Saint
Triphon
(Kt. Waadt,
Bez. Aigle,
Gem.
Ollon). 431 m. Gemeindeabteilung und Dorf, am
O.-Hang des Hügels von
Saint Triphon
und zwischen ihm und dem Hügel
von
Charpigny, 3 km ssö.
Aigle und 1,5 km sw.
Ollon. Station der Simplonbahn
(1,7 km s. vom Dorf). Postbureau, Telephon; Postwagen nach
Monthey. Zusammen mit
Les Isles: 83
Häuser, 525 reform. Ew.;
Dorf: 46
Häuser, 281 Ew. Kirchgemeinde
Ollon. Das Dorf ist gut gebaut und von schönen Baumgärten umgeben. Acker- und Weinbau.
An beiden Hängen der Hügel von Saint Triphon
und
Charpigny wird der bekannte schwarze Marmor gebrochen, der sehr geschätzt
und besonders zu architektonischen Zwecken verwendet wird. Er ist ein dunkler, sehr homogener und etwas
dolomitischer Kalkstein triadischen
Alters, dessen Schichten nahezu horizontal gelagert sind, was den Abbau ausserordentlich
erleichtert.
Zur Zeit stehen drei
Brüche in Betrieb: Les Fontenailles,
Étrives und Le
Lessus. Die beiden ersten gehören der «Société
anonyme des carrières de Saint Triphon
et de
Collombey», die etwa 150-180 Arbeiter beschäftigt und alljährlich
mehr als 6000 Wagenladungen (zu 10 Tonnen) ins In- und Ausland (besonders in die Umgebungen von Lyon) verfrachtet. Der
Bruch
von Le
Lessus liefert jährlich 1600 Wagenladungen desselben Marmors. Alle
Brüche haben Geleiseanschluss an die Station.
Von grossem Interesse ist die geschichtliche
Rolle, die die Anhöhe von Saint Triphon
gespielt hat und
die weit in die Vorzeit hinaufreicht, da dieser Hügel allen den Völkerschaften, die hier am Eingang zum
Rhonethal der Reihe
nach aufeinander gefolgt sind, von jeher als von der Natur gegebene Festung gedient hat. Man hat Reste aus der Bronzezeit
(prachtvolle Armringe unter einem erratischen Block, mehrere Gräber am obern Rand der
Brüche von Le
Lessus, eine Giesserei etc.), sowie aus der Zeit der Kelten und der
Römer aufgedeckt.
Die Stelle war für die Römer ein wichtiger strategischer Punkt an der Strasse von Aventicum (Avenches) über den Col de Jougne nach dem Grossen St. Bernhard, die am Fuss des steilen und schroffen W.-Abfalles des Hügels hinzog. An diesem Weg, der später umgetauft und Sentier des Pèlerins genannt wurde, weil er meist von den nach Saint Maurice wallfahrenden Pilgern begangen war, hat man bei der Schmiede von Le Lessus einen römischen Meilenstein aufgefunden, der heute in die Mauer der Kirche von Ollon eingelassen ist und folgende Inschrift trägt: Imp.
Caes.
Val. Liciniano. Licinio. P. F. Invicto.
Aug. F. Cl. Vati. Oct. M. P. XVII. Römische Gräber am Rand eines auf den Hügel
hinaufführenden,
Sentier des
Dames genannten
Weges. An der NO.-Ecke und am Fuss des Hügels Reste einer
Römersiedelung; bei
Les Saves nahe der
Tuilerie de Saint Triphon
hat man eine altrömische Ziegelei aufgedeckt, die rote Ziegel
herstellte. In der auf die Römerherrschaft folgenden Zeit der Barbareneinfälle bot der Hügel von Saint Triphon
den Leuten
einen besseren
Schutz als die Rhoneebene und wurde deshalb ständig bewohnt.
Davon zeugen eine Reihe von Ueberresten aus dem Mittelalter. In erster Linie ist das
Schloss von Saint Triphon
mit seinen
Nebenbauten zu nennen, das aus dem 11. Jahrhundert stammt. Wenn man vom Dorf aus den Hügel von Le
Lessus, auch
Motte de Saint Triphon
(478 m) genannt, hinaufsteigt, gelangt man durch die Oeffnung einer Aussenmauer und ein noch ziemlich
gut erhaltenes Portal einer zweiten
Mauer zu dem von weither sichtbaren
Turm von Saint Triphon
, der von einem
Graben umgeben
ist. Er bildet ein 20 m hohes Quadrat von 10 m Seitenlänge, hat sehr dicke Mauern und eine erste Oeffnung
erst in einer
Höhe von 8,3 m. Weiter oben folgen andere, unregelmässig angeordnete Fenster und dann eine Reihe von 1,6-2
m aus der
Mauer vorspringenden Marmorgesimsen, die wahrscheinlich einst eine Aussengallerie getragen haben. Am NO.-Rand des
Felsens und nahe dem
Turm bemerkt man die Ruinen von zwei nebeneinander
¶
mehr
stehenden romanischen Kapellen, in deren einer man noch die Stelle des Chores und Reste von Fensteröffnungen sehen kann. Die ältere und zugleich noch am besten erhaltene ist im 13. Jahrhundert von Wilhelm von Pontverre erbaut und der h. Jungfrau geweiht worden, während die andere 1311 von Aymon de Châtillon, Bischof von Sitten, geweiht wurde. Sie gehörte der Abtei von Saint Maurice, war eine Zeit lang ein viel besuchtes Wallfahrtsziel und wurde vom Pfarrer der St. Viktorskirche in Ollon bedient.
Man hat noch Reste der Treppe aufgedeckt, die vom Hügelfuss hier hinaufführte, und daneben auch Stücke der einstigen Bleileitung gefunden, die das Schloss mit dem Quellwasser von Verschiez versorgte. An der gegenüberliegenden Ecke des Hügels steht ein heute ganz mit Epheu umsponnener Bau, der aus der Zeit der Berner Oberhoheit datiert und als Wachthaus gedient hat. Zwischen diesem Signal und der prähistorischen Giesserei fanden sich ein Kalkofen und ein Mörser aus Bronze.
Der Turm von Saint Triphon
steht als historisches Denkmal unter der Aufsicht und Obhut des Staates Waadt.
Man glaubt, dass die Festungsanlagen
auf dem Hügel von Saint Triphon
von den hochburgundischen Königen erbaut worden sind und zwar zunächst blos zu dem Zwecke,
um den Bewohnern der Umgebung in Kriegszeiten als Zufluchtsstätte zu dienen. Dann setzte man einen Burgvogt
hierher, der mit Grundbesitz belehnt wurde. So bildete sich allmählig die Herrschaft von Saint Triphon
, die urkundlich zum
erstenmal am Anfang des 13. Jahrhunderts erscheint und wahrscheinlich schon seit dem 10. Jahrhundert von der «Villa» Ollon
losgelöst worden war.
Schloss und Grundbesitz gehörte als Lehen der Abtei Saint Maurice den Herren von Saint Triphon
, deren erster,
Humbert, den Titel eines Ritters von Saint Triphon
führte. Zwei Urkunden aus 1231 zeigen dann, dass die Herrschaft zu dieser
Zeit dem Grafen Thomas von Savoyen gehörte, der sie dem Gui de Pontverre und den Herren von Saillon zu Lehen
gab. 1232 wird das Schloss «domus» und 1238 «castrum»
genannt. Später waren der Reihe nach Inhaber der Herrschaft Boniface de Châtillon aus dem Aostathal (1333), Gui und Jean Thome
aus der Lombardei (1342) und Jean de Rovéréaz (1367). Dann wurde die Herrschaft geteilt. Die nach Italien
zurückkehrenden Banden des bei Murten geschlagenen Heeres Karls des Kühnen, die auf ihrem Weg alles plünderten und in Brand
steckten, haben das Schloss Saint Triphon
1475 zerstört. Als Mitherren der Herrschaft von Saint Triphon
werden noch 1608 David
und Anton von Rovéréaz genannt. 1190: ecclesia S. Triphoni.