Olonez, Nowgorod, Pskow, Esthland
[* 6] und dem FinnischenMeerbusen umschlossen u. zählte 1885 auf einem Areal von 44,614 (nach Strelbitsky
53,767) qkm (976,5 QM.) eine Bevölkerung
[* 7] von 1,646,057 Einw. (37 pro QKilometer), über 1 Mill. Orthodoxe, der Rest
Raskolniken, Armenisch-Gregorianische, Römisch-Katholische, Protestanten, Juden und Mohammedaner. Die Zahl aller Eheschließungen
war 1885: 10,825, aller Gestorbenen 54,569, aller Gebornen 57,910. Das Gouvernement ist eben, zu einem
kleinen Teil sumpfig und, wie auch das Klima
[* 8] (Jahresmittel +3,8° C.), dem Ackerbau wenig günstig.
Fischfang wird überall in der ausgedehntesten Weise betrieben, da die Gewässer, namentlich die Newa und der Peipussee, sehr
fischreich sind. Steinbrüche (auch Kalkbrüche) sind in großer Menge vorhanden. Die industrielle Bedeutung des Gouvernements
ist hervorragend: 1885 betrug der Wert der gesamten Produktion 149 Mill. Rubel. Man zählte 793 Fabriken
mit 77,471 Arbeitern. Die ansehnlichsten Industriezweige sind: Baumwollspinnerei (21,3 Mill.
Rub.), Likörfabrikation (15,4 Mill.), Maschinenbau (15 Mill.), Tabaksindustrie (13,9
Mill.), Stahlfabrikation (9 Mill.), Zuckerraffinerie (8,5 Mill.), Druckerei und Färberei (8,1 Mill.), Gummiindustrie (6,6
Mill.), Lederindustrie (6,5 Mill.), Baumwollweberei (5,1 Mill.),
Bierbrauerei
[* 15] (6,1 Mill. Rub.). Die Zahl aller Lehranstalten war 1885: 1287 mit 93,635 Schülern, darunter
eine Universität mit (1888) 2053 Studierenden, 67 Fachschulen mit 11,078 Zuhörern, 1123 Elementarschulen mit 58,234 Zöglingen
und 96 Mittelschulen mit 22,270 Zöglingen. Unter den letztern sind 40 Privatanstalten mit 5695 Lernenden. Eingeteilt ist
das Gouvernement in acht Kreise:
[* 16] Gdow, Jamburg, Luga, Nowaja Ladoga, Peterhof, S., Schlüsselburg und Zarskoje Selo.
[* 3] Petersburg (hierzu der Stadtplan, mit Karte der Umgebung von S.), Residenz- und zweite Hauptstadt des russischen
Reichs, liegt unter 60° nördl. Br. und 30° 20' östl. L. v. Gr., an der Mündung
der Newa, 18 m ü. M., in einer ehemals sumpfigen Niederung, die in der Nähe der Stadt gegenwärtig zwar
trocken gelegt ist, aber auch noch heute in ungünstigster Weise auf das Klima der Hauptstadt einwirkt. Zu beiden Seiten des
prachtvollen Stroms, dessen Ufer hier mit Granit eingefaßt sind, dehnt sich die Stadt aus, deren Umfang bei einem Durchmesser
von 13 km fast 37 km beträgt, und die ein Areal von 92 qkm bedeckt. Das Zentrum der heutigen Stadt liegt
auf dem linken Ufer der Newa, südlich von der Festung,
[* 17] die, von Peter d. Gr. auf einer kleinen Newainsel angelegt, als der eigentliche
Kern der Stadt zu betrachten ist.
[Stadtteile.]
In administrativer Hinsicht wird sie in 12 Stadtteile und 4 Vorstädte geteilt. Die St.
Petersburger Seite (I), auf einer von der Newa mit ihren Armen, der KleinenNewa, der Großen und der KleinenNewka, gebildeten Insel,
läßt
mit ihren kleinen, zum größten Teil hölzernen Häusern nichts von der Pracht und dem Luxus der
innern Stadt ahnen. Ein schmaler Newaarm trennt von ihr die Apothekerinsel, die sich gleich den übrigen an dieser Seite
liegenden Inseln mit ihren schönen Gärten und Landhäusern wie ein prächtiges Blumenbeet ausnimmt.
Das Sehenswerteste ist hier der 12 Hektar große botanische Garten,
[* 18] eine SchöpfungPeters d. Gr. Nach W. hin schneidet
ein andrer Flußarm die Insel Petrowskij von der St. Petersburger Seite ab. Auch diese Insel ist gegenwärtig ganz bebaut und
hauptsächlich von Fabriken eingenommen, bleibt aber weit hinter den übrigen Inseln zurück. Die schönsten Inseln, die nicht
mit Unrecht die »Garteninseln« genannt werden, sind: Krestowskij, Kamennyj-Ostrow und die kaiserliche Insel
Jelagin mit einem Palais, das aber von der kaiserlichen Familie fast nie bewohnt wird.
Westlich von der Festung umspült die Große und KleineNewaWassilij-Ostrow (II), den Sitz der größern deutschen Kaufleute,
vieler Künstler und Gelehrten. Hier sind die Universität, die Akademie der Wissenschaften, die Akademie der Künste, das historisch-philologische
Institut, das physikalische Observatorium, die Börse, das Zollamt u. a. Zwei Brücken,
[* 19] eine hölzerne (die Palaisbrücke) und
eine steinerne (die von Nikolaus I. erbaute Nikolaibrücke), verbinden diesen Stadtteil mit dem Zentrum der Stadt, den vier
Admiralitätsstadtteilen (III-VI), die von der Newa und der Fontanka umflossen und von der Moika und dem
Katharinenkanal durchschnitten werden.
Gegenwärtig führt nur einer noch den Namen Admiralitätsstadtteil, die übrigen sind in den Kasanschen, Spasskischen und
Kolomnaschen Stadtteil umgenannt worden. Diese drei Stadtteile umschließen der Narwasche Stadtteil (VII) mit ärmlichen
Häusern und ärmlicher, zum größten Teil der Arbeiterklasse angehörender Bevölkerung; der Moskausche Stadtteil (VIII),
auch überwiegend von der ärmern Bevölkerung bewohnt; der Liteinij-Stadtteil (IX) mit vielen aristokratischen
Palais.
Nächst diesem Stadtteil zur Newa hin erstreckt sich der Roshdestwenskij-Stadtteil (X), ebenfalls mit armer Bevölkerung, und
ein wenig südlicher der Alexandro-Newskij-Stadtteil (XI), der zum größten Teil hölzerne Häuser enthält. Auf dem rechten
Ufer der Newa, auf dem Festland, liegt die Vorstadt Poljusstrowo, ausschließlich aus hölzernen Häusern
bestehend, und die Wiborgische Seite (XII), auf der die militärmedizinische Akademie gelegen ist. An letztern Stadtteil schließt
sich die Lessnoi-Vorstadt. Auf der linken Seite folgt die Newa aufwärts die Schlüsselburger Vorstadt und die Newa abwärts
hinter dem Narwaschen Stadtteil die Peterhofer Vorstadt.
S. zeichnet sich durch Regelmäßigkeit der Anlage (wenigstens
in den Hauptstadtteilen) aus. Von der Admiralität, deren schlanker, vergoldeter Turm
[* 20] jetzt zwischen den schön gepflegten
Bäumen des mit großem Geschmack angelegten Alexandergartens hervorleuchtet, laufen strahlenförmig drei schnurgerade Straßen
aus: der Newskij-Prospekt, der Wosnessenskij-Prospekt (»Auferstehungsstraße«) und zwischen beiden
die Gorochawaja (»Erbsenstraße«). Zu beiden Seiten
mit schönen Läden besetzt, dehnt sich der Newskij-Prospekt 3 km bis zum Nikolaibahnhof aus und teilt sich dann in zwei schmälere
Straßen. Das ganze St. Petersburger öffentliche Leben konzentriert sich auf dem
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Newskij-Prospekt. Hier promeniert in den ersten Nachmittagsstunden die feine Welt, hier rollen die Wagen der Reichen über das
elegante Holzpflaster. Auch die Pulsader des geschäftlichen Lebens, der Kaufhof (Gostinnoi Dwor), liegt mit einer Fronte am
Newskij-Prospekt. Nächst dem Newskij sind die belebtesten und elegantesten Straßen die Große Morskaja (»Seestraße«),
die
Kleine Morskaja, die Millionnaja und der Liteinij-Prospekt. Die schönste Stelle St. Petersburgs ist aber unbestreitbar das
Newaufer mit seinen prachtvollen Palästen, unter denen die der Glieder
[* 24] der kaiserlichen Familie besonders hervortreten. Unter
den öffentlichen Plätzen ist vor allen der Palaisplatz zwischen dem Winterpalais und dem Generalstabsgebäude zu nennen,
das sich dem Palais gegenüber in einem Halbkreis ausdehnt. In der Mitte des Platzes, gegenüber dem 22,5
m breiten Triumphthor in der Fassade des Generalstabsgebäudes, dessen Frontispiz ein sechsspänniger Siegeswagen krönt, erhebt
sich die 48 m hohe Alexandersäule.
Dieselbe wurde 1834 errichtet und besteht aus einer 23 m hohen Granitsäule von 4½ m Durchmesser, deren
Sockel, Mantel undKapitäl aus eroberten türkischen Kanonen gegossen sind. Die Spitze dieses großen Monolithen ziert ein das
Kreuz
[* 25] haltender Engel. Auf dem frühern Petersplatz, der jetzt einen Teil des schon erwähnten Alexandergartens um die Admiralität
bildet, steht das 1782 enthüllte DenkmalPeters d. Gr. (von Falconet). Zu Roß sprengt der Kaiser einen
5½ m hohen Felsen hinan, mit der Rechten auf die Festung und die Newa deutend.
Der Felsen trägt in goldenen Lettern die Inschrift: »Petro primo Catharina secunda 1782«. Durch den monumentalen
Bau der Isaakskathedrale und den Isaakssquare von diesem großartigen Monument getrennt, erhebt sich vor
dem Marienpalais der verstorbenen Großfürstin Maria Nikolajewna die Reiterstatue des KaisersNikolaus (von Klodt). Das 1874 enthüllte,
nach einer Zeichnung Mikeschins gearbeitete Denkmal Katharinas II. schmückt den zwischen der öffentlichen Bibliothek und dem
Anitschkowpalais liegenden Square, dessen Hintergrund das Alexandratheater abschließt.
Auf einem glockenförmigen Piedestal erhebt sich die majestätische Gestalt der Kaiserin im kaiserlichen
Schmuck; die Gestalten ihrer Ratgeber und Feldherren umgeben den obern, aus Bronze
[* 26] gegossenen Teil des Piedestals. Die übrigen
Denkmäler der Residenz: die Standbilder Kutusows und Barclay de Tollys vor der Kasanschen Kathedrale, Suworows in antikem Stil am
Marsfeld (Zarizyn Lug), welches 40,000 Mann manövrierender TruppenRaum bietet, eine zweite ReiterstatuePeters d. Gr. vor dem Ingenieurpalais, das Denkmal des Grafen Rumjänzow im Rumjänzowsquare, das aus einem Obelisk aus grünem
Marmor auf einem Piedestal aus rotem Marmor besteht, das 1886 enthüllte Puschkindenkmal und das Krylowdenkmal im Sommergarten,
bieten nichts Hervorragendes dar.
Unter den 150 Brücken, welche S. hat, verdienen die über die Fontanka am Newskij führende Anitschkowbrücke
am gleichnamigen Palais, die Troizkij- oder St. PetersburgerBrücke,
[* 27] die zur St. Petersburger Seite führt, die Tutschkowbrücke,
welche Wassilij-Ostrow mit der St. Petersburger Seite verbindet, die steinerne große Nikolaibrücke über die Newa und die
steinerne Alexanderbrücke zur Wiborger Seite erwähnt zu werden. Bemerkenswert sind die vier bronzenen
Pferde (von Klodt) auf der Anitschkowbrücke.
Den Portikus bilden 48 polierte dorische Säulen
[* 29] aus finnischem Granit, welche eine Höhe von 17 m haben. Die auf ihnen ruhenden
Frontons sind 36,3 m lang und werden von dem hohen vergoldeten Dom gekrönt. Die schönen Basreliefs auf den Frontons sind von
den Professoren Vitali, Klodt und Lemaire ausgeführt und ebenso bemerkenswert wie die riesigen Thore, die
ins Innere des Tempels führen. Den größten Schmuck des Innern bilden 8 kolossale Malachitsäulen und 2 Malachitpilaster von
gegen 14 m Höhe an der Scheidewand des Allerheiligsten (Ikonostas) wie 2 Säulen aus Lapislazuli und die herrlichen großen
Mosaikbilder zwischen diesen Säulen.
Das Allerheiligste enthält ein Modell der ganzen Kathedrale, in Gold
[* 30] in dem bekannten Atelier von Sasikow
ausgeführt; der Wert des Modells wird auf ½ Mill. Rubel angegeben. Den imposantesten Eindruck macht dieser Riesenbau in der
Osternacht, wenn eine unzählbare Menschenmenge dicht gedrängt den im Lichtglanz strahlenden Raum erfüllt und eine nicht
weniger zahlreiche Menge den Tempel
[* 31] umwogt, von dessen vier Ecken aus der Höhe große Gasfackeln ihr Licht
[* 32] auf das bewegte Bild
werfen.
Das Allerheiligste ist aus massivem Silber ausgeführt, welches die Kosaken im Feldzug 1813 und 1814 erbeutet
hatten. In dieser Kirche werden viele persische, türkische, polnische und auch einige französische Fahnen, der MarschallsstabDavoûts, 28 Schlüsselpaare von eroberten Festungen u. a. m. aufbewahrt. Die Peter-Paulskathedrale in der Festung auf der St.
Petersburger Seite mit 128 m hohem danebenstehenden Glockenturm dient seit Peter d. Gr. der russischen
Herrscherfamilie als Begräbnisstätte.