forlaufend
138
761 Märkte aller Art, darunter vier Wollmärkte (Dresden, [* 3] Leipzig, [* 4] Bautzen, [* 5] Kamenz), [* 6] deren Umsatz indes in den letzeren Jahren mehr und mehr zurückgegangen ist. Das Münzwesen [* 7] ist durch die Reichsgesetze vom und das Maß- und Gewichtssystem durch die Maß- und Gewichtsordnung vom geordnet. (S. auch Deutschland [* 8] und Deutsches Reich, Bd. 5, S. 138 fg.) Die königl. Sächsische Münze ist 1887 von Dresden nach den Muldener Hütten [* 9] (s. d.) verlegt. 1892 wurden daselbst Münzen [* 10] im Werte von 433 552 M. ausgeprägt (222811 Einmarkstücke, für 74490 M. Zwanzig-, 87000 M. Zehn-, 17300 M. Fünf- und 31951 M. Einpfennigstücke u. s. w.). Versicherungswesen.
Die Kapitalversicherung wird in S. von einigen 50 Gesellschaften, zum Teil in Verbindung mit Renten-, Unfall- oder Krankenversicherung betrieben. Etwa 40 derselben haben ihren Hauptsitz in Deutschland, 4 davon in S. selbst. Ausschließlich Rentenversicherungen schließen namentlich die Königlich [* 11] Sächsische Altersrentenbank und die sächs. Rentenversicherungsanstalt in Dresden ab. Die Rentenversicherungsanstalt ist 1841 gegründet worden zu dem Zwecke, ihren Mitgliedern mittels gewisser Jahresbezüge ein anfangs nur allmählich, weiterhin aber schneller wachsendes und im höhern Alter sehr reichliches Einkommen zu sichern.
Die Königlich Sächsische Altersrentenbank ist durch Gesetz vom errichtet und eröffnet
worden.
Bis Ende 1893 waren 14650 Einlagekonten eröffnet und 70418 Einlagen im Wert von 28005726 M. geleistet; bei 6369117
M. der Einzahlungen war die Rückgewähr vorbehalten. Die
Summe der ausgezahlten
Renten (1893: 5299) belief sich 1893 auf 1416191,
von 1864 bis 1893 auf 9322297 M.
Stand der
Krankenkassen 1892: Kassenarten Zahl der
Kassen Zahl der Mitglieder
Ende 1892 Überhaupt Davon weibl. Einnahmen M.
Ausgaben M. Gemeindekrankenversicherungen 672 145037 59870 1205514 1130513
Ortskrankenkassen. 544 398693 133248 7337857 6952190 Betriebs-(Fabrik-)Krankenkassen . 810 202466 68209 3711532 3513942
Baukrankenkassen 23 1479 9 51439 45111
Innungskrankenkassen 50 6467 96 183793 176501
Eingeschriebene Hilfskassen
208 69814 5439 1236274 1162318 Landesrechtliche Hilfskassen 62 25226 2443 542739 514410 ^[Additionslinie]
Zusammen 2369 49 182 269314 14269153 13494985 Hierzu kommen noch 71 Knappschaftskrankenkassen mit (Ende 1893) 31086 Mitgliedern,
einer Einnahme von 953871 M. und einer
Ausgabe von 922562 M. Mit Beginn des J. 1891 sind die Knappschaftspensionskassen, die
vorher für einzelne Werke gesondert bestanden, zu einem gemeinsamen Verbände
(Allgemeine Knappschaftspensionskasse
für das Königreich
S., mit dem Sitz in
Freiberg)
[* 12] zusammengetreten, der durch Beschluß des
Bundesrats vom als
sog. besondere Kasseneinrichtung zur selbständigen Durchführung der Invaliditäts- und
Altersversicherung zugelassen worden
ist.
Die Mitgliederzahl betrug (Ende 1893) 28411; vorhanden waren (Ende 1893), ausschließlich der auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes bezugsberechtigten Rentenempfänger, 3165 Invaliden, darunter 481 reichsgesetzliche Invalidenrentner, 5480 Witwen, 2389 Waisen und 77 Altersrentner. Die Allgemeine Knappschaftspensionskasse vermittelt auch diejenigen Renten, welche ihren Mitgliedern und deren Angehörigen auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes vom zuerkannt worden sind (Ende 1893: 834 Invaliden, 212 Witwen und 406 Waisen).
Auf
Grund des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes wurden von der Versicherungsanstalt für das Königreich
S.
zu
Dresden (1894) 4745
Altersrenten im Gesamtbetrage von 554867 M. und 2068 Invalidenrenten im Betrage von 251629 M. bewilligt.
Der Versicherung der
Gebäude gegen Brandschäden dient die
Landes-Brandversicherungsanstalt (vgl. Gesetz
vom zu welcher alle mit einem Dach
[* 13] versehenen
Gebäude, ferner die in
Kirchen und andern öffentlichen
Gebäuden
befindlichen Orgeln, Großuhren,
Glocken,
Altäre u. s. w. unbedingt beitrittspflichtig sind. 1893 waren 330189 Grundstückskomplexe
mit 785276
Gebäuden versichert; die gesamte Versicherungssumme betrug 4234,976 Mill. M., die Beiträge 6,658 Mill.
M., die Zahl der Brandfälle 2609, von denen 1835 mit 4,710 Mill. M. entschädigt wurden.
Bei der «Freiwilligen Abteilung» der Anstalt für beitrittsfähige, aber nicht beitrittspflichtige Versicherungsobjekte belief sich die Versicherungssumme auf 93,318 Mill., die Summe der Beiträge auf 371826 M., die Zahl der Brandschäden auf 57 mit einer Versicherungssumme von 412485 M. Die Konzession zur Mobilien-, Maschinen- u. s. w. Versicherung besaßen (1893) 43 und 5 Vereine. Die Versicherungssummen betrugen 4025 und 58 Mill. M., die Einnahmen 6,397 Mill. und 30022 M., die Ausgaben 4,205 Mill. und 9395 M. Verkehrswesen.
Die Schiffahrt auf der Elbe ist bedeutend. Stromab gehen meist Holz, [* 14] Sand- und Kalksteine, Kohlen, Getreide [* 15] und Obst, stromauf besonders Salz [* 16] und Kolonialwaren. Die meist dem Personenverkehr dienende Dampfschiffahrt zwischen Leitmeritz, Dresden und Riesa [* 17] betreibt die Sächsisch-Böhmische Dampfschiffahrtsgesellschaft. An Elbfahrzeugen waren an: Schlüsse 1892 in S. registriert: 27 Personendampfschiffe, 7 Güterdampfschiffe (Porteurs), 15 Radschlepper (Remorqueurs), 8 Kettenschiffe (Toueurs), 1 Dampffähre, 575 Segel- und Schleppschiffe mit zusammen 641988 t Tragfähigkeit. Zu den bestehenden beiden Elbdampfschiffahrtsgesellschaften Kette und Nordwest-Dampfschiffahrtsgesellschaft ist 1883 die Dampfschleppschiffahrtsgesellschaft der vereinigten Schiffer in Dresden hinzugekommen.
Über den Verkehr auf der
Elbe s. d. Die Staatsstraßen im Königreich
hatten (Ende 1892) eine Länge
von 3672,728 km.
Über die Eisenbahnen s. Sächsische Eisenbahnen. Post und
Telegraph.
[* 18] S. gehört zum
Deutschen
Reichspostgebiet (s.
Deutschland und
Deutsches Reich, Bd. 5, S. 144
a) und wird in 2 Oberpostdirektionen
(Dresden und
Leipzig)
eingeteilt, denen (1893) 1107 Post- und 783 Telegraphenanstalten unterstanden. Der gesamte Postverkehr betrug (1893) 163817300
aufgegebene (160946000 eingegangene) Briefsendungen, 15352316 (11935517)
Pakete ohne Wertangabe, 1230444
(1223054)
Briefe und
Pakete mit Wertangabe mit einem
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forlaufend
139
Wertbetrag von 1271007460 (1388578428) M., 1724060 (1322802) Postnachnahmesendungen mit 19543316 (13643956) M., 733733 (5508243) Postaufträge und 7647256 (9310624) Postanweisungen mit einer Gesamtsumme von 449865440 (573748297) M. Die Zahl der aufgegebenen (angekommenen) Telegramme belief sich aus 1891584 (2033274), die Summe der Portogebühren betrug 21855895, der Telegraphengebühren 3229902 M. Das Telegraphennetz hatte 5190 km Linien mit 19832 km Drähten; 60 Ortschaften besaßen Fernsprecheinrichtungen mit zusammen 17186 km Leitungslänge und 10698 Sprechstellen. Unterrichts- und Bildungswesen. Die Zahl der öffentlichen Volksschulen betrug 2205, darunter 40 katholische; dabei sind die 18 Seminarübungsschulen und die Schulen für linder sächs. Beamten zu Bodenbach und Voitersreuth eingerechnet.
Hierzu kommen noch 1934 öffentliche Fortbildungsschulen, darunter 16 für Mädchen. 61 Volksschulen hatten sprachlich gemischte, 1 rein wend. Schüler. Die Zahl der konzessionierten Privat- und Stiftungsschulen betrug, einschließlich der 13 privaten Fortbildungsschulen für Knaben, 90. Ferner bestanden 2 staatliche höhere Mädchenschulen, 7 höhere Privatschulen für Knaben und 1 für Mädchen, 17 Lehrerseminare, darunter 1 katholisches, und 2 Lehrerinnenseminare, 2 Taubstummenanstalten, 4 Blindenschulen, darunter die Landesblindenanstalt zu Dresden mit Außenabteilungen zu Königswartha und Moritzburg, 1 Landes-Idiotenanstalt zu Großhennersdorf, 1 Landesanstalt zu Rossen für schwachsinnige Mädchen, 1 Schule für epileptische Kinder in der Irrensiechenanstalt zu Hochweitzschen und 1 Landesanstalt für sittlich gefährdete Kinder zu Bräunsdorf bei Freiberg.
Über die höhern Schulen und die Universität s. Deutschland und Deutsches Reich (Bd. 5, S. 156 u. 157). Außerdem sind zu nennen die Bergakademie zu Freiberg, die Forstakademie zu Tharandt, die technische und tierärztliche sowie die Hochschule für Musik in Dresden (s. d.), das Landwirtschaftliche Institut der Universität Leipzig, die Technischen Staatslehranstalten zu Chemnitz [* 20] (s. d.), das königl. Stenographische Institut in Dresden, das Konservatorium für Musik, die Buchhändlerlehranstalt in Leipzig, die Akademie der bildenden Künste zu Dresden, die Kunstakademie und Kunstgewerbeschule zu Leipzig, die Kunstgewerbeschule nebst Vorschule, verbunden mit Zeichenlehrerkursus; ferner giebt es 5 Baugewerkenschulen, 2 Bergschulen, 3 Fachschulen für Spielwarenindustrie, 1 königl. Industrieschule in Planen, 1 Technikum in Mittweida, 6 Schifferschulen, 3 Heizerschulen und 7 Heizerkurse, 28 Spitzenklöppelschulen, 1 Gewerbezeichenschule, zugleich Fachschule für Spitzenmusterzeichner und -Stecher zu Schneeberg, 1 städtische Gewerbeschule zu Leipzig, 138 höhere gewerbliche Schulen, gewerbliche Fach- und Zeichenschulen, gewerbliche Lehranstalten für Frauen, Mädchen und Kinder, 9 landwirtschaftliche und Gartenbau- und 40 Handelsschulen.
Als weitere Bildungsanstalten reihen sich an die Turnlehrerbildungsanstalt und die Gehe-Stiftung (s. d.) zu Dresden. Für den Militärdienst bestehen ein Kadettenkorps zu Dresden, eine Unteroffizierschule zu Marienberg und eine Soldatenknaben-Erziehungsanstalt zu Kleinstruppen. Den Schulen reihen sich an die Bibliotheken und Sammlungen. Die bedeutendste Bibliothek ist die königl. Bibliothek zu Dresden (s. d.); ferner die Universitäts- und die Stadtbibliothek zu Leipzig, die Bibliotheken der Technischen Hochschule, des königl. statistischen Bureaus und die Staats- und volkswirtschaftliche Bibliothek der Gehe-Stiftung (s. d.) zu Dresden, die Stadtbibliothek zu Zwickau [* 21] u. a. Hervorragend sind die Sammlungen zu Dresden, ferner das städtische und Kunstgewerbe- sowie das Buchgewerbemuseum zu Leipzig u. a. Zahlreiche wissenschaftliche Vereine bestehen in den größern Städten.
Die 498 (Ende März 1885) landwirtschaftlichen Vereine für einzelne Gegenden und Kulturzweige sind zu 5 Kreisvereinen vereinigt,
an deren Spitze der Landeskulturrat zu Dresden mit 32 Mitgliedern steht. Unter den 498 Vereinen sind 16 für
Bienenzucht,
[* 22] 8 für Obst- und Gartenbau, 5 für Geflügelzucht, 4 tierärztliche Vereine, 1 ökonomische Gesellschaft für das
Königreich
S., 1 für Viehzucht,
[* 23] 1 für Forstwirtschaft. Kirchenwesen. Nach der Verfassung vom übt der König
die Staatsgewalt (jus circa sacra), die Aussicht und das Schutzrecht über die Kirchen aus; die Oberaufsicht
über die geistlichen Behörden aller Konfessionen
[* 24] hat das Kultusministerium.
Die Anordnungen in den innern kirchlichen Angelegenheiten sind den einzelnen Konfessionen überlassen. Die landesherrliche Kirchengewalt über die evang. Kirche üben, solange der König einer andern Konfession angehört, die in Evangelicis beauftragten Staatsminister. Dieselben berufen spätestens aller fünf Jahre eine Synode ein. Zur Führung des Kirchenregiments besteht nach dem Gesetz vom ein Landeskonsistorium in Dresden; die Konsistorialgeschäfte der luth.
Kirche in der Oberlausitz liegen der Kreishauptmannschaft Bautzen ob; für die reform. Kirche bestehen Konsistorien zu Dresden und Leipzig. Die oberste geistliche Behörde der röm.-kath. Kirche ist das apostolische Vikariat mit dem Bischof und apostolischen Vikar an der spitze; unter ihm steht das kath. Konsistorium. Griech. Kirchen mit regelmäßigem Gottesdienst bestehen zu Leipzig und (seit 1874) Dresden. Der israel. Kultus ist nach dem Gesetz vom dem Kultusministerium mit unterstellt.
Gesundheitswesen und öffentliche Anstalten. Im Jahre 1894 waren 1560 approbierte Ärzte sowie 1810 Hebammen
und 288 konzessionierte Apotheken vorhanden. In den 103 allgemeinen Krankenhäusern wurden (1893) 44464 Kranke zusammen 1346142
Tage verpflegt; 3 Krankenhäuser haben 500 und mehr Betten (zusammen 2827 Betten), 12 Anstalten haben 10 und weniger (zusammen 83 Betten). 1882 widmeten
sich überhaupt 5136 Personen hauptberuflich und 288 nebenberuflich der Gesundheits- und Krankenpflege. An Anstalten zur Pflege
und Besserung bestehen ferner die Landesanstalten zu Hubertusburg (s. d.) nebst
der Meierei Reckwitz, die Irrenheilanstalt zu Sonnenstein, Irrenversorganstalt zu Colditz nebst der Meierei Zschadraß, Irrensiechenanstalt
zu Hochweitzschen, die Anstalten zu Waldheim (Zuchtbaus für Männer, Irrenstation, Korrektionsanstalt
für Weiber), die Strafanstalt für männliche Sträflinge zu Zwickau nebst Hilfsstrafanstalt zu Nossen, die Landesanstalten
zu Sachsenburg
(Straf- und Korrektionsanstalt für männliche Jugendliche), das Zuchthaus für Weiber zu Hoheneck, die Strafanstalt
für weibliche Sträflinge zu Voigtsberg, die Strafanstalt sür weibliche Jugendliche und die
¶
forlaufend
140
Korrektionsanstalt für Frauen zu Grünhain, die für Männer zu Hohnstein nebst Hilfsanstalt zu Radeberg und das Kreiskrankenstift zu Zwickau. Verfassung. Der sächs. Staat bildet eine durch Volksvertretung beschränkte und an die Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes vom modifiziert durch die Gesetze vom 26. Nov. 1860,19. Okt. 1861, und gebundene konstitutionelle erbliche Monarchie. Die Krone vererbt sich im Mannsstamme der Albertinischen Linie (s. d.) des sächs. Gesamthauses.
Das Königliche Haus bekennt sich zur kath. Kirche. Die Geschwister, Kinder und Enkel des Königs führen
das Prädikat Königliche Hoheit; die volljährigen Prinzen sind Herzöge zu S. Die Angelegenheiten, welche den König und
seine Familie sowie das Vermögen des königl. Hauses, namentlich auch die Civilliste betreffen,
leitet das Ministerium des königl. Hauses; doch gehört der Chef desselben nicht zum verfassungsmäßigen Gesamtministerium.
Für das ganze Königreich
besteht eine in zwei Kammern geteilte Ständeversammlung.
Mitglieder der Ersten Kammer sind: die volljährigen Prinzen des königl. Hauses, ein Deputierter des Hochstifts Meißen, [* 26] der Besitzer der Herrschaft Wildenfels (Graf zu Solms-Wildenfels), die Besitzer der fünf Schönburgschen Rezeßherrschaften Glauchau, [* 27] Waldenburg, [* 28] Lichtenstein, Hartenstein und Stein durch einen Vertreter, ein Abgeordneter der Universität Leipzig, der Besitzer der Standesherrschaft Königsbrück, der Besitzer der Standesherrschaft Reibersdorf, der evang. Oberhofprediger, der Dekan des Domstifts St. Petri zu Bautzen, der Superintendent zu Leipzig (Stadt), ein Abgeordneter des Kollegiatstifts Würzen, der Besitzer der vier Schönburgschen Lehnsherrschaften Rochsburg, Wechselburg, Penig und Remse durch einen Vertreter, 12 gewählte Abgeordnete der Besitzer von Rittergütern und andern größeren ländlichen Gütern, 10 durch königl. Ernennung der Ersten Kammer zugeordnete Rittergutsbesitzer, 8 Abgeordnete, nämlich die erste Magistratsperson der Städte Dresden und Leipzig sowie der vom König bestimmten sechs Städte (Chemnitz, Bautzen, Riesa, Döbeln [* 29] und Plauen [* 30] [1 Stelle frei]), sowie 5 Abgeordnete, die vom König auf Lebenszeit ernannt werden.
Die Zweite Kammer besteht aus 82 Abgeordneten, und zwar 5 Abgeordneten der Stadt Dresden, 5 Abgeordneten der Stadt Leipzig, 2 Abgeordneten der Stadt Chemnitz, 1 Abgeordneten der Stadt Zwickau, 24 Abgeordneten der übrigen Städte und 45 Abgeordneten des platten Landes. Der Präsident der Ersten Kammer wird durch den König ernannt; der Zweiten Kammer steht die Wahl ihres Präsidenten zu. Der König beruft längstens alle zwei Jahre einen ordentlichen Landtag, außerordentliche, so oft es dringende Angelegenheiten erfordern.
Die Abgeordneten werden auf sechs Jahre gewählt; alle zwei Jahre scheidet ein Dritteil aus. Wahlberechtigt ist jeder Staatsangehörige
vom 25. Jahre an, welcher wenigstens 3 M. Staatssteuern zahlt; wählbar jeder, der das 30. Lebensjahr
erfüllt und wenigstens 30 M. Staatssteuer entrichtet (Wahlgesetz vom Das Königreich
führt im Bundesrat 4 Stimmen
und zerfällt in 23 Reichstagswahlkreise: Zittau
[* 31] (Abgeordneter 1895: Buddeberg, Freisinnige Volkspartei);
Löbau-Ebersbach (Herzog, Freisinnige Volkspartei);
Dresden rechts der Elbe (Klemm);
Dresden links der Elbe (Zimmermann, sämtlich Deutschsociale Reformpartei);
Gerichtsbezirk Dresden (Horn, Socialdemokrat);
Meißen (Lieber);
Pirna [* 32] (Lotze, Deutschsociale Reformpartei);
Freiberg-Oederan (Merbach, Reichspartei);
Nossen-Roßwein (Sachße, deutschkonservativ);
Oschatz [* 33] (Hauffe, deutschkonservativ);
Leipzig-Stadt (Hasse, Hospitant der Nationalliberalen);
Leipzig-Land (Geyer, Socialdemokrat);
Borna-Pegau (von Frege, deutschkonservativ);
Mittweida-Limbach (Albert Schmidt);
Chemnitz (Schippet);
Zwickau-Crimmitschau (Stolle);
Stolberg-Schneeberg (Seifert, sämtlich Socialdemokraten);
Zschopau-Gelenau (von Herder, deutschkonservativ);
Annaberg-Eibenstock (Böhme, nationalliberal);
Kirchberg-Auerbach (Hofmann, Socialdemokrat);
Plauen (Gerisch, Socialdemokrat).
Verwaltung. An der Spitze der Verwaltung steht das Gesamtministerium als oberste kollegiale Staatsbehörde, das von sechs Ministern (der Justiz, Finanzen, des Innern, Krieges, Kultus und öffentlichen Unterrichts, der auswärtigen Angelegenheiten) gebildet wird. Unmittelbar unter dem Gesamtministerium stehen die Oberrechnungskammer und das Hauptstaatsarchiv. Zu dem Ressort des Justizministeriums gehören: das Oberlandesgericht (s. Dresden), die Land- und Amtsgerichte, die Staatsanwaltschaften bei diesen Gerichten, die Rechtsanwälte und die Notare. Zu dem Ressort des Finanzministeriums gehören außer den allgemeinen Finanzangelegenheiten die Verwaltung der direkten und indirekten Abgaben, die Landeslotterie, die Domänen, das Forstwesen, das Berg- und Hüttenwesen, die Porzellanmanufaktur zu Meißen, die königl. Münze, das fiskalische Bauwesen, die Staatseisenbahnen, die Staatsschuldenverwaltung, die Land-, Landeskultur- und Altersrentenbank-Verwaltung, endlich die zur Zuständigkeit S.s gehörigen Postsachen.
Zum Ressort des Ministeriums des Innern gehören: das Statistische Bureau des Ministeriums, das Stenographische Institut, die Kreis- und Amtshauptmannschaften, die Kreisstände der Erblande und die Provinzialstände der Oberlausitz, die Akademie der bildenden Künste, die Polizeidirektion zu Dresden, die Landgendarmerie, die Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler, das «Dresdner Journal», die «Leipziger Zeitung», die Polizeiämter zu Leipzig und Chemnitz, das Landesmedizinalkollegium, das Veterinärwesen, die Frauenklinik zu Dresden, der Botanische Garten [* 34] zu Dresden, die chem. Centralstelle für öffentliche Gesundheitspflege in Dresden, die poliklinischen Anstalten zu Dresden, die Bezirksmedizinal- und Veterinärbeamten, die Apotheken-Revisionsbezirke und Revisoren, die Standesämter, das Mineralbad Elster, [* 35] die Brandversicherungskammer, der Landeskulturrat, die landwirtschaftlichen Kreisvereine, das Landstallamt zu Moritzburg, die königl. Oberaichungskommission zu Dresden und die Aichämter, die Technische Deputation, die Gewerbeinspektionen, diePrüfungskommissionen für Techniker, Feldmesser und Bauhandwerker, die Handels- und Gewerbekammern, die Kunstgewerbeschule und das Kunstgewerbemuseum zu Dresden, die Kunstakademie und Kunstgewerbeschule zu Leipzig, die Technischen Staatslehranstalten zu Chemnitz, die Baugewerkenschulen, die Industrieschule zu Plauen, die Schifferschulen, der Gewerbe- und der Klöppelschulinspektor, die Landes-Pfleg-, Straf- und Besserungsanstalten. ¶
Titel
Sachsen.
[* 37] Übersicht der zugehörigen Artikel:
Der Volksstamm | 123 |
---|---|
Das alte Herzogtum S. | 124 |
Das jüngere Herzogtum S. | 125 |
Die Pfalzgrafschaft S. | 125 |
Die ernestinische Linie | 125 |
Das Königreich S. (Geogr.) | 126 |
Geschichte des Kurstaats (seit 1423) und Königreichs S. | 133 |
Preußische Provinz S. | 141 |
Sächsische Herzogtümer.
Sachsen-Altenburg | 143 |
---|---|
S.-Gotha (Geschichte) | 145 |
S.-Hildburghausen (Gesch.) | 146 |
S.-Coburg-Gotha | 146 |
S.-Meiningen | 150 |
S.-Weimar-Eisenach | 153 |
Der Volksstamm der Sachsen
Die Sachsen
sind gleich den Alemannen u. a. ein germanischer Völkerbund (Sachsenbund
), in welchem
die Cherusker, Chauken, Marsen, Angrivarier u. a. aufgegangen waren, und der nach Widukind seinen Namen von einer Waffe, Sahs (Steinmesser),
erhielt, während andre ihn als Sassen, d. h. Seßhafte, erklären. Sie wohnten zu beiden Seiten der Elbmündung und auf
den Inseln vor derselben (Insulae Saxonum), von wo sie sich nach Westen und Süden bis zur Ems,
[* 38] Lippe
[* 39] und zum
Harz ausbreiteten.
Als Seeräuber suchten sie die Küsten der Nordsee heim, plünderten die Küsten Britanniens und Galliens, und mit ihrer Hilfe bemächtigte sich 287 der Menapier Carausius der Herrschaft Britanniens. In Gemeinschaft mit den Angeln setzten sie sich um 450 in dem von den Römern verlassenen Britannien dauernd fest und gründeten daselbst das angelsächsische Reich (s. Angelsachsen). In ihrer festländischen Heimat schieden sie sich nach der Lage ihrer Wohnsitze in die Ostfalen im O., die Westfalen [* 40] im W. der Weser, die Engern (Angrarier) zu beiden Seiten derselben und die Nordalbingier im N. der Elbe.
Von den Erschütterungen der Völkerwanderung wenig berührt, bewahrten sie unverändert die Grundzüge altgermanischen Wesens. Neben den freien Grundeigentümern, den Frilingen oder Fronen, aus denen die Edelinge hervorragten, gab es dienstpflichtige Unfreie, Liten (Laten), und Leibeigne. Sie bildeten freie Volksgemeinden und Gaugenossenschaften unter gewählten Vorstehern; nur in Kriegszeiten stellten sie sich unter die Führung eines Herzogs. Alljährlich fand zu Marklo an der Weser eine Versammlung von Abgeordneten der einzelnen Gaue statt, welche über gemeinsame Angelegenheiten, besonders über Krieg und Frieden, beriet. Städte hatten die S. nicht, nur Burgen [* 41] (Eresburg u. a.). Gleich den alten Germanen hatten sie keinen Priesterstand, hingen aber dem heidnischen Götterdienst mit Eifer und Treue an.
Nachdem die S. 530 im Bund mit den Franken das Thüringerreich zerstört und das Land zwischen Harz und Unstrut erworben hatten, gerieten sie allmählich in Abhängigkeit von den Franken, denen sie sich 553 ¶
mehr
124 zur Zahlung eines jährlichen Tributs von 500 Kühen verpflichten mußten; erst 631 wurden sie von demselben gegen das Versprechen, die fränkische Grenze gegen die Einfälle der Wenden zu verteidigen, befreit. Infolge des Verfalls des Merowingerreichs wieder unabhängig, wurden sie erst von Karl Martell wieder mit Krieg überzogen (718, 720 und 738), weil sie das Land der Hattuarier (Geldern) verwüstet hatten. Pippin führte mehrere Kriege gegen sie, unterwarf die Grenzsachsen, bekehrte sie zum Christentum und legte, nachdem er bis zur Weser und Oker vorgedrungen, 759 den S. einen Tribut von 300 Pferden auf.
Aber erst der große Sachsenkrieg Karls d. Gr. (772-785) unterwarf die S. dauernd der fränkischen Herrschaft und dem Christentum. Schon auf seinem ersten Feldzug eroberte Karl die Eresburg, zerstörte die Irmensäule, drang bis an die Weser vor und empfing von den S. Geiseln und das Versprechen, die christliche Mission nicht zu stören. Während Karl 774 gegen die Langobarden zog, empörten sich die S. unter Widukind, wurden aber in zwei Kriegen 775-776 von Karl unterworfen, der 777 auf sächsischem Gebiet zu Paderborn [* 43] einen Reichstag abhielt, auf dem viele Edelinge ihm huldigten und die Taufe empfingen.
Während Karls Abwesenheit in Spanien [* 44] erhoben sich die S. 778 von neuem und verwüsteten das rechte Rheinufer. 779 unternahm daher Karl den vierten Zug nach Sachsen, drang bis zur Oker vor, wo viele Engern und Ostfalen sich unterwarfen, und hielt 780 einen Reichstag zu Lippspringe ab, auf welchem Sachsen im Missionsbezirke eingeteilt wurde. Die Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung und der Heerespflicht rief 782 einen allgemeinen Aufstand unter Widukind hervor; die Kirchen wurden zerstört, die Priester verjagt und ein gegen die Sorben ziehendes Frankenheer am Süntel vernichtet.
Die furchtbare Rache, die Karl durch Hinrichtung von 4500 Gefangenen in Verden [* 45] a. d. Aller nahm, reizte die S. zum äußersten Widerstand; doch erlitten sie 783 bei Detmold [* 46] und an der Hase [* 47] blutige Niederlagen, in welchen die waffenfähige Mannschaft fast zu Grunde ging; das Land wurde auf Befehl Karls mit Feuer und Schwert verwüstet. Auf dem Reichstag zu Paderborn 785 wurde darauf die Annahme des Christentums bei Todesstrafe geboten und die Abgabe des Zehnten auferlegt.
Nun empfingen Widukind und sein Freund Albio die Taufe zu Attigny. Hiermit war die Unterwerfung Sachsens entschieden. Zwar kam es während des Avarenkriegs 793 noch einmal zu einer Empörung der S. Doch wiederholte Feldzüge Karls durch das Sachsenland ( der letzte 804), Verpflanzung von S. in andre Reichsteile und Ansiedelung fränkischer Kolonisten in Sachsen brachen endlich die Widerstandskraft des Volkes gänzlich. Die Errichtung zahlreicher Bistümer, wie Osnabrück, [* 48] Verden, Bremen, [* 49] Paderborn, Minden, [* 50] Halberstadt, [* 51] Hildesheim [* 52] und Münster, [* 53] hatte die feste Begründung der christlichen Religion in Sachsen zur Folge; ja, die S. wurden die eifrigsten Christen und unversöhnliche Feinde ihrer heidnisch gebliebenen östlichen Nachbarn, der Wenden.
Nur ihr altes Stammesrecht, die Lex Saxonum, behielten sie. Der fränkischen Herrschaft blieben sie treu und standen dem Kaiser Ludwig dem Frommen gegen seine Söhne bei. Während des Kriegs unter diesen nach des Kaisers Tod gelang es dem bei Fontenoy 841 geschlagenen Kaiser Lothar, die niedern Stände in Sachsen, die Frilinge und Liten, gegen den von den Franken sehr begünstigten Adel aufzureizen und den Aufstand eines Stellinga genannten Bundes hervorzurufen; doch wurde derselbe 842 von Ludwig dem Deutschen unterdrückt. Sachsen fiel im Vertrag von Verdun [* 54] an das ostfränkische Reich.
Das alte Herzogtum Sachsen.
Die Schutzlosigkeit, in welcher die Karolinger das Land gegen die Raubeinfälle der Slawen und Normannen ließen, welch letztere 845 Hamburg [* 55] zerstörten, bewirkte, daß die Sachsen sich wieder unter die Führung eines Herzogs stellten. Diese Würde erlangte zuerst Otto der Erlauchte (880-912), Sohn Brunos, eines Edelmanns aus reichbegütertem Geschlecht, der 880 bei Hamburg gegen die Normannen fiel; Otto dehnte seine Gewalt auch über Thüringen aus. Sein Sohn Heinrich (912-936) ward 919 zum deutschen König erwählt, und damit wurde der Stamm der Sachsen an die Spitze Deutschlands [* 56] gestellt.
Seiner kriegerischen Tüchtigkeit verdankte dies die Vertreibung der Magyaren (933) und die Unterwerfung der slawischen Stämme rechts der Elbe. Unter der weisen Leitung Heinrichs und seines großen Sohns Otto I. entwickelten sich aber auch Künste und Wissenschaften in S. zu hoher Blüte. [* 57] Zahlreiche Kirchen und Klöster wurden errichtet, Poesie und Geschichtschreibung in letztern eifrig gepflegt. Die Sachsen, welche sich kaum 200 Jahre früher der fränkischen Herrschaft und dem Christentum so hartnäckig widersetzt hatten, waren unter dem sächsischen Kaisergeschlecht die Hauptstütze des heiligen römischen Reichs deutscher Nation.
Otto I. übertrug 950 dem tapfern Grafen Hermann Billung das Herzogtum S., der durch glückliche Kämpfe gegen die Wenden die Ostgrenze erweiterte; doch gingen die überelbischen Eroberungen unter Herzog Bernhard I (973-988), dem Sohn Hermanns, wieder verloren, als nach dem Tod Kaiser Ottos II. die Slawen einen großen Aufstand machten; weder Otto III. noch Heinrich II. vermochten dieselben wiederzugewinnen. Auf Herzog Bernhard II. (988-1011) folgte Bernhard III. (1011-59), unter dessen langer Regierung mit dem Erlöschen des sächsischen Kaiserhauses (1024) die deutsche Königskrone vom sächsischen Stamm wieder auf den fränkischen überging.
Das erbliche sächsische Herzogtum, das auch die Bischöfe unter seine Gewalt beugte, war seitdem die Hauptstütze der fürstlichen Opposition gegen die kaiserliche Macht, und der auf seine Eigenart und seine Freiheiten stolze sächsische Stamm stand den Billungern treu zur Seite. Vergeblich verlegten die Kaiser Heinrich III. und Heinrich IV. ihre Residenz nach S., nach Goslar [* 58] und den von ihnen am Harz erbauten Burgen. Gerade die damit verbundenen Belästigungen und Kosten reizten die Sachsen um so mehr gegen die fränkischen Herrscher auf, und als Heinrich IV. den sächsischen Großen Otto von Nordheim des Herzogtums Bayern [* 59] beraubte und den Nachfolger Herzog Ordulfs (1059-71), Herzog Magnus, durch Kerkerhaft zum Verzicht auf die sächsische Herzogswürde zwingen wollte, brach 1073 in S. eine Empörung aus, welche erst 1075 durch den Sieg des Königs bei Hohenburg bewältigt wurde. Doch hatten Heinrichs Gegenkönige, Rudolf von Schwaben, Hermann von Luxemburg [* 60] und Ekbert von Meißen, auch nachher ihre Hauptstütze im Sachsenstamm.
Als 1106 mit Magnus der Billungsche Mannesstamm erlosch, belehnte Heinrich V. den Grafen Lothar von Supplinburg mit dem Herzogtum S. Derselbe brachte durch Heirat die reichen nordheimischen und braunschweigischen Güter an sich (1113) und stellte sich auf Anstiften der päpstlichen Partei an die Spitze der Fürstenopposition, welche in der ¶
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Schlacht am Welfesholz 1115 den Sieg über das kaiserliche Heer davontrug. Als dann Lothar nach dem Erlöschen des salischen Hauses 1125 selbst auf den Kaiserthron erhoben wurde, hatte er mit den staufischen Brüdern um die Krone zu kämpfen und mußte gegen sie eine Stütze beim welfischen Herzog von Bayern, Heinrich dem Stolzen, suchen, der von seiner Mutter Wulfhild, der Tochter des Herzogs Magnus, die Billungschen Hausgüter geerbt hatte. Er vermählte demselben seine Tochter Gertrud und übertrug ihm auch auf seinem Sterbebett 1137 das Herzogtum S. Als der neue König, Konrad III., diese Übertragung nicht anerkennen wollte, kam es zwischen ihm und Heinrich zum Kampf; letzterer wurde geächtet und seine Herzogtümer ihm abgesprochen, von denen S. dem Markgrafen Albrecht dem Bären übertragen wurde.
Doch konnte dieser auch nach Heinrichs des Stolzen Tod (1139) S. nicht erobern und mußte es im Frankfurter Frieden 1142 Heinrichs Sohn, Heinrich dem Löwen, [* 62] zurückgeben, wogegen die Mark Brandenburg [* 63] vergrößert und von der herzoglichen Gewalt befreit wurde. Heinrich der Löwe nahm mit Erfolg die Kriege gegen die Wenden wieder auf, eroberte Holstein, Mecklenburg [* 64] und Vorpommern, gründete Bistümer und Städte, wie Lübeck, [* 65] und verbreitete deutsche und christliche Kultur; die sächsischen Großen, geistliche wie weltliche, brachte er unter seine Botmäßigkeit.
Seine über fast ganz Norddeutschland sich erstreckende Macht war eine königliche. Als er nun 1176 dem Kaiser Friedrich I. die Heeresfolge nach Italien [* 66] verweigerte, wurde die Zertrümmerung dieses allzu großen Herzogtums beschlossen. Nachdem Heinrich der Löwe 1180 geächtet und vom Kaiser zur Unterwerfung gezwungen worden war, wurden ihm nur seine Allodien, Braunschweig [* 67] und Lüneburg, [* 68] gelassen. Die Bischöfe und weltlichen Fürsten, auch einige Städte wurden für reichsunmittelbar erklärt, die herzogliche Gewalt in Westfalen dem Erzstift Köln [* 69] übertragen und der Name des Herzogtums S. auf den östlichen Teil an der Elbe beschränkt, mit dem Albrechts des Bären zweiter Sohn, Bernhard von Askanien, belehnt wurde.
Das jüngere Herzogtum Sachsen.
Das neue Herzogtum S., dem alten Volksherzogtum weder an Umfang noch an Macht vergleichbar, spielte demgemäß in der Geschichte des Deutschen Reichs nur eine untergeordnete Rolle. Dazu kam, daß die Askanier nach dem Tode des zweiten Herzogs aus ihrem Geschlecht, Albrechts I. (1212-60), S. teilten, so daß der ältere Sohn, Johann, das Gebiet an der untern, der jüngere, Albrecht II. (1260 bis 1298), das an der mittlern Elbe erhielt; beide Linien, die sich nach ihren Hauptstädten Sachsen-Lauenburg und Sachsen-Wittenberg nannten, führten den Titel eines Herzogs von S., Engern und Westfalen und eines Reichsmarschalls und erhoben beide auf das Recht, den König zu wählen, Anspruch.
Nach langem Streit wurde dies Recht durch die Goldene Bulle 1356 der wittenbergischen Linie zugesprochen, welche zugleich mit dem Erzmarschallamt das Reichsvikariat in den Ländern des sächsischen Rechts erhielt und sich durch die Unteilbarkeit der Kurlande vor weiterer Zersplitterung bewahrte. Herzog Rudolf II. (1356-70), Rudolfs I. (1298-1356) Sohn, nannte sich zuerst Kurfürst von S., sein Bruder Wenzel (1370-88) führte zuerst die Kurschwerter im sächsischen Wappen. [* 70] Wenzels Sohn Rudolf III. starb kinderlos 1419, und mit seinem Bruder Albrecht III. erlosch 1422 die wittenbergische Linie des askanisch-sächsischen Hauses.
Kaiser Siegmund verlieh, ohne die Ansprüche der Linie Sachsen-Lauenburg zu berücksichtigen, S. dem Markgrafen Friedrich dem Streitbaren (s. Friedrich 58) von Meißen, welcher zu Ofen feierlich belehnt wurde. Mit ihm beginnt die Herrschaft des Hauses Wettin. Sachsen-Lauenburg erhob im 15. Jahrh. noch mehrmals Anspruch auf die kurfürstlichen Titel und Rechte, aber ohne Erfolg (weiteres s. Lauenburg). [* 71] Der Name S. ging nun auch auf die übrigen Besitzungen des Hauses Wettin, Meißen und Thüringen, über; doch wurde dieses S. noch lange als Obersachsen von Niedersachsen, dem Gebiet der untern Elbe und Weser, unterschieden, bis für letzteres Land der Name Hannover [* 72] üblich wurde. Über die Geschichte Kursachsens seit 1423 s. Sachsen, Königreich (S. 134 ff.).
Die Pfalzgrafschaft Sachsen.
Die königlichen Güter in S., hauptsächlich in der Nähe des Kyffhäusers gelegen (Grona, Werla, Wallhausen), ferner Dornburg, Arnstadt [* 73] und Sulza, die königlichen Pfalzen und Besitzungen in Magdeburg [* 74] und Merseburg [* 75] wurden von Pfalzgrafen verwaltet, als deren erster Adalbert oder Berno (gest. 982) genannt wird. Um 1040 kam die Pfalzgrafschaft an Dedo, Grafen von Goseck, dessen Nachfolger sich, als Friedrich von Sommerschenburg die Grafschaft 1088 seinem Großneffen Friedrich von Goseck entrissen hatte, nach ihrem Allod Pfalzgrafen von Putelendorf (Bottelndorf a. d. Unstrut) nannten.
Nach dem Erlöschen des Hauses Sommerschenburg mit Albrecht II. 1179 verlieh Kaiser Friedrich I. auf dem Reichstag zu Gelnhausen [* 76] die Pfalzgrafschaft S. dem Landgrafen Ludwig III. von Thüringen, der sie 1181 seinem Bruder Hermann abtrat. Nach dem Aussterben des thüringischen Landgrafengeschlechts kam sie nebst Thüringen an den Markgrafen Heinrich den Erlauchten von Meißen, der sie 1291 nebst Landsberg, [* 77] Delitzsch [* 78] und Sangerhausen [* 79] an den Markgrafen von Brandenburg verkaufte. In ihren Resten, Lauchstädt und Allstedt, kam die Pfalzgrafschaft S. 1318 als Wittum an Agnes, die Witwe Heinrichs des ältern von Brandenburg, von deren Erben sie Markgraf Friedrich der Ernsthafte von Meißen 1347 kaufte, worauf er sich den pfalzgräflichen Titel beilegte. Doch galt noch immer die Pfalz in Magdeburg als eigentlicher Sitz der Pfalzgrafschaft, welche daher in der sächsischen Goldenen Bulle vom als ein Zubehör des Herzogtums S. bezeichnet wurde. Friedrich der Streitbare legte den bedeutungslos gewordenen pfalzgräflichen Titel ab und behielt nur das Wappen, den kaiserlichen Adler, [* 80] bei.