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Korrektionsanstalt für Frauen zu Grünhain, die für Männer zu Hohnstein nebst Hilfsanstalt zu Radeberg und das Kreiskrankenstift zu Zwickau. [* 3] Verfassung. Der sächs. Staat bildet eine durch Volksvertretung beschränkte und an die Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes vom modifiziert durch die Gesetze vom 26. Nov. 1860,19. Okt. 1861, und gebundene konstitutionelle erbliche Monarchie. Die Krone vererbt sich im Mannsstamme der Albertinischen Linie (s. d.) des sächs. Gesamthauses.
Das Königliche
[* 4] Haus bekennt sich zur kath.
Kirche. Die
Geschwister,
Kinder und Enkel des Königs führen
das
Prädikat Königliche Hoheit; die volljährigen Prinzen sind
Herzöge zu S. Die Angelegenheiten, welche den König und
seine Familie sowie das Vermögen des königl. Hauses, namentlich auch die Civilliste betreffen,
leitet das Ministerium des königl. Hauses; doch gehört der
Chef desselben nicht zum verfassungsmäßigen Gesamtministerium.
Für das ganze Königreich
besteht eine in zwei Kammern geteilte
Ständeversammlung.
Mitglieder der Ersten Kammer sind: die volljährigen Prinzen des königl. Hauses, ein Deputierter des Hochstifts Meißen, [* 5] der Besitzer der Herrschaft Wildenfels (Graf zu Solms-Wildenfels), die Besitzer der fünf Schönburgschen Rezeßherrschaften Glauchau, [* 6] Waldenburg, [* 7] Lichtenstein, Hartenstein und Stein durch einen Vertreter, ein Abgeordneter der Universität Leipzig, [* 8] der Besitzer der Standesherrschaft Königsbrück, der Besitzer der Standesherrschaft Reibersdorf, der evang. Oberhofprediger, der Dekan des Domstifts St. Petri zu Bautzen, [* 9] der Superintendent zu Leipzig (Stadt), ein Abgeordneter des Kollegiatstifts Würzen, der Besitzer der vier Schönburgschen Lehnsherrschaften Rochsburg, Wechselburg, Penig und Remse durch einen Vertreter, 12 gewählte Abgeordnete der Besitzer von Rittergütern und andern größeren ländlichen Gütern, 10 durch königl. Ernennung der Ersten Kammer zugeordnete Rittergutsbesitzer, 8 Abgeordnete, nämlich die erste Magistratsperson der Städte Dresden [* 10] und Leipzig sowie der vom König bestimmten sechs Städte (Chemnitz, [* 11] Bautzen, Riesa, [* 12] Döbeln [* 13] und Plauen [* 14] [1 Stelle frei]), sowie 5 Abgeordnete, die vom König auf Lebenszeit ernannt werden.
Die Zweite Kammer besteht aus 82 Abgeordneten, und zwar 5 Abgeordneten der Stadt Dresden, 5 Abgeordneten der Stadt Leipzig, 2 Abgeordneten der Stadt Chemnitz, 1 Abgeordneten der Stadt Zwickau, 24 Abgeordneten der übrigen Städte und 45 Abgeordneten des platten Landes. Der Präsident der Ersten Kammer wird durch den König ernannt; der Zweiten Kammer steht die Wahl ihres Präsidenten zu. Der König beruft längstens alle zwei Jahre einen ordentlichen Landtag, außerordentliche, so oft es dringende Angelegenheiten erfordern.
Die
Abgeordneten werden auf sechs Jahre gewählt; alle zwei Jahre scheidet ein Dritteil aus. Wahlberechtigt ist jeder Staatsangehörige
vom 25. Jahre an, welcher wenigstens 3 M. Staatssteuern zahlt; wählbar jeder, der das 30. Lebensjahr
erfüllt und wenigstens 30 M. Staatssteuer entrichtet
(Wahlgesetz vom Das Königreich
führt im
Bundesrat 4
Stimmen
und zerfällt in 23 Reichstagswahlkreise: Zittau
[* 15] (Abgeordneter 1895: Buddeberg, Freisinnige Volkspartei);
Löbau-Ebersbach (Herzog, Freisinnige Volkspartei);
Dresden rechts der Elbe (Klemm);
Dresden links der Elbe (Zimmermann, sämtlich Deutschsociale Reformpartei);
Gerichtsbezirk Dresden (Horn, Socialdemokrat);
Meißen (Lieber);
Pirna [* 16] (Lotze, Deutschsociale Reformpartei);
Freiberg-Oederan (Merbach, Reichspartei);
Nossen-Roßwein (Sachße, deutschkonservativ);
Oschatz [* 17] (Hauffe, deutschkonservativ);
Leipzig-Stadt (Hasse, Hospitant der Nationalliberalen);
Leipzig-Land (Geyer, Socialdemokrat);
Borna-Pegau (von Frege, deutschkonservativ);
Mittweida-Limbach (Albert Schmidt);
Chemnitz (Schippet);
Zwickau-Crimmitschau (Stolle);
Stolberg-Schneeberg (Seifert, sämtlich Socialdemokraten);
Zschopau-Gelenau (von Herder, deutschkonservativ);
Annaberg-Eibenstock (Böhme, nationalliberal);
Kirchberg-Auerbach (Hofmann, Socialdemokrat);
Plauen (Gerisch, Socialdemokrat).
Verwaltung. An der Spitze der Verwaltung steht das Gesamtministerium als oberste kollegiale Staatsbehörde, das von sechs Ministern (der Justiz, Finanzen, des Innern, Krieges, Kultus und öffentlichen Unterrichts, der auswärtigen Angelegenheiten) gebildet wird. Unmittelbar unter dem Gesamtministerium stehen die Oberrechnungskammer und das Hauptstaatsarchiv. Zu dem Ressort des Justizministeriums gehören: das Oberlandesgericht (s. Dresden), die Land- und Amtsgerichte, die Staatsanwaltschaften bei diesen Gerichten, die Rechtsanwälte und die Notare. Zu dem Ressort des Finanzministeriums gehören außer den allgemeinen Finanzangelegenheiten die Verwaltung der direkten und indirekten Abgaben, die Landeslotterie, die Domänen, das Forstwesen, das Berg- und Hüttenwesen, die Porzellanmanufaktur zu Meißen, die königl. Münze, das fiskalische Bauwesen, die Staatseisenbahnen, die Staatsschuldenverwaltung, die Land-, Landeskultur- und Altersrentenbank-Verwaltung, endlich die zur Zuständigkeit S.s gehörigen Postsachen.
Zum Ressort des Ministeriums des Innern gehören: das Statistische Bureau des Ministeriums, das Stenographische Institut, die Kreis- und Amtshauptmannschaften, die Kreisstände der Erblande und die Provinzialstände der Oberlausitz, die Akademie der bildenden Künste, die Polizeidirektion zu Dresden, die Landgendarmerie, die Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler, das «Dresdner Journal», die «Leipziger Zeitung», die Polizeiämter zu Leipzig und Chemnitz, das Landesmedizinalkollegium, das Veterinärwesen, die Frauenklinik zu Dresden, der Botanische Garten [* 18] zu Dresden, die chem. Centralstelle für öffentliche Gesundheitspflege in Dresden, die poliklinischen Anstalten zu Dresden, die Bezirksmedizinal- und Veterinärbeamten, die Apotheken-Revisionsbezirke und Revisoren, die Standesämter, das Mineralbad Elster, [* 19] die Brandversicherungskammer, der Landeskulturrat, die landwirtschaftlichen Kreisvereine, das Landstallamt zu Moritzburg, die königl. Oberaichungskommission zu Dresden und die Aichämter, die Technische Deputation, die Gewerbeinspektionen, diePrüfungskommissionen für Techniker, Feldmesser und Bauhandwerker, die Handels- und Gewerbekammern, die Kunstgewerbeschule und das Kunstgewerbemuseum zu Dresden, die Kunstakademie und Kunstgewerbeschule zu Leipzig, die Technischen Staatslehranstalten zu Chemnitz, die Baugewerkenschulen, die Industrieschule zu Plauen, die Schifferschulen, der Gewerbe- und der Klöppelschulinspektor, die Landes-Pfleg-, Straf- und Besserungsanstalten. ¶
forlaufend
141
Dem Kriegsministerium unterstehen der Generalstab, die Kommandanturen zu Dresden und der Festung [* 21] Königstein, das Kadettenkorps, die Unteroffizierschule und Unteroffiziervorschule zu Marienberg, die Soldatenknaben-Erziehungsanstalt zu Kleinstruppen, die Militärreitanstalt, die vereinigten Artilleriewerkstätten und -Depots, die Sanitätsdirektion, das Oberkriegsgericht, das Festungsgefängnis zu Dresden, die Arbeiterabteilung, das Remontedepot zu Kalkreuth, die Militärersatzbehörden sowie die Prüfungskommissionen für Einjährig-Freiwillige.
Zum Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts gehören: das Evangelisch-Lutherische Landeskonsistorium, die Kreishauptmannschaft zu Bautzen als Konsistorialbehörde der Oberlausitz, die Inspektion der evang. Hofkirche und das evang. Hofministerium, die Superintendenturen, die Konsistorien der evang.-reform. Gemeinden zu Dresden und Leipzig, das Apostolische Vikariat, das Vikariatsgericht, das kath.-geistliche Konsistorium, das Domstift zu Bautzen als Konsistorialbehörde, der Landeskirchenvorstand der deutsch-kath. Gemeinden, die Bezirksschulinspektionen, die Prüfungskommissionen für die Schulamtskandidaten sowie für die Wahlfähigkeits-, Amts- und Fachlehrerprüfungen, die Universität zu Leipzig, die Technische Hochschule, die höhern Schulen, die Seminare, die Taubstummenanstalten, die Turnlehrerbildungsanstalt zu Dresden, die Königlich Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, die Stifter (Domkapitel zu Meißen, Kollegiatstift zu Würzen, Domkapitel zu St. Petri zu Bautzen) und die Klöster St. Marienstern und St. Marienthal.
Zum Departement der auswärtigen Angelegenheiten gehören die königlich sächs. Gesandtschaften,
Generalkonsuln, Konsuln und Vicekonsuln, die auswärtigen Gesandtschaften, Generalkonsuln und Konsuln. Zum Zwecke der innern
Verwaltung ist das Königreich
in 4 Kreishauptmannschaften eingeteilt (s.
Tabelle S. 134 und die Einzelartikel). Finanzwesen. Die Staatsschulden betrugen (Anfang 1894) 669 521350 M. und bestehen größtenteils
aus Anleihen; das Vermögen setzt sich zusammen (Ende 1891) aus 938654410 M. immobilem Vermögen und 122046294 M. Mobiliar
und Inventar.
Ersteres und die dahin zu rechnenden Äquivalente zerfallen in 10277910 M. Grundeigentum zur freien Benutzung der Krone, 53834678 M. Grundeigentum zur öffentlichen Benutzung sowie zu gemeinnützigen und allgemeinen Zwecken (einschließlich der Landes-Pfleg-, Straf- und Besserungsanstalten), 844903601 M. Grundeigentum zum Betrieb der Staatswirtschaft behufs der Produktion materieller Güter oder Dienste [* 22] und 29638221 M. Grundeigentum zu Zwecken des Civildienstes.
Von dem immobilen Vermögen kommen auf die Staatsbahnen [* 23] 569812621, auf Forsten 218660500, auf Domänen und Intraden 10779602 und auf Hoftheater und Sammlungen 10722180 M. Von dem Vermögen an Mobiliar und Inventar entfällt der größte Teil auf die Staatsbahnen (112270051 M.). Der Staatshaushaltsetat auf die Finanzperiode 1894-95 weist eine ordentliche Einnahme und Ausgabe von 99401689 M. auf; zu den Einnahmen tragen bei die Staatsbahnen 30636535, die Forsten 7435028, die Landeslotterie 4234081 und die fiskalischen Hüttenwerke bei Freiberg [* 24] 1160000 M., während die fiskalischen Erzbergwerke bei Freiberg einen Fehlbetrag von 2374500 M. aufweisen; die direkten Steuern betragen 27063265, die Zölle und Verbrauchssteuern 28479449 M. Die außerordentlichen Ausgaben umfassen 43381400 M. und finden Deckung in dem rechnungsmäßigen Etatsüberschuß beim ordentlichen Staatshaushalt der Finanzperiode 1890-91 (13918697 M.) und in den sonstigen verfügbaren Beständen des mobilen Staatsvemögens (29462703 M.).
Wappen. [* 25] Das sächs. Wappen ist ein deutscher Schild, [* 26] welcher fünf schwarze Balken in goldenem Felde mit schräg darübergelegtem grünem Rautenkranz [* 27] enthält, vom Hausorden der Rautenkrone (Band [* 28] mit der Devise «Providentiae memor») umhangen, von der Königskrone bedeckt und von zwei Löwen [* 29] gehalten. Vor 1858 war der Schild von einem Fürstenmantel umgeben, anstatt von zwei Löwen gehalten. Das große Staatswappen ist nach der Verordnung vom ein zweimal gespaltener und dreimal geteilter Schild und gespaltener Schildfuß. Herzschild (5 u. 8) die sächs. Raute, Feld 1 Markgrafschaft Meißen, 2 Thüringen, 3 Pfalzgrafschaft Thüringen (Adler), [* 30] 4 Pfalzgrafschaft Sachsen, [* 31] 6 Herrschaft Pleißen, 7 Vogtland, 9 Orlamünde, 10 Landsberg, [* 32] 11 Oberlausitz, 12 Eisenberg. Im Schildfuß: Altenburg [* 33] und Henneberg. Helmzier: 1 Vogtland, 2 Thüringen, 3 Sachsen, 4 Meißen, 5 Oberlausitz. (S. Tafel: Wappen der wichtigsten Kulturstaaten, [* 20] Fig. 8, beim Artikel Wappen.) Landesfarben sind Weiß und Grün. Orden [* 34] sind: der königl. Hausorden der Rautenkrone (s. d. und Tafel: Die wichtigsten Orden II, [* 20] Fig. 5); der Militär-St. Heinrichsorden (s. Heinrichsorden); der Verdienstorden (s. d.); der Albrechtsorden (s. d. und Taf. I, [* 20] Fig. 23) und der Sidonienorden (s. d.). Dazu kommt noch das vom König Johann gestiftete Erinnerungskreuz für 1870-71, welches an Männer und Frauen, die sich durch freiwillige Krankenpflege während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 und 1871 ausgezeichnet hatten, verliehen worden ist, sowie das Allgemeine Ehrenzeichen (s. Ehrenzeichen).
Endlich hat S. noch die goldene und silberne Lebensrettungsmedaille und die gestiftete Carolamedaille für Verdienste auf dem Gebiete hilfreicher Nächstenliebe. Heerwesen. Das Wehrsystem S.s beruht auf dem Norddeutschen Bundesgesetz betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienst vom Die königlich sächs. Armee ist seit 1867 gänzlich nach preuß. Muster umgestaltet und bildet das 12. (königlich sächs.) Armeekorps des deutschen Heers mit dem Sitz des Generalkommandos in Dresden.
Das Armeekorps umfaßt 3 Divisionen (Nr. 23, Dresden; Nr. 24, Leipzig; Nr. 32, Dresden) mit je 2 Infanteriebrigaden (Nr. 45-48, 63, 64), 1 Kavalleriebrigade (Nr. 23, 24, 32) und 1 Jägerbataillon, ferner 1 Artilleriebrigade, der das Trainbataillon unterstellt ist. Die Gesamtstärke beträgt 11 Infanterieregimenter (Nr. 100-107, 133, 134, 139), 1 Schützenregiment (Nr. 108), 3 Jägerbataillone (Nr. 12, 13, 15), 6 Kavallerieregimenter, 3 Feldartillerieregimenter (Nr. 12, 28, 32), 1 Fußartillerieregiment (Nr. 12), 1 Pionier- und 1 Trainbataillon. (S. Deutsches Heerwesen, Bd. 5, S. 67.) Die Eisenbahntruppen sind als 7. und 8. königlich sächs. Compagnie dem preuß. Eisenbahnregiment Nr. 2 zugeteilt. Als technisches Institut hat S. die vereinigten Artilleriewerkstätten in Dresden, an ¶
Titel
Sachsen.
[* 31] Übersicht der zugehörigen Artikel:
Der Volksstamm | 123 |
---|---|
Das alte Herzogtum S. | 124 |
Das jüngere Herzogtum S. | 125 |
Die Pfalzgrafschaft S. | 125 |
Die ernestinische Linie | 125 |
Das Königreich S. (Geogr.) | 126 |
Geschichte des Kurstaats (seit 1423) und Königreichs S. | 133 |
Preußische Provinz S. | 141 |
Sächsische Herzogtümer.
Sachsen-Altenburg | 143 |
---|---|
S.-Gotha (Geschichte) | 145 |
S.-Hildburghausen (Gesch.) | 146 |
S.-Coburg-Gotha | 146 |
S.-Meiningen | 150 |
S.-Weimar-Eisenach | 153 |
Der Volksstamm der Sachsen
Die Sachsen
sind gleich den Alemannen u. a. ein germanischer Völkerbund (Sachsenbund
), in welchem
die Cherusker, Chauken, Marsen, Angrivarier u. a. aufgegangen waren, und der nach Widukind seinen Namen von einer Waffe, Sahs (Steinmesser),
erhielt, während andre ihn als Sassen, d. h. Seßhafte, erklären. Sie wohnten zu beiden Seiten der Elbmündung und auf
den Inseln vor derselben (Insulae Saxonum), von wo sie sich nach Westen und Süden bis zur Ems,
[* 36] Lippe
[* 37] und zum
Harz ausbreiteten.
Als Seeräuber suchten sie die Küsten der Nordsee heim, plünderten die Küsten Britanniens und Galliens, und mit ihrer Hilfe bemächtigte sich 287 der Menapier Carausius der Herrschaft Britanniens. In Gemeinschaft mit den Angeln setzten sie sich um 450 in dem von den Römern verlassenen Britannien dauernd fest und gründeten daselbst das angelsächsische Reich (s. Angelsachsen). In ihrer festländischen Heimat schieden sie sich nach der Lage ihrer Wohnsitze in die Ostfalen im O., die Westfalen [* 38] im W. der Weser, die Engern (Angrarier) zu beiden Seiten derselben und die Nordalbingier im N. der Elbe.
Von den Erschütterungen der Völkerwanderung wenig berührt, bewahrten sie unverändert die Grundzüge altgermanischen Wesens. Neben den freien Grundeigentümern, den Frilingen oder Fronen, aus denen die Edelinge hervorragten, gab es dienstpflichtige Unfreie, Liten (Laten), und Leibeigne. Sie bildeten freie Volksgemeinden und Gaugenossenschaften unter gewählten Vorstehern; nur in Kriegszeiten stellten sie sich unter die Führung eines Herzogs. Alljährlich fand zu Marklo an der Weser eine Versammlung von Abgeordneten der einzelnen Gaue statt, welche über gemeinsame Angelegenheiten, besonders über Krieg und Frieden, beriet. Städte hatten die S. nicht, nur Burgen [* 39] (Eresburg u. a.). Gleich den alten Germanen hatten sie keinen Priesterstand, hingen aber dem heidnischen Götterdienst mit Eifer und Treue an.
Nachdem die S. 530 im Bund mit den Franken das Thüringerreich zerstört und das Land zwischen Harz und Unstrut erworben hatten, gerieten sie allmählich in Abhängigkeit von den Franken, denen sie sich 553 ¶
mehr
124 zur Zahlung eines jährlichen Tributs von 500 Kühen verpflichten mußten; erst 631 wurden sie von demselben gegen das Versprechen, die fränkische Grenze gegen die Einfälle der Wenden zu verteidigen, befreit. Infolge des Verfalls des Merowingerreichs wieder unabhängig, wurden sie erst von Karl Martell wieder mit Krieg überzogen (718, 720 und 738), weil sie das Land der Hattuarier (Geldern) verwüstet hatten. Pippin führte mehrere Kriege gegen sie, unterwarf die Grenzsachsen, bekehrte sie zum Christentum und legte, nachdem er bis zur Weser und Oker vorgedrungen, 759 den S. einen Tribut von 300 Pferden auf.
Aber erst der große Sachsenkrieg Karls d. Gr. (772-785) unterwarf die S. dauernd der fränkischen Herrschaft und dem Christentum. Schon auf seinem ersten Feldzug eroberte Karl die Eresburg, zerstörte die Irmensäule, drang bis an die Weser vor und empfing von den S. Geiseln und das Versprechen, die christliche Mission nicht zu stören. Während Karl 774 gegen die Langobarden zog, empörten sich die S. unter Widukind, wurden aber in zwei Kriegen 775-776 von Karl unterworfen, der 777 auf sächsischem Gebiet zu Paderborn [* 41] einen Reichstag abhielt, auf dem viele Edelinge ihm huldigten und die Taufe empfingen.
Während Karls Abwesenheit in Spanien [* 42] erhoben sich die S. 778 von neuem und verwüsteten das rechte Rheinufer. 779 unternahm daher Karl den vierten Zug nach Sachsen, drang bis zur Oker vor, wo viele Engern und Ostfalen sich unterwarfen, und hielt 780 einen Reichstag zu Lippspringe ab, auf welchem Sachsen im Missionsbezirke eingeteilt wurde. Die Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung und der Heerespflicht rief 782 einen allgemeinen Aufstand unter Widukind hervor; die Kirchen wurden zerstört, die Priester verjagt und ein gegen die Sorben ziehendes Frankenheer am Süntel vernichtet.
Die furchtbare Rache, die Karl durch Hinrichtung von 4500 Gefangenen in Verden [* 43] a. d. Aller nahm, reizte die S. zum äußersten Widerstand; doch erlitten sie 783 bei Detmold [* 44] und an der Hase [* 45] blutige Niederlagen, in welchen die waffenfähige Mannschaft fast zu Grunde ging; das Land wurde auf Befehl Karls mit Feuer und Schwert verwüstet. Auf dem Reichstag zu Paderborn 785 wurde darauf die Annahme des Christentums bei Todesstrafe geboten und die Abgabe des Zehnten auferlegt.
Nun empfingen Widukind und sein Freund Albio die Taufe zu Attigny. Hiermit war die Unterwerfung Sachsens entschieden. Zwar kam es während des Avarenkriegs 793 noch einmal zu einer Empörung der S. Doch wiederholte Feldzüge Karls durch das Sachsenland ( der letzte 804), Verpflanzung von S. in andre Reichsteile und Ansiedelung fränkischer Kolonisten in Sachsen brachen endlich die Widerstandskraft des Volkes gänzlich. Die Errichtung zahlreicher Bistümer, wie Osnabrück, [* 46] Verden, Bremen, [* 47] Paderborn, Minden, [* 48] Halberstadt, [* 49] Hildesheim [* 50] und Münster, [* 51] hatte die feste Begründung der christlichen Religion in Sachsen zur Folge; ja, die S. wurden die eifrigsten Christen und unversöhnliche Feinde ihrer heidnisch gebliebenen östlichen Nachbarn, der Wenden.
Nur ihr altes Stammesrecht, die Lex Saxonum, behielten sie. Der fränkischen Herrschaft blieben sie treu und standen dem Kaiser Ludwig dem Frommen gegen seine Söhne bei. Während des Kriegs unter diesen nach des Kaisers Tod gelang es dem bei Fontenoy 841 geschlagenen Kaiser Lothar, die niedern Stände in Sachsen, die Frilinge und Liten, gegen den von den Franken sehr begünstigten Adel aufzureizen und den Aufstand eines Stellinga genannten Bundes hervorzurufen; doch wurde derselbe 842 von Ludwig dem Deutschen unterdrückt. Sachsen fiel im Vertrag von Verdun [* 52] an das ostfränkische Reich.
Das alte Herzogtum Sachsen.
Die Schutzlosigkeit, in welcher die Karolinger das Land gegen die Raubeinfälle der Slawen und Normannen ließen, welch letztere 845 Hamburg [* 53] zerstörten, bewirkte, daß die Sachsen sich wieder unter die Führung eines Herzogs stellten. Diese Würde erlangte zuerst Otto der Erlauchte (880-912), Sohn Brunos, eines Edelmanns aus reichbegütertem Geschlecht, der 880 bei Hamburg gegen die Normannen fiel; Otto dehnte seine Gewalt auch über Thüringen aus. Sein Sohn Heinrich (912-936) ward 919 zum deutschen König erwählt, und damit wurde der Stamm der Sachsen an die Spitze Deutschlands [* 54] gestellt.
Seiner kriegerischen Tüchtigkeit verdankte dies die Vertreibung der Magyaren (933) und die Unterwerfung der slawischen Stämme rechts der Elbe. Unter der weisen Leitung Heinrichs und seines großen Sohns Otto I. entwickelten sich aber auch Künste und Wissenschaften in S. zu hoher Blüte. [* 55] Zahlreiche Kirchen und Klöster wurden errichtet, Poesie und Geschichtschreibung in letztern eifrig gepflegt. Die Sachsen, welche sich kaum 200 Jahre früher der fränkischen Herrschaft und dem Christentum so hartnäckig widersetzt hatten, waren unter dem sächsischen Kaisergeschlecht die Hauptstütze des heiligen römischen Reichs deutscher Nation.
Otto I. übertrug 950 dem tapfern Grafen Hermann Billung das Herzogtum S., der durch glückliche Kämpfe gegen die Wenden die Ostgrenze erweiterte; doch gingen die überelbischen Eroberungen unter Herzog Bernhard I (973-988), dem Sohn Hermanns, wieder verloren, als nach dem Tod Kaiser Ottos II. die Slawen einen großen Aufstand machten; weder Otto III. noch Heinrich II. vermochten dieselben wiederzugewinnen. Auf Herzog Bernhard II. (988-1011) folgte Bernhard III. (1011-59), unter dessen langer Regierung mit dem Erlöschen des sächsischen Kaiserhauses (1024) die deutsche Königskrone vom sächsischen Stamm wieder auf den fränkischen überging.
Das erbliche sächsische Herzogtum, das auch die Bischöfe unter seine Gewalt beugte, war seitdem die Hauptstütze der fürstlichen Opposition gegen die kaiserliche Macht, und der auf seine Eigenart und seine Freiheiten stolze sächsische Stamm stand den Billungern treu zur Seite. Vergeblich verlegten die Kaiser Heinrich III. und Heinrich IV. ihre Residenz nach S., nach Goslar [* 56] und den von ihnen am Harz erbauten Burgen. Gerade die damit verbundenen Belästigungen und Kosten reizten die Sachsen um so mehr gegen die fränkischen Herrscher auf, und als Heinrich IV. den sächsischen Großen Otto von Nordheim des Herzogtums Bayern [* 57] beraubte und den Nachfolger Herzog Ordulfs (1059-71), Herzog Magnus, durch Kerkerhaft zum Verzicht auf die sächsische Herzogswürde zwingen wollte, brach 1073 in S. eine Empörung aus, welche erst 1075 durch den Sieg des Königs bei Hohenburg bewältigt wurde. Doch hatten Heinrichs Gegenkönige, Rudolf von Schwaben, Hermann von Luxemburg [* 58] und Ekbert von Meißen, auch nachher ihre Hauptstütze im Sachsenstamm.
Als 1106 mit Magnus der Billungsche Mannesstamm erlosch, belehnte Heinrich V. den Grafen Lothar von Supplinburg mit dem Herzogtum S. Derselbe brachte durch Heirat die reichen nordheimischen und braunschweigischen Güter an sich (1113) und stellte sich auf Anstiften der päpstlichen Partei an die Spitze der Fürstenopposition, welche in der ¶
mehr
Schlacht am Welfesholz 1115 den Sieg über das kaiserliche Heer davontrug. Als dann Lothar nach dem Erlöschen des salischen Hauses 1125 selbst auf den Kaiserthron erhoben wurde, hatte er mit den staufischen Brüdern um die Krone zu kämpfen und mußte gegen sie eine Stütze beim welfischen Herzog von Bayern, Heinrich dem Stolzen, suchen, der von seiner Mutter Wulfhild, der Tochter des Herzogs Magnus, die Billungschen Hausgüter geerbt hatte. Er vermählte demselben seine Tochter Gertrud und übertrug ihm auch auf seinem Sterbebett 1137 das Herzogtum S. Als der neue König, Konrad III., diese Übertragung nicht anerkennen wollte, kam es zwischen ihm und Heinrich zum Kampf; letzterer wurde geächtet und seine Herzogtümer ihm abgesprochen, von denen S. dem Markgrafen Albrecht dem Bären übertragen wurde.
Doch konnte dieser auch nach Heinrichs des Stolzen Tod (1139) S. nicht erobern und mußte es im Frankfurter Frieden 1142 Heinrichs Sohn, Heinrich dem Löwen, zurückgeben, wogegen die Mark Brandenburg [* 60] vergrößert und von der herzoglichen Gewalt befreit wurde. Heinrich der Löwe nahm mit Erfolg die Kriege gegen die Wenden wieder auf, eroberte Holstein, Mecklenburg [* 61] und Vorpommern, gründete Bistümer und Städte, wie Lübeck, [* 62] und verbreitete deutsche und christliche Kultur; die sächsischen Großen, geistliche wie weltliche, brachte er unter seine Botmäßigkeit.
Seine über fast ganz Norddeutschland sich erstreckende Macht war eine königliche. Als er nun 1176 dem Kaiser Friedrich I. die Heeresfolge nach Italien [* 63] verweigerte, wurde die Zertrümmerung dieses allzu großen Herzogtums beschlossen. Nachdem Heinrich der Löwe 1180 geächtet und vom Kaiser zur Unterwerfung gezwungen worden war, wurden ihm nur seine Allodien, Braunschweig [* 64] und Lüneburg, [* 65] gelassen. Die Bischöfe und weltlichen Fürsten, auch einige Städte wurden für reichsunmittelbar erklärt, die herzogliche Gewalt in Westfalen dem Erzstift Köln [* 66] übertragen und der Name des Herzogtums S. auf den östlichen Teil an der Elbe beschränkt, mit dem Albrechts des Bären zweiter Sohn, Bernhard von Askanien, belehnt wurde.
Das jüngere Herzogtum Sachsen.
Das neue Herzogtum S., dem alten Volksherzogtum weder an Umfang noch an Macht vergleichbar, spielte demgemäß in der Geschichte des Deutschen Reichs nur eine untergeordnete Rolle. Dazu kam, daß die Askanier nach dem Tode des zweiten Herzogs aus ihrem Geschlecht, Albrechts I. (1212-60), S. teilten, so daß der ältere Sohn, Johann, das Gebiet an der untern, der jüngere, Albrecht II. (1260 bis 1298), das an der mittlern Elbe erhielt; beide Linien, die sich nach ihren Hauptstädten Sachsen-Lauenburg und Sachsen-Wittenberg nannten, führten den Titel eines Herzogs von S., Engern und Westfalen und eines Reichsmarschalls und erhoben beide auf das Recht, den König zu wählen, Anspruch.
Nach langem Streit wurde dies Recht durch die Goldene Bulle 1356 der wittenbergischen Linie zugesprochen, welche zugleich mit dem Erzmarschallamt das Reichsvikariat in den Ländern des sächsischen Rechts erhielt und sich durch die Unteilbarkeit der Kurlande vor weiterer Zersplitterung bewahrte. Herzog Rudolf II. (1356-70), Rudolfs I. (1298-1356) Sohn, nannte sich zuerst Kurfürst von S., sein Bruder Wenzel (1370-88) führte zuerst die Kurschwerter im sächsischen Wappen. Wenzels Sohn Rudolf III. starb kinderlos 1419, und mit seinem Bruder Albrecht III. erlosch 1422 die wittenbergische Linie des askanisch-sächsischen Hauses.
Kaiser Siegmund verlieh, ohne die Ansprüche der Linie Sachsen-Lauenburg zu berücksichtigen, S. dem Markgrafen Friedrich dem Streitbaren (s. Friedrich 58) von Meißen, welcher zu Ofen feierlich belehnt wurde. Mit ihm beginnt die Herrschaft des Hauses Wettin. Sachsen-Lauenburg erhob im 15. Jahrh. noch mehrmals Anspruch auf die kurfürstlichen Titel und Rechte, aber ohne Erfolg (weiteres s. Lauenburg). [* 67] Der Name S. ging nun auch auf die übrigen Besitzungen des Hauses Wettin, Meißen und Thüringen, über; doch wurde dieses S. noch lange als Obersachsen von Niedersachsen, dem Gebiet der untern Elbe und Weser, unterschieden, bis für letzteres Land der Name Hannover [* 68] üblich wurde. Über die Geschichte Kursachsens seit 1423 s. Sachsen, Königreich (S. 134 ff.).
Die Pfalzgrafschaft Sachsen.
Die königlichen Güter in S., hauptsächlich in der Nähe des Kyffhäusers gelegen (Grona, Werla, Wallhausen), ferner Dornburg, Arnstadt [* 69] und Sulza, die königlichen Pfalzen und Besitzungen in Magdeburg [* 70] und Merseburg [* 71] wurden von Pfalzgrafen verwaltet, als deren erster Adalbert oder Berno (gest. 982) genannt wird. Um 1040 kam die Pfalzgrafschaft an Dedo, Grafen von Goseck, dessen Nachfolger sich, als Friedrich von Sommerschenburg die Grafschaft 1088 seinem Großneffen Friedrich von Goseck entrissen hatte, nach ihrem Allod Pfalzgrafen von Putelendorf (Bottelndorf a. d. Unstrut) nannten.
Nach dem Erlöschen des Hauses Sommerschenburg mit Albrecht II. 1179 verlieh Kaiser Friedrich I. auf dem Reichstag zu Gelnhausen [* 72] die Pfalzgrafschaft S. dem Landgrafen Ludwig III. von Thüringen, der sie 1181 seinem Bruder Hermann abtrat. Nach dem Aussterben des thüringischen Landgrafengeschlechts kam sie nebst Thüringen an den Markgrafen Heinrich den Erlauchten von Meißen, der sie 1291 nebst Landsberg, Delitzsch [* 73] und Sangerhausen [* 74] an den Markgrafen von Brandenburg verkaufte. In ihren Resten, Lauchstädt und Allstedt, kam die Pfalzgrafschaft S. 1318 als Wittum an Agnes, die Witwe Heinrichs des ältern von Brandenburg, von deren Erben sie Markgraf Friedrich der Ernsthafte von Meißen 1347 kaufte, worauf er sich den pfalzgräflichen Titel beilegte. Doch galt noch immer die Pfalz in Magdeburg als eigentlicher Sitz der Pfalzgrafschaft, welche daher in der sächsischen Goldenen Bulle vom als ein Zubehör des Herzogtums S. bezeichnet wurde. Friedrich der Streitbare legte den bedeutungslos gewordenen pfalzgräflichen Titel ab und behielt nur das Wappen, den kaiserlichen Adler, bei.