Sanitätspolizei
(Gesundheits-, Medizinalpolizei), die auf die Verhütung von Krankheiten gerichtete Verwaltungsthätigkeit; auch Bezeichnung für die damit betrauten Behörden. Die Medizinalpolizei ist der wichtigste Teil der öffentlichen Gesundheitspflege (s. Gesundheitspflege, öffentliche). Die ersten Keime einer Medizinalpolizei finden sich bereits im 15. Jahrh., wo größere Städte Ärzte anstellten, welche sich auch um die Gesundheit im allgemeinen bekümmern sollten. Erhebliche Fortschritte wurden dann im 16. Jahrh. gemacht, und durch Bohns Schrift »De officio medici duplici« (1704) wurde zuerst eine Trennung der gerichtlichen Medizin von der S. angebahnt. Diese Trennung vollzog sich definitiv durch Franks »System einer vollständigen medizinischen Polizei« (1779-1817, 7 Bde.), nachdem die Verwaltung das gesamte Heilwesen durch umfassende Medizinalpolizeiordnungen geregelt hatte. Die neue Zeit brachte auch hier einen völligen Umschwung, und in allen deutschen Ländern besteht jetzt eine Organisation der staatlichen Medizinalbehörden, zu denen vielfach besondere städtische Gesundheitsämter in größern Stadtgemeinden hinzutreten (s. Medizinalbehörden). Für das Deutsche Reich wurde das Reichsgesundheitsamt (s. Gesundheitsamt) geschaffen. Neuerdings ist man auch bestrebt, den freien Vereinigungen der Ärzte einen Einfluß auf die öffentliche Gesundheitspflege zu sichern, so namentlich in Bayern, Sachsen, Württemberg und in Preußen (Verordnung vom 25. Mai 1887, betreffend die Einrichtung einer ärztlichen Standesvertretung) durch die Ärztekammern (s. Ärztliche Vereine). Sehr ausgebildet ist das Sanitätspolizeiwesen in England. In größern Orten wird auf Antrag von 1/10 der Steuerzahler oder, wenn die Mortalitätsziffer 23 pro Mille übersteigt, ein Local Board of Health eingesetzt; ein Privy Council, eine Art von ministeriellem Departement, erläßt bei Epidemien etc. Verordnungen und unterrichtet sich durch Inspektoren über die Verhältnisse in den einzelnen Orten. Namentlich in mehreren größern Städten sind vortreffliche Sanitätseinrichtungen ins Leben getreten. Auch in Frankreich ist ein aus Technikern, Ärzten und Beamten gebildetes Komitee (Comité consultatif d'hygiène publique) dem Ministerium beigegeben, in den Departements erstatten Mittelbehörden (Conseils et comités d'hygiène publique) auf Verlangen der Präfekten Gutachten, und jede Gemeinde hat das Recht, eine Commission des logements insalubres einzurichten. In Italien besteht ein Obersanitätsrat unter dem Ministerium des Innern, und in den einzelnen Provinzen und Kreisen fungieren Sanitätsräte, in den Gemeinden Sanitätskommissionen. In Österreich ist das Sanitätswesen durch Gesetz von 1870 organisiert. Litteraturangaben s. bei den Artikeln »Gesundheitspflege, öffentliche« und »Medizinalbehörden«.