Salzburg
,
[* 2] Herzogtum und Kronland der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, zu deren cisleithanischem
Teil gehörig,
grenzt im N. an Oberösterreich, im O. an Oberösterreich und
Steiermark,
[* 3] im
S. an
Tirol
[* 4] und Kärnten und im
W. an
Tirol und
Bayern
[* 5] und hat einen Flächenraum von 7152,23 qkm
(d. i. 2,38 Proz. der
Fläche der österr. Reichshälfte). (Hierzu
Karte: Salzburg
und Salzkammergut.)
[* 6]
Oberflächengestaltung. S. ist ein ganz den Ostalpen angehöriges Gebirgsland, in dem sich drei Teile unterscheiden lassen: das Gebiet der Hohen Tauern, der nördl. Kalkalpen und des vorgelagerten Hügel- und Flachlandes.
Die Hohen Tauern entsenden in nördl. Richtung zahlreiche hohe Seitenkämme, zwischen welchen tief eingeschnittene Hochthäler liegen, und zwar das Krimmler, das Ober- und Unter-Sulzbach-, das Habach- und Hollersbach-, das Velber, das Stubach-, das Kapruner, Fuscher, Rauriser, Gasteiner, Groß- und Klein-Arlthal, welche alle in das Längenthal der Salzach münden. Diesen Thälern entsprechen meist auch Einsattelungen und Übergänge über den Hauptkamm, vom Volke Tauern genannt, so der Krimmler Tauern (2635 m), die Birnlücke, der Velber (2540 m) und Kalser Tauern (2512 m), die Pfandlscharte (2665 m), der Mallnitzer Tauern (2414 m, von Gastein nach Kärnten führend), der viel (angeblich auch von den Römern) betretene Hohe Tauern (2463 m), endlich die Arlscharte (2251 m). Bei dieser letztern zweigen die Niedern (auch Radstädter) Tauern nach Nordost, die Steirischen Alpen nach Südost. Von den Tauern durch das Oberpinzgauer Salzachthal geschieden, erstreckt sich bis zur Thalsenke des Zeller Sees das dem Thonschiefer angehörige Übergangsgebirge mit dem Großen Rettenstein (2361 m) und der Schmittenhöhe (1935 m) als Kulminationspunkte und dem eine prächtige Aussicht auf die Tauern bietenden Paß [* 7] Thurn (1275 m).
Die nördlichen Kalkalpen bilden im
Süden keine zusammenhängende
Kette, sondern große, meist aus Dachsteinkalk gebildete
Bergstöcke. Es sind dies die Loferer
Steinberge, die Leoganger
Steinberge mit dem Birnhorn (2630 m), das
Sonntagshorn (1962
m) als Aussichtspunkt berühmt, die Reitalm mit dem Stadelhorn (2288 m), das Kammerlinghorn (2483 m), das
Steinerne Meer (2651 m), die Übergossene
Alm oder
Ewige Schnee
[* 8] mit dem Hochkönig (2938 m), das Hagengebirge (2391 m), das
Tennengebirge (2428 m), der
Hohe Göll (2519 m) und der
Untersberg (1975 m). Der Dachstein (s. d.; 2996 m)
gehört nur zum kleinen
Teile
S. an. Den Voralpen gehören an das Ischler
Gebirge mit dem Gamsfeld (2024 m), der Schafberg (1780
m), insoweit es auf salzburg.
Gebiete liegt, und der als Aussichtspunkt berühmte Gaisberg (s. d.; 1286 m)
bei S.
Bewässerung. S. gehört ganz dem Flußgebiet der Donau an, und zwar zum größten Teile dem Gebiet der Salzach (s. d.), eines Nebenflusses des Inn; nur der durch die Radstädter Tauern abgetrennte Lungau (Gerichtsbezirke Tamsweg und St. Michael) gehört dem Gebiet der Mur (Länge in S. 28 km) an, die hier entspringt, und der Gerichtsbezirk Radstadt jenem der Enns (Länge in S. 30 km), die ebenfalls in S. ihren Ursprung (1720 m) hat. Die Salzach, welche im obern Pinzgau nur geringes Gefälle hat, weshalb dieses Thal [* 9] versumpft, wird dann zum reißenden Gebirgsstrom, bis sie bei S. in die Ebene hinaustritt, und mündet nach 221 km Lauflänge in den Inn. Sie hat ein Gefälle von 9,5 mm auf den Meter. Ihr Hauptzufluß ist die 103 km lange Saalach (s. d.). S. hat einen großen Reichtum an prachtvollen Wasserfällen, so die Krimmler Fälle (s. d.), den Gasteiner, den Schleierfall bei Böckstein, den 62 m hohen Radstädter Tauernfall, den 62 m hohen Gollingerfall, die pittoresken Felsschluchten Liechtenstein- und Kitzlochklamm und die Vorderkaserklamm bei Loser.
Das Land S. ist reich an Seen. Im Voralpenlande liegen der Ober- und Nieder-Trumersee (Mattsee, 500 m ü. d. M.), der Wallersee bei Seekirchen (504 m, 23 m tief), der Hintersee bei Faistenau (685 m), der Fuschlsee (661 m) sowie die nur ¶
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teilweise zu S. gehörigen Mondsee (s. d.) und Abersee (s. Sankt Wolfgang). [* 11] In den Alpen [* 12] liegt der wegen seines Gebirgspanoramas berühmte Zeller See (754 m), welcher 6 km lang, 2 km breit, 73 m tief ist und in die Salzach abfließt. Die Zahl der Hochseen beträgt etwa 200, die bekanntesten darunter sind die Seen des obern Velber- und Stubachthales, die Bockhartseen im Gasteiner und der Tappenkarsee im Kleinarlthale. Der größte Hochsee ist der Weißenecker See (2154 m; 800 m lang, 400 m breit und 14 m tief) im Hintergrunde des Hollersbachthales.
S. zählt 54 Moore (hier Moose [* 13] genannt) mit einer Gesamtfläche von 2880 ha, die 109 Mill. cbm Torf enthalten. Die größten sind die Pinzgauer Moose, welche sich von Mittersill bis Bruck längs der Salzach ausdehnen und zum Teil entwässert sind.
Das Klima von S. entspricht dem eines Gebirgslandes, mit großen Extremen und Unbeständigkeit der Witterung, hoher Feuchtigkeit und öftern Niederschlägen. Der Winter dauert 4‒5 Monate im Vorlande, 7 Monate im Gebirge, der Frühling ist kurz und geht bald in den regenreichen Sommer über. Die schönste und beständigste Jahreszeit ist der Herbst. Die Ursachen für das rauhe Klima [* 14] sind in der bedeutenden Höhe und in der Abgeschlossenheit gegen Süden zu suchen. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt zu S. 8,0° C., St. Johann 6,6°, Gastein 5,9°, Saalfelden 4,5°, Lofer 6,5°, Unken 7,7°, Tamsweg 3,4° C. Die Extreme schwanken zu S. zwischen +28° und -28° C.
Bevölkerung.
[* 15] Das Herzogtum S. zählte 1880: 163570, 1890: 173510 (85948 männl., 87562 weibl.)
deutsche kath. E., darunter 812 Evangelische, d. i. 24 E. auf 1 qkm und eine Zunahme (1880‒90) von 9940 Personen
oder 6,08 Proz. S. hat die geringste Dichtigkeit unter allen österr. Kronländern, und die Bevölkerung ist sehr ungleich
verteilt; im Flachlande beträgt sie (ohne die Stadt S.) 35, im Gebirge 11‒15 E. auf 1 qkm. In S. kommen 1019 Frauen
auf 1000 Männer, ein Verhältnis, das seit 1830 die Tendenz hat, sich dem Gleichgewicht
[* 16] der Geschlechter zu nähern. 1892 betrug
die Zahl der Trauungen 1332, der Geburten 5246 (davon 1430 Uneheliche), der Todesfälle 4645. Die Salzburger
sind ein kräftiger
Menschenschlag, ein biederes, fleißiges, nüchternes Gebirgsvolk, das fest an seiner alten Tracht, seinen
Festen und Spielen hängt. Hinsichtlich der Elementarbildung der Bevölkerung steht S. auf einer bessern Stufe der Entwicklung
als die übrigen österr. Alpenländer, indem (1890) nur 8 Proz. Analphabeten waren. Hauptbeschäftigung der Bewohner ist
die Land- und Forstwirtschaft (1890: 49,79 Proz.), dann der Bergbau
[* 17] und die Industrie (23,12 Proz.), während
mit Handel sich nur ein geringer Bruchteil (9,65 Proz.) beschäftigt.
Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche sind 13,71 Proz. unproduktiv, nur 9,2 Äcker, 8,3 Wiesen, 4,95 Hutweiden, 28,9 Alpen und 32,4 Proz. Wald. Im Durchschnitt der 10 Jahre 1882‒91 wurden geerntet: 115844 hl Weizen,174621 Roggen, 20875 Gerste, [* 18] 266158 Hafer, [* 19] 36279 hl Kartoffeln, 175511 t Heu. Diese Erntemengen reichen nicht zur Ernährung der Bevölkerung aus, weshalb S. viel Getreide [* 20] einführen muß. Hingegen wirft die Viehzucht [* 21] einen größern Ertrag ab, doch ließe sich derselbe noch erhöhen, wenn ihre Produkte eine bessere Verwertung fänden. 1890 wurden gezählt 11310 Pferde, [* 22] 143484 Rinder, [* 23] 51860 Schafe, [* 24] 17640 Ziegen, 13638 Schweine [* 25] und 12411 Bienenstöcke. Die Rinder und Pferde gehören meist dem schönen, besonders kräftigen Pinzgauer Schlag an. Die Forstwirtschaft, welche 231920 ha Waldungen umfaßt, worunter 10510 ha an der Saale der Krone Bayern gehören, wird ziemlich rationell betrieben. Der Obstbau ist bedeutend. Erwähnenswert ist auch die künstliche Fischzucht, die in der Anstalt zu Hellbrunn bei S. betrieben wird.
Bergbau. Das Land ist reich an Mineralien. [* 26] Im Habachthal werden Edelsteine, [* 27] im Rauriser Thal, am Goldberg (2400 m) und am Rathausberg (1915 m) bei Böckstein Golderze (1892:1210 t, woraus 10,88 kg Gold [* 28] gewonnen wurde), Kupfer [* 29] (Mitterberg produzierte 65214 t Kupfererze), Eisen [* 30] (bei Werfen 7906 t Erze) und Salz [* 31] (bei Hallein 1892: 23488 t Sud- und 350 t Industriesalz im Wert von 2247856 Fl.), Marmor (am Untersberge) gewonnen. Ebenso reich ist S. an Mineralquellen: alkalische (Kelchbrunnen bei Mauterndorf im Lungau mit 200 Kurgästen), Salzquellen (bei Golling, Unken und Hallein), Bitter-, Eisenwässer, Schwefelquellen und indifferente Thermen, darunter die berühmten Gasteiner Quellen sowie die kalten Gebirgsquellen von Unken, Leogang und Fusch.
Industrie, Handel und Verkehrswesen. Die Industrie ist unbedeutend; sie erstreckt sich meist auf Fabrikation von Metall-, Glas-, Marmor- und Thonwaren. [* 32] Hammerwerke bestehen in Ebenau, Werfen, Mauterndorf und Grödig. In der Stadt S. werden Wagen und Orgeln hergestellt. 54 Bierbrauereien erzeugten (1892) 335909 hl Bier. Die ärarische Tabakfabrik Hallein in S. erzeugte (1892) 23 Mill. Cigarren. Als Hausindustrie wird die Erzeugung von Leinenwaren, Loden und Strümpfen (in Hallein) betrieben. An Kreditinstituten hat S. eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank und sechs Sparkassen mit einem Einlagekapital von (1892) 19,36 Mill. Fl.
Die Eisenbahnlinien sind größtenteils Staatsbahnen; [* 33] im ganzen bestehen (1892) 247,58 km, ferner 568,38 km Telegraphenlinien mit 2542,5 km Leitungen sowie 1249,47 km Straßen, darunter 359,3 km Staatsstraßen.
Verfassung und Verwaltung. Der Landtag des Herzogtums S. besteht aus 26 Mitgliedern und zwar dem Fürsterzbischof von S. (als Virilstimme), 5 Vertretern des Großgrundbesitzes, 10 der Städte und Märkte, 2 der Handelskammer zu S. und 8 der Landgemeinden. Der Landesausschuß, das Verwaltungsorgan des Landtages, besteht aus dem Landeshauptmann und 4 Mitgliedern. In den österr. Reichsrat sendet S. 5 Abgeordnete. An der Spitze der Verwaltung steht die k. k. Landesregierung; ihr unterstehen als polit. Behörden erster Instanz eine Stadt mit eigenem Statut und vier Bezirkshauptmannschaften:
Stadt und Bezirkshauptmannschaften | qkm | Häuser | Wohnparteien | Einwohner | Einw. auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|---|
Stadt Salzburg | 8,76 | 1215 | 5496 | 27244 | 3110 |
St. Johann | 1764,75 | 5089 | 6552 | 30421 | 17 |
Salzburg (Umgebung) | 1729,42 | 12160 | 15802 | 71542 | 41 |
Tamsweg | 1019,47 | 2480 | 2259 | 12417 | 12 |
Zell am See | 2629,83 | 6124 | 6317 | 31886 | 12 |
Die Rechtspflege besorgen ein Landesgericht in S., das zum Oberlandesgerichtssprengel in Wien [* 34] gehört, und 20 Bezirksgerichte. Die finanzielle Verwaltung liegt der k. k. Finanzdirektion in S. und 15 ¶
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Steuerämtern ob, die Schulverwaltung dem Landesschulrate in S. und 5 Bezirksschulräten. In militär. Hinsicht untersteht das Land dem 14. Korpskommando in Innsbruck. [* 36] Das Wappen des Herzogtums ist ein längsgeteilter Schild; [* 37] rechts in goldenem Felde ein aufrechter schwarzer Löwe, links in rotem Felde ein silberner Querbalken. Auf dem Schilde ein Fürstenhut. [* 38] Die Landesfarben sind Rot-Weiß. (S. Tafel: Wappen [* 39] der Österreichisch-Ungarischen Kronländer, [* 35] Fig. 3, Bd. 12, S. 726.)
Geschichte. Das Land war schon unter der Römerherrschaft gut bevölkert, und frühzeitig fand das Christentum Eingang. In den Stürmen der Völkerwanderung wurde S. verwüstet, und auch Juvavum, das an der Stelle des heutigen S. gestanden hatte, lag in Trümmern. Den Grund zum Entstehen des spätern deutschen Reichslandes S. gab die Errichtung eines Bistums durch den heil. Rupert, der sich 696 auf den Ruinen von Juvavum niederließ. Der Herzog Theodor von Bayern schenkte ihm nicht bloß diesen Ort mit seiner nächsten Umgebung, sondern auch zahlreiche Güter in andern Gauen.
In der Zeit der Karolinger und der sächs. Kaiser erwarb die Salzburger
Kirche auch ausgedehnte Gebiete in Steiermark und Kärnten
und 1232 die Grafschaften im obern und untern Pinzgau. Unter Arno wurde das Bistum 798 zum Erzbistum erhoben. Die Erzbischöfe
lagen mit dem Kaiser, mit Österreich
[* 40] und Bayern, oder mit ihren eigenen Landständen und Unterthanen häufig
in Krieg und Hader. Erzbischof Leonhard Ⅱ., 1495‒1519, der 1498 alle Juden vertrieb und die gegen ihn verschworenen Großen
seines Landes gefangen nehmen ließ, erweiterte das Gebiet des Erzstifts durch bedeutende Ankäufe.
Wolfgang Dietrich, 1587‒1611, beschwor mit seinem Kapitel 1606 das Statut, das für ewige Zeit alle österr. und bayr. Prinzen aus demselben ausschloß. Unter dem Erzbischof Leopold Anton Graf von Firmian (s. d.), 1727‒44, wurden trotz der Verwendung des Corpus evangelicorum alle Protestanten, angeblich weil sie eine Verschwörung beabsichtigt hatten, aus dem Lande getrieben. So verließen 1731 und 1732 gegen 30000 fleißige und ruhige Unterthanen das Land, die namentlich in Preußen [* 41] Aufnahme fanden.
S. war seit dem Westfälischen Frieden außer den drei geistlichen Kurfürstentümern das einzige Erzbistum in Deutschland [* 42] und umfaßte damals ein Areal von 9900 qkm mit 190000 E. Die Säkularisation erfolgte 1802, und im Vertrag zu Paris [* 43] vom wurde S. nebst Eichstätt, [* 44] Berchtesgaden und einem Teile von Passau [* 45] dem Erzherzog von Österreich und Großherzog von Toscana, Ferdinand, zur Entschädigung für das im Lunéviller Frieden abgetretene Toscana gegeben und derselbe unter die Zahl der Kurfürsten aufgenommen.
Durch den Preßburger Frieden von 1805, infolge dessen der Kurfürst Ferdinand Würzburg [* 46] erhielt, kam S. an Österreich und Eichstätt und Passau an Bayern. Der Schönbrunner Friede von 1809 stellte es zur Verfügung Napoleons, der es 1810 an Bayern abtrat. Nach dem Pariser Frieden von 1814 wurde es von Bayern wieder an Österreich vertauscht, mit Ausnahme eines Teils vom linken Salzachufer, der nebst Berchtesgaden bayrisch blieb. Es bildete hierauf unter dem Titel eines Herzogtums (mit Ausnahme einiger zu Tirol geschlagenen kleinen Bezirke) den Salzachkreis des Landes ob der Enns, bis es 1849 losgetrennt, zu einem selbständigen Kronlande konstituiert wurde und infolge des Patents vom nach langer Zeit wieder den ersten Landtag erhielt.
Vgl. Pichler, S.s Landesgeschichte (Salzb. 1865);
Meiller, Regesta archiepiscoporum Salisburgensium (Wien 1866);
Jahrbuch der
Geschichte für salzburg.
Landeskunde (Salzb. 1867);
Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde (ebd. 1861 fg.);
Abriß der Landeskunde des Herzogtums S. (ebd. 1877);
Die Österreichisch-Ungarische Monarchie in Wort und Bild.