Dieser
Prozeß ist einer
Gärung vergleichbar und verläuft, wie es scheint, unter dem Einfluß eines Ferments, welches, wie
bei der alkoholischen
Gärung, aus niedern Organismen besteht. Tötet man
letztere und entzieht der hinzutretenden
Luft die
Keime, aus welchen sich von neuem
Ferment entwickeln würde, so findet keine Salpeterbildung statt.
Ozon oxydiert
Ammoniak
sehr leicht, und da es weitverbreitet in der
Natur vorkommt und überall auch
Ammoniak vorfindet, so erscheint die
Oxydation
des
Ammoniaks durch
Ozon als einer der wichtigsten Salpeterbildungsprozesse in der
Natur. In lockern, porösen
Materialien, wo
Ammoniak,
Feuchtigkeit und
Luft mit kohlensaurem
Kalk oder
Kali zusammentreffen, entsteht S. Das
Ammoniak wirkt
dabei zum Teil auch als
Base, und es entsteht salpetersaures
Ammoniak, welches durch den kohlensauren
Kalk zersetzt wird. Die
langsame
Verbrennung desHumus veranlaßt, wie die des mit
Ammoniak befeuchteten
Kupfers, die
Oxydation des
Ammoniaks.
S. im großen benutzt man nur den billigen Natronsalpeter, destilliert aus gußeisernen Cylindern und leitet die Dämpfe der
S. in eine Reihe zweihalsiger, untereinander verbundener Steinkrüge, welche etwas Wasser enthalten. Die hier nicht verdichteten
Dämpfe werden schließlich in einen Koksturm geleitet, in welchem Wasser herabtröpfelt. Einen Kondensationsapparat, der nur
im Fall einer Ausbesserung auseinander zu nehmen ist und daher bedeutende Ersparnisse gewährt, auch größere
Ausbeute liefert, zeigen die Figuren 1-3. Die Dämpfe kommen durch das Rohr A aus dem Zersetzungsapparat und treten zunächst
in die Vorlage B, welche die in
[* 7]
Fig. 2 angegebene Einrichtung besitzt.
Die hier verdichtete Säure fließt in die Sammelflasche B'. Im mittlern Tubulus der Flasche
[* 8] B steckt ein
Tropftrichter P
[* 7]
(Fig. 3), um hier Wasser zufließen lassen zu können. Die in B nicht verdichteten Dämpfe gehen weiter durch
die Flaschen C, D, D', E, F, G, G' nach H. Von diesen Flaschen sind die vier untern mit Abflußröhren versehen,
welche die verdichtete Säure durch eine gemeinsame Röhrenleitung der Sammelflasche O zuführen. Die vier obern Flaschen sind
unten trichterförmig gestaltet und in die mittlern Tubulaturen der untern eingesetzt.
Auch hier sind Tropftrichter P P angebracht, um Wasser oder verdünnte Säure zuleiten zu können. Die zuletzt in H
noch nicht verdichteten Dämpfe gehen durch die mit Bimsstein gefüllten Flaschen I, I', I'' und ein thönernes Schlangenrohr,
welches in einem Kühlfaß liegt und durch den Hahn
[* 9] M mit Wasser gespeist wird, so daß der Bimsstein durch herabrieselndes
Wasser stets feucht erhalten bleibt. Die hier verdichtete Säure fließt in die Flasche N und wird statt
Wassers in die Vorlagen geleitet.
Bei Anwendung gleicher MoleküleSalpeter und Schwefelsäure bleibt ein saures Salz
[* 10] zurück, welches flüssig aus dem Destillationsgefäß
abgelassen werden kann; nimmt man aber 2 MoleküleSalpeter auf 1 MolekülSchwefelsäure, so wird das zweite Molekül des Salpeters
bei genügend erhöhter Temperatur durch das saure schwefelsaure Alkali zwar auch zersetzt, zugleich wird
aber auch ein Teil der S. zersetzt, und es entsteht Stickstoffperoxyd, welches von dem Wasser in den Steinkrügen zwar teilweise
zurückgehalten wird, aber zur Vermeidung von Verlusten die Anwendung von Kokstürmen fordert, durch welche man die aus den
Krügen entweichenden Gase leitet.
Die konzentrierte S., auch die in Glasgefäßen bereitete, ist durch einen größern oder geringern Gehalt von Stickstofftetroxyd
gelblich gefärbt,
da stets ein kleiner Teil der S. zersetzt wird. An Stickstofftetroxyd sehr reiche rotbraune, sogen. rote
rauchende S. erhält man durch Destillation
[* 11] von Salpeter mit einem Gemisch von gewöhnlicher und rauchender
Schwefelsäure, wobei man, um genügend Stickstofftetroxyd zu bilden, während der Destillation noch einige Stückchen Holzkohle
in die Retorte wirft.
Die rauchende S. stößt an der Luft dichte rotbraune Dämpfe aus und hat das spez. Gew. 1,55; sie wird
durch mäßiges Erwärmen u. Einleiten eines Luftstroms gebleicht und hat
dann das spez. Gew. 1,5. Das doppelte Scheidewasser des Handels von 1,4-1,42 spez. Gew.
enthält 65-70 Proz. S., einfaches Scheidewasser von 1,35-1,38 spez. Gew.
55-60 Proz. S., reine S. von 1,185 spez. Gew. 30 Proz.
S. Die rohe S. enthält fast immer Chlor, Jod, Stickstofftetroxyd, salpetrige Säure, etwas Schwefelsäure, Natron, Eisen
[* 12] etc. und
wird durch Rektifikation, wobei man die Vorlage wechselt, sobald chlorfreie Säure übergeht, und einen
Rückstand läßt, gereinigt.
Diese Substitutionsprodukte heißen Nitroverbindungen. S. entfärbt Indigolösung, färbt Haut, Nägel,
[* 15] Wolle gelb. Mit Salzsäure
bildet sie das Königswasser u. mit Basen nur eine Reihe von Salzen. Das Anhydrid (Stickstoffpentoxyd, wasserfreie
S.) N2O5 entsteht bei Einwirkung von trocknem Chlor auf trocknes salpetersaures Silberoxyd, bildet große,
farblose Kristalle,
[* 16] ist äußerst flüchtig, schmilzt bei 30°, siedet bei 45°, explodiert bei stärkerm Erhitzen, auch bei
längerm Aufbewahren, verhält sich meist passiv gegen Metalle, gibt mit Wasser unter starker Erhitzung
S.
(Scheidewasser, acidum nitricum, aqua fortis, frz. acide nitrique,
engl. nitric acid). - In dem schwach salzig und kühlend schmeckenden Salpeter steckt diese bekannte energische Säure,
eine Verbindung von Stick- und Sauerstoff, also denselben Gasen, aus welchen die atmosphärische Luft besteht; der Unterschied
ist aber der, daß die Luft ein bloßes Gemisch der beiden Gase, die Säure eine chemische Verbindung derselben ist. Die
Säure bedarf aber zu ihrem Bestehen als Flüssigkeit auch einen bestimmten Anteil Wasser in chemischer
Bindung (in 100 Tln. 14,25); sie ist also ein sog. Hydrat.
Man hat zwar in neurer Zeit dieselbe auch wasserfrei, in Form von Kristallen herstellen gelernt, aber sie ist dann nur ein
Kuriosum und zwar ein gefährliches, das nur in zugeschmolzner Glasröhre in Kühle und Dunkelheit aufbewahrt werden
kann, und auch da nicht für lange, denn sie zerfällt schließlich immer unter heftigster Explosion in ihre gasigen Bestandteile.
Man benutzt zur Darstellung der S. stets den billigen Natronsalpeter (Chilisalpeter), der auch eine größere Ausbeute liefert,
als der Kalisalpeter; durch bloßes Erhitzen von S. läßt sich die Säure nicht als solche abtreiben,
sondern sie zerfällt dabei und die Bestandteile gehen einzeln fort. Die Säure muß durch eine stärkere Säure ausgetrieben
werden, die ihre Stelle einnimmt und ein neues Salz bildet. Dies geschieht auf heißem Wege in Form einer Destillation, wobei
die Säure dampfförmig übergeht und sich in Vorlagen wieder zu Flüssigkeit verdichtet. Die Schwefelsäure
ist die hierzu allein verwendbare; sie bildet mit dem Natron des Chilisalpeters einen Rückstand von Glaubersalz.
Die Darstellung gleicht somit vielen andern Abtreibungsarbeiten, namentlich der Bereitung der Salzsäure aus Kochsalz, so genau,
daß dieselben Apparate zu beiderlei Zwecken gebraucht werden können. Die Destillation geschieht bei kleinen
Quantitäten, wie sie z. B. in Apotheken zum Selbstgebrauch hergestellt werden, und sonst,
wo es sich um eine reinere Säure handelt, aus gläsernen Retorten, bei der in großartigster Menge fabrikmäßig dargestellten
Säure dagegen fast ausschließlich aus
großen gußeisernen Cylindern, in welche der Salpeter zu mehrern Zentnern auf einmal
gebracht und die Schwefelsäure nachgefüllt wird.
Eisen wird zwar unter gewöhnlichen Umständen von Schwefelsäure und S. angegriffen;
dies ändert sich aber, wenn das Metall
stark erhitzt ist;
es gerät dann in den sog. passiven Zustand, der es gegen die Säuren unempfänglich macht.
Es ist daher Einrichtung getroffen, daß die Destillierblasen allseitig vom Feuer umspielt werden;
unter
diesen Umständen erleidet das Eisen sehr wenig Angriff, und ein kleiner Eisengehalt zeigt sich nur in der Säure der ersten
Vorlagen.
Die sauren Dämpfe gehen nämlich durch eine Reihe zweihalsiger Flaschen aus Steinzeug, die alle durch gekrümmte
Rohrstücke miteinander verbunden sind; in diesen Gefäßen schlägt sich die Säure tropfbar nieder
und wird am Boden durch einen Hahn abgelassen. Stehen die Kondensationsflaschen in Kühlwasser, so wird nur eine kleine Anzahl
gebraucht, eine größere, wenn die Kühlung der Luft überlassen bleibt. Die Flaschen enthalten kein Wasser, da das zum
Bestehen der Säure erforderliche sich schon aus der Destillation mit ergibt, denn die hierzu benutzte
Schwefelsäure ist stets wasserhaltig.
Je nachdem stärkere oder schwächere Säure verlangt wird, verwendet man konzentriertere oder verdünntere Schwefelsäure;
in den Kondensiergefäßen selbst sammelt sich die Säure in verschiedner Stärke, am stärksten in den ersten und so abnehmend
bis zum äußersten. Die S. läßt sich mit der rechnungsmäßig entsprechenden, also äquivalenten Menge
von Schwefelsäure nicht glatt und farblos abtreiben, sondern man braucht hierzu die doppelte Menge der letztern Säure;
der Rückstand ist dann auch nicht Glaubersalz, sondern doppelt schwefelsaures Natron, welches jetzt unter dem Namen Weinsteinsurrogat
in der Färberei als Beize verwendet wird.
Das einfache Äquivalent der Schwefelsäure zersetzt ohne weiteres nur die Hälfte des vorhandenen Salpeters;
die andre bleibt nebst doppelt schwefelsaurem Natron übrig. Erst wenn das Gemenge weiter und bis nahe zum Glühen erhitzt
wird, erfolgt wieder Zersetzung des Salzes, aber auch die S. erleidet in diesem Falle zum Teil eine solche und wird
in Sauerstoff und Untersalpetersäure zerlegt, braunrote Dämpfe, welche von der unzersetzt übergehenden Säure verschluckt
und an der freien Luft allmählich wieder ausgestoßen werden.
Die wie vorstehend dargestellte Säure ist die eine käufliche Sorte, die rote rauchende (acidum nitricum fumans). Sie ist
an sich schon die stärkste, und besitzt auch infolge dieser Beimischung eine stärker oxydierende und
lösende Wirkung als die gewöhnliche, wird daher für gewisse Zwecke besonders gebraucht und absichtlich dargestellt. Die
gewöhnliche Säure ist käuflich als doppeltes und einfaches Scheidewasser, die sich nur im Wassergehalt unterscheiden.
Das erstere ist keineswegs das vorerwähnte einfache Säurehydrat, sondern enthält mehr Wasser, auch
noch mehr, als die rauchende Säure, die daher durch Wasserzusatz, wodurch die rote Untersalpetersäure zersetzt wird, zu
doppeltem Scheidewasser
¶
mehr
werden kann. Dies letztere ist in reinem Zustande farblos, färbt sich am Tageslicht gewöhnlich gelb und hat ein spezifisches
Gewicht von 1,33-1,40 (31-42° Bé.). Das
einfache Scheidewasser hat 70-75% Wasser, ist daher weniger energisch wirkend und wiegt 1,19-1,21 (24-30° Bé). Der Verkauf
im ganzen geschieht mit Angabe der Grade und sind die gewöhnlichen Stärken 40 und 36°. Sie wird wie
die andern Mineralsäuren in großen gläsernen Ballons versandt, die in Körbe eingesetzt sind. -
Die S., wie sie die Fabriken für den großen technischen Konsum liefern, ist für manche Zwecke rein genug, für andre muß
sie noch raffiniert werden. Die rohe Säure ist meistens schwachgelb gefärbt, was von Eisen, Untersalpetersäure
und Chlorverbindungen herrühren kann. Letztere sind in der Regel vorhanden und stammen von dem hartnäckigsten Begleiter
des Chilisalpeters, dem Kochsalz. Vom Eisen abgesehen lassen sich die färbenden Stoffe durch bloße Hitze verjagen; um die
Säure farblos herzustellen, erhitzt man dieselbe in steinernen Ballons, die in einem mit Dampf heizbaren
Wasserbade stehen, längere Zeit mäßig, wobei jene Stoffe gasförmig durch ein Rohr abziehen. Etwas mit übergerissene Schwefelsäure
ist ebenfalls ein gewöhnlicher Bestandteil der rohen Säure und durch die geeigneten Mittel zu entfernen. Chemisch reine
Säure (acidum nitricum purum) wird ebenfalls zu manchen Zwecken gebraucht und ist jetzt Handelsartikel
geworden. -
S. hat eine äußerst vielseitige Verwendung in der chemischen wie gewerblichen Tecknik, in der Chemie, in kleinern Quantitäten
auch zu medizinischem Gebrauch. Eine ihrer ältesten Anwendungen war die zur Scheidung von Gold und Silber, wodurch ihr der
alte Name Scheidewasser geworden ist. Aus einer Goldsilberlegierung löst die Säure nur das Silber und
läßt das Gold pulverförmig zurück. Die meisten Metalle werden von der Säure gelöst und dient sie daher zur Darstellung
verschiedner salpetersaurer Metallsalze. Die Säure ist bekanntlich das Ätzmittel der Kupferstecher, dient zum Abbeizen
von Metallen, zum Brünieren von Eisen, bei der Herstellung von Beizen für Hutmacher und Pelzfärber
etc.
Sie hat das Vermögen, eine Menge organischer Stoffe gelb zu färben, indem sie dieselben zerstört und, je nach der Natur
dieser Stoffe, die verschiedenartigsten neuen Verbindungen bildet. Meistens ist die Wirkung eine oxydierende, wobei Sauerstoff
abgegeben wird und salpetrige Säure entweicht. In manchen Fällen geht auch der Stickstoff der Säure
in die neue Verbindung mit ein und es entstehen die merkwürdigen Nitrokörper (Nitroglycerin, Nitrobenzin, Pikrinsäure, Schießbaumwolle
u. a.).
Von den zahlreichen organischen Körpern dürfte es wenige geben, die nicht durch die Säure teils schon in der Kälte, teils
erst in der Hitze eine solche Umwandlung durch Oxydation erfahren, daß sie zu ganz andern Stoffen werden.
Der Zersetzungsrückstand ist in vielen Fällen Kleesäure allein oder mit andern Säuren gemengt. Die Schwefelsäuredarstellung
gibt ein Beispiel, wie auch die roten Dämpfe von salpetriger Säure, sonst eine üble Nebenerscheinung, einer nützlichen
Anwendung
fähig sind; sie bilden dort gerade ein Hauptglied in der Kette der Operationen. Unter den
einfachen Körpern ist der Phosphor besonders leicht durch S. oxydierbar; das Produkt ist die Phosphorsäure, die von jener
nichts als lediglich Sauerstoff an sich genommen hat.
Ein Gemisch der S. mit Salzsäure bildet die Salpetersalzsäure oder das Königswasser (aqua regis), bekannt
als das Lösungsmittel für Gold, den König der Metalle, das in gleicher Weise für Platin dient. Die Produktion und der Verbrauch
dieser Säure ist ein ziemlich bedeutender, von 1868 bis 1872 stieg z. B. die Produktion
in Deutschland von 36300 Ztr. bis 70376 Ztr. im Jahre. Bei der
Versendung der roten rauchenden S. gilt die Vorschrift, daß die Flaschen oder Ballons mit einem mindestens ihrem Inhalte
gleichen Volumen getrockneter Infusorienerde oder andrer geeigneter trockenerdiger Substanzen umgeben sein müssen. Der Preis
der gewöhnlichen S. von 36° Bé. beträgt
jetzt circa 45 Mk. pro 100 kg, der von 40° Bé. 52 Mk.
Die Einfuhr von S. in das Deutsche Reich belief sich 1881 auf 90000 kg, die Ausfuhr dagegen auf 688200 kg. -