Geschichte des Kurstaats (seit 1423) und Königreichs S.
133
Preußische Provinz S.
141
Sächsische Herzogtümer.
Sachsen-Altenburg
143
S.-Gotha (Geschichte)
145
S.-Hildburghausen (Gesch.)
146
S.-Coburg-Gotha
146
S.-Meiningen
150
S.-Weimar-Eisenach
153
Der Volksstamm der Sachsen
Die Sachsen sind gleich den Alemannen u. a. ein germanischer Völkerbund (Sachsenbund), in welchem
die Cherusker, Chauken, Marsen, Angrivarier u. a. aufgegangen waren, und der nach Widukind seinen Namen von einer Waffe, Sahs (Steinmesser),
erhielt, während andre ihn als Sassen, d. h. Seßhafte, erklären. Sie wohnten zu beiden Seiten der Elbmündung und auf
den Inseln vor derselben (Insulae Saxonum), von wo sie sich nach Westen und Süden bis zur Ems, Lippe und zum
Harz ausbreiteten.
Als Seeräuber suchten sie die Küsten der Nordsee heim, plünderten die Küsten Britanniens und Galliens, und mit ihrer Hilfe
bemächtigte sich 287 der Menapier Carausius der Herrschaft Britanniens. In Gemeinschaft mit den Angeln setzten sie
sich um 450 in dem von den Römern verlassenen Britannien dauernd fest und gründeten daselbst das angelsächsische Reich (s.
Angelsachsen). In ihrer festländischen Heimat schieden sie sich nach der Lage ihrer Wohnsitze in die Ostfalen im O., die Westfalen
im W. der Weser, die Engern (Angrarier) zu beiden Seiten derselben und die Nordalbingier im N. der Elbe.
Von den Erschütterungen der Völkerwanderung wenig berührt, bewahrten sie unverändert die Grundzüge altgermanischen Wesens.
Neben den freien Grundeigentümern, den Frilingen oder Fronen, aus denen die Edelinge hervorragten, gab es dienstpflichtige Unfreie,
Liten (Laten), und Leibeigne. Sie bildeten freie Volksgemeinden und Gaugenossenschaften unter gewählten
Vorstehern; nur in Kriegszeiten stellten sie sich unter die Führung eines Herzogs. Alljährlich fand zu Marklo an der Weser
eine Versammlung von Abgeordneten der einzelnen Gaue statt, welche über gemeinsame Angelegenheiten, besonders über Krieg
und Frieden, beriet. Städte hatten die S. nicht, nur Burgen (Eresburg u. a.). Gleich den alten Germanen hatten
sie keinen Priesterstand, hingen aber dem heidnischen Götterdienst mit Eifer und Treue an.
Nachdem die S. 530 im Bund mit den Franken das Thüringerreich zerstört und das Land zwischen Harz und Unstrut erworben hatten,
gerieten sie allmählich in Abhängigkeit von den Franken, denen sie sich 553
mehr
124 zur Zahlung eines jährlichen Tributs von 500 Kühen verpflichten mußten; erst 631 wurden sie von demselben gegen das Versprechen,
die fränkische Grenze gegen die Einfälle der Wenden zu verteidigen, befreit. Infolge des Verfalls des Merowingerreichs wieder
unabhängig, wurden sie erst von Karl Martell wieder mit Krieg überzogen (718, 720 und 738), weil sie das
Land der Hattuarier (Geldern) verwüstet hatten. Pippin führte mehrere Kriege gegen sie, unterwarf die Grenzsachsen, bekehrte
sie zum Christentum und legte, nachdem er bis zur Weser und Oker vorgedrungen, 759 den S. einen Tribut von 300 Pferden auf.
Aber erst der große Sachsenkrieg Karls d. Gr. (772-785) unterwarf die S. dauernd der fränkischen Herrschaft
und dem Christentum. Schon auf seinem ersten Feldzug eroberte Karl die Eresburg, zerstörte die Irmensäule, drang bis an die Weser
vor und empfing von den S. Geiseln und das Versprechen, die christliche Mission nicht zu stören. Während Karl 774 gegen die
Langobarden zog, empörten sich die S. unter Widukind, wurden aber in zwei Kriegen 775-776 von Karl unterworfen, der 777 auf
sächsischem Gebiet zu Paderborn einen Reichstag abhielt, auf dem viele Edelinge ihm huldigten und die Taufe empfingen.
Während Karls Abwesenheit in Spanien erhoben sich die S. 778 von neuem und verwüsteten das rechte Rheinufer. 779 unternahm
daher Karl den vierten Zug
nach Sachsen, drang bis zur Oker vor, wo viele Engern und Ostfalen sich unterwarfen, und hielt 780 einen
Reichstag zu Lippspringe ab, auf welchem Sachsen im Missionsbezirke eingeteilt wurde. Die Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung
und der Heerespflicht rief 782 einen allgemeinen Aufstand unter Widukind hervor; die Kirchen wurden zerstört,
die Priester verjagt und ein gegen die Sorben ziehendes Frankenheer am Süntel vernichtet.
Die furchtbare Rache, die Karl durch Hinrichtung von 4500 Gefangenen in Verden a. d. Aller nahm, reizte die S. zum äußersten
Widerstand; doch erlitten sie 783 bei Detmold und an der Hase blutige Niederlagen, in welchen die waffenfähige
Mannschaft fast zu Grunde ging; das Land wurde auf Befehl Karls mit Feuer und Schwert verwüstet. Auf dem Reichstag zu Paderborn 785 wurde
darauf die Annahme des Christentums bei Todesstrafe geboten und die Abgabe des Zehnten auferlegt.
Nun empfingen Widukind und sein Freund Albio die Taufe zu Attigny. Hiermit war die Unterwerfung Sachsens entschieden.
Zwar kam es während des Avarenkriegs 793 noch einmal zu einer Empörung der S. Doch wiederholte Feldzüge Karls durch das
Sachsenland ( der letzte 804), Verpflanzung von S. in andre Reichsteile und Ansiedelung fränkischer Kolonisten in
Sachsen brachen endlich die Widerstandskraft des Volkes gänzlich. Die Errichtung zahlreicher Bistümer, wie Osnabrück, Verden,
Bremen, Paderborn, Minden, Halberstadt, Hildesheim und Münster, hatte die feste Begründung der christlichen Religion in Sachsen
zur Folge; ja, die S. wurden die eifrigsten Christen und unversöhnliche Feinde ihrer heidnisch gebliebenen östlichen Nachbarn,
der Wenden.
Nur ihr altes Stammesrecht, die Lex Saxonum, behielten sie. Der fränkischen Herrschaft blieben sie treu und standen dem Kaiser
Ludwig dem Frommen gegen seine Söhne bei. Während des Kriegs unter diesen nach des Kaisers Tod gelang es dem bei Fontenoy 841 geschlagenen
Kaiser Lothar, die niedern Stände in Sachsen, die Frilinge und Liten, gegen den von den Franken sehr begünstigten
Adel aufzureizen und den Aufstand eines Stellinga genannten Bundes
hervorzurufen; doch wurde derselbe 842 von Ludwig dem Deutschen
unterdrückt. Sachsen fiel im Vertrag von Verdun an das ostfränkische Reich.
Das alte Herzogtum Sachsen.
Die Schutzlosigkeit, in welcher die Karolinger das Land gegen die Raubeinfälle der Slawen und Normannen
ließen, welch letztere 845 Hamburg zerstörten, bewirkte, daß die Sachsen sich wieder unter die Führung eines Herzogs stellten.
Diese Würde erlangte zuerst Otto der Erlauchte (880-912), Sohn Brunos, eines Edelmanns aus reichbegütertem Geschlecht, der 880 bei
Hamburg gegen die Normannen fiel; Otto dehnte seine Gewalt auch über Thüringen aus. Sein Sohn Heinrich (912-936)
ward 919 zum deutschen König erwählt, und damit wurde der Stamm der Sachsen an die Spitze Deutschlands gestellt.
Seiner kriegerischen Tüchtigkeit verdankte dies die Vertreibung der Magyaren (933) und die Unterwerfung der slawischen Stämme
rechts der Elbe. Unter der weisen Leitung Heinrichs und seines großen Sohns Otto I. entwickelten sich aber
auch Künste und Wissenschaften in S. zu hoher Blüte. Zahlreiche Kirchen und Klöster wurden errichtet, Poesie und Geschichtschreibung
in letztern eifrig gepflegt. Die Sachsen, welche sich kaum 200 Jahre früher der fränkischen Herrschaft und dem Christentum
so hartnäckig widersetzt hatten, waren unter dem sächsischen Kaisergeschlecht die Hauptstütze des
heiligen römischen Reichs deutscher Nation.
Otto I. übertrug 950 dem tapfern Grafen Hermann Billung das Herzogtum S., der durch glückliche Kämpfe gegen die Wenden die Ostgrenze
erweiterte; doch gingen die überelbischen Eroberungen unter Herzog Bernhard I (973-988), dem Sohn Hermanns,
wieder verloren, als nach dem Tod Kaiser Ottos II. die Slawen einen großen Aufstand machten; weder Otto III. noch Heinrich II.
vermochten dieselben wiederzugewinnen. Auf Herzog Bernhard II. (988-1011) folgte Bernhard III. (1011-59), unter dessen langer
Regierung mit dem Erlöschen des sächsischen Kaiserhauses (1024) die deutsche Königskrone vom sächsischen Stamm
wieder auf den fränkischen überging.
Das erbliche sächsische Herzogtum, das auch die Bischöfe unter seine Gewalt beugte, war seitdem die Hauptstütze der fürstlichen
Opposition gegen die kaiserliche Macht, und der auf seine Eigenart und seine Freiheiten stolze sächsische Stamm stand den Billungern
treu zur Seite. Vergeblich verlegten die Kaiser Heinrich III. und Heinrich IV. ihre Residenz nach S., nach
Goslar und den von ihnen am Harz erbauten Burgen. Gerade die damit verbundenen Belästigungen und Kosten reizten die Sachsen um
so mehr gegen die fränkischen Herrscher auf, und als Heinrich IV. den sächsischen Großen Otto von Nordheim des Herzogtums
Bayern beraubte und den Nachfolger Herzog Ordulfs (1059-71), Herzog Magnus, durch Kerkerhaft zum Verzicht
auf die sächsische Herzogswürde zwingen wollte, brach 1073 in S. eine Empörung aus, welche erst 1075 durch den Sieg des
Königs bei Hohenburg bewältigt wurde. Doch hatten Heinrichs Gegenkönige, Rudolf von Schwaben, Hermann von Luxemburg und Ekbert
von Meißen, auch nachher ihre Hauptstütze im Sachsenstamm.
Als 1106 mit Magnus der Billungsche Mannesstamm erlosch, belehnte Heinrich V. den Grafen Lothar von Supplinburg mit dem Herzogtum
S. Derselbe brachte durch Heirat die reichen nordheimischen und braunschweigischen Güter an sich (1113) und stellte sich auf
Anstiften der päpstlichen Partei an die Spitze der Fürstenopposition, welche in der
mehr
Schlacht am Welfesholz 1115 den Sieg über das kaiserliche Heer davontrug. Als dann Lothar nach dem Erlöschen des salischen Hauses 1125 selbst
auf den Kaiserthron erhoben wurde, hatte er mit den staufischen Brüdern um die Krone zu kämpfen und mußte gegen sie eine
Stütze beim welfischen Herzog von Bayern, Heinrich dem Stolzen, suchen, der von seiner Mutter Wulfhild, der
Tochter des Herzogs Magnus, die Billungschen Hausgüter geerbt hatte. Er vermählte demselben seine Tochter Gertrud und übertrug
ihm auch auf seinem Sterbebett 1137 das Herzogtum S. Als der neue König, Konrad III., diese Übertragung nicht anerkennen
wollte, kam es zwischen ihm und Heinrich zum Kampf; letzterer wurde geächtet und seine Herzogtümer ihm
abgesprochen, von denen S. dem Markgrafen Albrecht dem Bären übertragen wurde.
Doch konnte dieser auch nach Heinrichs des Stolzen Tod (1139) S. nicht erobern und mußte es im Frankfurter Frieden 1142 Heinrichs
Sohn, Heinrich dem Löwen, zurückgeben, wogegen die Mark Brandenburg vergrößert und von der herzoglichen
Gewalt befreit wurde. Heinrich der Löwe nahm mit Erfolg die Kriege gegen die Wenden wieder auf, eroberte Holstein, Mecklenburg
und Vorpommern, gründete Bistümer und Städte, wie Lübeck, und verbreitete deutsche und christliche Kultur; die sächsischen
Großen, geistliche wie weltliche, brachte er unter seine Botmäßigkeit.
Seine über fast ganz Norddeutschland sich erstreckende Macht war eine königliche. Als er nun 1176 dem Kaiser Friedrich I.
die Heeresfolge nach Italien verweigerte, wurde die Zertrümmerung dieses allzu großen Herzogtums beschlossen. Nachdem Heinrich der
Löwe 1180 geächtet und vom Kaiser zur Unterwerfung gezwungen worden war, wurden ihm nur seine Allodien,
Braunschweig und Lüneburg, gelassen. Die Bischöfe und weltlichen Fürsten, auch einige Städte wurden für reichsunmittelbar
erklärt, die herzogliche Gewalt in Westfalen dem Erzstift Köln übertragen und der Name des Herzogtums S. auf den östlichen
Teil an der Elbe beschränkt, mit dem Albrechts des Bären zweiter Sohn, Bernhard von Askanien, belehnt wurde.
Das jüngere Herzogtum Sachsen.
Das neue Herzogtum S., dem alten Volksherzogtum weder an Umfang noch an Macht vergleichbar, spielte demgemäß in der Geschichte
des Deutschen Reichs nur eine untergeordnete Rolle. Dazu kam, daß die Askanier nach dem Tode des zweiten Herzogs aus ihrem Geschlecht,
Albrechts I. (1212-60), S. teilten, so daß der ältere Sohn, Johann, das Gebiet an der untern, der jüngere,
Albrecht II. (1260 bis 1298), das an der mittlern Elbe erhielt; beide Linien, die sich nach ihren Hauptstädten Sachsen-Lauenburg
und Sachsen-Wittenberg nannten, führten den Titel eines Herzogs von S., Engern und Westfalen und eines Reichsmarschalls
und erhoben beide auf das Recht, den König zu wählen, Anspruch.
Nach langem Streit wurde dies Recht durch die Goldene Bulle 1356 der wittenbergischen Linie zugesprochen, welche zugleich mit
dem Erzmarschallamt das Reichsvikariat in den Ländern des sächsischen Rechts erhielt und sich durch die Unteilbarkeit der
Kurlande vor weiterer Zersplitterung bewahrte. Herzog Rudolf II. (1356-70), Rudolfs I. (1298-1356) Sohn,
nannte sich zuerst Kurfürst von S., sein Bruder Wenzel (1370-88) führte zuerst die Kurschwerter im sächsischen Wappen. Wenzels
Sohn Rudolf III. starb kinderlos 1419, und mit seinem Bruder Albrecht III. erlosch 1422 die wittenbergische Linie des askanisch-sächsischen
Hauses.
Kaiser
Siegmund verlieh, ohne die Ansprüche der Linie Sachsen-Lauenburg zu berücksichtigen, S. 6. Jan. 1423 dem
Markgrafen Friedrich dem Streitbaren (s. Friedrich 58) von Meißen, welcher 1. Aug. 1425 zu Ofen feierlich belehnt wurde. Mit ihm
beginnt die Herrschaft des Hauses Wettin. Sachsen-Lauenburg erhob im 15. Jahrh. noch mehrmals Anspruch auf die kurfürstlichen
Titel und Rechte, aber ohne Erfolg (weiteres s. Lauenburg). Der Name S. ging nun auch auf die übrigen Besitzungen des Hauses
Wettin, Meißen und Thüringen, über; doch wurde dieses S. noch lange als Obersachsen von Niedersachsen, dem Gebiet der untern
Elbe und Weser, unterschieden, bis für letzteres Land der Name Hannover üblich wurde. Über die Geschichte
Kursachsens seit 1423 s. Sachsen, Königreich (S. 134 ff.).
Die Pfalzgrafschaft Sachsen.
Die königlichen Güter in S., hauptsächlich in der Nähe des Kyffhäusers gelegen (Grona, Werla, Wallhausen), ferner Dornburg,
Arnstadt und Sulza, die königlichen Pfalzen und Besitzungen in Magdeburg und Merseburg wurden von Pfalzgrafen
verwaltet, als deren erster Adalbert oder Berno (gest. 982) genannt wird. Um 1040 kam die Pfalzgrafschaft an Dedo, Grafen von
Goseck, dessen Nachfolger sich, als Friedrich von Sommerschenburg die Grafschaft 1088 seinem Großneffen Friedrich von Goseck
entrissen hatte, nach ihrem Allod Pfalzgrafen von Putelendorf (Bottelndorf a. d. Unstrut) nannten.
Nach dem Erlöschen des Hauses Sommerschenburg mit Albrecht II. 1179 verlieh Kaiser Friedrich I. auf dem
Reichstag zu Gelnhausen 6. April 1180 die Pfalzgrafschaft S. dem Landgrafen Ludwig III. von Thüringen, der sie 1181 seinem Bruder
Hermann abtrat. Nach dem Aussterben des thüringischen Landgrafengeschlechts kam sie nebst Thüringen an den Markgrafen Heinrich
den Erlauchten von Meißen, der sie 1291 nebst Landsberg, Delitzsch und Sangerhausen an den Markgrafen von Brandenburg verkaufte.
In ihren Resten, Lauchstädt und Allstedt, kam die Pfalzgrafschaft S. 1318 als Wittum an Agnes, die Witwe Heinrichs des ältern
von Brandenburg, von deren Erben sie Markgraf Friedrich der Ernsthafte von Meißen 1347 kaufte, worauf er
sich den pfalzgräflichen Titel beilegte. Doch galt noch immer die Pfalz in Magdeburg als eigentlicher Sitz der Pfalzgrafschaft,
welche daher in der sächsischen Goldenen Bulle vom 27. Dez. 1356 als ein Zubehör des Herzogtums S. bezeichnet wurde. Friedrich
der Streitbare legte den bedeutungslos gewordenen pfalzgräflichen Titel ab und behielt nur das Wappen,
den kaiserlichen Adler, bei.
Ernestinische Linie. Das Haus Wettin teilte sich 1485 in zwei Linien, die jüngere Albertinische, begründet von
Albrecht dem Beherzten, welche Meißen und dazu 1547 die Kurwürde erhielt und jetzt im Königreich S. (s. d.) regiert, und
die ältere Ernestinische, welche 1547 die Kurwürde verlor und bloß die thüringischen Besitzungen behielt;
es waren dies die Ämter, Städte und Schlösser Gerstungen, Eisenach, Wartburg, Kreuzburg, Tenneberg, Waltershausen, Leuchtenburg,
Roda, Orlamünde, Gotha, Jena, Kapellendorf, Roßla, Weimar, Wachsenburg, Dornburg, Kamburg, Buttstädt, Arnshaugk, Weida und Ziegenrück.
Hierzu kamen nach dem Tode des Herzogs Johann Ernst von Koburg (1553) noch die Ämter Koburg, Sonneberg, Hildburghausen,
Königsberg, Veilsdorf und Schalkau und durch den Naumburger Vertrag (24. Febr. 1554) Altenburg, Eisenberg, Sachsenburg und Herbesleben,
Königreich. Die Bevölkerung Sachsens betrug nach der vorläufigen Feststellung der Volkszählung vom 1. Dez. 1890:
3,500,513 Seelen und hat seit 1885 um 318,510 Seelen (10,01 Proz.), im Durchschnitt jährlich um 1,91 Proz. zugenommen. Diese
Zunahme überwiegt bedeutend diejenige der Perioden 1875-80 (1,48 Proz.) und 1881-85 (1,36
mehr
Proz.) und bleibt nur um ein Geringes hinter der von 1871-75 (1,92 Proz.) zurück. Auf die
einzelnen Landesteile verteilt sich die Bevölkerung so:
Kreishauptmannsch.
Einw.
auf 1 qkm
Zunahme
Proz.
Dresden
950454
219
89896
10,45
Leipzig
869371
243
95335
12,32
Zwickau
1309998
283
119149
10,01
Bautzen
370690
150
14130
3,96
Zusammen:
3500513
233
318510
10,01
Drei Städte haben wie 1885 mehr als 100,000 Einw. (Leipzig und Vororte 293,525, nach Einverleibung weiterer Vororte 1. Jan. 1891:
353,272; Dresden 276,085, Chemnitz 139,955);
zu den schon damals vorhandenen sechs Städten mit einer Bevölkerung von 20-50,000
Einw. sind Bautzen (21,517) und Reichenbach (21,498) hinzugetreten. Im J. 1888 fanden 30,327 Eheschließungen
statt;
es wurden geboren 145,697 (75,078 männliche, 70,619 weibliche);
es starben 92,387, nämlich 48,750 männliche, 43,637
weibliche;
40,421 von den Gestorbenen gehörten dem Säuglingsalter an.
Von 1881 bis mit 1886 schwankte die allgemeine Sterblichkeit
zwischen 28 und 30 pro Mille;
1887 betrug sie 27,2, 1888: 26,4, 1889: 27 pro Mille. Die beobachtete Mindersterblichkeit
gestattete auch der Altersrentenbank, ihre Rentensätze für die Versicherten vom 1. Mai 1888 an zu ermäßigen.
Die Auswanderung,
welche 1881 die Zahl von 9241 Köpfen erreicht hatte, ist bis 1889 auf 2367 zurückgegangen. Der prozentuale Anteil Sachsens
an der deutschen Auswanderung belief sich 1889 auf 2,62.
Die Staatswaldungen umfaßten 1889: 174,610 Hektar. Die Gesamtverschlagung an Derbholz betrug 831,905 Festmeter. Vereinnahmt
wurden überhaupt durch die Holznutzung 11,9 Mill. Mk., der Reinertrag betrug 8,221,430 Mk. Die Privatwaldungen bedeckten 4592 Hektar.
Der Ernteertrag war 1889 folgender:
Hektar
Doppelzentner
Weizen
50520
685920
Roggen
211943
2553609
Gerste
31667
141963
Hafer
185534
2844570
Buchweizen
3553
26287
Erbsen
2560
40311
Mengfrucht
11505
136352
Wicken
3920
40311
Kartoffeln
119004
11934319
Rüben
30031
5296625
Kraut
15674
2534523
Raps
21114
18456
Klee
88524
3081399 Heu
Wiesen
171897
5113543 Heu
Die fiskalischen Weinberge in der Hoflösnitz sind 1889 der Reblaus zum Opfer gefallen (vgl. Reblaus, S.
761). Der Rückgang der Schafzucht ergibt sich am deutlichsten aus dem der Wollmärkte zu Dresden, Bautzen und Kamenz; 1875 betrug
die eingebrachte Wolle 250,118 kg, 1889: 51,273 kg.
Beim Erzbergbau waren 1888 nur noch 132 gangbare Gruben mit 7408 Beamten und Arbeitern vorhanden; die Produktion
an Erzen hatte einen Wert von 5 Mill. Mk. Bei den fiskalischen Hüttenwerken zu Freiberg wurden 1888 eingekauft 400,333 metr.
Ztr. Erze und Gekräze für 11,2 Mill. Mk., und 592 kg Gold, 93,077 kg Silber, 41,812 metr. Ztr. Bleiprodukte, 21,022 Kupfervitriol, 9037 Eisenvitriol,
10,585 Arsenikalien, 155,336 metr. Ztr. Schwefelsäure etc., zusammen für 16,6
Mill. Mk. verkauft.
Kohlengruben waren 153 mit 21,387 Beamten und Arbeitern in Betrieb mit einer Produktion
von 4,358,825 Ton. Steinkohlen (1889:
3,321,645), 839,968 T. Braunkohlen, 260 T. Anthracit im Gesamtwert von 39 Mill. Mk. Fabrikanlagen gab es 1889: 12,963, davon
mit Dampfbetrieb 4750, feststehende Dampfkessel und Dampfmaschinen 7420, beschäftigte Arbeiter 340,498.
Bierbrauereien bestanden 1889 in Städten 223, auf dem Lande 553, darunter 23 Aktienbrauereien mit einem Kapital von 19,1 Mill.
Mk. Erzeugt wurden 3,896,767 hl Bier. Von den 627 Branntweinbrennereien waren 1889: 592 in Betrieb. Nach der Statistik im Reichsversicherungsamt
entfielen 1887 auf das Königreich S. von der
Betriebe
Arbeiter
Textilindustrie
40,9 Proz.
24,9 Proz.
Eisen- und Stahlindustrie
8,4 -
8,6 -
Bergbau
6,6 -
7,5
Brauindustrie
7,1 -
7,8
Seit 1871 waren in S. zeitweilig 632 Mill. Mk. in 382 Aktienunternehmungen angelegt, die sich jedoch
bis 1. Okt. 1884 auf 226 Gesellschaften mit 354,6 Mill. Mk. Aktienkapital
verminderten.
Verkehr. Die Länge der Staatsstraßen betrug Ende 1888: 3709 km, die Bahnlänge der Staatseisenbahnen Ende 1890: 2510 km,
die der Privatbahnen unter Staatsverwaltung 26,61 km. Unter allen deutschen Staaten hat S. das dichteste Eisenbahnnetz. Im J. 1889 kamen
auf 100 qkm 16,2 km Eisenbahn (in Baden 9,29, in Preußen 6,90). Eine große Ausdehnung hat in S. das System
der Sekundärbahnen gewonnen, denn von der Gesamtbetriebslänge sind 2302 km normalspurig und 199 (im ganzen Reiche 900) schmalspurig; 1731 sind
in Vollbetrieb, 571 in Sekundärbetrieb.
Auf den Bahnbau sind bis Ende 1889 im ganzen verwendet worden 708 Mill. Mk. Befördert
wurden 1889: 31 Mill. Personen (gegen 1888 +7,48 Proz.) und 16,3
Mill. Ton. Güter (+9,30 Proz.). Die Gesamteinnahme betrug 85 Mill. Mk.,
die Ausgabe 49 Mill. Mk., der Überschuß 36 Mill. Mk. Das mittlere Anlagekapital hat sich mit 5,584 Proz. verzinst. An Elbfahrzeugen
waren vorhanden 66 Dampfer und 560 Segel- und Schleppschiffe mit zusammen 3,014,703 Ztr. Tragfähigkeit.
Postanstalten hatte S. 1889: 974, Telegraphenanstalten 650. Briefsendungen wurden aufgegeben 147,5 Mill., gingen ein 132,5
Mill., Pakete aufgegeben 12¾ Mill., gingen ein 10 Mill., beide ausschließlich der Wertsendungen. Telegramme wurden aufgegeben
1,437,122, kamen an 1,527,312.
Versicherungswesen. 1887 waren vorhanden: Gemeindekrankenversicherungskassen 586, Ortskrankenkassen 359,
Betriebs- (Fabriks-) Krankenkassen 774, Baukrankenkassen 12, Innungskrankenkassen 45, eingeschriebene Hilfskassen 310, landesrechtliche
75, Knappschaftspensionskassen 29. Unfallversicherung der Arbeiter: Betriebe 27,843, versicherte Personen 494,778, verletzte
1554, entschädigungsberechtigte Hinterbliebene 456. Für S. ist eine einzige Alters- und Invaliditätsversicherungsanstalt
errichtet. Gesamtbetrag der Versicherungen bei der Immobiliarversicherung: 3560,6 Mill. Mk. Für 1329 Brandschäden
wurden 1888 vergütet 3,7 Mill. Mk. Die Mobiliarfeuerversicherung
betrug 3278,6 Mill. Mk., die Vergütung 3,5
Mill. Mk.
Sparkassen besaß S. 1888: 132 städtische und 79 ländliche. Die Einzahlungen betrugen 121 Mill. Mk.
(gegen 114 Mill. im Vorjahr), die Rückzahlungen 105,6 Mill. (101,3
Mill.), das Einlegerguthaben am Jahresschluß 523 Mill. (491 Mill.). Seit dem Bestehen der Sparkassen
wurden aus den Überschüssen derselben zu gemeinnützigen oder wohlthätigen Zwecken 26,9 Mill, Mk. verwendet.
mehr
Die Finanzlage Sachsens war fortwährend eine sehr günstige; der Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben betrug 1882/83:
16,9 Mill. Mk., 1884/85: 8,6 Mill. Mk., 1886/87: 6,1 Mill. Mk.,
der Staatshaushalt für die Finanzperiode 1890/91 bezifferte sich in Einnahme u. ordentlichen Ausgaben auf 92,620,414 Mk. (davon
Einnahmen von Nutzungen des Staatsvermögens und der Staatsanstalten 45,342,954 Mk., Steuern und Abgaben
47,277,460 Mk.). Die außerordentlichen Ausgaben im Betrag von 22,556,150 Mk. finden Deckung in dem Ertragsüberschuß bei
dem Staatshaushalt der Finanzperiode 1886/87 und verfügbaren Beständen mit 16,452,942 Mk. Im J. 1888 betrug die Erbschaftssteuer
nach dem Gesetz vom 9. März 1880: 1,013,735 Mk., die Grundsteuereinheiten 1,537,840 Mk.
(Zunahme gegen das Vorjahr von 2,07 Proz.), die Einkommensteuer 17,562,755 Mk. (gegen 1887 mehr 2,96 Proz.);
an indirekten
Steuern wurden 1889 vereinnahmt 59,505,379 Mk. (gegen 1888 mehr 8,202,208 Mk.).
Ergebnisse der Einschätzungen zur Einkommensteuer:
1889
1888
Aus
Grundbesitz
255,1
Mill. Mark
247,4
Mill Mark
"
Renten
177,6
"
167,8
"
"
Gehalt u. Löhnen
618,6
"
585,8
"
"
Handel u. Gewerbe
467,5
"
443,8
"
Zusammen:
1518,8
Mill. Mark
1442,9
Mill. Mark
Steuerertrag
19,2
"
17,9
"
Die Staatsschulden Sachsens beliefen sich Anfang 1890 insgesamt auf 647,88 Mill. Mk.; ihnen steht aber ein immobiles
Vermögen gegenüber von 862,37 Mill., einschließlich des Wertes der fiskalischen Gebäude von 127,38 Mill.
Mk., aber ausschließlich des Mobiliars und Inventars im Werte von 108¾ Mill. Zur Verzinsung der Staatsschuld bedarf es 21,76 Mill.,
während allein der Ertrag der Staatseisenbahnen für 1890/91 mit 30,47 Mill. in den Voranschlag eingesetzt ist. Für die Staatsschuldentilgung
sind für 1890 und 1891 je 9,47 Mill. Mk. vorgesehen.
Rechtspflege. S. hat 1 Oberlandesgericht zu Dresden, 7 Landgerichte (zu Dresden, Leipzig, Bautzen, Chemnitz, Zwickau, Freiberg und
Plauen) mit 103 Amtsgerichten. An Stelle der früher dem fürstlichen und gräflichen Hause Schönburg zustehenden Privatgerichtsbarkeit
ist nach der neuen Gerichtsorganisation 1878 die Staatsgerichtsbarkeit getreten.
Geschichte. S. beging 1889 unter lebhafter Beteiligung der Bevölkerung das 800jährige Regierungsjubiläum
des Hauses Wettin, insbesondere in Dresden 18. Juni mit Enthüllung des Denkmals für König Johann, am 19. mit einem glänzenden
Huldigungszug vor der königlichen Familie und den zum Feste erschienenen ernestinischen Fürsten. Infolge der günstigen wirtschaftlichen
Lage des Landes gestalteten sich die Finanzen des Staates so vorteilhaft, daß dem Landtag eine erhebliche
Verbesserung der Gehälter der Beamten und Lehrer sowie eine Ermäßigung des Schulgeldes vorgeschlagen werden konnte. Im Bestand
des Staatsministeriums fanden mehrfache Veränderungen statt. Der Finanzminister v. Könneritz starb im Januar 1890, an seine
Stelle trat der Geheimrat von Thümmel. Nach dem Tode des Justizministers v. Abeken (15. Okt. 1890) wurde der
Geheimrat Schurig (s. d.) zum Justizminister ernannt.
Als im Januar 1891 der Minister des Innern v. Nostiz-Wallwitz seine Entlassung nahm, wurde er durch den Staatsminister
v. Metzsch ersetzt, der auch die Leitung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten nach dem Tode des Ministerpräsidenten
Grafen von
Fabrice (25. März 1891) erhielt. Den Vorsitz im Gesamtministerium u. die Funktionen eines Ordenskanzlers wurden nach
des letztern Tode dem Kultusminister v. Gerber übertragen, der General v. d. Planitz (s. d.) zum Kriegsminister ernannt.
Zur Litteratur: Gebauer, Die Volkswirtschaft im Königreich S. (Dresd. 1889 ff.);
Löbe, Der Staatshaushalt des Königreichs
S. (Leipz. 1889);
Kämmel, Ein Gang durch die Geschichte des Königreichs S. (Dresd. 1889);
Ulbricht, Geschichte der königlich
sächsischen Staatseisenbahnen (das. 1889);
Richter, Litteratur der Landes- und Volkskunde des Königreichs S. (das. 1889);
Böhmert,
Das königliche sächsische Statistische Büreau 1875-90, Verwaltungsbericht (1891).
in der Heraldik die Flügelknochen eines Fluges (s. d.), aus
denen die Federn desselben hervorzuwachsen scheinen.
Beim offenen Fluge stehen die S. einander nach innen zugewendet.
(lat. Saxones), deutscher Volksstamm, dessen Namen man von dem Sax (s. d.) ableitet, werden
im Altertum zuerst von dem Geographen Ptolemäus in Schleswig-Holstein erwähnt. Von diesem ihrem Stammsitze aus drangen sie
im 3. und 4. Jahrh. erobernd bis über die Weser hinaus vor. Seitdem sie sich hier die Chauker
und die Angrivarier (Engern) unterworfen hatten, bedeutet der Name S. den großen niederdeutschen Volksstamm
(s. Niederdeutsch), der von der Eider und dem Zuidersee bis nach Cassel und Magdeburg hin reichte.
Über ihre Stellung zu den andern deutschen Stämmen und zu den Angelsachsen s. Deutsches Volk (Bd. 5, S. 93 fg.). Die S. waren
ein kriegerisches Volk. Zu Lande drangen ihre Haufen am Niederrhein vor, wo sie 373 bei Deutz geschlagen
wurden, besonders aber waren ihre Einfälle zur See gefürchtet. Mit ihrer Hilfe erhob sich Carausius 287 in Britannien zum
Kaiser. In der heutigen Normandie hatten sich S. als röm. Söldner und Bundesverwandte schon zu Anfang
des 5. Jahrh. festgesetzt, so daß der Landstrich von ihnen den Namen der sächs. Küste (litus Saxonicum) trug.
Auch an der Loiremündung ließen sich S. nieder; beide verschwinden später unter der fränk.
Herrschaft. In Britannien dagegen wurde seit der Mitte des 5. Jahrh. von den Angelsachsen (s. d.) die sächs.
Herrschaft für lange Zeit begründet. Die in Deutschland gebliebenen S., nun häufig Altsachsen benannt, dehnten sich schon
früh gegen Westen über die alten Gebiete der Bructerer und Chamaven bis an den Zuidersee und fast bis zum Rhein aus, an
die salischen und an die ripuarischen Franken grenzend; gegen Süden wohnten sie bis zur Quelle der Sieg,
über die Diemel bis nahe an die Eder (wo der sächs. Hessengau); weiter östlich bildete eine Linie Münden-Harz ihre Grenze
gegen die Thüringer. Die West- und Südgrenze der S. ist als Sprachgrenze noch erhalten. (S. Karte der Deutschen Mundarten,
Bd. 5, S. 28.) Gegen Osten besaßen die S. ursprünglich nur die Provinz Hannover; die gesamte Provinz Sachsen
gehörte zum Reich der Thüringer. Dieses zerstörten sie 531 im Bunde mit den Franken und erhielten alles Land ^[Fortsetzung
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forlaufend
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nördlich der Unstrut; bald aber gerieten wenigstens ihre südl. Gaue selbst in frank. Abhängigkeit. Die südöstl. Landstriche
an der Bode und untern Saale wurden von Schwaben (Nordschwaben) bevölkert, als 20000 S. sich von dort 568 dem Zuge der Langobarden
nach Italien anschlössen. Ganz Niederdeutschland bis zur Elbe war seit dem 6. Jahrh. sächsisch. Nur in
dem Marschlande an der Nordseeküste hielten sich als ein besonderer Stamm die Friesen (s. d.). Im Osten grenzten die S. an die
slaw. Stämme.
Die Grenze der S. gegen die Slawen bildete etwa die Linie Kiel-Magdeburg-Halle. Die S. bildeten keinen einheitlichen Staat oder
Bund, sie zerfielen in die drei auch später fortdauernden Abteilungen Westfalen, Engern und Ostfalen, zu
denen als vierter Hauptzweig die Nordalbinger in Holstein hinzukamen. Jede Gruppe zerfiel in Gaue unter gewählten Häuptlingen
oder Ältermännern. Nur im Kriegsfalle vereinigte man sich wohl über die Wahl eines gemeinsamen Heerführers oder Herzogs;
doch hat sich niemals die Gewalt eines solchen über ganz Sachsen erstreckt.
Das Volk zerfiel in Edelinge, Freie (Frilinge), Hörige (Liten oder Lazzen) und Knechte. 753 wurden die S. von dem Frankenkönige
Pippin, der von der Lippe bis zur Weser vordrang, zu einem Tribut von 300 Pferden gezwungen, aber erst Karl d. Gr. unterwarf
sie 772-804 dauernd durch eine Reihe blutiger Kriege. (S. Karl I., Bd. 10, S. 142 a.)
Um 780 hatte Karl auf einer in Sachsen abgehaltenen Reichsversammlung die capitulatio de partibus Saxoniae erlassen, die eine
Art Standrecht für die eben unterworfenen Lande einführte und durch grausame Strafen das Heidentum auszurotten suchte.
Ihre Härte wurde wesentlich gemildert durch das Capitulare Saxonicum von 797. Bald darauf ließ Karl auch das sächs. Recht,
die Lex Saxonum, aufzeichnen, denn die S. behielten ihre persönliche Freiheit und ihr altes Volksrecht, nur daß Verwaltung
und Gerichtswesen nach frank. Muster organisiert wurden. Hauptmittel der Unterwerfung, zugleich aber Hauptanlaß
des Widerstandes, war die Einführung des Christentums und der Bau christl. Kirchen in ihrem Lande, wo nun acht Bistümer errichtet
winden (doch meist erst nach Karl d. Gr.), Münster und Osnabrück für das nördl. Westfalen (das südliche kam zu Köln),
Paderborn, Minden, Bremen für Engern, Verden und Hildesheim für Ostfalen, Halberstadt für Thüringen.
In den Bürgerkriegen der Söhne Ludwigs des Frommen versuchte Lothar in Sachsen den Bund der Stellinger, eine Schwurgenossenschaft
der Armen gegen den geistlichen und weltlichen Adel, für sich zu benutzen, aber Ludwig der Deutsche zerstreute diese Scharen
schnell. Beim Zerfall der karoling. Herrschaft gegen Ende des 9. Jahrh. erhob
sich der mächtige Graf Ludolf zu einer herzogl. Gewalt und erneuerte so das Stammesherzogtum Sachsen. Auf Ludolf folgte sein
Sohn Bruno und, als dieser gegen die Normannen gefallen war, dessen Bruder Otto, der Erlauchte genannt, der mächtigste und angesehenste
der deutschen Fürsten, durch den auch Thüringen, als dessen Herzog Burkard starb, an Sachsen kam. Otto
(gest. 912) erhielt sich in steigender Bedeutung unter den Königen Ludwig dem Kinde und Konrad I. Sein Sohn Heinrich wurde 919 als
erster aus dem sächs. Stamme zum deutschen König erwählt.
Das Herzogtum behielt Heinrich I. an sich; sein Sohn, Otto d. Gr., der dem Vater auf dem
Königsthron folgte,
übertrug es dem tapfern Hermann Billung um 960, bei dessen Stamme es bis 1106 verblieb (s. Billunger). Ihm waren in der Heeresfolge
die Markgrafschaften untergeben, die von Heinrich I. und Otto I. gegen die Slawen gegründet waren, nämlich Meißen, dessen
Markgraf Ekkard von Otto III. auch Thüringen erhielt, Ostsachsen in den Lausitzen, Nordsachsen in der Altmark
(dem alten Nordthüringen), dem Anhaltischen und dem Lande an der Havel und Spree. Auch die Markgrafschaft Schleswig, die gegen
die Dänen bis 1026 bestand, hing vom Herzogtum Sachsen ab. Gegen Kaiser Heinrich IV. erhoben sich schon 1067, noch heftiger 1073 die
S., unter der Führung des Grafen Otto von Nordheim und des sächs. Herzogs Magnus, des letzten aus Billungs Geschlecht. 1077 brach
von neuem ein Aufstand aus. Auf Magnus (gest. 1106) folgte Lothar, Graf von Supplinburg, im Herzogtum. Er erwarb 1113 durch
Vermählung mit Richenza, Tochter Heinrichs des Fetten, des Sohnes Ottos von Nordheim, Braunschweig und das
nordheimische Gebiet und wurde 1125 zum deutschen König erwählt.
Das Herzogtum Sachsen gab er 1127 seinem Schwiegersohn Heinrich dem Stolzen von Bayern, der durch seine Mutter Wulfhild schon
in Sachsen (Lüneburg) begütert war. Unter seiner Regierung erfolgte die Begründung der schauenburgischen Dynastie
in der Grafschaft Holstein und die Erneuerung der wettinischen in der Markgrafschaft Meißen; in Thüringen wurde 1130 Ludwig
I. Landgraf; die Nordmark erhielt 1134 der askanische Albrecht der Bär. Diesem gab Konrad III. das Herzogtum Sachsen, nachdem
er Heinrich den Stolzen 1138 abgesetzt hatte, gab es aber bald an Heinrichs Sohn Heinrich den Löwen zurück.
Albrecht wurde dadurch entschädigt, daß die Nordmark und ein Teil der Ostmark als Markgrafschaft Brandenburg für unabhängig
erklärt wurde. Heinrich der Löwe, seit 1156 auch Herzog von Bayern, erweiterte die sächs. Macht durch seine Siege über die
Slawen an der Ostsee bis zur Oder und erhöhte die Befugnisse der Herzogsgewalt über die mächtigen
sächs. Großen. Sein Sturz 1180 führte zur Auflösung des Herzogtums Sachsen, indem die geistlichen und weltlichen Großen selbständig
wurden, so die Stifter Münster, Osnabrück, Paderborn, Minden, Verden, Bremen, Magdeburg, Halberstadt, die Grafen von Tecklenburg,
Altena, Arnsberg, Schaumburg, Lippe u. s. w. Köln erhielt mit dem Titel eines Herzogtums Westfalen einige
herzogl. Rechte im südl. Westfalen.
Der Name und die Würde des Herzogtums Sachsen ging auf Bernhard Grafen von Askanien über, der zu feinem Erbland um Wittenberg
auch Lauenburg erwarb. Von feinen Enkeln erhielt 1260 Johann Sachsen-Lauenburg (s. Lauenburg) und Albrecht Sachsen-Wittenberg
mit der Kurwürde. (Die Geschichte des Kurfürstentums s. Sachsen, S. 142 b fg.) Die welfischen Stammgüter
wurden 1235 zu einem Herzogtum Braunschweig vereinigt. (S. die Historischen Karten von Deutschland I, Bd. 5, S. 170.) -
Vgl.
Steindorff, De ducatus Billingorum origine et progressu (Berl. 1863);
Weiland, Das sächs. Herzogtum unter Lothar und Heinrich
dem Löwen (Greifsw. 1866);
Grauert, Die Herzogsgewalt in Westfalen seit dem Sturze Heinrichs des Löwen (Tl. 1, Paderb. 1877).
Sachsen, ein zum Deutschen Reiche gehöriges Königreich, seinem Flächengehalt nach der fünfte, seiner Einwohnerzahl nach
der dritte Bundesstaat, liegt