Erlaubnis der Königin Bertha) in ein Chorherrenstift um, das zur Zeit der Reformation aufgehoben wurde, bei welchem Anlass
man auch das
Grab des Heiligen zerstörte und seine Reste fortwarf. 999 erhielt das Bistum Basel
von Rudolf III., dem letzten Burgunderkönig,
die weltliche Oberhoheit über die Abtei
Moutier-Grandval und alle ihre Besitzungen. Von da an gehörte
St. Immer und das ganze Thal bis Ende 1797 zum Fürstbistum Basel.
Dann kam es bis 1814 an Frankreich, worauf es von den verbündeten
Mächten zusammen mit dem ganzen ehemaligen Grundbesitz des Bistums unter die Verwaltung des Freiherrn von Andlau gestellt
wurde, um dann im Wienervertrag von 1815 der
Schweiz und speziell dem Kanton Bern
zugesprochen zu werden.
Während der Zeit der französischen
Herrschaft bildete das St. Immerthal einen Teil der Subpräfektur
Delsberg. Die Geschicke
des Dorfes
St. Immer sind von jeher mit denen des ganzen
Thales, der sog. Landschaft
Erguel (s. diesen Art.)
eng verknüpft gewesen. Im
Lauf des 19. Jahrhunderts wurde das Dorf zu wiederholten Malen von Feuersbrünsten heimgesucht,
die fast alle alten Bauten zerstörten, so dass es heute eine auch im Aeussern durchaus moderne Ortschaft darstellt.
Aus
St. Immer stammen folgende drei hervorragende Männer: Benedikt Alphons Nicolet († in Paris 1806),
ein geschickter
Maler und sehr guter Kupferstecher;
der Philanthrop Dr. Schwab (geb. 1833, † in Bern
1900), der Begründer der
Sekundar-, Uhrenmacher- und Haushaltungsschule in
St. Immer, sowie des Sanatoriums
Heiligenschwendi;
Ernst Francillon (1834-1900),
Gründer der Uhrenfabrik Les Longines, ehemaliger Präsident des Verwaltungsrates der
Jura-Simplon- und der
Jura-Bern-Luzern-Bahn
und 1881-1890 Nationalrat.
Die das Thal seiner ganzen Länge nach durchziehende
Schüss
(Suze) erhält zahlreiche Zuflüsse, von denen einige im Frühjahr
und Herbst schöne kleine
Wasserfälle bilden,
während sie dagegen im Sommer alle fast gänzlich trocken
liegen. Die merkwürdigste dieser Nebenadern ist die Doux, die als Stromquelle aus dem Fuss einer grossen Felswand herauskommt,
eine ganz kleine
Schlucht durchfliesst, einen hübschen Fall bildet und bei
Le Torrent 1,5 km oberhalb
Cormoret von links in
die
Schüss mündet, der sie ein vom
Plateau der
Freiberge herstammendes, beträchtliches Wasserquantum
zuführt.
Die Hänge des
Sonnenberges und des
Chasseral sind mit dichten Tannenwäldern bestanden, die dem
Vallon, von
Sonceboz aus gesehen,
ein ernstes und beinahe wildes Gepräge verleihen. Höher oben tragen diese Juraketten ausgezeichnete Sennberge. Der obere
Thalabschnitt eignet sich seiner beträchtlichen Höhenlage wegen wenig zum landwirtschaftlichen Betrieb,
so dass Acker- und Obstbau erst von unterhalb
St. Immer an befriedigende Erträge liefern. Das Klima ist rauh: sehr schöne,
aber kurze Sommer; lange, ja sehr lange Winter mit viel
Schnee und scharfer
Kälte im Januar und Februar. Im obern Thal ist
Nebel selten; im Herbst und manchmal auch im Winter steigen die über dem
Bielersee liegenden dichten
Nebel bis nach
Sonceboz hinauf, werden aber durch die
Sonne bis um Mittag jeweilen immer wieder in die
Schlucht von
La Reuchenette
zurückgedrängt. Im allgemeinen ist das Thal gesund, so dass seine Bewohner meist ein hohes
Alter erreichen.
Die beträchtliche Zahl von 18230 Ew. verteilt sich auf folgende 9 Gemeinden:
Sonceboz-Sombeval 1158 Ew.,
Corgémont 1418 Ew.,
Cortébert 793 Ew.,
Courtelary 1228 Ew.,
Cormoret 669 Ew.,
Villeret 1422 Ew.,
St. Immer 7455 Ew.,
Sonvilier 2341 Ew.,
Renan 1746 Ew.
Alle diese
Dörfer zeugen mit ihren mit roten Ziegeln bedeckten, grossen weissen
Häusern von Wohlstand
und Reinlichkeit. Einzig
Courtelary und
Sombeval haben mit ihren zahlreichen niedrigen
Häusern, deren breite Dächer an die
alten burgundischen
Meierhöfe im Hochjura erinnern, noch ein altertümliches Gepräge bewahrt.
Ueberall herrscht eine sehr rege und intensive industrielle Tätigkeit. Die erste Ursache dieses erstaunlichen
Wohlstandes ist die Uhrenmacherei, die von J. Nicolet gegen Ende des 18. Jahrhunderts
im Thal eingeführt wurde. Der Thalbewohner
ist arbeitsam, geschickt und erfinderisch veranlagt, er begeistert sich für alles Schöne und ist gesellig, fröhlicher
Sänger und guter
Schütze und
Turner. Er liebt es, seine freien Tage zu Ausflügen zu benutzen, die ihn
meist auf den
Chasseral und den
Sonnenberg führen.
St. Immer wird sich ohne Zweifel zu einem Touristenzentrum entwickeln, sobald
es einmal eine Drahtseilbahn auf den
Chasseral, den schönsten und aussichtsreichsten Gipfel im mittleren
Jura, hat. Das Thal
ist mit guten und
¶
mehr
zahlreichen Verkehrswegen versehen, obwohl deren Anlage oft schwierig genug gewesen ist. Vor allem ist die Bahnlinie Biel-Sonceboz-LaChaux de Fonds zu nennen, die alle Gemeinden des industriellen Thales bedient. Im obern Thalabschnitt geht sie heute durch
den Tunnel von Les Crosettes direkt nach La Chaux de Fonds, während sie früher von der Haltestelle Le Creux
an einen Bogen gegen SW. beschrieb, einen Tunnel durchfuhr und auf die Neuenburger Station Les Convers ausmündete.
Die das Thal einfassenden ausgedehnten Waldungen geben Veranlassung zu einem im grossen Massstab betriebenen Holzhandel,
und die Moore von Les Pontins liefern eine beträchtliche Menge von Torf, für den der OrtSt. Immer selbst
der grösste Abnehmer ist. Gegenüber St. Immer wird in der Flanke des Chasseral ein Bruch auf prachtvollen Baustein betrieben.
GuteSandgruben sind in der Decke von Glazialschutt längs der Strasse Sonceboz-PierrePertuis angelegt. Die Schüss liefert trotz
der zahlreichen an ihrem Ufer stehenden Fabrikbetriebe immer noch viele Forellen, während dagegen das
jagdbare Wild immer seltener wird. Sehenswürdigkeiten des Thales sind der Roc Mil-Deux bei Les Convers, die Ruine der Burg
Erguel gegenüber Sonvilier, die Combe Grède, Pierre Pertuis, die Stromquelle der Doux, die Juragletschermoräne bei Champ Meusel,
der Turm der Königin Bertha in St. Immer.
Die Geschichte des Thales deckt sich mit derjenigen der Landschaft Erguel und des Amtsbezirkes Courtelary (s. diese Art.) und
weist seit der Angliederung an den Kanton Bern
keine besonders wichtigen Ereignisse mehr auf. Zu erwähnen ist dagegen die grosse
Rivalität zwischen Courtelary und St. Immer, welch' letzterer Ort, der sich beinahe zu einer Stadt ausgewachsen hat, schon
zu wiederholten Malen den - bis jetzt nicht gelungenen - Versuch machte, Amtssitz des Bezirkes zu werden. Im St. Immerthal
sind mehrere hervorragende Männer geboren oder wohnhaft gewesen, so z. B. der General in sardinischen
Diensten Th. Thellung (1722-1789) und Nicolas Béguelin, Erzieher Friedrichs des Grossen von Preussen, beide aus Courtelary
gebürtig;
der Arzt und Naturforscher Abraham Gagnebin (1707-1800) und sein ebenfalls als Naturforscher bekannter Bruder
Daniel Gagnebin (1709-1781) aus Renan;
Benedikt Alphons Nicolet († in Paris 1806), Maler und Kupferstecher, aus
St. Immer;
der berühmte Automatenfabrikant Jakob Frisard († 1811) aus Villeret, der Dekan Morel (1772-1848) aus Corgémont,
Verfasser des Abrégé de l'histoire du cidevant évêché deBâle;
der Philanthrope Dr. Schwab (1833-1900) und der Industrielle
Ernst Francillon (1834-1900) aus St. Immer;
der Patriot und eidgenössische OberstAmiGirard (geb. 1819)
aus Saint Martin im Val de Ruz, der 1904 in Renan gestorben ist, wo auch Samuel d'Aubigné, der Onkel der Frau von Maintenon,
begraben liegt.
In geologischer Hinsicht bildet das St. Immerthal eine Mulde, die zwischen ihren stark aufgerichteten und sogar überliegenden
jurassischen Schenkeln Tertiär (der Oeninger-, der helvetischen und der aquitanischen Stufe) und Neocom
(Valangien und Hauterivien) enthält. Bei Renan hat man auch Fetzen von Albien aufgefunden. Beträchtlich sind die glazialen
und fluvioglazialen Ablagerungen, die mit der mergelig-sandigen Tertiärunterlage der Thalsohle und der untern Gehänge die
Fruchtbarkeit des Bodens bedingen. Die felsigen oder mit Sturzschutt bedeckten oberen Gehänge sind dagegen
dem Waldwuchs günstig.