse (helvetische
Stufe) und der Obern Süsswassermolasse (Stufe von Oeningen) erscheinen. Allen drei gemeinsam ist das Auftreten von miozänen
Sandsteinen, Mergeln und Nagelfluh. Eine in der Längsrichtung des Thales etwa mitten durch die Stadt
gezogene Linie teilt das Gebiet in zwei Abschnitte, die in ihrer Oberflächengestalt ziemlich voneinander abweichen.
Das nw. dieser Linie gelegene Gebiet ist fast durchgehends mit einer bedeutenden Decke von glazialen Geschieben überzogen
und zeigt meist breite Höhenrücken, sanfte Gehänge und ausgedehnte Plateauflächen, während im SO.
der Linie vorherrschend nackter Fels zu Tage tritt. Das Thal ist isoklinal gebaut und zeigt im SO. (Freudenberg) die steil
abbrechenden Schichtköpfe, im NW. (Rosenberg) dagegen die sanfter ansteigenden Schichtrücken mit ihrer mächtigen Decke
von Glazialschutt.
Anders gebaut sind die Querthäler der Goldach, Sitter und Steinach, die als tief in die Molasse eingeschnittene
Schluchten und Cañons erscheinen. Die glazialen Schuttmassen bedecken in der Hauptsache die Sohle des Hochthales von St. Gallen,
reichen
aber auch an den Gehängen ziemlich hoch hinauf und überziehen als mächtige Decken die Hochflächen von Rotmonten, Engelburg
und des Tannenbergs, indem sie überall die schrofferen Formen der Molasse umhüllen und mildern.
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Reste von Moränen finden sich auch auf der gegenüberliegenden Thalseite (am Rossbühl, am Hang der Solitude etc.). Die miozäne
Nagelfluh ist in den tiefen Wildbachschluchten (Urnäsch, Sitter, Mühlenen etc.) angeschnitten und blossgelegt und erscheint
an der S.-Flanke der Isoklinalhügel (Freudenberg, Bernegg) in der Gestalt von senkrechten und oft sogar
überhängenden Felswänden, während sie an der N.-Flanke stark geneigte Hänge bildet. Da und dort (besonders am Kubel)
sticht auch der Sandstein unter der Pflanzendecke hervor und bildet an den Stellen, wo er mit Mergelschichten wechsellagert,
vorspringende Rippen und Gesimse, unter und über denen der der Verwitterung weniger Widerstand leistende Mergel
stärker erodiert morden ist.
Ein kleiner Wildbach, die mit mehreren Quellarmen im Steineggwald entspringende Steinach, durchfliesst den Wenigerweier, den
Rütiweier und die Ortschaft St. Georgen, bildet die malerische Schlucht «in den Mühlenen», treibt Fabrikanlagen und geht als
gedeckter Kanal unter St. Gallen
durch, wo sie den ebenfalls zugedeckten Irenbach erhält. Stadt und Vororte bedecken
die ganze Thalsohle und reichen mit ihrem regelmässig angelegten, prächtigen Villenkranz und den schönen Gartenanlagen
bis an die Bergflanken hinauf. Im NO., NW. und zum Teil auch im S. schliessen sich der Stadt unmittelbar an die städtisch
gebauten Vororte und QuartiereSt. Fiden, Buchenthal, Heiligkreuz, Langgasse, Vonwil, Lachen, Schönenwegen und
St. Georgen. Das Ganze bildet zusammen ein imposantes Häusermeer, das von den umliegenden Anhöhen her gesehen einen
überraschenden Anblick bietet.
Schade ist nur, dass der Stadt ein grösserer Flusslauf oder ein See fehlen, doch entfaltet sich schon in den an den Höhen
aufsteigenden Stadtteilen ein sehr schönes Panorama der Bodenseelandschaft und der Appenzellerberge.
Die erstgenannten Vorstädte mit St. Georgen gehören zum Bezirk und zur Gemeinde Tablat, die übrigen zur Gemeinde Straubenzell
im Bezirk Gossau. Bezirk und Gemeinde St. Gallen haben ein Areal von 377,35 ha; darin liegt der zum Bezirk Tablat gehörende
Stiftseinfang (die ehemalige Abtei St. Gallen
mit ihren Höfen und Bauten) mit einem Umfang von 750 m und einer Fläche
von 3,07 ha. Die Stadtgemeinde grenzt nach N., O. und S. auf eine Länge von 5616 m an Gemeinde und Bezirk Tablat und im SW.
und W. auf eine Länge von 2620 m an die Gemeinde Straubenzell und
den Bezirk Gossau. Nimmt man das ganze
Ortschaftsbild zusammen, so steht es demjenigen von Lausanne kaum nach. Im Gebiete der Stadt finden wir an den obern Abhängen
der beiden Höhenzüge auch noch üppiges Wiesen- und Obstbaumgelände, das aber wohl bald ebenfalls überbaut sein wird.
Stadtentwicklung und Bauten.
Der baulichen Erweiterung der Stadt in neuerer Zeit fielen die alten Mauern und Türme zum Opfer, und an die Stelle der Stadtgräben
traten Gärten und eine rings um die innere Stadt führende Strasse. Im letzten Jahrzehnt hat die Ueberbauung der beiden
Berghänge grosse Fortschritte gemacht und speziell der sonnige und in einen Obstbaumwald gehüllte Rosenberg
hat sich nach einem zweckmässigen Bauplan zum prächtigen Villenquartier entwickelt. Während die hauten der letzten Periode
den modernen Anschauungen gerecht zu werden suchen und ein buntes, abwechslungsvolles Bild darbieten, sieht man in der Altstadt
noch manch' ansehnliches Bürgerhaus aus früherer Zeit, oft mit reich geschnitztem und künstlerisch
bemerkenswertem Erker geziert: Zollikofer'sches Familienhaus zur Waage (jetzt ersetzt durch das Konsumvereinshaus), Vadianshaus
(in der Hinterlaube) mit Inschrift, Haus Gallusstrasse 22, zum Pelikan (Schmidgasse 15), zum Kamel (Marktplatz 22), zum Schwan
(Kugelgasse 8 und 10) u. a. Die bauliche Entwicklung hat bereits eine derartige Ausdehnung genommen,
dass die Stadt mit den beiden Aussengemeinden im O. und W., Tablat und Straubenzell, ein völlig zusammenhängendes Ganzes
bildet; dies ist auch in geschäftlicher Beziehung der Fall, und es weist das Hochthal an der Steinach heute eine Gesamtbevölkerung
von 60000 Ew. auf. Da Stadt und Kloster ein geographisches Ganzes bilden, geboren sie auch bei der topographischen
Beschreibung zusammen.
Die vormalige Klosterkirche der Abtei und heutige bischöfliche Kathedrale ist durch den italienischen Architekten Bagnato
1756-1767 im Rokokostil neu aufgeführt worden und bildet mit ihren zwei Türmen unstreitig das sehenswerteste Gebäude St.
Gallens und wohl eines der schönsten Gotteshäuser der Schweiz überhaupt. Sie enthält prachtvolle Freskogemälde
von Moretto, ein wunderschönes Gemälde über dem Hauptchor (die Anbetung des Jesuskindes darstellend), kunstvoll geschnitzte
Chor- und Beichtstühle, ein monumentales Chorgitter aus
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