Safienthal
oder Safierthal (Kt. Graubünden,
Bez. Heinzenberg).
Eines der
Thäler des Bündner
Oberlandes, das östlichste der
rechtsseitigen Nebenthäler des Vorderrheinthals. Sein Fluss, die
Rabiusa, durchmisst von der Quelle am
Bärenhorn bis zur
Mündung bei
Versam etwa 30 km, wovon auf das Safienthal
etwa 26 km kommen. Dieses ist nächst dem
Lugnez das grösste der
Seitenthäler des
Vorderrhein, aber im Gegensatz zum
Lugnez nur sehr eng und fast gar nicht verzweigt.
Eingeschlossen wird es links von der Kette des
Piz Tomül oder des
Weissensteinhorns, rechts
von derjenigen des
Piz Beverin,
wovon die erstere am
Bärenhorn, die letztere am
Grauhorn mit der
N.-Wand des Rheinwaldthales verbunden ist. Den
Thalabschluss bildet in der Hauptsache der Safier- oder
Löchliberg, über den ein
Pass nach
Splügen führt. Die Hauptgipfel
dieser Ketten sind: links das
Bärenhorn (2932 m), der
Piz Tomül (2949 m), der
Piz Grisch (2862 und 2846 m) und die vielen
Spitzen des wild zerrissenen Saninagebirges
(Günerhorn 2842 m,
Piz
Sanina 2836 m,
Piz Fess 2874 m und
Piz Riein 2752 m);
rechts einige Gipfel der Splügner Kalkberge (Weisshorn 2992 m, Alperschellihorn 3045 m, Grauhörner oder Pizzas d'Annarosa 3002 m etc.), dann das Gelbhorn (3035 m), das Bruschghorn (3054 und 3044 m), der Piz Beverin (3000 m) und der lange breite Rücken des Heinzenbergs, dessen Höhenpunkte meist um 2100 m schwanken (2127, 2186, 2162, 2123, 2017 m).
Der
Heinzenberg
dacht sich mit sanft geneigten breiten
Rasen- und Waldhängen nach O. zum
Domleschg ab, während die dem Safienthal
zugekehrte
W.-Seite steil abgebrochen und von zahlreichen kleinen
Wald- und Felsschluchten durchrissen ist. Dies ist
überhaupt der Charakter der beiden Safierketten: sanft geneigte Schichtflächen nach O., steilabgebrochene Schichtköpfe
nach W. Das Safienthal
ist also ein Isoklinalthal.
Daher finden wir auch die menschlichen Ansiedelungen, die
Dörfer,
Weiler
und einzelnen
Höfe fast ausschliesslich auf der linken
Seite des
Thals vom Fuss des Gehänges bis hoch
hinauf über die sanften Abhänge und Terrassen zerstreut. Die Thalsohle selber bildet fast durchwegs eine enge, schluchtartige
Rinne und ist darum für Ansiedelungen wenig oder gar nicht geeignet. Da das Thal sich nach NNO. senkt, ist seine linke
Seite
auch mehr der
Sonne zugekehrt als die rechte und also auch aus diesem Grunde für Besiedelung,
Wiesen-
und Weidekultur und den so wie so nur spärlichen Anbau besser geeignet. Die rechte
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mehr
Seite ist dafür dann mehr die Waldseite. Die Thalsohle senkt sich, so weit eine solche überhaupt vorhanden ist, von etwa 1700 m auf 1300 m (Curtnätscherhof-Brand). Weiter auswärts ist das Thal nur eine enge, steilwandige Stromschnellenschlucht von ausserordentlicher Wildheit, die sich mit der Rheinschlucht verbindet und wie diese in ihrem untern Teil in die Trümmermasse des Flimserbergsturzes eingegraben ist. Ueber dieser Schlucht, dem Versamer Tobel, zeugen nur noch einzelne Terrassen, wie die von Sculms und Aräzen (je etwa 1000 m hoch), von einem einstigen höher gelegenen Thalboden.
Versam liegt schon tiefer auf der Bergsturzmasse (900 m). Von da führt ein neues Strässchen mit
teilweiser Benutzung solcher Terrassen hoch über dem brausenden Fluss ins Safienthal
hinein. Die Postfahrt von der Bahnstation
Versam bis Safien Platz dauert etwa 4 Stunden. Lange geht es in der finstern Schlucht durch dichten Wald. Eine schlimme Stelle
ist dabei das Acletertobel. Erst kurz vor Neukirch wird das Thal etwas weiter und damit zugleich freundlicher
und belebter.
Doch auch da gibt es noch schluchtartig verengte Stellen. Das erste Dorf an der Strasse ist Neukirch (1253 m). Es ist in mehreren Gruppen über die untern Abhänge zerstreut und fängt an, ein Luftkurort zu werden. Dann folgt Safien Platz (1297 m), der Hauptort des Thals, in hübscher Lage gegenüber der Mündung des Carnusatobels, dessen Bach mit einem schönen Wasserfall in die Rabiusa stürzt. Eigentümlicherweise steht die Kirche auf der rechten Seite des Thals, während das Dorf wie alle andern sich auf der linken ausbreitet.
Von hier führt der Glaspass in steilem Zickzackweg, die «Stägen», hinauf auf den Rücken des Heinzenbergs und nach Thusis (4 Stunden). Das hinterste und höchstgelegene Dorf ist Thal oder Thalkirche (1690 m), ebenfalls weit über die Abhänge zerstreut und mit der ältesten Kirche des Thals. Von hier gelangt man in etwa 4 Stunden* über den Löchli- oder Safierberg (2490 m) nach Splügen und ebenfalls in 4 Stunden über den Tomülpass (2417 m) nach Vals. Fast ebenso hoch wie Thal liegt Tenna (1654 m) im vordersten Thalabschnitt, aber hoch über der Thalsohle auf herrlicher Terrasse inmitten üppiger Alpwiesen.
Diese 4 Dörfer zählen mit allen ihren Höfen und kleinen Weilern zusammen nur 585 Ew. und bilden den Kreis Safien mit den zwei politischen Gemeinden Safien und Tenna. Die Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten nicht unbeträchtlich zurückgegangen. Von 1860-1900 hat ihre Zahl um 166 abgenommen. Die Erwerbsquellen in diesem Thal sind eben sehr gering und beschränken sich fast ganz nur auf Viehzucht und Alpwirtschaft. Die Alpweiden sind allerdings sehr ausgedehnt, besonders auf den relativ sanften Hängen der linken Thalseite, und sie gehören, wie überall im Bündnerschiefergebiet, zu den besten des Kantons Graubünden. Der Viehstand ist denn auch ein sehr beträchtlicher, und das Vieh wird gut gehalten.
Nach der Zählung von 1901 gab es im Safienthal
1207 Stück Rindvieh, darunter 424 Kühe, 50 Zuchtstiere und Ochsen, 453 Rinder
und 278 Kälber und Jungvieh, ferner 1287 Schafe, 316 Ziegen, 130 Schweine, 5 Pferde und 36 Bienenstöcke. Der Feldbau ist
sehr gering; Kirschbäume gehen bis nach Tenna hinauf. Die Wälder, hauptsächlich aus Rottannen bestehend,
sind sehr beträchtlich und nehmen fast 1/5 des gesamten Bodens ein (19,4% Fels und Schutt; 19,2 Wälder; 0,8% Firn und Eis;
60,6% übrige Gebiete). Fremdenverkehr und Kurwesen sind noch wenig entwickelt. Die einheimische Bevölkerung, von einer
Valserkolonie abstammend, ist ein kräftiger, hochgewachsener Stamm, arbeitsam und von guten Anlagen,
deutsch und
reformiert.