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Gegen N. geht dieselbe allmählich in die sandige Tiefebene über, an deren Grenze noch als bedeutendere Berge der Rothstein bei Sohland, das Pulsnitzer Gebirge mit dem Sibyllenstein (428 m), der isolierte Keulen- oder Augustusberg (409 m) und die Kamenzer Berge hervortreten. Nach W. hin bildet dieses flache Terrain einen steil abfallenden Rand gegen das Elbthal von Pillnitz abwärts (Porsberg 362 m) bis Niederau und tritt dann von Meißen abwärts mit immer niedriger werdendem Rand hart an die Elbe heran, bis es nordwestlich von Großenhain ganz in die Ebene übergeht.
Oberhalb Meißen erhebt sich das kleine, geognostisch zum linken Ufer gehörige Spaargebirge (200 m). Zu beiden Seiten der Elbe von Tetschen abwärts bis Pirna bildet das Elbsandsteingebirge oder die Sächsische Schweiz (s. d.) ein im Durchschnitt über 325 m hohes bewaldetes Plateau, aus Quadersandstein mit einzelnen Basaltdurchbrüchen bestehend, von tiefen und engen Thalschluchten durchfurcht, mit zahlreichen aufgesetzten Tafelbergen, darunter dem Lilienstein (409 m) am rechten, dem Königstein (360 m), den Zschirnsteinen (558 und 494 m), dem Papststein (438 m) und dem Pfaffenstein (423 m) am linken Ufer.
Die höchste, aber flachere Erhebung dieses Gebiets ist in S. der Große Winterberg (558 m) auf dem rechten Elbufer. Westlich von der Elbe erstreckt sich das Hauptgebirge Sachsens, das Erzgebirge (s. d.), in einer Länge von 151 km von den Quellen der Gottleuba in westsüdwestlicher Richtung bis über die Quellen der Zwickauer Mulde und Zwota hinaus. Der Kamm desselben ist eine einförmige, oft stundenbreite öde Sumpf- und Waldfläche ohne Paßeinschnitte von 700-850 m durchschnittlicher Erhebung, über welche die höchsten auf sächsischem Gebiet liegenden Berge, der vordere (1217 m) und hintere Fichtelberg (1213 m), emporragen.
Die bedeutendsten Höhen des Gebirges liegen auf böhmischem Gebiet; auf der sächsischen Nordabdachung zwischen Elb- und Zschopauthal erheben sich nur der basaltische Geising (822 m) und der Kahlenberg (894 m). Eine Linie von Mittweida über Nossen, Wilsdruff, Wesenstein, Berggießhübel begrenzt das über 325 m hohe Terrain, welches nur selten einen scharfen Abfall, wie im Windberg (364 m) zum Plauenschen Grund, zeigt. Aus der Tiefebene erheben sich das kleine Oschatzer Grauwackengebirge mit dem weithin sichtbaren Kolmberg (314 m) sowie die Hügelgruppen von Lübschütz bei Strehla und von Hohburg, letztere mit dem Löbenberg (241 m) und dem Spitzberg (204 m). Eine etwas mannigfaltigere Gestaltung als der östliche Gebirgsflügel zeigt der von dem Pöhlbach und der Zschopau im O. bis gegen Schöneck und Auerbach im W., von der böhmischen Grenze im Süden bis Stein, Stollberg, Thum im N. reichende westliche.
Hier erreicht der Granulit des Schneckensteins 874 m, der Großaffenstein 746 m. An letztern schließt sich der Höhenzug an, welcher, von 600 m mittlerer Höhe, die Zwickauer Mulde im W. begleitet. Das Zentrum des Erzgebirges bietet infolge der weitern Verbreitung des Granits und des Auftretens tafelförmiger Basaltberge abwechselnde Formen dar. Hier erheben sich auf sächsischem Gebiet zwischen Muldequelle und Schwarzwasser nach SO.: der Rammelsberg (965 m), der Hirschkopf (1006 m), der Brückenberg (964 m), der Auersberg (1019 m) und der Eselsberg (886 m), wegen ihrer ähnlichen Gestalt mit dem gemeinsamen Namen der Auersberge bezeichnet.
Über die flachen, großenteils kultivierten Höhenzüge bei Annaberg erheben sich die Basaltkuppen des Bärensteins (900 m), Pöhlbergs (831 m) und Scheibenbergs (804 m), der Granitfels Greifenstein (726 m), der Schatzenstein (790 m) und der Ziegenberg (665 m). Zwischen Zwickau, Chemnitz und Nossen liegt das erzgebirgische Kohlenbassin, in dem Thonschiefer, Grauwacke, Grünstein, Kohlengebirge, Rotliegendes, auch Porphyr und Melaphyr miteinander abwechseln, unter einer welligen Oberfläche eingebettet, deren tiefste Punkte bei Zwickau (290 m), Glauchau (246 m) und Chemnitz (307 m) von den Höhen bei Lichtenstein und Ölsnitz nur unbedeutend überragt werden, während der Thonschieferrücken im Süden (425-520 m) und der Hohenstein-Chemnitzer Glimmerschiefer- und Thonschieferzug im N. (Langenberger Höhe 418 m) die höhern Begrenzungen jenes Kohlenbassins bilden.
Zwischen Glauchau und Döbeln, rings von einem Thonschieferrand umgeben, erstreckt sich ein sich wenig über 350 m erhebendes Granulitgebirge, mit einzelnen Granit-, Gneis- und Serpentinbildungen abwechselnd. In den flachern Gegenden von Altenburg bis Wurzen und Oschatz herrscht Porphyr vor, der sich im Rochlitzer Berg 341 m hoch erhebt. Bei Grimma und Brandis sind noch Höhen von 200 m, während sich nach NW. um Leipzig die braunkohlenführende Tertiärformation in flachen Wellen ausbreitet. Der südlichste Teil des sächsischen Vogtlandes gehört dem Elstergebirge an, dessen abgerundete, meist aus Urthonschiefer bestehende Höhen durch wenig markierte Sättel vom Erzgebirge und Fichtelgebirge getrennt sind. Hier erheben sich um die Quellen der Elster der Hohe Brand (676 m) und der Kapellenberg (750 m).
S. ist reich bewässert, und zwar liegt es fast ausschließlich im Stromgebiet der Elbe (s. d.). Sie nimmt in S. auf: rechts die Kirnitzsch, den aus der Sebnitz und Polenz gebildeten Lachsbach, die Wesenitz und die Priesnitz;
links die Biela, Gottleuba, Müglitz, Lockwitz, Weißeritz, den Zschonergrundbach, Saubach, die Triebisch, das Lommatzscher Wasser, die Jahna, Döllnitz und den Lupper- oder Bruchbach.
Der bedeutendste Nebenfluß der Elbe ist die Mulde, die mit ihren zwei bei Klein-Sermuth sich vereinigenden Hauptarmen, der Zwickauer und der Freiberger Mulde, ein Gebiet von fast 5500 qkm (99,,6 QM.) umfaßt und als bedeutendsten Zufluß die Zschopau mit der Sehma, Pöhla, Preßnitz und Flöha aufnimmt. Die Weiße Elster (s. d.) verläßt bald nach der Vereinigung ihrer Quellen und nach Aufnahme der Trieb und der Göltzsch S., betritt es aber oberhalb Pegau wieder, um dann, verstärkt durch die Schnauder und die Pleiße mit Wihra und Parthe, jenseit der Grenze in die Saale zu münden.
Die Schwarze Elster (s. d.) entspringt in S., das sie nach einem Laufe von 22 km verläßt, und nimmt aus S. das Schwarzwasser, die Pulsnitz und die Röder auf. Die Spree entspringt auf dem Lausitzer Gebirge bei Walddorf, durchfließt S. auf einer Strecke von 52 km und nimmt das Löbauer Wasser auf. Zum Gebiet der Eger gehören nur die südlichste Spitze des Landes und die Zwota. Das Saalegebiet berührt S. durch die Wiesenthal an der äußersten westlichen Grenze. Zum Odergebiet gehört nur die aus Böhmen kommende Neiße, die nach 38 km langem Lauf nach Preußen übergeht, nachdem sie die ebenfalls aus Böhmen kommende Mandau, Kipper, Wittig und Pliesnitz aufgenommen hat. Eigentliche Seen hat S. nicht, wohl aber zahlreiche Teiche, namentlich bei Moritzburg und zwischen Hubertusburg und Mutzschen. Unter den Mineralquellen sind hervorzuheben: Elster, das alkalische Bad Berggießhübel, die Eisenwässer Augustusbad bei Radeberg, Schandau, Tharandt, Hohenstein, Neustadt
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bei Stolpen, die Thermalbäder Wolkenstein (das wärmste von allen, 30° C.) und Wiesenbad, das Vitriolwasser zu Lausigk (Hermannsbad) und das Schwefelbad Grünthal.
Sachsens Klima ist infolge seiner Lage am Nordabhang des Erzgebirges rauher, als die geographische Breite es bedingt, am mildesten in den Thälern der Elbe, Mulde und Pleiße, am rauhesten auf dem Kamm des Erzgebirges, namentlich in dem »sächsischen Sibirien« um Morgenröthe, Karlsfeld, Johanngeorgenstadt und Oberwiesenthal. Die mittlere Jahrestemperatur, wie sie auf den unter dem meteorologischen Institut zu Chemnitz stehenden 156 Stationen ermittelt ist, beträgt 7,2° C., in Leipzig bei 119 m Meereshöhe 8,5,° in Dresden (128 m) 8,8,° in Elster (501 m) 6,2,° in Oberwiesenthal (927 m) 4,6°. Die Abnahme der mittlern Jahrestemperatur erfolgt um 1° C. bei durchschnittlicher Erhebung um 170 m. Die Menge der Niederschläge ist durchschnittlich 710 mm an 188 Regen- und Schneetagen, davon in der niedrigsten Höhenlage 589, in der höchsten 940. Den geringsten Niederschlag hat die Station Gohrisch mit 490, den stärksten die Station Rehfeld mit 1297 mm.
Areal und Bevölkerung.
Der Flächenraum des Königreichs S. beträgt 14,992,94 qkm (272,29 QM.). Es hat unter allen europäischen Staaten die dichteste Bevölkerung, im J. 1885: 3,182,003 Einw. in 707,088 Haushaltungen und 284,524 Hausgrundstücken, und trotzdem auch die stärkste jährliche Bevölkerungszunahme. Es zählte 1815: 1,178,802, 1830: 1,402,066, 1840: 1,706,276, 1864: 2,344,094, 1875: 2,760,786 Seelen. Männliche Einwohner sind 1,542,405, weibliche 1,639,598. Es kommen auf 1 qkm 212,2 Einw., auf die Kreishauptmannschaft:
QKilom. | Einwohner | ||
---|---|---|---|
überhaupt | auf 1 QKil. | ||
Dresden | 4336.86 | 860558 | 186.4 |
Leipzig | 3567.35 | 774036 | 198.4 |
Bautzen | 2469.73 | 356560 | 142.3 |
Zwickau | 4619.00 | 1190849 | 239.3 |
Am dichtesten bevölkert ist, abgesehen von den Bezirken der Großstädte, die industriereiche Amtshauptmannschaft Glauchau mit 396,3 Einw. auf 1 qkm, am dünnsten das rein landwirtschaftliche sandige Niederland rechts der Elbe und das unwirtliche Oberland. Die Zahl der Gebornen überragt die der Gestorbenen jährlich um ca. 40,000 = 3 überschießende Geburten auf 1 qkm. Die Zahl der Auswanderer betrug 1887: 2434, der durchschnittliche Anteil Sachsens an der deutschen Auswanderung 3,3 Proz., dagegen die der in S. aufgenommenen Fremden 3694 gegen 236 aus dem sächsischen Staatsverband Entlassene. S. hat 143 Städte und 3118 Landgemeinden (920 Rittergüter). In Städten wohnen 1,340,881 (= 42,1 Proz.), auf dem Land 1,841,122 Menschen.
Unter den Städten hat eine (Dresden) mehr als 200,000 Einw., eine zwischen 150-200,000, eine über 90,000, eine über 30,000, vier zwischen 20,000 und 30,000, vier zwischen 15,000 und 20,000, acht zwischen 10,000 und 15,000, aber auch sechs weniger als 500 Einw. Fünf Landgemeinden hatten mehr als 10,000 Einw.; die volkreichste der letztern war Reudnitz (18,824 Einw.), welches aber nebst andern Vorstadtdörfern 1889 in die Stadt Leipzig einverleibt wurde. Der Abstammung nach sind die Bewohner teils germanisierte Slawen, teils aus Thüringen und Franken eingewanderte Deutsche. In der Lausitz wohnen noch 49,916 Wenden. Dem religiösen Bekenntnis nach zählte man 1885: 3,064,564 (96,31 Proz.) Lutheraner, 86,952 (2,79 Proz.) Römisch-Katholische, 2539 Apostolisch-Katholische, 10,193 Reformierte, 2155 Deutschkatholiken, 7755 (1834: 850) Israeliten etc. Bodenbenutzung, Land- und Forstwirtschaft.
In Bezug auf die physische Kultur nimmt S. eine hohe Stelle ein. Von der Gesamtfläche an 1,492,491 Hektar waren im J. 1883 landwirtschaftlich benutzte Fläche 1,021,030 Hektar (Feld und Gärten 831,226, Wiesen 174,122, Weiden und Hutungen 14,668, Weinberge 1014 Hektar), Forsten und Holzungen 409,120, Haus- und Hofräume 12,879, Wege, Straßen, Bahnen und öffentliche Plätze 28,238, Gewässer und Teiche 9720, Stromgebiet der Elbe 2075, sonstige Wasserläufe 4100, Steinbrüche 2756, Unland 2573 Hektar.
Den wenigsten Wald hat die Amtshauptmannschaft Borna: 9,49 Proz., den meisten die Amtshauptmannschaft Schwarzenberg: 64,61 Proz.;
das meiste Acker- und Gartenland hat die Amtshauptmannschaft Leipzig: 75,30 Proz., das wenigste die Amtshauptmannschaft Auerbach: 23,66 Proz. Der Boden wird in allen Höhenstufen in nahezu gleichem Verhältnis zu landwirtschaftlicher Kultur benutzt, indem von der dazu benutzten Fläche noch 8,5 Proz. auf die Höhenlage von 550-700 m und 0,9 Proz. auf die über 700 m entfallen;
denn die Dichtigkeit der Bevölkerung drängt auch dort zu intensiver Bodenbenutzung, wo die klimatischen Verhältnisse derselben nicht günstig sind. Im Vergleich zu andern Ländern des Reichs nimmt S. insofern eine sehr abweichende Stellung ein, als nur Berlin und die Hansestädte einen geringern, alle andern Länder und Provinzen aber einen erheblich größern Prozentsatz an landwirtschaftlicher Bevölkerung haben. Im J. 1882 gehörten der Land- und Forstwirtschaft an 19,8 Proz. der Gesamtbevölkerung, der Industrie, dem Berg-, Hütten- und Bauwesen 58,21, dem Handel und Verkehr 10, den persönliche Dienste Leistenden 0,82, sonstigen Hand- und Tagelöhnern 0,96, dem Heer 1,06, allen sonstigen Berufsarten 3,86; ohne Beruf waren 5,11 Proz. Von der gesamten landwirtschaftlich benutzten Fläche kommen 25,7 Proz. auf die kleinen Betriebe von 1-10 Hektar Größe, 57,2 Proz. auf die mittlern von 10-100 Hektar; nur einer hat mehr als 1000 Hektar. Die Regel ist also der mittlere bäuerliche Betrieb; Zwergwirtschaft und Großbetrieb treten daneben wesentlich zurück. Die meisten großen Güter liegen im Leipziger Kreis, die meisten mittlern im Dresdener, die meisten kleinen im Zwickauer. Der Ernteertrag war im J. 1886 an:
Doppelztr. | Doppelztr. | ||||
---|---|---|---|---|---|
vom Hektar durchschnittlich | |||||
Weizen | 834699 | 31.4 | |||
Roggen | 2901094 | 24.5 | |||
Gerste | 509855 | 33.0 | |||
Hafer | 3014823 | 16.4 | |||
Kartoffeln | 12349032 | 104.7 | |||
Futterrüben) | Knollen | 4823967 | (221.4 | ||
Zuckerrüben) | (259.3 | ||||
Sonstige Rüben | 913762 | 107.3 | |||
Kraut, Häupter | 2767965 | 71.8 | |||
Kleeheu | 2629983 | 34.2 | |||
Wiesenheu | 5175608 | 29.8 | |||
Anbauverhältnis der einzelnen Feldfrüchte:Getreide und Hülsenfrüchte | 507929 | Hektar | = | 49.74 | Proz. |
Futterpflanzen | 308786 | " | = | 30.24 | " |
Kartoffeln | 117090 | " | = | 11.46 | " |
Futterrüben und -Kohl | 36445 | " | = | 3.57 | " |
Handelsgewächse | 10222 | " | = | 1.01 | " |
Brache | 5955 | " | = | 0.58 | " |
Gärten | 33590 | " | = | 3.29 | " |
Weinberge | 1014 | " | = | 0.09 | " |
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Die eigentlichen Kornkammern Sachsens sind die Gegenden von Lommatzsch, Döbeln, Mügeln, Grimma, südlich von Leipzig, um Bautzen und Zittau. Treffliche Wiesen besitzen besonders das Erzgebirge und die Niederungen der Pleiße. Flachsbau wird im Erzgebirge und einem Teil der Lausitz betrieben. Sehr bedeutend ist der Obstbau, vorzüglich in der Umgegend von Dresden, Meißen, Lommatzsch, Mügeln, Leipzig, Glauchau und Krimmitschau, gefördert durch den Landesobstbauverein. Im J. 1883 gab es in S. 4,832,495 Obstbäume, welche einen Ertrag von 3,303,337 Mk. lieferten.
Gemüsebau und Gärtnerei haben ihren Hauptsitz um Dresden, Leipzig und Zittau. Auf einer hohen Stufe steht auch die Viehzucht Sachsens. 1883 zählte man 651,329 Stück Rindvieh (43,4 Stück auf 100 Hektar), 126,886 Pferde (8,5 auf 100 Hektar), 355,550 Schweine (23,7), 149,037 Schafe (9,9), 116,547 Ziegen (7,8). Der Gesamtwert des Viehbestandes auf 1 Hektar beträgt 159 Mk. (in Preußen 97, in Bayern 105 Mk.). Zur Veredelung der Pferdezucht dient das Landgestüt mit Beschälanstalt zu Moritzburg.
Die Schafzucht, deren Produkt, die sogen. Elektoralwolle, ehemals großen Ruf genoß, ist zwar sehr zurückgegangen, doch befinden sich ausgezeichnete Zuchtschäfereien zu Leutewitz und Löthain bei Meißen, zu Machern, Lützschena, Klipphausen, Thal bei Oschatz, Rochsburg etc. Wollmärkte finden in Leipzig, Dresden und Bautzen statt. Gänsezucht wird besonders in der Lausitz, auch um Leipzig betrieben, Bienenzucht noch am meisten in den Heiden des rechten Elbufers.
Trotz der intensiven Landwirtschaft vermag S. nicht den Bedarf seiner dichten Bevölkerung an Nahrungsmitteln selbst zu erzeugen. Im J. 1884 waren von den Körnerfrüchten für die menschliche Nahrung verfügbar 2 ⅓ Mill. Doppelzentner, der Verbrauch betrug 7,177,600, so daß 4,651,800 Doppelzentner durch Einfuhr zu decken waren. Nur an Kartoffeln wurden 8,260,800 Doppelzentner mehr erbaut als der Bedarf. Ebensowenig wird der Fleischbedarf durch die einheimische Viehzucht gedeckt; jener betrug 1884: 1,123,450 Doppelzentner, von denen 342,500 durch Einfuhr zu decken waren.
Der gesamte Mehrbedarf an Körnerfrüchten, Fleisch und Butter stellte einen Wert von 65,,92 Mill. Mk. dar. Als beratendes Organ für landwirtschaftliche Angelegenheiten steht dem Ministerium des Innern der aus den Vorständen und Abgeordneten der fünf Kreisvereine zu Dresden, Leipzig, Chemnitz, Reichenbach und Bautzen (mit 507 Zweigvereinen) und andern Sachverständigen zusammengesetzte Landeskulturrat zur Seite. An der Universität Leipzig besteht ein landwirtschaftliches Institut; Versuchsstationen ebendaselbst, zu Möckern und Pommritz, eine chemisch-physiologische bei der Tierarzneischule zu Dresden, eine pflanzenphysiologische und Samenkontrollanstalt zu Tharandt.
Außerdem streben landwirtschaftliche Garten- und Obstbauschulen, Vereine für Fohlenaufzucht, Geflügelzucht etc. sowie landwirtschaftliche Kreditvereine die Hebung der Landwirtschaft an. Eine Anstalt für künstliche Fischzucht befindet sich in Tharandt. Die staatliche Landrentenbank hat von 1834 bis 1859 die Entschädigungen für die Aufhebung der auf dem Grund und Boden haftenden Lasten beendigt; 1861 ist zunächst zum Zweck der Erleichterung von Wasserlaufsberichtigungen und Ent- und Bewässerungsanlagen die Landeskulturrentenbank errichtet worden.
Eines europäischen Rufs erfreut sich die Forstkultur Sachsens. Es lassen sich drei Waldregionen unterscheiden: die der Fichten und Tannen im Süden, die der Laubhölzer im NW. und die der Kiefern im NO. Die Summe aller Forsten beträgt 408,798,35 Hektar = 27,4 Proz. der Gesamtfläche; davon waren 1886 Staatswaldungen 173,981 Hektar, in welchen die Gesamtverschlagung 817,895 Festmeter betrug. Bei seiner großen industriellen Thätigkeit bedarf jedoch S. noch viel Holz aus den Nachbarländern, das besonders durch Flöße auf der Elbe bezogen wird.
Von sonstigen Waldprodukten sind Heidelbeeren, Preißelbeeren und Erdbeeren selbst Gegenstand der Ausfuhr. Der Wildstand wird sorgfältig gehegt. Hirsche finden sich nur in einzelnen größern Revieren, Schwarzwild nur im Moritzburger, Auerhähne bei Tharandt, Schwarzenberg etc., Trappen kommen im Niederland vor. Für die Hebung der Fischerei ist der Verein für Fischzucht thätig. In der Elbe werden Welse, Störe, Sander, Aale und Lachse, letztere beiden auch in ihren größern Nebenflüssen gefangen; Karpfen und Hechte liefern besonders die Teiche des rechten Elbufers, Forellen die Gebirgsgewässer. Die Perlenfischerei in der Weißen Elster und einigen Seitengewässern, die früher mitunter schöne Perlen lieferte, wird noch auf Staatskosten unterhalten. In Leipzig und Moritzburg treibt man Blutegelzucht.
Bergbau und Hüttenwesen.
Einen Hauptzweig der physischen Kultur bildet der Bergbau, der auf Metalle schon seit dem 12. Jahrh. in S. betrieben wird. Das Gesetz unterscheidet den Regalbergbau und den Kohlenbergbau. Zu ersterm gehören nach dem Gesetz vom alle wegen ihres Metallgehalts nutzbaren Mineralien; ihre Gewinnung ist unter gewissen Bedingungen, namentlich der Erlaubnis von seiten des Staats, jedermann gestattet. Am bedeutendsten ist die Gewinnung von silberhaltigen Blei-, demnächst von Zinn-, Eisen- und Kobalterzen.
Doch ist die Zahl der gangbaren Gruben von 1858 bis 1886 von 526 auf 137, die der Beamten und Arbeiter von 11,464 auf 8053, der Wert der Produkte von 5,461,797 auf 5,326,828 Mk. zurückgegangen. 158 Erzgruben erforderten im J. 1886 eine Zubuße von 1,702,509 Mk. Es bestehen vier Bergamtsreviere: das Freiberger, auf welches fast ausschließlich die Silberproduktion kommt, das Altenberger, wo das meiste Zinn, das Schwarzenberger, wo das meiste Eisen gegraben wird, und das Marienberger.
Der Steinkohlenbergbau wird in zwei Becken, in dem größern erzgebirgischen um Zwickau und Lugau und in dem des Plauenschen Grundes, betrieben. Von den im J. 1886 noch vorhandenen 45 Steinkohlengruben arbeiteten 15 mit einem jährlichen Reinertrag von 3 ⅓ Mill. Mk. Braunkohlen kommen vornehmlich in den Einbuchtungen des Tieflandes um Grimma, Oschatz, Bautzen und Zittau vor. Die Ausbeute der 114 Braunkohlenwerke betrug 733,917 Ton. im Wert von 2 1/7 Mill. Mk. Der gesamte Bergbau auf Erz, Stein- und Braunkohlen beschäftigte 1886: 29,648 Personen und lieferte Produkte im Wert von 39¾ Mill. Mk. Torf hat besonders das Erzgebirge.
Bausteine (Quadern) liefert in vorzüglicher Güte das Elbsandsteingebirge, wo 1887 in 272 Steinbrüchen 3357 Arbeiter beschäftigt waren, Granit zu Platten oder Skulpturen das Lausitzer Gebirge. Porphyr wird an den Wänden des Elbthals ober- und unterhalb Meißen, Kalk im Müglitz- und Triebischthal, bei Mügeln, Geithain und Lengefeld, Schiefer im Erzgebirge, Serpentin bei Zöblitz und Waldheim gebrochen. Einige Arten Edelsteine kommen im Erzgebirge vor, treffliche Porzellanerde bei Sornzig und Meißen, Töpferthon an mehreren Stellen, Salz aber fehlt.
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Seit 1710 kommen sämtliche silber-, blei- und kupferhaltige Erze des Inlandes, außerdem eine bedeutende Anzahl ausländischer auf den fiskalischen Hüttenwerken bei Freiberg zur Verarbeitung; nur für Zinn besteht im Altenberger Revier eine besondere Schmelzhütte. Von den Freiberger Hütten wurden im J. 1886: 384,740 metr. Ztr. Erze und Gekrätze für 12,032,438 Mk. eingekauft und daraus gewonnen:
Gold | 87 | kg | metr. Ztr. | |
---|---|---|---|---|
Silber | 79783 | - | Nickelspeise | 276 |
Wismut | 3415 | - | Arsenikalien | 11252 |
metr. Ztr. | Zink | 403 | ||
Bleiprodukte | 25841 | Schwefelsäure | 133990 | |
Kupfervitriol | 16981 | Schrotwaren | 2820 | |
Eisenvitriol | 11836 | Bleiwaren | 18698 |
zusammen im Wert von 15 Mill. Mk. Die Seigerhütte Grünthal (mit Kupferhammer) verfeinert das von den Silberhütten ausgebrachte Rohkupfer. Die kobalt- und nickelhaltigen Erze der Annaberger und Schneeberger Gegend werden auf dem gewerkschaftlichen Blaufarbenwerk zu Pfannenstiel und dem fiskalischen zu Oberschlema verarbeitet. Das Ausbringen des letztern betrug 1886: 3866 kg im Wert von 1,996,834 Mk. Was die Eisenproduktion betrifft, so produzierte 1886 ein Hochofen an Roheisen in Masseln und Gußwaren erster Schmelzung 9967,5 Ton. im Wert von 528,122 Mk.;
118 Eisengießereien mit 5432 Arbeitern Gußwaren zweiter Schmelzung 971,937 T. im Wert von 13,3 Mill. Mk.;
4 Schweißeisenwerke mit 1049 Arbeitern 24,432 T. Fabrikate im Wert von 3 Mill. Mk.;
2 Flußeisenwerke mit 349 Arbeitern 19,101 T. im Wert von 3 Mill. Mk.
Industrie.
S. ist eins der Hauptindustrieländer der Erde. Die größere Hälfte der Bevölkerung gehört dem Industriebetrieb, Bergbau und Bauwesen eingerechnet, an; der industriereichste Bezirk ist die Kreishauptmannschaft Zwickau. Das Land ist in 5 Handels- und Gewerbekammer- (Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen, Zittau) sowie in 7 Gewerbeinspektionsbezirke eingeteilt. Die Zahl der 1882 in S. ermittelten, in 20 Gewerbegruppen unterschiedenen Hauptbetriebe beträgt 313,140. Davon gehörten 34,9 Proz. zur Textilindustrie, 22,9 Proz. zur Gruppe Bekleidung und Reinigung, 11,3 Proz. zum Handelsgewerbe, 6 Proz. zur Gruppe der Nahrungs- und Genußmittel, 2,7 Proz. zum Baugewerbe.
Die Zahl der in allen Hauptbetrieben beschäftigten Personen betrug 793,760. Von diesen arbeiteten 235,690 (29,7 Proz.) in der Textilindustrie, 114,157 (14,1 Proz.) in den zur Bekleidung und Reinigung gehörenden Gewerben, 68,641 (8,6 Proz.) im Handelsgewerbe, 54,094 (6,8 Proz.) in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, 51,675 (6,5 Proz.) im Baugewerbe. Die Beteiligung des weiblichen Geschlechts an der Gewerbthätigkeit ist in S. beträchtlich stärker als im Deutschen Reich überhaupt: hier 20,56, dort 27,78 Proz. Die Zahl der in der Industrie verwendeten feststehenden Dampfmaschinen belief sich 1887 auf 6542 mit 103,773 Pferdekräften.
Die Zahl der Hauptbetriebe mit Motoren, in denen zusammen 214,651 Personen beschäftigt wurden, betrug 9789, die der Hauptbetriebe ohne Motoren, in welchen 579,109 Personen arbeiteten, 303,351, demnach die durchschnittliche Zahl der beschäftigten Personen in einem Hauptbetrieb mit Motoren 21,9, in einem solchen ohne Motoren 1,9. Von großer Wichtigkeit ist der Maschinenbau, der, 1826 in Chemnitz entstanden, dort auch seinen Hauptsitz hat. Steinzeug- und Thonwarenfabriken haben Chemnitz, Zwickau, Meißen und Bautzen, Porzellanfabriken Meißen u. Zwickau; Glas wird bei Dresden, in Radeberg, Bischofswerda, Zwickau und bei Karlsfeld fabriziert. Die Fabrikation chemischer Produkte hat ihren Hauptsitz in und um Leipzig, die pharmazeutischer Produkte in Dresden. 1886 erzeugten 753 Bierbrauereien 3,760,004 hl Bier. Von den 663 Branntweinbrennereien befinden sich 35 in Städten, 628 auf dem Land.
Die wichtigste aller sächsischen Industrien ist die Textilindustrie. Ihren Hauptsitz hat diese in der Kreishauptmannschaft Zwickau, wo Chemnitz und Umgegend sowie die Schönburgschen Rezeßherrschaften mit den Städten Glauchau, Meerane und Hohenstein Mittelpunkte derselben sind. Hinsichtlich der Zahl der Betriebe und der in denselben beschäftigten Personen nimmt die Weberei die erste Stelle ein; alsdann folgen die Strickerei und Wirkerei, die Häkelei, die Stickerei und Spitzenfabrikation einschließlich der im südwestlichen Erzgebirge noch immer betriebenen, aber wenig lohnenden Klöppelei und die Posamentenfabrikation der Annaberger Gegend.
Hauptsitz der Leinenindustrie ist die Lausitz, doch ist dieselbe infolge der erdrückenden englischen Konkurrenz sehr zurückgegangen. Berühmt ist die Damastweberei von Groß- und Neuschönau. Die Fabrikation baumwollener Musseline und die Weißstickerei haben im Vogtland ihren Sitz, die Strumpfwirkerei in und um Chemnitz, die Bandfabrikation in Pulsnitz und Umgegend. Hauptpunkte für die Tuch- und Buckskinfabrikation sind: Kamenz, Bischofswerda und Großenhain, nächst diesen Oschatz, Öderan, Werdau und Kirchberg;
für Flanelle Hainichen;
für wollene und halbwollene Kleiderstoffe Chemnitz, Glauchau, Meerane, Reichenbach, Ölsnitz, Zittau;
für wollene Strumpfwaren Bautzen und Limbach.
Färberei und Zeugdruck werden vornehmlich in Chemnitz, Zschopau, Frankenberg, Glauchau, Penig, Burgstädt und Hainichen betrieben, Wachstuchfabrikation in Leipzig; Jutespinnereien haben Meißen und Ostritz. Die Papierfabrikation wird in mehr als 60 Fabriken betrieben (die größten in Kriebstein bei Waldheim, Bautzen und Penig), die Strohflechterei hat sich auf dem Abfall des Gebirges zwischen der Gottleuba und der Lockwitz angesiedelt, die Fabrikation künstlicher Blumen blüht in Leipzig, Dresden, Sebnitz und Neustadt b. Stolpen.
Große Ausdehnung hat in der Kreishauptmannschaft Leipzig die Zigarrenfabrikation. Hoch entwickelt ist die Pianofortefabrikation in Dresden und Leipzig; beide sowie Chemnitz haben auch Hutmacherei. Im Erzgebirge, um Seiffen, Waldkirchen, Olbernhau etc., hat sich die Holz- und Spielwarenindustrie, in Karlsfeld und Glashütte die Uhrenfabrikation, im Vogtland, in Markneukirchen und Klingenthal, die Fabrikation musikalischer Instrumente angesiedelt. Korbmacherei blüht in Zwenkau; fabrikmäßig ist die Kunsttischlerei in Johanngeorgenstadt entwickelt.
Handel und Verkehr.
Sachsens Handel nimmt teil am Welthandel; seine wichtigsten Ausfuhrartikel sind die Erzeugnisse der heimischen Industrie. Der Mittelpunkt desselben und zugleich der des gesamten deutschen Buchhandels ist Leipzig. Sehr lebhaft ist der Verkehr auf der Elbe, deren Schiffbarkeit sorgfältig unterhalten und verbessert wird. 1887 belief sich der Bestand der Elbfahrzeuge in S. auf 25 Personen- und 5 Güterdampfschiffe, 12 Rad- und 8 Kettenschleppschiffe, eine Dampffähre, 526 Segel- und Schleppschiffe, zusammen mit 2,743,330 Ztr. Tragfähigkeit. Die 1836 gegründete Sächsisch-Böhmische Dampfschiffahrtsgesellschaft befördert jährlich über 2 Mill. Personen. Außerdem
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betreiben den Stromverkehr seit 1869 die Gesellschaft Kette, die Gesellschaft der Vereinigten Schiffer und die Österreichische Nordwest-Dampfschiffahrtsgesellschaft. Die Niederwarthaer Elbbrücke passierten 1887 in Thal- und Bergfahrt 19,084 Fahrzeuge. Die Länge der Staatsstraßen betrug 3698 km. Die unter sächsischer Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen hatten Ende 1887 eine Länge von 2456,79 km und zwar 2351,20 km Staatsbahnen, 51,89 km Privatbahnen und 53,70 km Privatkohlenbahnen.
Unter Privatverwaltung steht nur die 5,40 km lange Bockwaer Kohlenbahn. Im Bau befinden sich noch 100,19 km, und für den Bau genehmigt sind 98,39 km Staatsbahnen. Vollbahnen sind 1701,35 km, normalspurige Sekundärbahnen 544,62, schmalspurige 157,12 km. Befördert wurden im Jahr über 25 Mill. Personen und gegen 14 Mill. Ton. Güter. Das mittlere Anlagekapital der Staatsbahnen von 611,6 Mill. Mk. (Ende 1886) verzinste sich mit 4,59 Proz. Außer den beiden bereits erwähnten Rentenbanken, dem Erbländischen Ritterschaftlichen Kreditverein zu Leipzig und der Landständischen Bank des Markgraftums Oberlausitz, die beide für Hypothekarkredit bestimmt sind, besitzt S. mehrere Banken für Handel und Verkehr: die Leipziger Bank, die Allgemeine Deutsche Kreditanstalt und die Kommunalbank zu Leipzig, die Sächsische und die Dresdener Bank zu Dresden u. a.;
außerdem dienen zahlreiche Kreditvereine der Förderung des Handelsverkehrs.
Hoch entwickelt ist in S. das Sparkassenwesen. Am Schluß des Jahrs 1886 gab es 200 (1888 bereits 207) Sparkassen, d. h. eine auf 15,910 Einw., mit einem Gesamtguthaben der Einleger von 462,9 Mill. Mk. Am Schluß des Jahrs 1877 kamen auf den Kopf der Bevölkerung 103 Mk., 1886 dagegen 145 Mk. Die durch Gesetz vom errichtete Altersrentenbank hat bei einer Gesamthöhe der bis Ende 1887 bewirkten Einzahlungen von 12,211,974 Mk. Renten im Betrag von 2,423,207 Mk. ausgezahlt.
Sachsens Volkswohlstand ist in stetigem Steigen. Während die Bevölkerung von 1880 bis 1885 um 7,4 Proz. gestiegen ist, hat sich die Zahl der eingeschätzten Personen von 1879 bis 1886 um 16 Proz., das Einkommen von 959½ Mill. auf 1236½ Mill. Mk. im Jahr (um 28,89 Proz.) gehoben. Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Landbewohners betrug 1886: 297,86 Mk. (1880: 264,61 Mk.), das eines Stadtbewohners 505,84 Mk. (1880: 424,84 Mk.). Das größte Einkommen für den Kopf der Bevölkerung hatte Leipzig: 848,12 Mk. (1880: 736,85 Mk.). Die Klasse mit einem Einkommen bis zu 800 Mk. macht 73,45 Proz. der Gesamtbevölkerung aus, die mittlere mit einem Einkommen von 801-3300 Mk. = 23,46, die wohlhabende von 3301-9600 Mk. = 2,45, die reiche mit einem Einkommen von über 9600 Mk. = 0,64 Proz. Von 1879 bis 1886 hat die Prozentzahl der Bewohner mit Einkommen bis zu 800 Mk. abgenommen, dagegen sind die bessern Einkommen gestiegen. Die Zahl der unbemittelten ist in dieser Zeit um 12,04 Proz., die der Angehörigen des Mittelstandes um 30,56, die der Wohlhabenden um 27,13, die der Reichen um 50,93 Proz. gestiegen. 1886 waren 626 Aktiengesellschaften mit 28 ⅓ Mill. Mk. Einkommen vorhanden.
Bildungsanstalten
. Für die intellektuelle Kultur der Bewohner, vom höchsten bis zum niedrigsten, ist durch trefflich eingerichtete Lehranstalten aller Art gesorgt. Die Landesuniversität sowie die (Leibniz' 200jährigem Geburtstag) gestiftete königliche Gesellschaft der Wissenschaften haben ihren Sitz in Leipzig. Außer den beiden Fürsten- (oder Landes-) Schulen zu Meißen und Grimma besitzt S. 15 Gymnasien, 11 Realgymnasien und 23 Realschulen. Höhere technische Lehranstalten sind das Polytechnikum in Dresden und die höhere Gewerbeschule in Chemnitz.
Außerdem bestehen 4 Baugewerkschulen, eine mechanische, Baugewerk- und Werkmeisterschule in Chemnitz; Privatanstalten sind das Technikum zu Frankenberg und das zu Mittweida. Als Fachschulen reihen sich ferner an: die Bergakademie zu Freiberg, die Bergschulen zu Freiberg und Zwickau, die Forstakademie zu Tharandt, das Kadettenhaus, die Unteroffizierschule zu Marienberg und die Soldatenknaben-Erziehungsanstalt zu Kleinstruppen, 5 Lehranstalten für bildende Kunst und Kunstgewerbe, 7 für Musik und Theater, ein stenographisches Institut, eine Tierarzneischule, eine Turnlehrerbildungsanstalt und ein Entbindungsinstitut zu Dresden.
Andre Anstalten für gewerbliche Fortbildung sind: 28 Web-, Wirk- und Posamentierschulen, 20 gewerbliche Fachschulen, 6 Schiffer-, 10 landwirtschaftliche und Gartenbau-, 30 Handelsschulen etc. Die Volksschule, über welche der Staat seine Aufsicht durch 25 Bezirksschulinspektoren ausübt, gliedert sich nach dem Gesetz vom in die einfache, mittlere und höhere, wozu noch die Fortbildungsschule kommt. Man zählte 1885: 2144 evangelische, 54 katholische und 4 israelitische Volksschulen. An mehreren Orten bestehen Sonntagsschulen.
Die Heranbildung der Lehrkräfte geschieht durch 18 Seminare einschließlich der 2 Lehrerinnenseminare zu Dresden und Kallnberg. Die Zahl der Analphabeten bei der Rekrutenstellung ist von 0,27 im J. 1879 auf 0,02 im J. 1887 gesunken. Taubstummeninstitute bestehen zu Dresden und Leipzig. Die Zahl der zu Hubertusburg im Versorgungshaus für irre Frauen, in der Abteilung für blödsinnige Kinder, im Landeskrankenhaus, in der Abteilung für Epileptische, dem Landessiechenhaus, dem Landeshospital und der Erziehungsanstalt für schwachsinnige Kinder untergebrachten betrug 1885: 2077; die der Irren auf dem Sonnenstein 361, in Kolditz 853, in der Irrenanstalt zu Hochweitzschen 447, auf der Irrenstation zu Waldheim 31. In der Blindenanstalt zu Dresden und der Blindenvorschule zu Moritzburg befanden sich 220 Blinde.
Besserungsanstalten für Kinder bestehen zu Bräunsdorf und Großhennersdorf, Korrektionsanstalten für männliche Jugendliche in Sachsenburg, für Weiber in Waldheim, für Männer in Hohnstein mit Hilfsanstalt in Radeberg, Gefängnisstrafanstalten für männliche Jugendliche in Sachsenburg, für weibliche in Grünhain, für Weiber in Vogtsberg, für Männer in Zwickau (mit Hilfsanstalt Nossen), Zuchthäuser für Männer in Waldheim, für Weiber in Hoheneck. In kirchlicher Hinsicht ist S. ausschließlich der Lausitz in 25 evangelische Ephorien eingeteilt. Das ganze Land zählt 960 Parochien mit 1181 Geistlichen.
Staatsverfassung und -Verwaltung etc.
Das Königreich S. ist eine konstitutionelle Monarchie und ein Glied des Deutschen Reichs. Im Bundesrat hat es 4 Stimmen, in den Reichstag entsendet es 23 Vertreter. Die Staatsverfassung beruht auf der Verfassungsurkunde vom welche durch die Gesetze vom und modifiziert worden ist. Der König kann ohne Zustimmung der Stände weder zugleich Oberhaupt eines andern Staats (Erbanfälle ausgenommen) werden, noch seinen wesentlichen Aufenthalt außer Landes nehmen. Die Krone ist erblich im Mannesstamm des königlich
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sächsischen Fürstenhauses (Albertinische Linie) nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealerbfolge; beim Erlöschen desselben succediert die Ernestinische Linie des Hauses S. In Ermangelung eines successionsfähigen Prinzen geht die Krone auf die weibliche Linie über. Der König wird mit zurückgelegtem 18. Lebensjahr volljährig. Er bezieht eine Zivilliste von 2,940,000 Mk., wozu noch 392,036 Mk. Apanagen des königlichen Hauses kommen.
Das königliche Haus bekennt sich zur römisch-katholischen Kirche. Das königliche Hausgesetz datiert vom Für das ganze Königreich besteht eine in zwei Kammern geteilte Ständeversammlung. Mitglieder der Ersten Kammer sind:
1) die volljährigen Prinzen des königlichen Hauses;
2) ein Deputierter des Hochstifts Meißen;
3) der Besitzer der Herrschaft Wildenfels;
4) ein Vertreter der Besitzer der Schönburgschen Rezeßherrschaften;
5) ein Abgeordneter der Universität Leipzig;
6) und 7) die Besitzer der Standesherrschaften Reibersdorf und Königsbrück;
8) der evangelische Oberhofprediger;
9) der Dekan des katholischen Domstifts zu Bautzen;
10) der Superintendent zu Leipzig;
11) ein Abgeordneter des Kollegiatstifts zu Wurzen;
12) einer der Besitzer der Schönburgschen Lehnsherrschaften;
13) zwölf auf Lebenszeit gewählte Abgeordnete der Besitzer von Landgütern, die wenigstens 4000 Steuereinheiten haben;
14) zehn vom König auf Lebenszeit ernannte Rittergutsbesitzer, die ebenfalls wenigstens 4000 Steuereinheiten haben;
15) die erste Magistratsperson der Städte Dresden und Leipzig;
16) die erste Magistratsperson in sechs vom König unter möglichlichster (Anmerkung des Editors: möglichster) Berücksichtigung aller Teile des Landes zu bestimmenden Städten;
17) fünf vom König nach freier Wahl auf Lebenszeit ernannte Mitglieder. Die Zweite Kammer besteht aus 80 Abgeordneten, 35 der Städte und 45 der ländlichen Wahlkreise. Zu jenen schickt Dresden 5, Leipzig 3, Chemnitz 2, Zwickau einen Abgeordneten; die übrigen Städte sind in 24 Wahlkreise verteilt, deren jeder einen Abgeordneten wählt. Jeder Kammer steht die Wahl ihres Präsidenten zu. Der König beruft längstens alle zwei Jahre einen ordentlichen Landtag, außerordentliche, so oft es dringende Angelegenheiten erfordern.
Die Abgeordneten werden auf sechs Jahre gewählt; alle zwei Jahre scheidet ein Dritteil aus. Die Wahl ist direkt und geheim. Wahlberechtigt ist jeder Staatsangehörige vom 25. Jahr an, welcher wenigstens 3 Mk. Staatssteuern zahlt; wählbar jeder, der das 30. Lebensjahr erfüllt und wenigstens 30 Mk. Staatssteuern zu entrichten hat. Das Petitionsrecht können beide Kammern nur gemeinschaftlich, das Beschwerderecht kann, wenn keine Vereinigung zu stande kommt, jede allein, das Anklagerecht können sie nur gemeinschaftlich ausüben und zwar nur gegen die Vorstände der Ministerien und bei Verletzung der Verfassung.
Über die Anklage entscheidet ein teils vom König aus den Vorständen und Mitgliedern der höhern Gerichte ernannter, teils von den Ständen gewählter Staatsgerichtshof nach einem durch Gesetz vom geregelten Verfahren. Derselbe Staatsgerichtshof entscheidet auch, wenn sich Regierung und Stände über Auslegung der Verfassung nicht vereinigen können. Als Provinzialstände bestehen in den Erblanden die vier Kreistage der Stände des Meißener, Leipziger, Erzgebirgischen und Vogtländischen Kreises (in Gemäßheit der Kreisordnung vom und der Provinziallandtag der Oberlausitz nach Maßgabe des provinzialständischen Statuts (vom
Die obersten Staatsbehörden sind das Gesamtministerium und die einzelnen Ministerialdepartements der auswärtigen Angelegenheiten, des Innern, des Kultus und öffentlichen Unterrichts, der Justiz, der Finanzen und des Kriegs. Dem Gesamtministerium sind unmittelbar untergeordnet die seit mit erweiterten Befugnissen ausgestattete Oberrechnungskammer und das Hauptstaatsarchiv. Getrennt von dem Gesamtministerium ist das Ministerium des königlichen Hauses.
Behufs der Verwaltung ist das Königreich in vier Kreishauptmannschaften (s. oben) und 25 Amtshauptmannschaften eingeteilt. Jeder Amtshauptmannschaft ist ein Bezirksausschuß, jeder Kreishauptmannschaft ein Kreisausschuß beigegeben. Nach dem Gesetz vom bildet jede Amtshauptmannschaft einen Bezirksverband, welcher durch die Bezirksversammlung vertreten wird. Für Zwecke der Selbstverwaltung sind diese Bezirksverbände mit einem Fonds von 9 Mill. Mk. aus dem Anteil Sachsens an der französischen Kriegskostenentschädigung versehen worden.
Verwaltung und Justiz sind auch in der ersten Instanz getrennt. Für den Regal- und Kohlenbergbau sowie für das fiskalische Hüttenwesen ist das Bergamt in Freiberg kollegiale Mittelbehörde. Die Gemeindeordnung beruht auf der Städteordnung vom und der Landgemeindeordnung vom beide revidiert durch Gesetz vom Für die Städte sind nur die allgemeinen Grundzüge festgestellt, die Besonderheiten werden durch Ortsstatuten ergänzt.
An der Spitze des Stadtrats steht der Bürgermeister; die besoldeten Mitglieder des Stadtrats werden in der Regel auf Lebenszeit, die unbesoldeten stets nur auf sechs Jahre gewählt; doch kann die Wahl der erstern nach Ortsstatut anfänglich auch auf sechs, bez. zwölf Jahre erfolgen. Stadtrat u. Stadtverordnete können zu einem Stadtgemeinderat verschmelzen. In den Landgemeinden besteht der Gemeinderat aus dem Gemeindevorstand, einem oder mehreren Gemeindeältesten und einem Gemeindeausschuß unter Aufsicht des Amtshauptmanns. Die Ortspolizei wird von den Gemeinden unter Aufsicht der Regierungsbehörden, die Landespolizei von der Landesregierung gehandhabt. Die Überwachung der Sanitätszustände liegt dem Landesmedizinalkollegium und in den elf Medizinalbezirken den Bezirksgerichtsärzten ob.
Was die Gerichtsverfassung anlangt, so hat S. ein Oberlandesgericht, zu Dresden, 6 Landgerichte, zu Dresden, Leipzig, Bautzen, Chemnitz, Zwickau und Freiberg, und 103 Amtsgerichte. Für das bürgerliche Recht gilt noch das in Kraft getretene bürgerliche Gesetzbuch. Die Schönburgschen Ämter sind seit dem allgemeinen sächsischen Gerichtsverfahren unterstellt.
Über die evangelische Kirche üben, solange der König sich zur katholischen Kirche bekennt, die landesherrliche Kirchengewalt die in evangelicis beauftragten Staatsminister. Höchste Kirchenbehörde ist das durch das Kirchengesetz vom errichtete evangelische Landeskonsistorium zu Dresden; die Konsistorialbehörde für die Oberlausitz bildet die Kreishauptmannschaft zu Bautzen, für die Schönburgschen Herrschaften das Gesamtkonsistorium zu Glauchau. Gemäß der Kirchenordnung von 1868 steht die Vertretung der lutherischen Kirche einer aus 35 Laien und 29 Geistlichen zusammengesetzten Synode zu. Für die reformierte Kirche, welche zwei Parochien hat, bestehen die reformierten Konsistorien zu Dresden und Leipzig. Die
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römisch-katholische Kirche hat in den drei Bezirken Dresden, Leipzig und Zwickau (Erblanden) als oberste Behörde das apostolische Vikariat zu Dresden, dem das katholische Konsistorium zu Dresden untergeordnet ist. In der Lausitz ist nach dem Traditionsrezeß vom das Domstift St. Petri zu Bautzen nebst dem domstiftlichen Konsistorium die geistliche Behörde. Nur in der Lausitz bestehen noch zwei Nonnenklöster (zu Marienstern und Marienthal); neue Klöster dürfen nicht errichtet, auch darf kein religiöser Orden aufgenommen werden. Für die deutsch-katholischen Glaubensgenossen, deren Rechtsverhältnisse durch Gesetz vom festgestellt sind, besteht nach Gesetz vom als Mittelbehörde der Kirchenvorstand zu Dresden. Die griechische Kirche hat eine Parochie (Leipzig) mit Kapelle und einem Geistlichen. Der israelitische Kultus hat 2 Synagogen (Dresden und Leipzig) und 2 Rabbiner.
Finanzen, Wappen, Orden.
Der Stand der Finanzen ergibt sich aus dem für 1888/89 festgesetzten Budget wie folgt:
A. Ordentlicher Staatshaushaltsetat.
Einnahmen: | Mark |
---|---|
Nutzungen des Staatsvermögens u. der Staatsanstalten | 42838242 |
Direkte Steuern | 20939640 |
Zölle und Verbrauchssteuern | 19580432 |
Zusammen: | 83358314 |
Ausgaben: | |
Zivilliste | 2940000 |
Apanagen | 392036 |
Sammlungen für Kunst und Wissenschaft | 417879 |
Verzinsung und Tilgung der Staatsschuldv | 30982395 |
Jahresrenten | 407060 |
Ablösungen und Abfindungen | 5000 |
Landtagskosten | 126900 |
Stenographisches Institut | 30250 |
Allgemeine Regierungs- u. Verwaltungsangelegenheiten | 82300 |
Gesamtministerium | 191535 |
Departement der Justiz | 3586232 |
Departement des Innern | 9887165 |
Departement der Finanzen | 6203924 |
Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts | 8540529 |
Departement des Auswärtigen | 148970 |
Ausgaben zu Reichszwecken | 14088891 |
Pensionsetat | 3291589 |
Dotationen und Reservefonds | 2035659 |
Zusammen: | 83358314 |
B. Außerordentlicher Staatshaushaltsetat.
Ausgaben: | Mark |
---|---|
Wasser- und Eisenbahnbauten | 28744500 |
Einnahmen: | |
Ertragsüberschuß der Finanzperiode 1884/85 | 8657956 |
Aus dem mobilen Staatsvermögen | 20086544 |
Zusammen: | 28744500 |
Die Staatsschuld beträgt einschließlich einer 1876 behufs Ankaufs von Privateisenbahnen aufgenommenen 3proz. Rentenanleihe von 101 Mill. Mk. nominell 643½ Mill. Mk., der aber ein Staatsvermögen von weit höherm Betrag gegenübersteht, indem allein für den Bau der Staatsbahnen bis Ende 1886: 662¾ Mill. Mk. verausgabt worden sind. Die Abgabenverwaltung führt die Zoll- und Steuerdirektion in Dresden, die Erhebung der indirekten Abgaben geschieht durch 6 Hauptzollämter und 11 Hauptsteuerämter, für die der direkten Steuern ist das Land in 4 Steuerkreise mit 23 Steuerbezirken eingeteilt.
Zum Reichsheer stellt S. das 12. Armeekorps; die aktive Armee besteht aus 11 Linieninfanterieregimentern, einem Schützenregiment, 3 Jägerbataillonen, 6 Kavallerie- und 2 Feldartillerieregimentern, einem Fußartillerieregiment, einem Pionier-, einem Eisenbahn- und einem Trainbataillon. Die Friedensstärke beläuft sich auf 1261 Offiziere und 31,810 Mann. Den Korpskommandanten (gegenwärtig Prinz Georg) ernennt der Kaiser, die übrigen Generale der König.
Das Staatswappen (s. Tafel »Wappen«) ist ein deutscher Schild, welcher fünf schwarze Balken im goldenen Feld mit schräg rechts darübergelegtem grünen Rautenkranz zeigt, vom Hausorden der Rautenkrone umhangen ist, von der Königskrone bedeckt und von zwei Löwen gehalten wird. Die Landesfarben sind seit 1815 Weiß und Grün. Orden hat S. fünf: den Hausorden der Rautenkrone (s. Tafel »Orden«, [* ] Fig. 3), gestiftet nach Annahme der Königswürde;
den Militär-Sankt. Heinrichsorden, benannt nach dem Kaiser Heinrich II. und gestiftet von Friedrich August II. zu Hubertusburg, mit neuen Statuten versehen (s. Heinrichsorden);
den Verdienstorden, gestiftet und den Albrechtsorden (s. d. 1), zum Andenken an den Stammvater der Albertinischen Linie gestiftet (s. Tafel »Orden«, Fig. 1);
den Sidonienorden, gestiftet für die von dem weiblichen Geschlecht auf dem Gebiet der freiwillig helfenden Liebe im Krieg oder im Frieden erworbenen Verdienste.
Residenz des Königs ist Dresden; königliche Lustschlösser sind: Pillnitz, Moritzburg und Sedlitz.
Vgl. v. Bose, Handbuch der Geographie, Statistik und Topographie des Königreichs S. (2. Aufl., Dresd. 1847);
Engelhardt, Vaterlandskunde für Schule und Haus im Königreich S. (neue Bearbeitung von Th. Flathe, 3. Aufl. 1877);
Opitz, Staatsrecht des Königreichs S. (Leipz. 1883-87, 2 Bde.);
Leuthold, Das Staatsrecht etc. (in Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts«, Freiburg 1884);
Naumann und Cotta, Geognostische Beschreibung des Königreichs S. (Dresd. u. Leipz. 1845, 5 Hefte);
Credner, Die geologische Landesuntersuchung des Königreichs S. (Leipz. 1885);
v. Langsdorff, Die Landwirtschaft im Königreich S. bis 1885 (Dresd. 1889);
Jüchtzer, Handbuch der Kirchenstatistik für das Königreich S. (12. Ausg., das. 1882) und der Schulstatistik (14. Ausg., das. 1888);
»Staatshandbuch für das Königreich S.« (das. 1887);
»Zeitschrift des königlich sächsischen Statistischen Büreaus«; »Kalender und statistisches Jahrbuch für das Königreich S.« (hrsg. vom Statistischen Büreau, das. 1871 ff.).
Karten: Topographischer Atlas des Königreichs S., bearbeitet bei der königlichen Militärplankammer (Dresd. 1836-60, 20 Bl.);
Lange, Atlas von S. (Leipz. 1860-61, 12 Bl.);
Süßmilch-Hörnig, Topographische Spezialkarte des Königreichs S. (Dresd. 1858, 4 Bl.);
»Geographische Spezialkarte des Königreichs S.«, herausgegeben vom topographischen Büreau (1:25,000, in 156 Blättern, Leipz., seit 1875).
Geschichte.
Kursachsen bis zur Teilung.
Seit der Erwerbung Thüringens durch den Markgrafen Heinrich den Erlauchten von Meißen im J. 1263 (s. Meißen, Markgrafschaft) besaßen die Wettiner ein zusammenhängendes Gebiet, das von der Oder bis zur Werra, vom Erzgebirge bis zum Harz reichte. Doch die in den deutschen Fürstenhäusern üblichen Teilungen riefen auch bei den Wettinern öfters Zerwürfnisse hervor. Heinrich trat noch bei Lebzeiten seinem ältesten Sohn, Albrecht dem Entarteten, Thüringen, dem zweiten, Dietrich, Landsberg, dem jüngsten, Friedrich dem Kleinen
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(gest. 1316), Dresden ab. Als Heinrich 1288 starb, fiel die Mark Meißen an Dietrichs Sohn Friedrich Tutta von Landsberg, und nach dessen Tod (1291) nahmen Albrechts Söhne Friedrich der Freidige und Diezmann seine Länder in Besitz. Allein König Adolf von Nassau, dem Albrecht aus Haß gegen seine Söhne die Landgrafschaft Thüringen verkauft hatte, und der die Mark Meißen als ein durch Friedrich Tuttas Tod erledigtes Reichslehen ansah, bemächtigte sich mit Gewalt beider Länder.
Auch Adolfs Nachfolger, König Albrecht I., hielt den Anspruch auf diese Länder aufrecht; jedoch ein glückliches Gefecht bei Lucka und des Königs Ermordung retteten Friedrich und Diezmann den Besitz ihrer Erblande, deren Herrschaft Friedrich nach Diezmanns Ermordung (1307) und Albrechts des Entarteten Tod (1314) allein antrat; nur die Niederlausitz war 1304 an Brandenburg verkauft worden. Friedrichs des Freidigen Sohn Friedrich der Ernsthafte (1324-47) war der letzte Alleinbesitzer der Wettinschen Lande. Ihm folgten seine drei Söhne Friedrich der Strenge, Balthasar und Wilhelm I., welche gemeinschaftlich regierten. Nach Friedrichs Tod jedoch (1381) teilten dessen Söhne Friedrich der Streitbare, Wilhelm II. (gest. 1425) und Georg (gest. 1402) mit ihren beiden Oheimen die Lande so, daß jene das Osterland und Landsberg, Wilhelm I. Meißen und Balthasar Thüringen erhielten. Nach Wilhelms I. kinderlosem Tod (1407) wurde Meißen zwischen der thüringischen und osterländischen Linie geteilt.
Durch die Belehnung des Markgrafen Friedrich des Streitbaren mit dem Kurfürstentum S. 1423 (s. Sachsen, S. 125), das zwar an Areal nicht sehr bedeutend, aber wegen der mit der Kurwürde verbundenen Vorrechte von Wichtigkeit war, gelangte das Haus Wettin zu größerer Bedeutung im Reich. Nicht bloß jene Vorrechte, sondern auch der Name S. gingen seitdem allmählich auf die gesamten Wettinschen Lande über. Friedrich hatte die sächsische Kur zur Belohnung für seine eifrige Teilnahme am Kampf gegen die Hussiten erhalten, welchen er fortsetzte, doch so unglücklich, daß sein Heer 1425 bei Brüx und 1426 bei Aussig geschlagen wurde und sein Land von den Einfällen der Hussiten viel zu leiden hatte.
Nachdem Friedrich noch die Burggrafschaft Meißen erworben, hinterließ er seine Lande zu gemeinschaftlicher Regierung Friedrich II., dem Sanftmütigen, der Kurfürst wurde (1428-64), Wilhelm III., Heinrich und Siegmund. Doch 1435 starb Heinrich, Siegmund trat 1437 in den geistlichen Stand, und 1440 fiel durch Friedrichs des Friedfertigen kinderlosen Tod Thüringen an die osterländische Linie zurück. Friedrich der Sanftmütige und Wilhelm teilten nun 1445 zu Altenburg so, daß Friedrich Meißen, Wilhelm Thüringen erhielt, das Osterland geteilt wurde, die Bergwerke gemeinschaftlich blieben.
Doch hatte diese Teilung, bei der sich der von eigennützigen Räten aufgereizte Herzog Wilhelm benachteiligt glaubte, den verheerenden sächsischen Bruderkrieg zur Folge, der erst 1451 zu Pforta beigelegt wurde; ein Nachspiel desselben bildete der Sächsische Prinzenraub (s. d.). Friedrichs des Sanftmütigen Söhne, Kurfürst Ernst (1464-86) und Herzog Albrecht der Beherzte, folgten 1464 ihrem Vater gemeinschaftlich, erbten 1482 auch Wilhelms III. Lande und verstanden es, die Macht ihres Hauses nach allen Seiten hin auszubreiten.
Zwei von Ernsts Söhnen erlangten die erzbischöfliche Würde, Albrecht zu Mainz, Ernst zu Magdeburg; Albrecht, dessen Sohn Friedrich 1498 Hochmeister des Deutschen Ordens wurde erwarb im Dienste des Hauses Habsburg Ehren und Vorteile, so 1483 die Eventualbelehnung mit Jülich und Berg und später die Erbstatthalterschaft von Friesland. Im Innern nahm der Bergbau auf Silber einen großartigen Aufschwung, vermehrte den Wohlstand und die Einwohnerzahl des Gebirges und förderte Handel und Verkehr.
Durch kaiserliche Privilegien wurden die Leipziger Märkte zu Messen erhoben. Während die Städte ihre Verfassung ausbildeten und vom Landesherrn die eigne Gerichtsbarkeit erkauften, ward auch die Territorialgesetzgebung entwickelt und in Thüringen 1446, in Meißen 1482 eine Landesordnung erlassen; das kurfürstliche Hofgericht erhielt 1483 seinen bleibenden Sitz in Leipzig. Eine landständische Verfassung bildete sich, seitdem 1438 zuerst zu Leipzig eine Versammlung von Prälaten, Grafen, Rittern und Städten zusammentrat; diese bald regelmäßig berufenen Landtage bewilligten neue Abgaben, Steuern und Anleihen, übertrugen die Verwaltung der neuen Steuern einem ständischen Ausschuß u. beanspruchten, auch von den Landesherren bei wichtigen Angelegenheiten zu Rate gezogen zu werden.
Mißhelligkeiten zwischen den beiden Brüdern Ernst und Albrecht führten zur Länderteilung zu Leipzig bei welcher der ältere Bruder teilte, der jüngere wählte. Ernst erhielt außer den Kurlanden Thüringen mit den fränkischen und vogtländischen und den einen Teil des Oster- und Pleißnerlandes, Albrecht den andern Teil desselben und Meißen. Die Teilung, welche von Kaiser Friedrich III. bestätigt und 25. Juni durch den Naumburger Schied berichtigt wurde, trennte das Haus Wettin für immer in zwei Linien, die Ernestinische und die Albertinische.
Sachsen in der Zeit der Reformation und des Dreißigjährigen Kriegs.
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Aber er war nicht gesonnen, sich seinem Ernestinischen Vetter unterzuordnen, geriet mit Johann Friedrich besonders wegen der sächsischen Bistümer in offenen Streit, trat beim Ausbruch des Schmalkaldischen Kriegs 1546 in geheime Verbindung mit dem Kaiser und fiel, nachdem ihm die Übertragung der Kur versprochen worden, in dessen Lande ein, während die Verbündeten in Süddeutschland standen. Johann Friedrich eilte sofort herbei, trieb Moritz bis zur böhmischen Grenze zurück, ward aber vom nachrückenden kaiserlichen Heer bei Mühlberg geschlagen und gefangen und mußte in der Wittenberger Kapitulation auf die Kur und den größten Teil seiner Lande verzichten, mit denen 4. Juni Moritz vom Kaiser belehnt wurde. Den Ernestinern blieben nur die meisten Besitzungen in Thüringen (s. Sachsen, Ernest. Linie, S. 125). An König Ferdinand von Böhmen mußte Moritz das Herzogtum Sagan u. die Lehnshoheit über Reuß abtreten.
Um seinen Verrat an seinen Glaubensgenossen zu sühnen und die kirchliche und politische Unterjochung Deutschlands durch die Spanier abzuwehren, erhob sich Moritz 1552 gegen Karl V. und zwang ihn zum Passauer Vertrag, welcher den evangelischen Reichsständen Religionsfreiheit zusicherte. Nachdem er an der bei Sievershausen empfangenen Wunde 11. Juli gestorben war, folgte ihm sein Bruder August (1553-86) als Kurfürst. Mit seinen Ernestinischen Vettern setzte er sich durch den Naumburger Vertrag auseinander, schädigte dieselben aber schwer, indem er die Vollstreckung der Acht gegen Johann Friedrich den Mittlern übernahm, sich für die Kosten derselben vier Ämter abtreten ließ und ihnen einen großen Teil der hennebergischen Erbschaft entriß.
Aus Furcht davor, daß ihm die Kur wieder entrissen werden könne, hielt er ängstlich am Augsburger Religionsfrieden fest und schloß sich eng an das Haus Österreich an. Die Wühlereien der päpstlichen Partei für die Gegenreformation ließ er unbeachtet, und während bisher seine Universität Wittenberg mit dem streng lutherischen Jena heftige theologische Kämpfe ausgefochten hatte, wurden 1574 die Philippisten auch in S. gestürzt und durch die Einführung der Konkordienformel (1580) die lutherische Orthodoxie zur Herrschaft erhoben. Im Innern schuf August durch seine Gesetzgebung (besonders die Konstitutionen von 1572) ein wohlgeordnetes Staatswesen, organisierte die Behörden, regelte die Finanzverwaltung und beförderte, hauptsächlich durch eignes Beispiel bei der Bewirtschaftung der Kammergüter, Ackerbau, Gewerbe und Handel.
Das Gebiet seines Staats rundete er durch neue Erwerbungen ab, bei denen er in den Mitteln allerdings nicht wählerisch war. So erlangte er 1570 von den Herren von Plauen das Vogtland wieder, erwarb 1573 von den Grafen von Mansfeld deren Halberstädter Lehen und erhielt 1581 die Administration des Stifts Meißen. Das Albertinische S. bildete ein geschlossenes Territorium, das in Kreise eingeteilt war: den Kurkreis, Thüringen, Meißen, wovon 1691 der erzgebirgische Kreis abgetrennt wurde, das Osterland und das Vogtland, wozu 1588 noch der Neustädter Kreis kam.
Unter Augusts Sohn Christian I. (1586-91) strebte der Kanzler Crell, der katholischen Reaktion einen protestantischen Bund entgegenzustellen; aber der frühe Tod des Kurfürsten vereitelte denselben, und unter der Vormundschaft des Herzogs Friedrich Wilhelm von Altenburg (bis 1601) für Christian II. (1591-1611) führte das Bündnis des sächsischen Adels mit der orthodox-lutherischen Partei den Sturz Crells herbei, worauf die Herrschaft des strengen Luthertums durch Einführung des Religionseides und unnachsichtliche Verfolgung des Kryptocalvinismus gesichert wurde.
Hiermit trennte sich S. ganz von den reformierten Reichsständen; es beteiligte sich nicht an dem Widerstand gegen die immer gefährlichere Gegenreformation und schloß sich der Union nicht an, verlor aber damit auch allen Einfluß in Reichs- und Religionsangelegenheiten und erwarb im jülich-klevischen E rbstreit nichts als Titel und Wappen dieser Herzogtümer. Dieser Politik blieb Christians II. Bruder, Kurfürst Johann Georg I. (1611-56), auch während des Dreißigjährigen Kriegs getreu. Er lehnte 1619 die ihm angebotene böhmische Krone nicht nur ab, sondern unterstützte auch Kaiser Ferdinand bei der Unterwerfung Schlesiens und der Lausitz und beobachtete aus Trägheit und Selbstsucht eine unfruchtbare Neutralität, bis Tillys Einbruch in S. ihn 1631 auf Gustav Adolfs Seite trieb.
Die sächsischen Truppen nahmen an der Schlacht bei Breitenfeld teil und rückten dann in Böhmen ein, woraus sie Wallenstein 1632 vertrieb. Nach dem Tod Gustav Adolfs und der Niederlage der Schweden bei Nördlingen (1634) kehrte S. jedoch im Frieden von Prag der ihm den erblichen Besitz der Lausitzen einbrachte, zu dem Bund mit dem Kaiser zurück. Für diesen Abfall nahmen die Schweden die grausamste Rache in wiederholten Einfällen, von denen dasselbe erst durch den Waffenstillstand zu Kötzschenbroda erlöst wurde. 1650 räumten die Schweden das Land gänzlich, nachdem dessen Anteil an der schwedischen Kriegskontribution, 267,107 Thlr., abgezahlt worden. Die Bevölkerung war von 3 Mill. auf die Hälfte vermindert, Wohlstand, Handel, Gewerbe und Bildung auf lange schwer geschädigt, fast vernichtet.
Die kursächsischen Nebenlinien.
Einen erheblichen Abbruch erlitt der sächsische Staat dadurch, daß Johann Georg I. durch sein Testament seine jüngern Söhne, August, Christian und Moritz, mit ansehnlichen Gebieten ausstattete und Kurfürst Johann Georg II. (1656-80) dies im Hauptvergleich zu Dresden anerkannte. So entstanden die drei Linien S.-Weißenfels, S.-Merseburg und S.-Zeitz. Die Linie S.-Weißenfels, von Herzog August, Administrator von Magdeburg, begründet und nach dessen Residenz Halle auch S.-Halle benannt, erhielt die vier magdeburgischen Ämter Burg, Dahme, Jüterbog und Querfurt, Barby und den ganzen Thüringischen Kreis.
Nach seinem Tod (1680) fiel das Stift Magdeburg an Brandenburg, während ihm in Weißenfels sein älterer Sohn, Johann Adolf I., folgte, der jüngere, Heinrich, aber die Nebenlinie S.-Barby stiftete, die jedoch mit Heinrichs Sohn und Erben Georg Albrecht 1739 wieder erlosch. Johann Adolf trat 1687 Burg an Brandenburg ab, das dafür auf die Lehnshoheit über Dahme, Jüterbog und Querfurt verzichtete, und erlangte für letzteres, das 1688 zum Fürstentum erhoben wurde, die Reichsstandschaft, aber nicht Sitz und Stimme auf dem Reichstag. Ihm folgten 1697 sein Sohn Johann Georg und diesem 1712 sein Bruder Christian, welche das Land durch Verschwendung in große Schulden stürzten; diese tilgte der sparsame jüngste Bruder, Johann Adolf II. (1736-46), der das sächsische Heer im ersten und zweiten Schlesischen Krieg befehligte. Mit ihm erlosch die Linie S.-Weißenfels, und ihre Besitzungen fielen an Kursachsen zurück.
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Die Linie S.-Merseburg gründete Christian I.; sie erhielt außer dem Stift Merseburg die Niederlausitz und die Städte Delitzsch, Bitterfeld, Zörbig, Dobrilugk und Finsterwalde. Ihm folgten sein Sohn Christian II. (1691-94), dann dessen Sohn Moritz Wilhelm (1691-1731), nach dessen kinderlosem Tod Christians I. jüngster Sohn, Heinrich, das Land erbte, das an Kursachsen zurückfiel, als 1738 mit Heinrich die Linie S.-Merseburg erlosch. Der Gründer der dritten Linie, S.-Zeitz, Moritz, erhielt außer dem Stift Naumburg-Zeitz den Vogtländischen und Neustädter Kreis, Tautenburg und den Albertinischen Anteil an Henneberg; er erbaute in Zeitz die Moritzburg.
Ihm folgte 1681 sein Sohn Moritz Wilhelm, der 1715 auf Zureden seines Bruders, des Kardinals Christian August, katholisch wurde, deshalb seine Länder an Kursachsen abtrat und 1718, nachdem er kurz zuvor wieder zur lutherischen Kirche übergetreten, auf dem Schloß Osterburg bei Weida starb. Eine von Friedrich Heinrich, Moritz' jüngerm Sohn, gegründete Nebenlinie, S.-Neustadt, starb mit demselben 1713 wieder aus, da sein Sohn Moritz Adolf katholisch wurde und daher seine Erbrechte an Kursachsen abtrat; derselbe starb 1759 als Bischof von Leitmeritz.
Sachsen in Verbindung mit Polen.
Seit Kurfürst Johann Georg II. (1656-80) entwickelte der sächsische Hof eine Prachtliebe, welche zwar Dresden zu einem Mittelpunkt italienischer und französischer Kunst in Deutschland machte, aber die Finanzen des Staats zerrüttete; der Adel gewöhnte sich an den Genuß der Hofämter, und fremde Abenteurer sammelten sich in Dresden an. Sein Sohn Johann Georg III. (1680-91) war kriegerisch gesinnt, errichtete das erste stehende Heer in S. und nahm an den Kriegen des Kaisers und Reichs gegen die Türken, namentlich am Entsatz von Wien und am Kriege gegen Frankreich (seit 1689), hervorragenden Anteil.
Nach seinem frühen Tod folgte ihm zunächst sein älterer Sohn, Johann Georg IV. (1691-94), dann der jüngere, Friedrich August I. (1694-1733), der an Prachtliebe und Verschwendungssucht seinem Großvater glich und daher 1697 die sächsischen Ansprüche an das 1689 erledigte Sachsen-Lauenburg für 1,100,000 Gulden an Braunschweig verkaufte. Um seinen eitlen Wunsch nach einer Königskrone zu befriedigen und in Polen zum König gewählt zu werden, trat er 1697 zur katholischen Kirche über und wandte ungeheure Summen zur Bestechung des polnischen Reichstags auf.
Durch den halb erzwungenen Übertritt des Kurprinzen zum Katholizismus (1717) wurde die Albertinische Linie dauernd der römischen Kirche gewonnen, die sofort unter dem Schutz Friedrich Augusts die Propaganda in S. begann. In Dresden wurde katholischer Gottesdienst eingeführt und ein katholischer Ausländer, Fürst von Fürstenberg, zum Statthalter ernannt. Die Stände, welche, nur ihre Sonderrechte und Interessen verfolgend, mit dem Volke keinen Zusammenhang hatten und sich vom Landesherrn die schwersten Eingriffe in ihre Rechte, wie die Einführung der Generalaccise und die Einsetzung des Geheimen Kabinetts, gefallen lassen mußten, wahrten wenigstens den Bestand der evangelischen Kirche in S. durch Einsetzung des Geheimen Kirchenrats, der das Direktorium in allen Kirchensachen erhielt.
Der Übertritt Friedrich Augusts zur römischen Kirche und seine Erhebung zum König von Polen (als August II.) waren für S. von nachteiligen Folgen. Zunächst verlor das Haus Wettin für immer seine Stellung an der Spitze der Protestanten im Reich an Brandenburg. Dann verwickelte das Streben Augusts, durch einen ruhmvollen Krieg und Eroberungen die königliche Gewalt in Polen zu kräftigen, S. in den Nordischen Krieg, welcher von August zumeist auf sächsische Kosten mit sächsischen Truppen geführt wurde und Karl XII. 1706 zu einem Einfall in S. veranlaßte, der dem Land bedeutende Opfer auferlegte.
Zur Bestreitung der Kriegskosten verkaufte August nicht unbedeutende Gebietsteile an die Nachbarfürsten. Dresden allerdings wurde unter ihm eine glänzende Königsstadt mit herrlichen Palästen und Anlagen, Theater und Kunstsammlungen und auch sein Sohn Friedrich August II. (1733-1764), als König von Polen August III., pflegte die Künste, regierte aber sonst nicht zum Heil Sachsens. Er wurde beherrscht von dem allmächtigen Premierminister Grafen Brühl, der durch seine Verschwendung die Kräfte des Landes vergeudete und es in verderbliche Kriege verwickelte.
Nachdem der Kurfürst bei Beginn des österreichischen Erbfolgekriegs vergeblich versucht hatte, zur Entschädigung für das Erbrecht seiner Gemahlin, einer Tochter Kaiser Josephs I., ein österreichisches Kronland zu erlangen, schloß er sich im zweiten Schlesischen Krieg an Österreich an; doch wurden die sächsischen Truppen bei Striegau und Kesselsdorf (15. Dez.) besiegt, und S. mußte im Frieden von Dresden (25. Dez.) 1 Mill. Thlr. Kriegskosten bezahlen. Trotzdem führte hauptsächlich Brühl durch seine Ränke den Siebenjährigen Krieg herbei, in welchem Friedrich d. Gr. Sachsens Neutralität nicht beachtete, das sächsische Heer bei Pirna gefangen nahm und den Kurfürsten zwang, sich nach Polen zu begeben. S. betrachtete Friedrich nun als erobertes Land, das durch seine Kontributionen und als Kriegsschauplatz ungeheuer litt; sein Verlust wird auf 90,000 Seelen und 100 Mill. Thlr., ungerechnet die Einbuße durch die Münzverschlechterung und das Daniederliegen von Handel und Gewerbe, geschätzt. Die Schuldenlast betrug nahe an 40 Mill. Thlr., als nach siebenjähriger Abwesenheit Friedrich August 1763 in sein Land zurückkehren durfte.
Sachsen bis zum Wiener Kongreß. Königreich.
Mit Friedrich Augusts II. Tod löste sich die Verbindung mit Polen. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich Christian leitete durch Sparsamkeit und neue Begründung des Staatskredits die Heilung des Landes von seinen Wunden aufs beste ein, starb aber schon Sein Sohn Friedrich August III. (1763-1827), für den bis 1768 sein Oheim, Prinz Xaver, die Vormundschaft führte, setzte, unterstützt von dem trefflichen Minister Grafen Loß, das Werk des Vaters mit Umsicht und Erfolg fort.
Für die Abtragung der Schulden wurde Sorge getragen, der Staatshaushalt (die jährliche Einnahme betrug 2,351,174 Thlr.) musterhaft geordnet, Gewerbfleiß und Handel unterstützt, Ackerbau und Viehzucht gehoben, der Bergbau durch rationellen Betrieb einträglicher gemacht. Die Rechtspflege und das Unterrichtswesen wurden gebessert. Da der Kurfürst auf die bayrische Allodialerbschaft Ansprüche erhob, so nahm er 1778 an Preußens Seite am bayrischen Erbfolgekrieg teil und erhielt im Frieden von Teschen 1779 eine Entschädigung von 6 Mill. Gulden, die er zur Einlösung verpfändeter Ämter und zur Errichtung einer Sekundogenitur mit 85,000 Thlr. Rente verwendete. S. trat 1785 dem Fürstenbund bei, beteiligte sich aber am Kriege gegen Frankreich 1792 nur mit seinem Reichskontingent und schloß
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1796 einen Neutralitätsvertrag. Im Krieg von 1806 stießen 22,000 Sachsen zu dem preußischen Heer Hohenlohes und fochten bei Saalfeld und bei Jena. Nach dieser Niederlage mußte es S. als ein Glück betrachten, daß Napoleon ihm 17. Okt. gegen die Zahlung von 25 Mill. Frank Kriegskontribution Neutralität anbot. Im Frieden von Posen nahm der Kurfürst die königliche Würde an, trat als souveräner Fürst dem Rheinbund bei und verpflichtete sich zur Stellung eines Bundeskontingents von 20,000 Mann; 20. Dez. erfolgte die Proklamation des neuen Königreichs S. unter dem König Friedrich August I.
Die Gunst des kaiserlichen Protektors verschaffte dem neuen König den Besitz des im Frieden von Tilsit geschaffenen Herzogtums Warschau, das 1809 durch Neugalizien und Krakau vergrößert wurde; außerdem erhielt S. 1807 den von Preußen abgetretenen Kottbuser Kreis, wofür es einige Ämter an das Königreich Westfalen abtrat. Dafür war S. dem Willen Napoleons völlig unterworfen und opferte seine Kräfte an Menschen und Geld in dessen Eroberungskriegen auf. Während die sächsischen Truppen 1809 an der Donau gegen Österreich kämpften, durchzog das Streifkorps des Herzogs von Braunschweig das entblößte Land. 1812 rückten 21,000 Sachsen nach Rußland, kehrten aber, da sie dem 7. Armeekorps Reyniers und mit diesem der Schwarzenbergschen Armee beigegeben wurden, die weniger litt, meist nach der Heimat zurück.
Als im Frühjahr 1813 die Verbündeten S. als den ersten Rheinbundstaat zum Abfall von Napoleon aufforderten, wagte der König nicht, sich zu entscheiden, und floh nach Prag, während sich die sächsische Armee in die Festung Torgau zurückzog. Kaum aber hatte Napoleon den Sieg von Großgörschen erfochten, als der König zu ihm nach Dresden eilte (12. Mai) und ihm seine Truppen zur Verfügung stellte. Während dieselben bei Großbeeren und Dennewitz unglücklich kämpften und schwere Verluste erlitten, war S., besonders die Umgegend von Dresden, dann die von Leipzig, vom August bis zum Oktober Kriegsschauplatz. In der Schlacht bei Leipzig ging 18. Okt. zwar ein Teil der sächsischen Truppen zu den Verbündeten über, Friedrich August wurde aber gleichwohl, als er nach der Abreise Napoleons 19. Okt. in Leipzig zurückblieb, von den Verbündeten für kriegsgefangen erklärt und nach Friedrichsfelde abgeführt. Der russische General Fürst Repnin übernahm als Generalgouverneur die Verwaltung des Landes, das nach der Kapitulation von Dresden (11. Nov.) und Torgau (27. Nov.) und der Erstürmung Wittenbergs vollständig in den Händen der Verbündeten war, und setzte die Kräfte desselben sofort zum fernern Kampf gegen Frankreich in Thätigkeit. Das reorganisierte sächsische Korps nahm unter dem Befehl des Herzogs von Weimar am Feldzug in den Niederlanden teil.
S. war durch Verabredung zwischen Rußland und Preußen zur Entschädigung des letztern für seine Abtretungen polnischen Gebiets bestimmt; dem sächsischen Königshaus war ein Länderbesitz am Rhein zugedacht. Rußland überließ daher das Generalgouvernement in S. den preußischen Ministern v. d. Reck und v. Gaudy, und alle Anstrengungen des sächsischen Hofs und eines Teils der Bevölkerung für die Erhaltung Sachsens würden vergeblich gewesen sein, wenn nicht aus dem Wiener Kongreß der schlaue Talleyrand im Namen Frankreichs und der Legitimität für S. eingetreten wäre und auch Österreich und England für die Erhaltung Sachsens, die dann auch eine Beschränkung der polnischen Erwerbungen Rußlands bedingte, gewonnen hätte.
Nach langen und heftigen Verhandlungen, die im Januar 1815 beinahe zum Kriege geführt hätten, griff man im Februar zu dem Ausweg einer Teilung Sachsens; Preußen sollte die Niederlausitz und einen Teil der Oberlausitz (jetzt zu Schlesien und der Mark gehörig), den Kurkreis, den Thüringischen und Neustädter Kreis, Naumburg und Merseburg (jetzt der Regierungsbezirk Merseburg und ein Teil von Erfurt), zusammen 20,000 qkm mit 864,404 Einw., erhalten, der Rest, 15,000 qkm mit 1,182,744 Einw., Friedrich August als Königreich verbleiben. Nach längerm Sträuben mußte sich der König 6. April dem entschiedenen Willen der Mächte fügen, 18. Mai Teilungsvertrag in Form eines Friedens mit Preußen abschließen und 22. Mai seine abgetretenen Unterthanen ihrer Pflicht entlassen; die definitive Auseinandersetzung zwischen Preußen und S. über die Grenzen, Schulden, Stiftungen, Salzlieferung etc. erfolgte durch die Hauptkonvention vom
Diese Lösung der sächsischen Frage erregte bei der Bevölkerung große Mißstimmung, da durch die Teilung seit Jahrhunderten zusammengehörende Länder auseinander gerissen und auch viele materielle Interessen gefährdet wurden. Ja, als in Lüttich der Befehl, die sächsischen Regimenter bei der Blücherschen Armee nach der nunmehrigen Staatsangehörigkeit zu teilen, ausgeführt werden sollte, widersetzte sich 2. Mai ein Grenadierregiment und bedrohte Blücher selbst; doch erfolgte nach Erschießung von sieben Rädelsführern die Teilung, und die in Osnabrück neuformierte sächsische Armee nahm, 16,000 Mann stark, 1815 noch an der Blockade von Schlettstadt und Neubreisach teil. Am 7. Juni kehrte der König Friedrich August nach Dresden zurück und trat 8. Juni dem Deutschen Bund bei. Mit der gleichzeitigen Stiftung des Zivilverdienstordens wurden neue Nationalfarben, Weiß und Grün, angenommen.
Sachsen seit Verleihung der Verfassung.
König Friedrich August I. und sein Minister Graf D. Einsiedel waren zwar bemüht, in der nun folgenden Friedenszeit die Wunden des Kriegs zu heilen und die Finanzen und den Wohlstand des Landes zu heben, scheuten aber vor Reformen zurück und ließen namentlich die bestehenden Verfassungsverhältnisse mit den in Kurien eingeteilten Feudalständen unverändert. Auch sein Nachfolger, sein bereits 71jähriger Bruder Anton (1827-36), ließ nicht nur alles beim alten, sondern behielt auch den verhaßten Minister Einsiedel bei, so daß es im September 1830 unter dem Eindruck der Pariser Julirevolution in Leipzig und Dresden zu Unruhen kam, infolge deren, nachdem Prinz Maximilian dem Thronrecht entsagt hatte, dessen Sohn Prinz Friedrich August zum Mitregenten ernannt, an Stelle Einsiedels Lindenau an die Spitze des Geheimen Kabinetts berufen und eine Reform der Verfassung verheißen wurde.
Demgemäß wurden mit den 1831 zusammentretenden Ständen die Verfassungsurkunde vom die Städteordnung vom und das Ablösungsgesetz vom 17. März d. J. vereinbart; an die Stelle des Geheimen Kabinetts trat ein in sechs Departements geteiltes verantwortliches Staatsministerium, an die Stelle der Feudalstände zwei Kammern. Einen wichtigen Schritt that der erste konstitutionelle Landtag, welcher eröffnet wurde, indem er den Anschluß Sachsens an den preußischen Zollverein genehmigte; der Aufschwung, den Handel und Industrie infolgedessen in S. nahmen, widerlegte nicht
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nur die Befürchtungen der Leipziger Kaufmannschaft, sondern übertraf alle Erwartungen und fand in dem Bau der Leipzig-Dresdener Eisenbahn eröffnet) seine Bestätigung.
Nach dem Tode des Königs Anton folgte Friedrich August II. (1836-54). Unter ihm setzten Regierung und Landtag anfangs ihre gesetzgeberische Thätigkeit, welche durchgreifende Reformen vermied, aber innerhalb des Rahmens der ständischen Verfassung und des büreaukratischen Verwaltungsorganismus die bessernde Hand anzulegen suchte, fort. 1843 aber wurde der Minister v. Lindenau durch den Einfluß der Aristokratie verdrängt und durch Könneritz ersetzt, der in ein reaktionäreres Fahrwasser einlenkte, die Presse maßregelte, Schriftsteller auswies u. dgl. Hierdurch wurde die liberale Strömung, welche in ganz Deutschland das Bürgertum beherrschte, verstärkt und die von Braun geleitete Opposition in der Zweiten Kammer zu schärferm Auftreten angespornt.
Als nun die Regierung auch gegen die religiöse Bewegung der Deutschkatholiken und Lichtfreunde einschritt, vermutete die mißtrauische öffentliche Meinung dahinter die Spuren einer geheimen jesuitischen Propaganda, deren Haupt der Prinz Johann, Bruder des Königs, sei. Daher kam es bei einer Revue, die der Prinz Johann über die Leipziger Kommunalgarde abhielt, zu einem Tumult, bei welchem das Militär voreilig feuerte und acht Menschen tötete. Dies rief eine unbeschreibliche Erbitterung hervor und reizte die Opposition in der Kammer zu verstärkten Angriffen auf das Ministerium.
Nach dem Ausbruch der Februarrevolution bestürmten die Behörden der größern Städte, voran Leipzig, den König mit Adressen, in denen eine völlige Änderung des Regierungssystems gefordert wurde. Das Ministerium suchte die Bewegung erst durch einzelne Zugeständnisse zu beschwichtigen, nahm aber, als dies vergeblich war, seine Entlassung, und Braun bildete ein neues, dessen hervorragendste Mitglieder v. d. Pfordten, Georgi und Oberländer waren, und das 16. März Erfüllung aller liberalen Forderungen verhieß.
Aber schon waren nicht mehr die gemäßigten Liberalen, sondern die radikalen Demokraten die Herren der Lage, wie die Ergänzungswahlen zum Landtag und die Wahlen für das Frankfurter Parlament bewiesen. Im Landtag zwar, der am 18. Mai eröffnet wurde, begnügte sich die Opposition damit, daß die Regierung in der Frage der Verfassung und der Justizreform nur die allgemeinen Grundsätze festsetzte und über die Presse, das Vereins- und Versammlungsrecht und über ein neues Wahlrecht für beide Kammern Gesetzentwürfe vorlegte, die angenommen wurden; das neue Wahlgesetz schrieb allgemeine, direkte Wahlen, für die Erste Kammer mit einem Zensus, vor. Im Land aber herrschte die demokratische Partei und siegte 1849 bei den Wahlen für den ersten nach dem neuen Gesetz zu wählenden Landtag fast ausnahmslos; die Ungeschliffenheit, Selbstüberhebung und Verblendung, womit sie in demselben bei den Debatten auftrat, verschafften dem Landtag den Namen des Unverstandslandtags.
Ein erbliches und unverantwortliches Oberhaupt für das neuzuschaffende Deutsche Reich verwarf die Mehrheit durchaus, verlangte aber die sofortige Verkündigung der deutschen Grundrechte. An einer erfolgreichen Wirksamkeit verzweifelnd, reichte das Ministerium Braun seine Entlassung ein (Februar 1849) und wurde durch ein Übergangsministerium ersetzt, an dessen Spitze der Oberappellationsrat Held stand, und in das v. Beust, Weinlig und v. Rabenhorst eintraten.
Dies gewährte die Publikation der Grundrechte (2. März) und die ständische Initiative, befriedigte aber damit noch nicht die Radikalen, welche besonders wegen der Nichtverhinderung des Todes von R. Blum die Abberufung des sächsischen Gesandten in Wien verlangten. Während die Linke früher die monarchische Reichsverfassung verworfen hatte, verlangte sie nun, nachdem der König von Preußen die Kaiserkrone abgelehnt, plötzlich die sofortige Anerkennung der Verfassung, und die Kammern beschlossen demgemäß, sowie daß über den 30. April hinaus die Steuern nicht forterhoben werden dürften. Dies gab dem durchaus partikularistisch gesinnten König den erwünschten Vorwand, 30. April die Kammern aufzulösen. Nun erhielten die Deputationen von Leipzig und andern Städten, welche die Anerkennung der Reichsverfassung forderten, vom König abschlägliche Antwort. Als deshalb Held und Weinlig ihre Entlassung gaben, wurde Zschinski, an die Spitze eines neuen Ministeriums berufen, in welches Beust und Rabenhorst übertraten (2. Mai).
Das Verbot einer Demonstration der Dresdener Bürgerwehr für die Reichsverfassung, welches die neuen Minister erließen, gab 3. Mai die Losung zum Aufstand (Dresdener Maiaufstand). Ein tobender Volkshaufe griff das Zeughaus an, wurde aber zweimal blutig zurückgewiesen. Jetzt wurden die Sturmglocken geläutet, überall feste Barrikaden errichtet und auf dem Rathaus ein Sicherheitsausschuß eingesetzt, welcher die Bürgerwehren andrer Städte und Freischaren nach Dresden entbot.
Die Regierung verfügte nur über 1900 Mann Truppen, da der größere Teil des sächsischen Heers in Schleswig-Holstein stand, wo die Sachsen im Verein mit den Bayern 13. April die Düppeler Schanzen gestürmt hatten. Sie beorderte sofort alle erreichbaren Truppenteile nach der Hauptstadt und wandte sich um Hilfe nach Berlin. Inzwischen aber eroberten die Aufständischen die ganze Altstadt mit Ausnahme des Zeughauses und des Schlosses. Daher begab sich 4. Mai König nebst seiner Familie und den Ministern nach dem Königstein.
Auf die Kunde hiervon wurde eine provisorische Regierung, aus den Abgeordneten Tzschirner, Heubner und Todt bestehend, gebildet, welche die Anerkennung der Reichsverfassung als ihr Ziel bezeichnete und sich unter den Schutz der Frankfurter Nationalversammlung stellte, unter der aber die heimlichen Urheber des Aufstandes, die internationalen Revolutionäre, Bakunin an der Spitze, die rote Fahne zu entfalten wagten. Da die Erhebung nun einen republikanisch-sozialistischen Charakter annahm, zog sich der Bürgerstand von ihr zurück; von den aus andern Städten herbeigeeilten Bürgerwehren kehrten die meisten, als sie den wirklichen Stand der Dinge erfuhren, wieder um und halfen in ihrer Heimat die Ordnung aufrecht zu erhalten.
Inzwischen schöpfte die Regierung wieder Mut und Kraft; die Minister v. Beust und v. Rabenhorst kehrten nach der Neustadt zurück, aus Leipzig und Chemnitz trafen Verstärkungen ein, und aus Berlin erschien, als Vorbote weiterer entscheidender Hilfe, ein Bataillon Preußen. Am Morgen des 6. Mai ward der Kampf erneuert. Drei Tage lang verteidigten sich die Aufständischen hinter ihren ausgezeichnet angelegten Barrikaden; als sie durch Anzündung des alten Opernhauses das Schloß in Brand zu stecken suchten, ging ein Zwingerpavillon mit der Naturaliensammlung in Flammen auf. Nach einem hartnäckigen und blutigen Straßen- und Häuserkampf erstürmten die Truppen am Morgen des 9. Mai, noch vor Tagesanbruch, den Postplatz und die große
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Barrikade am Eingang des Altmarktes, und damit war der hartnäckige Widerstand der Freischaren gebrochen. Der Verlust der Truppen betrug 31, der der Aufständischen 178 Tote. Auf der Flucht wurden noch viele, darunter auch Heubner und Bakunin, gefangen genommen, während Tzschirner entkam. Außerdem wurden viele Verhaftungen Kompromittierter vorgenommen, so daß sich die Zuchthäuser und Gefängnisse mit Verurteilten füllten. Aber die Ordnung war hergestellt.
Die Politik Beusts.
Unter dem Eindruck der von Preußen geleisteten rettenden Hilfe trat S. 26. Mai dem Dreikönigsbündnis mit Preußen bei, machte aber hinterlistigerweise den Vorbehalt, daß auch die süddeutschen Königreiche ihm sich anschließen müßten, welche Beust gleichzeitig vom Beitritt abzuhalten suchte. Da inzwischen Österreich erstarkt war und einen Rückhalt bot, sagte sich S. von der Union los, schrieb die Wahlen für das Erfurter Parlament nicht aus und schloß mit Hannover, Bayern und Württemberg das Vierkönigsbündnis zur Herstellung des Bundestags, während die formelle Lossagung vom Dreikönigsbündnis erst 25. Mai erfolgte.
Nicht zufrieden mit dem Scheitern der preußischen Union, bedauerte Beust nichts mehr, als daß Österreich Ende 1850 seine vermeintliche militärische Übermacht nicht zur völligen Unterwerfung Preußens benutzte, sondern sich mit der Demütigung desselben in Olmütz begnügte. Auf den Dresdener Konferenzen half er eifrigst Österreichs Übergewicht im wiederhergestellten Deutschen Bund begründen und war sogar bereit, es in den Zollverein aufzunehmen. Doch mußte er 1853 den Zollverein auf den alten Grundlagen erneuern, da Preußen mit Kündigung desselben drohte.
Obwohl die seit November 1849 wieder versammelten Kammern sich besonnen und nachgiebig zeigten, wurden sie doch, sobald sie Miene machten, die deutsche Frage vor ihr Forum zu ziehen, aufgelöst. Hierauf that das Ministerium, welches sich durch v. Friesen als Minister des Innern und Behr als Finanzminister ergänzt hatte, einen entscheidenden Schritt. Drei Verordnungen vom hoben das freie Vereins- und Versammlungsrecht auf, stellten die Presse unter strenge Polizeiaufsicht und beriefen den Landtag von 1848 wieder ein, um ein andres Wahlgesetz zu beraten.
Obwohl es schwer war, diesen Landtag in beschlußfähiger Anzahl zusammenzubringen, wurde er doch 22. Juli eröffnet und zeigte nicht nur in der Beseitigung aller 1848 und 1849 erlassenen Gesetze die größte Willfährigkeit, sondern lehnte selbst die von der Regierung vorgeschlagene Revision der Verfassung von 1831 ab. Damit hatte die Reaktion völlig gesiegt. Da die Bevölkerung, gleichgültig und eingeschüchtert, sich vom politischen Leben fern hielt, fielen die Neuwahlen für den Landtag 1851 ganz im Sinn der Reaktion aus: die indirekten Gemeindewahlen, das Konskriptionssystem und die Stellvertretung im Heer wurden hergestellt;
gegen die Reform der Justiz und der Verwaltung sprach sich die Erste Kammer entschieden aus.
König Friedrich August II. verunglückte bei Brennbüchl in Tirol, und ihm folgte sein Bruder Johann (1854-73); doch erlitt das Regierungssystem vorläufig keine Änderung. Gegenüber dem einseitigen feudalen Standpunkt der Ersten Kammer vertraten Regierung und Zweite Kammer wenigstens in der Frage der Justiz- und Verwaltungsreform die Sache des gemäßigten Fortschritts, hatten aber hartnäckige Kämpfe zu bestehen, bis diese wichtige Angelegenheit 1864 zum Abschluß gebracht war.
Nach Zschinskys Tod (1858) übernahm Beust den Vorsitz im Ministerium und schlug allmählich liberalere Bahnen ein. Eitel und ehrgeizig, strebte nämlich Beust danach, eine große politische Rolle an der Spitze der deutschen Mittelstaaten zu spielen. Nachdem ein Versuch in dieser Richtung während des Krimkriegs (auf den Bamberger Konferenzen 1854) gescheitert war, glaubte Beust seine Zeit gekommen, als der italienische Krieg von 1859 die österreichischen Sympathien in S. von neuem belebt und die Notwendigkeit einer Bundesreform, namentlich in militärischer Beziehung, bewiesen hatte. Er trat selbst mit einem Bundesreformprojekt hervor, welches die beiden Großmächte im Gleichgewicht hielt und neutralisierte, die Entscheidung aber den vier Königreichen übertrug, für welches er die übrigen Mittel- und Kleinstaaten auf den Würzburger Konferenzen (1860 und 1861) zu gewinnen bemüht war.
Der Ruf eines nicht bloß nationalen, sondern auch freisinnigen Staatsmanns schien ihm für die Erlangung seines Ziels unentbehrlich, und so legte er 1860 dem Landtag ein liberaleres Wahlgesetz vor, welches das unverhältnismäßige Übergewicht des Grundbesitzes verringerte, den Zensus herabsetzte und das Wahlverfahren vereinfachte. Die Abschaffung der Konduitenlisten über die städtischen Behörden wurde versprochen, die Gewerbefreiheit eingeführt, das Jagdablösungswerk vollendet, Presse und Vereinswesen von den engen Fesseln befreit und 1865 auch endlich eine Amnestie für 1849 erlassen. Beust erreichte seinen Zweck, indem die Kammern seiner deutschen Politik bedingungslos zustimmten.
In der kurhessischen Frage zwar sprach sich die Zweite Kammer 1862 gegen den Bundestag aus und erklärte sich für die Errichtung einer starken deutschen Zentralgewalt; in der Zollvereinskrisis 1862-64 wollten weder die Zweite Kammer noch das Land von einer Zerreißung dieses Bundes, welche Sachsens Handel und Industrie unheilbare Wunden geschlagen hätte, etwas wissen. Dagegen billigte der Landtag in der schleswig-holsteinischen Frage die Politik der Regierung durchaus. S. erklärte sich 1863 nach dem Tode des Königs Friedrich VII. von Dänemark für das Recht des Herzogs von Augustenburg und übernahm im Dezember mit Hannover die Besetzung Holsteins durch 12,000 Mann sächsisch-hannöversche Truppen unter dem sächsischen General v. Hake.
Beust wurde ausersehen, den Deutschen Bund 1864 auf der Londoner Konferenz zu vertreten. Aber seine zu Würzburg von Bayern und Württemberg genehmigten Anträge, die Bundestruppen in Holstein zu verstärken, die Stände daselbst zu berufen und dem Herzog Friedrich die Regierung zu übertragen, wurden vom Bundestag abgelehnt, und S. mußte Ende 1864, nach der Abtretung der Elbherzogtümer an Österreich und Preußen, seine Truppen aus Holstein zurückziehen. Um so eifriger war Beust bemüht, den Zwist zwischen den beiden Großmächten über die Elbherzogtümer zu schüren und Österreich für eine Verständigung mit den Mittelstaaten zu gewinnen. Anfang 1866 gelang ihm dies, indem Österreich die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Frage dem Bundestag übertrug.
S. war der erste Mittelstaat, der militärische Vorkehrungen traf; die Rekruten wurden zum einberufen. Der Landtag billigte im April einstimmig die Regierungspolitik und bewilligte die für die Rüstungen erforderlichen Mittel. Auch in der