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öffentliche Plätze, Gewässer, Teiche und Wasserläufe u. s. w. 48625 ha. 1882 bestanden 192921 landwirtschaftliche Betriebe und 19,98 Proz. der Bevölkerung [* 3] war in der Bodenbenutzung und Tierzucht erwerbsthätig. Auf 3,18 Haushaltungen entfiel 1 landwirtschaftlicher Betrieb, im Deutschen Reiche auf 1,82 Haushaltungen. Hieraus ist der vorwiegend industrielle Charakter des Landes zu erkennen, und selbst die Landwirtschaft bat die Tendenz, mehr und mehr einen gewerblichen Charakter anzunehmen. S. hat 919 Rittergüter; davon bilden 895 selbständige Gutsbezirke, 24 geboren zu Stadt- und Landgemeinden.
Güter mit einer landwirtschaftlich benutzten Fläche von mehr als 500 ha giebt es nur 7, darunter 4 in der Amtshauptmannschaft Grimma [* 4] (1 mit mehr als 1000 ha). Der beste Getreideboden findet sich in den sog. Pflegen von Pegau, Leisnig, Chemnitz, [* 5] Bautzen, [* 6] Zittau [* 7] und bei Lommatzsch. Die Lommatzscher Gegend wurde schon im Mittelalter «des Landes Meißen [* 8] große Korntenne» genannt. Der schlechteste Boden liegt im obern Erzgebirge und den Waldgegenden des Vogtlandes, die schönsten Wiesen im Erzgebirge und den Elbniederungen.
Außer den gewöhnlichen Getreidearten werden Heidekorn in der Kreishauptmannschaft Dresden [* 9] rechts von der Elbe, Kartoffeln im Erzgebirge und im Vogtland, Flachs im mittlern Erzgebirge und der Oberlausitz, Raps und Rübsen besonders bei Dresden, Meißen, Oschatz [* 10] und Leipzig, [* 11] Karden für Tuchmacher bei Großenhain [* 12] und Lommatzsch, Arzneikräuter bei Bockau, Schwarzenberg, Borna und Leipzig und Küchengewächse vorzüglich bei Dresden, Großenhain, Zittau, Leipzig und Zwickau [* 13] gebaut.
Der größte Teil der landwirtschaftlich benutzten Fläche ist mit Roggen (1893: 216925 ha) bestellt, dann folgen Hafer [* 14] (186162), Kartoffeln (121764), Klee zu Futter und zu Samen [* 15] (84610), Weizen (51324), Gerste [* 16] (29138), Futterrüben (19508), Kraut (15094), Misch- und Mengfrucht (8628), Zuckerrüben (4246), sonstige Rüben (3230), Buchweizen (2814), Wicken (2620), Erbsen (1906) und Raps (1737 ha). Der Ernteertrag belief sich (1893) auf 397672 t Roggen (im Werte von 51788825 M.), 170532 Hafer (27890509), 107693 Weizen (15633793), 40546 Gerste (6915120), ferner 1545850 t Kartoffeln, 383658 Futterrüben, 112042 Zuckerrüben, 35045 sonstige Rüben, 159533 Kleeheu und Kleestroh, 352873 Wiesenheu, 1735 Buchweizen, 1235 Erbsen, 1624 Wicken, 6363 Misch- und Mengfrucht, 2504 t Raps und 235919 Krauthäupter.
Der Weinbau tritt nur vereinzelt auf und hat in den letzten Jahren durch die Reblaus [* 17] erheblich gelitten. Hopfen [* 18] wird in der sog. Sächsischen Schweiz [* 19] gebaut. Der Tabakbau, welcher 1858 noch 5100 Centner Tabak [* 20] lieferte, ist verschwunden. Die früher blühende Schafzucht ist, seitdem es keine Brache, keine Lehden und keine Hutgerechtigkeiten mehr giebt, sehr Zurückgegangen, ebenso die Feinheit der Wolle, weil die meisten Landwirte weniger auf diese als auf möglichst großes Schurgewicht sehen, so daß die einst so berühmten Schäfereien hierin jetzt von den schlesischen überflügelt werden, und weil seit 1856, wo man aus den edelsten Zuchten Englands größere Stämme einzuführen begann, die Mästung der Schafe [* 21] sich mehr und mehr verbreitet hat. Die Schweinezucht hat seit 1846 durch Einführung engl. Nassen außerordentlich gewonnen. Ziegen werden am meisten im Erzgebirge, Gänse und Hühner [* 22] in der Oberlausitz, namentlich in der Bautzener Gegend gehalten; in der Leipziger Gegend sind auch große Gänseherden nicht selten. Die Bienenzucht [* 23] ist zurückgegangen, Seidenraupenzucht kommt nur vereinzelt vor. Der Viehbestand betrug 148499 Pferde, [* 24] 664833 (1893: 612744) Stück Rindvieh, 105194 Schafe, 433800 (454035) Schweine, [* 25] 128562 Ziegen und 57662 Bienenstöcke, ferner 1433296 Hübner, 372350 Gänse, 41924 Enten [* 26] und 10210 Truthühner.
Obst wird besonders bei Dresden, Meißen, Leipzig und Colditz gebaut. Hervorragend ist die Erdbeerenzucht in der Lößnitz unterhalb Dresden. Von dem Waldbestand (1893: 387728 ha) waren 197063 ha Privat-, Stiftungs- und Genossenschafts-, 168804 Staats- und 21861 ha Gemeindeforsten. Der Wald besteht zu 88,36 Proz. aus Nadelwald; unter dem Laubholz sind Buchen und Birken am häufigsten, Eichen seltener. Der Ertrag der Waldungen stellte sich 1893 auf 822564 Festmeter im Werte von 6927258 M. Bergbau [* 27] und Hüttenwesen.
Der Betrieb des Berg- und Hüttenwesens ist durch das Gesetz vom geregelt; an der Spitze der fiskalischen Verwaltung steht das Bergamt in Freiberg, [* 28] dem die sechs Revierausschüsse Freiberg, Schneeberg, Johanngeorgenstadt, Altenberg, Marienberg und Scheibenberg untergeordnet sind. Der Erzbergbau umfaßte (1892) 101 Gruben mit 6880 Beamten und Arbeitern, die 48538 t Erze im Wert von 5097412 M. ausbrachten; 1893 förderten 35 Steinkohlengruben mit 21267 Arbeitern (darunter 350 Frauen) 4274064 t Steinkohlen und Anthracit im Wert von 40515744 M., 113 Braunkohlengruben mit 2366 Arbeitern (darunter 160 Frauen) 940988 t Braunkohlen im Wert von 2655325 M. Im J. 1892 war eine Eisenhütte (in Cainsdorf bei Zwickau) mit einem Hochofen im Betrieb und lieferte mit 170 Arbeitern 24062 t Masseln (Gänze) im Wert von 1332439 M. und 225 t Gußwaren erster Schmelzung im Wert von 15811 M. 1894 fand zeitweilig keine Roheisenerzeugung statt; 1893 erzeugten 138 Eisengießereien mit 7251 Arbeitern 110830 t Gußwaren (20115315 M.); endlich lieferten 4 Schweißeisenwerke 33894 t Fabrikate aus Schweißeisen für 3989780 M. und 4 Flußeisenwerke mit 2202 Arbeitern 55901 t Blöcke (Ingots) zum Verkauf und Fabrikate aus Flußeisen im Werte von 7816228 M. Die Gesamtzahl der im Betrieb befindlichen Steinbrüche betrug (1893) 365, die Zahl der in denselben beschäftigten Arbeiter 3580, die gesamte Warenproduktion schätzungsweise 180-190000 cbm. Industrie und Gewerbe.
Die Industrie ist hoch entwickelt und nimmt eine bedeutende Stellung ein. Die ausgeführte Zählung gewerblicher Anlagen (mit mindestens 10 Arbeitern oder durch elementare Kraft [* 29] bewegten Triebwerken oder Hüttenwerke, Zimmerplätze, Werften, Ziegeleien u. s. w. oder die nach §. 16 der Gewerbeordnung besondere Genehmigung bedürfen) und der daselbst beschäftigten Arbeiter ergab im ganzen 14808 Anlagen, darunter 5595 mit Dampfbetrieb und 5462 mit sonstigen elementaren oder tierischen Motoren, und 394426 (260207 männlichen, 134219 weiblichen) Arbeitern, darunter 1849 (588 weibliche) im Alter von 12 bis 14 und 31379 (13419 weibliche) im Alter von 14 bis 16 J. Nach der Gewerbezählung vom gab es 359447 Gewerbebetriebe (313140 Haupt- und 46307 Nebenbetriebe) mit 815683 Arbeitern. ¶
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Die Gewerbebetriebe verteilen sich, nach der Zahl der in ihnen beschäftigten Personen geordnet, folgendermaßen auf die einzelnen Gewerbegruppen: Gewerbegruppen Hauptbetriebe Nebenbetriebe Beschäftigte Personen Textilindustrie 109278 13307 236670 Bekleidungsindustrie und Reinigung 71760 4843 116410 Handelsgewerbe 35519 12336 68874 Baugewerbe 8347 777 63621 Industrie der Nahrungs- und Genußmittel 18825 2694 52908 Verfertigung von Maschinen, Werkzeugen, Instrumenten und Apparaten 8172 663 43132 Industrie der Holz- und Schnitzstoffe 18642 2381 42305 Metallverarbeitung 10605 598 33737 Industrie der Steine und Erden 3042 150 32154 Bergbau-, Hütten- und Salinenwesen, Torfgräberei 281 15 31736 Papier- und Lederindustrie 5199 381 28422 Beherbergung und Erquickung 13235 4157 26344 Verkehrsgewerbe 5133 1355 12305 Polygraphische Gewerbe 1059 62 11924 Kunst- und Handelsgärtnerei 1360 105 4516 Chem. [* 32] Industrie 613 130 4393 Industrie der Leuchtstoffe, Fette, Öle [* 33] und Firnisse 584 118 2824 Künstler und künstlerische Betriebe für gewerbliche Zwecke 886 99 2136 Versicherungsgewerbe 472 2062 1053 Tierzucht (ausschließlich Zucht landwirtschaftlicher Nutztiere) und Fischerei 128 74 219 Den wichtigsten Industriezweig bildet die Textilindustrie.
Von 100 erwerbsfähigen Personen kamen (1882) in S. auf die Textilindustrie allein 18,37 (im Deutschen Reich nur 4,83). 1893 gab es 2831 Anlagen mit 157967 Arbeitern. Die Leinenweberei gehört zu den ältesten Gewerben in S. und wird besonders in den an Schlesien [* 34] und Böhmen [* 35] grenzenden Teilen der Lausitz betrieben. Trotz des Rückganges gegen das letzteJahrzehnt des 18. Jahrh. sind die vortrefflichen Fabrikate der 1666 in Großschönau eingeführten Damastweberei noch immer sehr geschützt.
Hauptsitz der Zwillichmanufaktur ist Waltersdorf bei Zittau; leinenes Band [* 36] wird hauptsächlich in Großröhrsdorf und Pulsnitz gefertigt. 1882 beschäftigte die Leinenweberei 16990 Personen. Mechan. Flachsspinnereien und Flachshecheleien waren (1882) 30 vorhanden; die größten befinden sich in Hirschfelde, Hainitz, Freiberg und Wiesa bei Annaberg. [* 37] Die Woll- und Baumwollmanufakturen bestehen gleichfalls seit langem; 1882 bestanden 167 Betriebe für Wollbereitung mit 2203 beschäftigten Personen, 410 Kammgarn-, Streichgarn- und Vigognespinnereien mit 15665 beschäftigten Personen, 17 Kunstwollspinnereien (Mungo und Shoddy) mit 541 beschäftigten Personen, 9629 Wollwebereien mit 21782 beschäftigten Personen, 346 Baumwollspinnereien mit 9127 beschäftigten Personen, 22576 Baumwollwebereien mit 33822 beschäftigten Personen und 10564 Webereien für gemischte Stoffe mit 23068 beschäftigten Personen.
Die größte Wollkämmerei besitzt Leipzig, die größten Kammgarnspinnereien befinden sich in Leipzig, Kleinzschocher, Altchemnitz, Harthau bei Chemnitz, Kappet, Schedewitz, Liebschwitz, Wilkau und Arnsdorf bei Penig, die größten Streichgarn- und Vigognespinnereien in Crimmitschau, [* 38] Werdau [* 39] und Reichenbach, [* 40] die größten Baumwollspinnereien in Chemnitz, Furth, Scharfenstein, Zschopau, Hohenfichte, Witzschdorf, Mohsdorf und Oberleutersdorf. Hauptsitze der Tuchmanufaktur sind Großenhain, Bischofswerda.
Kamenz, [* 41] Kirchberg mit Umgebung, Leisnig und Roßwein; in Crimmitschau mit Umgebung und Werdau werden vorzugsweise Buckskins, halbwollene und leichte tuchartige Stoffe, in Oederan, Hainichen, Reichenbach und Mylau Flanelle gefertigt. Glauchau [* 42] und Meerane [* 43] liefern Kleider- und Möbelstoffe, Zittau und Reichenau Orleans. Hauptsitze der Baumwoll- und Halbbaumwollweberei sind das Vogtland, die Chemnitzer Gegend und ein Teil der Lausitz. Die Seidenweberei, im ganzen noch nicht von großer Bedeutung (371 Betriebe mit 700 beschäftigten Personen), wird vorzugsweise in Frankenberg, Elsterberg, Hohenstein [* 44] und Callnberg betrieben; Bad-Elster fabriziert seidenen Sammet.
Seidenspinnereien giebt es in Großenhain, Rodewisch und Cunnersdorf bei Kirchberg. Erwähnenswert sind noch die bedeutende Jutespinnerei und Weberei [* 45] in Meißen und die Nesselweberei in Zittau. Für die Fabrikation von Strumpfwaren bestanden (1882) 26469 Betriebe mit 45321 beschäftigten Personen; Hauptsitze sind Chemnitz, Hohenstein, Limbach, Lößnitz und Burgstädt mit Umgebung. Die Spitzenklöppelei im obern Erzgebirge (Annaberg, Schneeberg, Eibenstock) [* 46] beschäftigt eine große Anzahl weiblicher Hände und wird in neuerer Zeit in Klöppelschulen (s. d.) gelehrt.
Die Stickerei hat einen bedeutenden Aufschwung genommen. Hauptplatz ist Plauen, [* 47] ferner Eibenstock, Schneeberg, Auerbach [* 48] und Falkenstein. Wichtig für das Obererzgebirge und das Vogtland ist die Posamentenfabrikation, welche (1882) 16541 Personen in 13487 Betrieben beschäftigte. Für die Veredelung der Gespinste und Gewebe, [* 49] Spitzen und Stickereien, Strumpf- und Strickwaren bestehen bedeutende Anlagen, in welchen namentlich auch das Ausland Fabrikate veredeln läßt. Im ganzen waren (1882) vorhanden: für Wollfärberei, -Druckerei und -Appretur: 489 Betriebe mit 4591 Arbeitern;
für Bleicherei, Färberei, Druckerei und Appretur von Gespinsten und Geweben aus Flachs, Hanf, Werg, Jute [* 50] u. s. w.: 139 Betriebe mit 839 Arbeitern;
für dergleichen von Gespinsten und Geweben aus Baumwolle: [* 51] 439 Betriebe mit 3629 Arbeitern;
für Wäscherei, Bleicherei und Appretur von Spitzen und Stickereien: 416 Betriebe mit 644 Arbeitern;
für Seidenfärberei und -Druckerei: 21 Betriebe mit 143 Arbeitern;
für sonstige Bleicherei, Färberei, Druckerei und Appretur, auch ohne Stoff angäbe: 621 Betriebe mit 5949 Arbeitern;
für Appretur von Strumpf- und Strickwaren: 5282 Betriebe mit 7642 Arbeitern.
Die Veredelungsindustrie ist vertreten in Plauen, Chemnitz und Reichenbach, die Wäschefabrikation in der Gegend von Plauen und Schneeberg; Rüschen fabriziert Leipzig, Korsetts Oelsnitz i. V., Schuhwaren Pegau und Groitzsch, Rauchwaren Leipzig mit Umgebung, künstliche Blumen Dresden, Leipzig, Sebnitz und Neustadt [* 52] bei Stolpen. In Freiberg und Umgegend blüht die Fabrikation leonischer Waren, in Neustadt bei Stolpen die Messerfabrikation; Pirna [* 53] besitzt ein großes Emaillierwerk für Kochgeschirr. Der Maschinenbau, namentlich der Bau von Dampfmaschinen [* 54] und Maschinen für die Textilindustrie, steht auf einer hohen Stufe. Hauptplatz für die Maschinenfabrikation ist Chemnitz; bedeutende Maschinenfabriken befinden sich auch in Kappel bei Chemnitz, in Leipzig, Erla, Gittersee, Golzern bei Grimma u. s. w. Nähmaschinen [* 55] und in neuerer Zeit Fahrräder werden vorzüglich in Dresden gefertigt, Pianoforte in Dresden und Leipzig, mechan. ¶
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Musik-137
instrumente besonders in Leipzig (s. d.), Streich-, Blech- und Holzinstrumente und Saiten in Markneukirchen, Klingenthal und Brunndöbra. Die Uhrenfabrikation in Glashütte ist weit über Deutschlands [* 57] Grenzen [* 58] bekannt. Eine blühende polygraphische Industrie hat ihren Mittelpunkt in Leipzig (s. d.). In 415 Betrieben der polygraphischen Gewerbe waren (1833) 17057 Personen beschäftigt. Die Papierfabriken Hainsberg, Bautzen, Penig, Weißenborn, Kriebstein, Dresden, Sebnitz und Hütten [* 59] sind die berühmtesten: große Buntpapierfabriken giebt es in Leipzig und Goldbach;
photogr. Papiere werden hauptsächlich in Dresden hergestellt.
Bedeutend ist die Tabakfabrikation und der Handel mit Rohtabak und Tabakfabrikaten. 1878 gab es 71 Betriebe für Rohtabakhandel, 2472 Betriebe für Tabakfabrikation, 26810 Betriebe für Handel mit Tabakfabrikaten. Hauptsitze der Tabakfabrikation sind Dresden, Leipzig, Waldheim, Roßwein, Döbeln [* 60] und Freiberg. Der Wert der hergestellten Tabakfabrikate betrug 23883028 M. Die Zuckerfabrikation wird erst seit 1883 betrieben; 1892-93 bestanden 3 Zuckerfabriken in Kleinbauchlitz, Markranstädt und Löbau; [* 61] die Menge der verarbeiteten Rüben betrug 66951 t, des hergestellten Rohzuckers 7487 t. In der Schokoladenfabrikation nehmen Dresden und Leipzig eine hervorragende Stelle ein, in der Mineralwasserfabrikation besonders Dresden.
Die Bierbrauerei [* 62] hat sich zur Großindustrie umgestaltet und wird besonders durch Aktiengesellschaften betrieben. 1836 gab es in S. 831 Brauereien, welche 1563755 Eimer Bier erzeugten; 1892-93 brauten 731 Brauereien aus 66518 t Braustoffen 4187128 hl Bier und zahlten 2668371 M. Brausteuer. Die Zahl der Branntweinbrennereien hat sich von 4407 (1684 im Betrieb) im J. 1836 auf 614 (585) im J. 1892-93 vermindert; letztere produzierten 147564 hl reinen Alkohol und zahlten 6272113 M. Branntweinsteuer.
Die Verminderung ist durch das Eingehen der kleinern Brennereien hervorgerufen, während sich die Zahl der großen vermehrt hat. Hervorragend ist die Müllerei. Am waren vorhanden: Getreide-, Mahl- und Schälmühlen: 2698 Hauptbetriebe mit 7336 beschäftigten Personen;
Schneidemühlen und Fraiseanstalten: 945 Hauptbetriebe mit 3505 beschäftigten Personen;
Ölmühlen: 137 Hauptbetriebe mit 262 beschäftigten Personen;
Lohmühlen: 54 Hauptbetriebe mit 79 beschäftigten Personen.
Wichtig ist die Serpentinsteinverarbeitung zu Zöblitz, die Mühlsteinfabrik in Jonsdorf bei Zittau, die zahlreichen Ziegeleien und Kalkwerke. Töpferei wird besonders in Pulsnitz, Königsbrück, Kamenz, Radeburg, Waldenburg, [* 63] Penig und Frohburg betrieben. Neben mehrern großen Steingutfabriken (Dresden) und Glashütten (Dresden, Radeberg, Dohlen) ist noch die Königlich [* 64] Sächsische Porzellanmanufaktur zu Meißen (s. d.) hervorzuheben. Am wurden in S. 8396 feststehende Dampfkessel [* 65] mit 392823 hin Heizfläche gezählt, sowie 8711 Dampfmaschinen mit 184314 durchschnittlich geleisteten Pferdestärken.
Handel und Geldwesen. Der ausgebreitete Handel erhielt im 12. Jahrh. durch die Entdeckung der Silberbergwerke und die Stiftung der Messen in Leipzig seine Begründung. In der letzten Hälfte des 14. Jahrh. nahm Leipzig bereits über Augsburg [* 66] und Nürnberg [* 67] teil an den: levantischen Handel und ist noch immer der Mittelpunkt des Transito-, Speditions-, Kommissions- und Wechselhandels für Mitteldeutschland sowie des Buchhandels für das gesamte Deutschland [* 68] und Weltmarkt für Rauchwarenhandel;
seine Messen sind noch immer sehr besucht (s. Leipzig). Hauptausfuhrartikel sind feine Wollwaren, Leinwand, Spitzen, Fransen, rohe Wolle und rohes Garn, Baumwollfabrikate aller Art (Strumpfwaren, Handschuhe, Kattun u. s. w.), ferner Stroh- und Holzwaren, Cigarren, Uhren, [* 69] Musikinstrumente, Maschinen, Mineralprodukte, Farben, Porzellan und Sandstein. Die Ausfuhr aus S. nach den Vereinigten Staaten [* 70] macht annähernd den vierten Teil der gesamten deutschen Ausfuhr dorthin aus. Nach den Vereinigten Staaten von Amerika [* 71] werden hauptsächlich ausgeführt baumwollene, wollene und seidene Handschuhe, Sammet und Plüsch, Stickerei, Strumpfwaren, Spitzen, Fransen, lederne Handschuhe und Handschuhleder, musikalische Instrumente.
Einfuhrartikel sind hauptsächlich Getreide, [* 72] Baumwolle, Seide, [* 73] Wolle, Flachs, Guano, Holz [* 74] (aus Böhmen), Hanf, Kolonialwaren, Tabak, Wein, Seefische und Modewaren. Zur Förderung des Handels und der Gewerbe tragen die zahlreichen Aktiengesellschaften (1893: 347 mit einem Aktienkapital von 503310673 M.) und Versicherungsgesellschaften, sowie die 1861 ins Leben gerufenenHandels- und Gewerbekammern zu Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen i. V. und Zittau wesentlich bei.
Zahlreiche Staaten sind durch Konsulate vertreten (meist mit dem Sitz in Leipzig). Für den inländischen Produktenhandel bestehen mehrere Produktenbörsen, eine Getreidebörse zu Dresden und eine Produktenbörse zu Leipzig. An größern Geld- und Kreditinstituten bestehen: die 1839 auf Aktien gegründete Leipziger Bank (s. d.) zu Leipzig, die 1848 gegründete Chemnitzer Stadtbank und die 1865 gegründete Sächsische Bank (s. d.) zu Dresden, der Erbländische Ritterschaftliche Kreditverein zu Leipzig (seit 1844), die Landständische Hypotheken-, auch Leih- und Sparbank für die Oberlausitz zu Bautzen, die Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt (s. d.) zu Leipzig, die Dresdner Bank (s. d.) u. s. w. Bei den 233 Sparkassen (darunter 91 in Landgemeinden) wurden (1893) 133,849 Mill. M. eingelegt, 126,443 Mill. M. erhoben und Sparmarken im Werte von 31928 M. verkauft.
Das Guthaben der Sparer betrug 629,291 Mill. M., die zugeschriebenen Zinsen 18,675 Mill. M. Sehr zahlreich sind auch die nichtöffentlichen Unternehmungen, welche dem Sparsinn der Minderbemittelten dienen: Jugend-, Vereins-, Fabrik- und sonstige Privatsparkassen. Aus der eröffneten Königlich Sächsischen Landeskulturrentenbank sind bis Ende 1893 überhaupt 11133 einzelne Anlagekapitale mit einem Gesamtbetrag von 18,880 Mill. M. gewährt und derselben dafür Renten im Gesamtbetrag von 922 565 M. überwiesen worden.
Der Königlich Sächsischen Landrentenbank waren während ihres 59jährigen Bestehens vom bis Michaelis 1893 überhaupt 454 716 einzelne Landrenten im Gesamtbetrag von 3427538 M. überwiesen worden, deren 25facher Betrag an 85688465 M. 86 Pf. den Wert dieser Renten zur Zeit ihrer Übernahme oder das Nominal-Aktivkapital der Landrentenbank darstellte. Zum Termin Michaelis 1893 befanden sich noch Landrentenbriefe im Gesamtnennwert von 27556086 M. verzinslich im Umlauf. 1894 bestanden in S. an 219 Orten ¶
Titel
Sachsen.
[* 76] Übersicht der zugehörigen Artikel:
Der Volksstamm | 123 |
---|---|
Das alte Herzogtum S. | 124 |
Das jüngere Herzogtum S. | 125 |
Die Pfalzgrafschaft S. | 125 |
Die ernestinische Linie | 125 |
Das Königreich S. (Geogr.) | 126 |
Geschichte des Kurstaats (seit 1423) und Königreichs S. | 133 |
Preußische Provinz S. | 141 |
Sächsische Herzogtümer.
Sachsen-Altenburg | 143 |
---|---|
S.-Gotha (Geschichte) | 145 |
S.-Hildburghausen (Gesch.) | 146 |
S.-Coburg-Gotha | 146 |
S.-Meiningen | 150 |
S.-Weimar-Eisenach | 153 |
Der Volksstamm der Sachsen
Die Sachsen
sind gleich den Alemannen u. a. ein germanischer Völkerbund (Sachsenbund
), in welchem
die Cherusker, Chauken, Marsen, Angrivarier u. a. aufgegangen waren, und der nach Widukind seinen Namen von einer Waffe, Sahs (Steinmesser),
erhielt, während andre ihn als Sassen, d. h. Seßhafte, erklären. Sie wohnten zu beiden Seiten der Elbmündung und auf
den Inseln vor derselben (Insulae Saxonum), von wo sie sich nach Westen und Süden bis zur Ems,
[* 77] Lippe
[* 78] und zum
Harz ausbreiteten.
Als Seeräuber suchten sie die Küsten der Nordsee heim, plünderten die Küsten Britanniens und Galliens, und mit ihrer Hilfe bemächtigte sich 287 der Menapier Carausius der Herrschaft Britanniens. In Gemeinschaft mit den Angeln setzten sie sich um 450 in dem von den Römern verlassenen Britannien dauernd fest und gründeten daselbst das angelsächsische Reich (s. Angelsachsen). In ihrer festländischen Heimat schieden sie sich nach der Lage ihrer Wohnsitze in die Ostfalen im O., die Westfalen [* 79] im W. der Weser, die Engern (Angrarier) zu beiden Seiten derselben und die Nordalbingier im N. der Elbe.
Von den Erschütterungen der Völkerwanderung wenig berührt, bewahrten sie unverändert die Grundzüge altgermanischen Wesens. Neben den freien Grundeigentümern, den Frilingen oder Fronen, aus denen die Edelinge hervorragten, gab es dienstpflichtige Unfreie, Liten (Laten), und Leibeigne. Sie bildeten freie Volksgemeinden und Gaugenossenschaften unter gewählten Vorstehern; nur in Kriegszeiten stellten sie sich unter die Führung eines Herzogs. Alljährlich fand zu Marklo an der Weser eine Versammlung von Abgeordneten der einzelnen Gaue statt, welche über gemeinsame Angelegenheiten, besonders über Krieg und Frieden, beriet. Städte hatten die S. nicht, nur Burgen [* 80] (Eresburg u. a.). Gleich den alten Germanen hatten sie keinen Priesterstand, hingen aber dem heidnischen Götterdienst mit Eifer und Treue an.
Nachdem die S. 530 im Bund mit den Franken das Thüringerreich zerstört und das Land zwischen Harz und Unstrut erworben hatten, gerieten sie allmählich in Abhängigkeit von den Franken, denen sie sich 553 ¶
mehr
124 zur Zahlung eines jährlichen Tributs von 500 Kühen verpflichten mußten; erst 631 wurden sie von demselben gegen das Versprechen, die fränkische Grenze gegen die Einfälle der Wenden zu verteidigen, befreit. Infolge des Verfalls des Merowingerreichs wieder unabhängig, wurden sie erst von Karl Martell wieder mit Krieg überzogen (718, 720 und 738), weil sie das Land der Hattuarier (Geldern) verwüstet hatten. Pippin führte mehrere Kriege gegen sie, unterwarf die Grenzsachsen, bekehrte sie zum Christentum und legte, nachdem er bis zur Weser und Oker vorgedrungen, 759 den S. einen Tribut von 300 Pferden auf.
Aber erst der große Sachsenkrieg Karls d. Gr. (772-785) unterwarf die S. dauernd der fränkischen Herrschaft und dem Christentum. Schon auf seinem ersten Feldzug eroberte Karl die Eresburg, zerstörte die Irmensäule, drang bis an die Weser vor und empfing von den S. Geiseln und das Versprechen, die christliche Mission nicht zu stören. Während Karl 774 gegen die Langobarden zog, empörten sich die S. unter Widukind, wurden aber in zwei Kriegen 775-776 von Karl unterworfen, der 777 auf sächsischem Gebiet zu Paderborn [* 82] einen Reichstag abhielt, auf dem viele Edelinge ihm huldigten und die Taufe empfingen.
Während Karls Abwesenheit in Spanien [* 83] erhoben sich die S. 778 von neuem und verwüsteten das rechte Rheinufer. 779 unternahm daher Karl den vierten Zug nach Sachsen, drang bis zur Oker vor, wo viele Engern und Ostfalen sich unterwarfen, und hielt 780 einen Reichstag zu Lippspringe ab, auf welchem Sachsen im Missionsbezirke eingeteilt wurde. Die Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung und der Heerespflicht rief 782 einen allgemeinen Aufstand unter Widukind hervor; die Kirchen wurden zerstört, die Priester verjagt und ein gegen die Sorben ziehendes Frankenheer am Süntel vernichtet.
Die furchtbare Rache, die Karl durch Hinrichtung von 4500 Gefangenen in Verden [* 84] a. d. Aller nahm, reizte die S. zum äußersten Widerstand; doch erlitten sie 783 bei Detmold [* 85] und an der Hase [* 86] blutige Niederlagen, in welchen die waffenfähige Mannschaft fast zu Grunde ging; das Land wurde auf Befehl Karls mit Feuer und Schwert verwüstet. Auf dem Reichstag zu Paderborn 785 wurde darauf die Annahme des Christentums bei Todesstrafe geboten und die Abgabe des Zehnten auferlegt.
Nun empfingen Widukind und sein Freund Albio die Taufe zu Attigny. Hiermit war die Unterwerfung Sachsens entschieden. Zwar kam es während des Avarenkriegs 793 noch einmal zu einer Empörung der S. Doch wiederholte Feldzüge Karls durch das Sachsenland ( der letzte 804), Verpflanzung von S. in andre Reichsteile und Ansiedelung fränkischer Kolonisten in Sachsen brachen endlich die Widerstandskraft des Volkes gänzlich. Die Errichtung zahlreicher Bistümer, wie Osnabrück, [* 87] Verden, Bremen, [* 88] Paderborn, Minden, [* 89] Halberstadt, [* 90] Hildesheim [* 91] und Münster, [* 92] hatte die feste Begründung der christlichen Religion in Sachsen zur Folge; ja, die S. wurden die eifrigsten Christen und unversöhnliche Feinde ihrer heidnisch gebliebenen östlichen Nachbarn, der Wenden.
Nur ihr altes Stammesrecht, die Lex Saxonum, behielten sie. Der fränkischen Herrschaft blieben sie treu und standen dem Kaiser Ludwig dem Frommen gegen seine Söhne bei. Während des Kriegs unter diesen nach des Kaisers Tod gelang es dem bei Fontenoy 841 geschlagenen Kaiser Lothar, die niedern Stände in Sachsen, die Frilinge und Liten, gegen den von den Franken sehr begünstigten Adel aufzureizen und den Aufstand eines Stellinga genannten Bundes hervorzurufen; doch wurde derselbe 842 von Ludwig dem Deutschen unterdrückt. Sachsen fiel im Vertrag von Verdun [* 93] an das ostfränkische Reich.
Das alte Herzogtum Sachsen.
Die Schutzlosigkeit, in welcher die Karolinger das Land gegen die Raubeinfälle der Slawen und Normannen ließen, welch letztere 845 Hamburg [* 94] zerstörten, bewirkte, daß die Sachsen sich wieder unter die Führung eines Herzogs stellten. Diese Würde erlangte zuerst Otto der Erlauchte (880-912), Sohn Brunos, eines Edelmanns aus reichbegütertem Geschlecht, der 880 bei Hamburg gegen die Normannen fiel; Otto dehnte seine Gewalt auch über Thüringen aus. Sein Sohn Heinrich (912-936) ward 919 zum deutschen König erwählt, und damit wurde der Stamm der Sachsen an die Spitze Deutschlands gestellt.
Seiner kriegerischen Tüchtigkeit verdankte dies die Vertreibung der Magyaren (933) und die Unterwerfung der slawischen Stämme rechts der Elbe. Unter der weisen Leitung Heinrichs und seines großen Sohns Otto I. entwickelten sich aber auch Künste und Wissenschaften in S. zu hoher Blüte. [* 95] Zahlreiche Kirchen und Klöster wurden errichtet, Poesie und Geschichtschreibung in letztern eifrig gepflegt. Die Sachsen, welche sich kaum 200 Jahre früher der fränkischen Herrschaft und dem Christentum so hartnäckig widersetzt hatten, waren unter dem sächsischen Kaisergeschlecht die Hauptstütze des heiligen römischen Reichs deutscher Nation.
Otto I. übertrug 950 dem tapfern Grafen Hermann Billung das Herzogtum S., der durch glückliche Kämpfe gegen die Wenden die Ostgrenze erweiterte; doch gingen die überelbischen Eroberungen unter Herzog Bernhard I (973-988), dem Sohn Hermanns, wieder verloren, als nach dem Tod Kaiser Ottos II. die Slawen einen großen Aufstand machten; weder Otto III. noch Heinrich II. vermochten dieselben wiederzugewinnen. Auf Herzog Bernhard II. (988-1011) folgte Bernhard III. (1011-59), unter dessen langer Regierung mit dem Erlöschen des sächsischen Kaiserhauses (1024) die deutsche Königskrone vom sächsischen Stamm wieder auf den fränkischen überging.
Das erbliche sächsische Herzogtum, das auch die Bischöfe unter seine Gewalt beugte, war seitdem die Hauptstütze der fürstlichen Opposition gegen die kaiserliche Macht, und der auf seine Eigenart und seine Freiheiten stolze sächsische Stamm stand den Billungern treu zur Seite. Vergeblich verlegten die Kaiser Heinrich III. und Heinrich IV. ihre Residenz nach S., nach Goslar [* 96] und den von ihnen am Harz erbauten Burgen. Gerade die damit verbundenen Belästigungen und Kosten reizten die Sachsen um so mehr gegen die fränkischen Herrscher auf, und als Heinrich IV. den sächsischen Großen Otto von Nordheim des Herzogtums Bayern [* 97] beraubte und den Nachfolger Herzog Ordulfs (1059-71), Herzog Magnus, durch Kerkerhaft zum Verzicht auf die sächsische Herzogswürde zwingen wollte, brach 1073 in S. eine Empörung aus, welche erst 1075 durch den Sieg des Königs bei Hohenburg bewältigt wurde. Doch hatten Heinrichs Gegenkönige, Rudolf von Schwaben, Hermann von Luxemburg [* 98] und Ekbert von Meißen, auch nachher ihre Hauptstütze im Sachsenstamm.
Als 1106 mit Magnus der Billungsche Mannesstamm erlosch, belehnte Heinrich V. den Grafen Lothar von Supplinburg mit dem Herzogtum S. Derselbe brachte durch Heirat die reichen nordheimischen und braunschweigischen Güter an sich (1113) und stellte sich auf Anstiften der päpstlichen Partei an die Spitze der Fürstenopposition, welche in der ¶
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Schlacht am Welfesholz 1115 den Sieg über das kaiserliche Heer davontrug. Als dann Lothar nach dem Erlöschen des salischen Hauses 1125 selbst auf den Kaiserthron erhoben wurde, hatte er mit den staufischen Brüdern um die Krone zu kämpfen und mußte gegen sie eine Stütze beim welfischen Herzog von Bayern, Heinrich dem Stolzen, suchen, der von seiner Mutter Wulfhild, der Tochter des Herzogs Magnus, die Billungschen Hausgüter geerbt hatte. Er vermählte demselben seine Tochter Gertrud und übertrug ihm auch auf seinem Sterbebett 1137 das Herzogtum S. Als der neue König, Konrad III., diese Übertragung nicht anerkennen wollte, kam es zwischen ihm und Heinrich zum Kampf; letzterer wurde geächtet und seine Herzogtümer ihm abgesprochen, von denen S. dem Markgrafen Albrecht dem Bären übertragen wurde.
Doch konnte dieser auch nach Heinrichs des Stolzen Tod (1139) S. nicht erobern und mußte es im Frankfurter Frieden 1142 Heinrichs Sohn, Heinrich dem Löwen, [* 100] zurückgeben, wogegen die Mark Brandenburg [* 101] vergrößert und von der herzoglichen Gewalt befreit wurde. Heinrich der Löwe nahm mit Erfolg die Kriege gegen die Wenden wieder auf, eroberte Holstein, Mecklenburg [* 102] und Vorpommern, gründete Bistümer und Städte, wie Lübeck, [* 103] und verbreitete deutsche und christliche Kultur; die sächsischen Großen, geistliche wie weltliche, brachte er unter seine Botmäßigkeit.
Seine über fast ganz Norddeutschland sich erstreckende Macht war eine königliche. Als er nun 1176 dem Kaiser Friedrich I. die Heeresfolge nach Italien [* 104] verweigerte, wurde die Zertrümmerung dieses allzu großen Herzogtums beschlossen. Nachdem Heinrich der Löwe 1180 geächtet und vom Kaiser zur Unterwerfung gezwungen worden war, wurden ihm nur seine Allodien, Braunschweig [* 105] und Lüneburg, [* 106] gelassen. Die Bischöfe und weltlichen Fürsten, auch einige Städte wurden für reichsunmittelbar erklärt, die herzogliche Gewalt in Westfalen dem Erzstift Köln [* 107] übertragen und der Name des Herzogtums S. auf den östlichen Teil an der Elbe beschränkt, mit dem Albrechts des Bären zweiter Sohn, Bernhard von Askanien, belehnt wurde.
Das jüngere Herzogtum Sachsen.
Das neue Herzogtum S., dem alten Volksherzogtum weder an Umfang noch an Macht vergleichbar, spielte demgemäß in der Geschichte des Deutschen Reichs nur eine untergeordnete Rolle. Dazu kam, daß die Askanier nach dem Tode des zweiten Herzogs aus ihrem Geschlecht, Albrechts I. (1212-60), S. teilten, so daß der ältere Sohn, Johann, das Gebiet an der untern, der jüngere, Albrecht II. (1260 bis 1298), das an der mittlern Elbe erhielt; beide Linien, die sich nach ihren Hauptstädten Sachsen-Lauenburg und Sachsen-Wittenberg nannten, führten den Titel eines Herzogs von S., Engern und Westfalen und eines Reichsmarschalls und erhoben beide auf das Recht, den König zu wählen, Anspruch.
Nach langem Streit wurde dies Recht durch die Goldene Bulle 1356 der wittenbergischen Linie zugesprochen, welche zugleich mit dem Erzmarschallamt das Reichsvikariat in den Ländern des sächsischen Rechts erhielt und sich durch die Unteilbarkeit der Kurlande vor weiterer Zersplitterung bewahrte. Herzog Rudolf II. (1356-70), Rudolfs I. (1298-1356) Sohn, nannte sich zuerst Kurfürst von S., sein Bruder Wenzel (1370-88) führte zuerst die Kurschwerter im sächsischen Wappen. [* 108] Wenzels Sohn Rudolf III. starb kinderlos 1419, und mit seinem Bruder Albrecht III. erlosch 1422 die wittenbergische Linie des askanisch-sächsischen Hauses.
Kaiser Siegmund verlieh, ohne die Ansprüche der Linie Sachsen-Lauenburg zu berücksichtigen, S. dem Markgrafen Friedrich dem Streitbaren (s. Friedrich 58) von Meißen, welcher zu Ofen feierlich belehnt wurde. Mit ihm beginnt die Herrschaft des Hauses Wettin. Sachsen-Lauenburg erhob im 15. Jahrh. noch mehrmals Anspruch auf die kurfürstlichen Titel und Rechte, aber ohne Erfolg (weiteres s. Lauenburg). [* 109] Der Name S. ging nun auch auf die übrigen Besitzungen des Hauses Wettin, Meißen und Thüringen, über; doch wurde dieses S. noch lange als Obersachsen von Niedersachsen, dem Gebiet der untern Elbe und Weser, unterschieden, bis für letzteres Land der Name Hannover [* 110] üblich wurde. Über die Geschichte Kursachsens seit 1423 s. Sachsen, Königreich (S. 134 ff.).
Die Pfalzgrafschaft Sachsen.
Die königlichen Güter in S., hauptsächlich in der Nähe des Kyffhäusers gelegen (Grona, Werla, Wallhausen), ferner Dornburg, Arnstadt [* 111] und Sulza, die königlichen Pfalzen und Besitzungen in Magdeburg [* 112] und Merseburg [* 113] wurden von Pfalzgrafen verwaltet, als deren erster Adalbert oder Berno (gest. 982) genannt wird. Um 1040 kam die Pfalzgrafschaft an Dedo, Grafen von Goseck, dessen Nachfolger sich, als Friedrich von Sommerschenburg die Grafschaft 1088 seinem Großneffen Friedrich von Goseck entrissen hatte, nach ihrem Allod Pfalzgrafen von Putelendorf (Bottelndorf a. d. Unstrut) nannten.
Nach dem Erlöschen des Hauses Sommerschenburg mit Albrecht II. 1179 verlieh Kaiser Friedrich I. auf dem Reichstag zu Gelnhausen [* 114] die Pfalzgrafschaft S. dem Landgrafen Ludwig III. von Thüringen, der sie 1181 seinem Bruder Hermann abtrat. Nach dem Aussterben des thüringischen Landgrafengeschlechts kam sie nebst Thüringen an den Markgrafen Heinrich den Erlauchten von Meißen, der sie 1291 nebst Landsberg, [* 115] Delitzsch [* 116] und Sangerhausen [* 117] an den Markgrafen von Brandenburg verkaufte. In ihren Resten, Lauchstädt und Allstedt, kam die Pfalzgrafschaft S. 1318 als Wittum an Agnes, die Witwe Heinrichs des ältern von Brandenburg, von deren Erben sie Markgraf Friedrich der Ernsthafte von Meißen 1347 kaufte, worauf er sich den pfalzgräflichen Titel beilegte. Doch galt noch immer die Pfalz in Magdeburg als eigentlicher Sitz der Pfalzgrafschaft, welche daher in der sächsischen Goldenen Bulle vom als ein Zubehör des Herzogtums S. bezeichnet wurde. Friedrich der Streitbare legte den bedeutungslos gewordenen pfalzgräflichen Titel ab und behielt nur das Wappen, den kaiserlichen Adler, [* 118] bei.