forlaufend
133
fast in der Mitte Deutschlands [* 3] zwischen 50° 10' und 51° 29' nördl. Br. und 11° 52' und 15° 2' östl. L. von Greenwich, grenzt im N. an die preuß. Provinzen Sachsen [* 4] und Schlesien, [* 5] im NO. und O. an Schlesien, im SO. und S. an Böhmen [* 6] (Reichsgrenze), im SW. an Bayern, [* 7] im W. an reuß. und Weimar. [* 8] Gebiet, Sachsen-Altenburg und die preuß. Provinz Sachsen. Seiner Gestalt nach bildet das Land ungefähr ein rechtwinkliges Dreieck, [* 9] dessen längste Seite gegen SO., dessen kürzeste gegen W. gerichtet ist.
Die größte Länge des
Landes beträgt von O. nach W. 210 km, die größte
Breite
[* 10] von S. nach N. 150 km
und der Flächenraum 14992,94 qkm. Der Umfang seiner Grenzen
[* 11] beträgt 1226 km.
Der westlichste Punkt liegt westlich von Mühltroff, der östlichste östlich von Hirschfelde; der südlichste ist der Kapellenberg,
der nördlichste liegt nördlich von den Hohburger
Bergen
[* 12] in der Nähe von
Würzen. (Hierzu die Karten:
Sachsen [Königreich].
I.
Südlicher
Teil und II. Östlicher
Teil, sowie Königreich
Sachsen, Provinz
Sachsen [südlicher
Teil]
und
Thüringische Staaten.)
Oberflächengestaltung.
Die orographischen Verhältnisse des Landes beherrscht das 150 km lange Erzgebirge (s. d.) und Elstergebirge, das sich entlang der böhm. Grenze etwa von der Nollendorfer Höhe in der Richtung von NO. nach SW. bis ins Vogtland hinzieht. Der sanfte nördl. Abfall verläuft nach Leipzig [* 13] zu in eine große Ebene. In fast paralleler Richtung zieht eine zweite, minder ausgedehnte, aber deutlich ausgesprochene Gebirgserhebung (das Sächsische Mittelgebirge), die von Glauchau [* 14] und Hohenstein [* 15] bis über Döbeln [* 16] reicht.
Zwischen beiden liegt das Erzgebirgische Becken, das sich von Werdau [* 17] über Zwickau [* 18] und Chemnitz [* 19] bis Hainichen erstreckt. Weiter gegen N. folgt ein dritter, noch schwächerer, nur im Kollmberg bei Oschatz [* 20] (314 m) deutlich aufragender Höhenzug. Am östl. Fuß des Erzgebirges breitet sich auf beiden Seiten der Elbe von der böhm. Grenze bis nach Pirna [* 21] das Elbsandsteingebirge, die sog. Sächsische Schweiz, [* 22] aus und lagert im NO. unmittelbar auf dem Granit des Lausitzer Gebirges, das sich weiterhin an das Iser- und Riesengebirge anschließt. Im Elbsandsteingebirge steigen die größten Gipfel, der Große Winterberg und Zschirnstein, nicht höher als 556 in und 561 in auf; im Oberlausitzer Gebirge ist die Lausche (796 m) der höchste Berg, und im Erzgebirge bilden der Scheibenberg (805 m), der Pöhlberg (831 m), der Bärenstein bei Annaberg [* 23] (898 m) und der Auersberg bei Eibenstock [* 24] (1022 m), sowie im Vogtland der Rammelsberg bei Schöneck (996 m) die hervorragendsten Spitzen, welche indes sämtlich vom Fichtelberg (1204 m) bei Oberwiesenthal, dem höchsten Berge S.s, überragt werden.
Der niedrigste Punkt des
Landes (80 in über dem
Spiegel
[* 25] der Nordsee) liegt an dem
Austritt der
Elbe in das preuß. Gebiet zwischen
Strehla und Mühlberg.
Bewässerung. Von den
Gewässern bildet die das Sandsteingebirge an der böhm. Grenze durchbrechende
Elbe (s. d.) den Hauptfluh, zu dessen
Stromgebiete alle
Flüsse
[* 26] des
Landes gehören, mit Ausnahme des südlichsten
Teils der Oberlausitz, deren
Gewässer durch die
Neisse
[* 27] in das Odergebiet fallen. Die
Elbe bildet auf ihrem 120 km langen Lauf
durch S. die einzige Wasserstraße des
Landes, mit einem Gefall von 32 m, und nimmt im
Lande selbst nur
kleinere
Flüsse und
Bäche auf, während mehrere ihrer größern Nebenflüsse, obgleich
meist in S. entspringend, erst außerhalb
des Königreichs
sich mit ihr vereinigen.
Dahin gehören die
Schwarze Elster (in S. 31 km lang), die
Spree (93 km), die
Freiberger
Mulde (120 km), die
Zwickauer
Mulde (168
km) und die vereinigte
Mulde (46 km) und die
Weihe Elster
[* 28] mit der Pleiße. Landseen hat S. nicht; unter
den
Teichen sind die bei
Mutzschen (Horstsee),
Frohburg, Kamenz
[* 29] und Moritzburg am bedeutendsten.
Klima.
[* 30] Seit 1864 werden an mindestens 20 (1887:
30)
Stationen, die über das ganze Land verteilt sind, regelmäßige
Beobachtungen gemacht. Nord- und Mittelsachsen
bis zu einer Höhe von ungefähr 250 m haben eine mittlere Jahreswärme von 8 bis 8,5° C.; nur der Wermsdorfer
Wald weicht
auf 7,9° C. zurück. Am wärmsten ist das Elbthal, wo
Schandau 8,8° C. und Meißen
[* 31] 9,1° C. mittlere
Temperatur besitzen.
Bei einer Höhe von 380 m erreicht man die Isotherme von 7°, bei 650 m die von 6° C. Der Kamm des Erzgebirges bis herab zu einer Höhe von 700 in hat eine Mitteltemperatur von unter 5° C. Eine mittlere Landestemperatur von 7,36° C. entspräche etwa einer Höhenlage von 350 m. Oberwiesenthal, die höchstgelegene Station (927 m), ist trotzdem noch etwas wärmer als Reitzenhain (778 m). Im Sommer erwärmen sich die Gebirge relativ stärker als die Ebene, im Winter erkalten sie intensiver. Im Gebirge füllt bei 450 m Seehöhe der letzte Schnee [* 32] im Mittel auf den 5. Mai (schwankend zwischen 23. März und 8. Juni), der erste Schnee auf 20. Okt. (schwankend zwischen 15. Sept. und 25. Nov.), auf dem Kamm (778 m Seehöhe) sind die Durchschnittstage 21. Mai 14. Okt. Die regenreichsten Monate sind Juni, Juli, August. Es fallen im Sächsischen Tieflande in diesen Monaten 35,8 Proz., im Oberlausitzer Berglande 33,2, im Erzgebirge 32,1 Proz. Die Niederschlage wachsen mit zunehmender Höhe, auf 100-200 m Höhe entfallen 571, auf 200-300 m 626, auf 300-400 m 733, auf 400-700 m 753 und auf 700-900 in 937 mm Niederschläge.
Die kleinste mittlere Niederschlagshöhe des Jahres zeigt Riesa [* 33] mit 412 mm, die größte Oberwiesenthal mit 995 mm. Außer dem Kamm des Erzgebirges, der den meisten Regen erhält, erstreckt sich noch zwischen der Zwickauer Mulde und der Zschopau ein Höhenzug nach Norden, [* 34] der mehr als 600 mm empfangt; dagegen fallen die geringsten Regen im Elbthal. Mineralreich. E. ist außerordentlich reich an Mineralien. [* 35] Die Hauptmasse der Gebirge bilden in den Urformationen Gneis, Thonschiefer, Glimmerschiefer und in den neuesten Gliedern Grauwacke und Grauwackeschiefer.
Diese Züge werden von Syenit und vorzüglich von mannigfachen Graniten (Obererzgebirge) unterbrochen und enthalten Lagen von Schiefer, Quarz und Kalkstein sowie unregelmäßige Einlagerungen von Diorit, Hornblendegestein und Serpentin. Basalt- und Phonolithkegel finden sich auf dem Erzgebirge zerstreut und zahlreicher in der Nähe der Elbe bei Cotta, Stolpen u. a. Den besten Marmor findet man bei Maxen, Grünhain, Crottendorf und Wildenfels;
Sandsteine im Elbgebirge bei Pirna und in der Gegend um Zittau; [* 36]
vorzügliche Porzellanerde bei Aue und bei Niederzwönitz im Erzgebirge sowie bei Meißen;
vorzüglichen Serpentinstein, der gedreht und geschliffen wird, bei Zöblitz.
Steinkohlen kommen in großer Mächtigkeit im Plauenschen Grund (s. d.) und bei Zwickau vor, Braunkohlen bei Zittau, Colditz und Rochlitz. Von ¶
Sachsen
[Königreich].
I. Südlicher Teil.
Farbkarte: ¶
forlaufend
134
Edelsteinen findet man Jaspis, Achat, [* 39] Amethyst, schöne Topase, Turmaline, Bergkrystalle, selten Opal, Saphir, Granat [* 40] und Karneol. Silberbergwerke bestehen bei Freiberg [* 41] (s. d.). Häufig sind Eisen, [* 42] Blei, [* 43] Zinn, besonders bei Altenberg, Arsenik, Spießglanz, Kobalt, Nickel, Wismut und Vitriol, seltener dagegen Kupfer [* 44] und Quecksilber. S. zählt über 30 Mineralquellen. Die meisten sind kalt, einige nur lauwarm; einzelne werden zum Trinken, fast alle zum Baden [* 45] benutzt.
Das besuchteste Bad [* 46] ist Bad Elster im Vogtlande; außerdem sind nennenswert: das Augustusbad bei Radeberg, Neustadt [* 47] bei Stolpen (Mineralbad), Warmbad bei Wolkenstein (29° C.), Schweizermühle (im Bielaer Grunde), Wiesenbad bei Annaberg (23° C.), Hohenstein, Bad Marienborn bei Schmeckwitz (Schwefel- und Eisenquelle), Tharandt, Berggießhübel, Lausigk (Hermannsbad), Grünthal (Schwefel- und Eisenmineralquelle), Gruben (eisen- und manganhaltige Quelle). [* 48]
Salzquellen kommen nicht vor. S. muß seinen ganzen Bedarf an Salz [* 49] von auswärts beziehen, besonders aus der preuß. Provinz Sachsen (Dürrenberg) und aus Anhalt. [* 50] Pflanzenreich. Die Flora wird hauptsächlich durch das Erzgebirge bedingt; doch dringen einerseits fries. und balt. Charakterpflanzen (Gentiana pneumonanthe L.) in die nördl. Niederungen, andererseits Glieder [* 51] der südöstl. Steppen (Cytisus nigricans L.) in das Elbthal bis abwärts nach Meißen ein. Im Erzgebirge herrscht der Wald vor, besonders die Fichte, [* 52] in den Niederungen, namentlich auf Sandboden, die Kiefer. Laubwald. (Buchen) findet sich um Tharandt, Marienberg und Olbernhau und erreicht bei 700 m seine obere Grenze. Für die Hochmoore des Erzgebirges sind charakteristisch die Sumpfkiefer, Rauschbeere, Preißel- und Moosbeere, Heidekraut, Wollgras und Torfmoose. - Der Fauna nach gehört S. zum mitteleurop. Gebiet. Bevölkerung. [* 53] Volkszählungen haben von 1834 bis 1867 alle 3 Jahre stattgefunden, ferner 1871, 1875 und seitdem von 5 zu 5 Jahren. S. hatte 3502684 (1701141 männl., 1801543 weibl.) E., d. i. 234 E. auf 1 qkm und 1059 weibl. auf 1000 männl. E. Die Einwohnerzahl belief sich 1815 auf 1178802, 1834 auf 1595668, 1846 auf 1836433, 1855 auf 2039176, 1871 auf 2556244, 1880 auf 2972805 und 1885 auf 3182003. Die Zunahme betrug 1880-85: 7,04, 1885-90: 10,08 und 1871-90: 37 Proz., die größte Zunahme in allen deutschen Bundesstaaten, nächst Reuß [* 54] älterer Linie und den Freien und Hansestädten.
Die Bevölkerung verteilt sich folgendermaßen auf die 4 Kreishauptmannschaften: Kreishauptmannschaften qkm Bewohnte Gebäude Haushaltungen Einwohner E. auf 1 qkm Evangelisch Katholiken Israeliten Bautzen 2469,73 50657 88228 370739 150 334506 34303 268 Dresden 4336,86 74961 220311 950530 219 901096 43001 2999 Leipzig 3567,35 69012 190744 871132 244 842331 21650 4523 Zwickau 4619,00 104970 292199 1310283 284 1273818 30428 1578 ^[Additionslinie] Zusammen 14992,94 299600 791482 3502684 234 3351751 129382 9368 Von der Gesamtbevölkerung entfielen 1596797 Personen (45,6 Proz.) auf die Stadt-, 1905887 (54,4 Proz.) auf die Landgemeinden.
Die Zahl der bewohnten Gebäudekomplexe betrug (1890) 299600, der bewohnten Wohnhäuser [* 55] 320305, der unbewohnten 3802, der Haushaltungen 729965, der einzeln lebenden Personen mit eigener Hauswirtschaft 58251 und der Anstalten 3266. Dem Familienstand nach waren (1890) 2032822 Ledige, 1267004 Verheiratete, 193449 Verwitwete und 9409 Geschiedene; dem Religionsbekenntnis nach 3337850 Evangelisch-Lutherische, 12024 Evangelisch-Reformierte, 1877 sonstige Evangelische, 128509 Römisch-Katholische, 620 Griechisch-Katholische, 1180 Anglikaner, 1421 Deutsch-Katholische, 2289 Dissidenten, 9363 Israeliten und 650 mit unbestimmter und ohne Angabe der Religion.
Der Staatsangehörigkeit nach waren 3423493 deutsche Reichsangehörige, 67299 Österreicher, 9702 andere Europäer und 2141 Angehörige außereurop. Staaten. Von der ortsanwesenden Bevölkerung waren geboren in S. 3083958, in andern deutschen Bundesstaaten 348451, in einem andern europ. Staate 67240, außerhalb Europas und auf See 2848 und unbekannten Geburtsortes 187. Die Altersgliederung der Bevölkerung 1890: Altersklassen Personen Bis unter 10 J. alt 863924 10 bis unter 20 J. alt 720285 20 " » 30 " » 610915 30 " » 40 " » 468950 40 " » 50 " » 349661 50 bis unter 60 J. alt 248272 60 " » 70 " » 162802 70 " » 80 " » 67761 80 " » 90 " » 9852 90 J. und darüber 262 Die Zahl der Eheschließungen betrug (1893) 31388, der Geborenen 151293, darunter 5135 Totgeborene, der Gestorbenen (ausschließlich der Totgeborenen) 97883. Im J. 1893 wanderten aus S. nach überseeischen Ländern aus 2018 (853 weibl.) Personen, darunter 1662 nach den Vereinigten Staaten. [* 56]
Nach der Berufszählung vom entfielen von den Berufsthätigen mit Angehörigen auf Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei [* 57] 602378 (20,0 Proz.), auf Bergbau, [* 58] Hüttenwesen, Industrie und Baugewerbe 1695895 (56,2), auf Handel und Verkehr 360675 (12,0), auf Militär-, Staats-, Gemeinde- und kirchlichen Dienst sowie die sog. freien Berufsarten 148361 (4,9), auf häusliche Dienste [* 59] und Lohnarbeit wechselnder Art (nicht im Hause des Dienstgebenden Wohnende) 53584 (1,8); ohne Beruf und Berufsangabe waren 153929 (5,1 Proz.). Die Erwerbsthätigen überhaupt zählten 1334478 (44,3 Proz.), die in der Haushaltung ihrer Herrschaft lebenden Dienstboten 66914 (2,2), die Haushaltungsangehörigen, welche nicht oder nur nebenbei erwerbsthätig waren, 1613430 (53,5 Proz.). Von der damaligen Gesamtbevölkerung (3014822 E.) waren 393669 Personen (13,6 Proz.) selbständig und 754626 Personen (25,3 Proz.) Gehilfen. Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche kamen (1893) auf Acker- und Gartenland 847353, Wiesen 175727, Weiden und Hutungen 10940, Weinberge 823, Öd- und Unland 1803, Forsten und Holzungen 387729, Haus- und Hofräume 16367, Wegeland, Straßen, Eisenbahnen ¶
forlaufend
135
öffentliche Plätze, Gewässer, Teiche und Wasserläufe u. s. w. 48625 ha. 1882 bestanden 192921 landwirtschaftliche Betriebe und 19,98 Proz. der Bevölkerung war in der Bodenbenutzung und Tierzucht erwerbsthätig. Auf 3,18 Haushaltungen entfiel 1 landwirtschaftlicher Betrieb, im Deutschen Reiche auf 1,82 Haushaltungen. Hieraus ist der vorwiegend industrielle Charakter des Landes zu erkennen, und selbst die Landwirtschaft bat die Tendenz, mehr und mehr einen gewerblichen Charakter anzunehmen. S. hat 919 Rittergüter; davon bilden 895 selbständige Gutsbezirke, 24 geboren zu Stadt- und Landgemeinden.
Güter mit einer landwirtschaftlich benutzten Fläche von mehr als 500 ha giebt es nur 7, darunter 4 in der Amtshauptmannschaft Grimma [* 61] (1 mit mehr als 1000 ha). Der beste Getreideboden findet sich in den sog. Pflegen von Pegau, Leisnig, Chemnitz, Bautzen, [* 62] Zittau und bei Lommatzsch. Die Lommatzscher Gegend wurde schon im Mittelalter «des Landes Meißen große Korntenne» genannt. Der schlechteste Boden liegt im obern Erzgebirge und den Waldgegenden des Vogtlandes, die schönsten Wiesen im Erzgebirge und den Elbniederungen.
Außer den gewöhnlichen Getreidearten werden Heidekorn in der Kreishauptmannschaft Dresden [* 63] rechts von der Elbe, Kartoffeln im Erzgebirge und im Vogtland, Flachs im mittlern Erzgebirge und der Oberlausitz, Raps und Rübsen besonders bei Dresden, Meißen, Oschatz und Leipzig, Karden für Tuchmacher bei Großenhain [* 64] und Lommatzsch, Arzneikräuter bei Bockau, Schwarzenberg, Borna und Leipzig und Küchengewächse vorzüglich bei Dresden, Großenhain, Zittau, Leipzig und Zwickau gebaut.
Der größte Teil der landwirtschaftlich benutzten Fläche ist mit Roggen (1893: 216925 ha) bestellt, dann folgen Hafer [* 65] (186162), Kartoffeln (121764), Klee zu Futter und zu Samen [* 66] (84610), Weizen (51324), Gerste [* 67] (29138), Futterrüben (19508), Kraut (15094), Misch- und Mengfrucht (8628), Zuckerrüben (4246), sonstige Rüben (3230), Buchweizen (2814), Wicken (2620), Erbsen (1906) und Raps (1737 ha). Der Ernteertrag belief sich (1893) auf 397672 t Roggen (im Werte von 51788825 M.), 170532 Hafer (27890509), 107693 Weizen (15633793), 40546 Gerste (6915120), ferner 1545850 t Kartoffeln, 383658 Futterrüben, 112042 Zuckerrüben, 35045 sonstige Rüben, 159533 Kleeheu und Kleestroh, 352873 Wiesenheu, 1735 Buchweizen, 1235 Erbsen, 1624 Wicken, 6363 Misch- und Mengfrucht, 2504 t Raps und 235919 Krauthäupter.
Der Weinbau tritt nur vereinzelt auf und hat in den letzten Jahren durch die Reblaus [* 68] erheblich gelitten. Hopfen [* 69] wird in der sog. Sächsischen Schweiz gebaut. Der Tabakbau, welcher 1858 noch 5100 Centner Tabak [* 70] lieferte, ist verschwunden. Die früher blühende Schafzucht ist, seitdem es keine Brache, keine Lehden und keine Hutgerechtigkeiten mehr giebt, sehr Zurückgegangen, ebenso die Feinheit der Wolle, weil die meisten Landwirte weniger auf diese als auf möglichst großes Schurgewicht sehen, so daß die einst so berühmten Schäfereien hierin jetzt von den schlesischen überflügelt werden, und weil seit 1856, wo man aus den edelsten Zuchten Englands größere Stämme einzuführen begann, die Mästung der Schafe [* 71] sich mehr und mehr verbreitet hat. Die Schweinezucht hat seit 1846 durch Einführung engl. Nassen außerordentlich gewonnen. Ziegen werden am meisten im Erzgebirge, Gänse und Hühner [* 72] in der Oberlausitz, namentlich in der Bautzener Gegend gehalten; in der Leipziger Gegend sind auch große Gänseherden nicht selten. Die Bienenzucht [* 73] ist zurückgegangen, Seidenraupenzucht kommt nur vereinzelt vor. Der Viehbestand betrug 148499 Pferde, [* 74] 664833 (1893: 612744) Stück Rindvieh, 105194 Schafe, 433800 (454035) Schweine, [* 75] 128562 Ziegen und 57662 Bienenstöcke, ferner 1433296 Hübner, 372350 Gänse, 41924 Enten [* 76] und 10210 Truthühner.
Obst wird besonders bei Dresden, Meißen, Leipzig und Colditz gebaut. Hervorragend ist die Erdbeerenzucht in der Lößnitz unterhalb Dresden. Von dem Waldbestand (1893: 387728 ha) waren 197063 ha Privat-, Stiftungs- und Genossenschafts-, 168804 Staats- und 21861 ha Gemeindeforsten. Der Wald besteht zu 88,36 Proz. aus Nadelwald; unter dem Laubholz sind Buchen und Birken am häufigsten, Eichen seltener. Der Ertrag der Waldungen stellte sich 1893 auf 822564 Festmeter im Werte von 6927258 M. Bergbau und Hüttenwesen.
Der Betrieb des Berg- und Hüttenwesens ist durch das Gesetz vom geregelt; an der Spitze der fiskalischen Verwaltung steht das Bergamt in Freiberg, dem die sechs Revierausschüsse Freiberg, Schneeberg, Johanngeorgenstadt, Altenberg, Marienberg und Scheibenberg untergeordnet sind. Der Erzbergbau umfaßte (1892) 101 Gruben mit 6880 Beamten und Arbeitern, die 48538 t Erze im Wert von 5097412 M. ausbrachten; 1893 förderten 35 Steinkohlengruben mit 21267 Arbeitern (darunter 350 Frauen) 4274064 t Steinkohlen und Anthracit im Wert von 40515744 M., 113 Braunkohlengruben mit 2366 Arbeitern (darunter 160 Frauen) 940988 t Braunkohlen im Wert von 2655325 M. Im J. 1892 war eine Eisenhütte (in Cainsdorf bei Zwickau) mit einem Hochofen im Betrieb und lieferte mit 170 Arbeitern 24062 t Masseln (Gänze) im Wert von 1332439 M. und 225 t Gußwaren erster Schmelzung im Wert von 15811 M. 1894 fand zeitweilig keine Roheisenerzeugung statt; 1893 erzeugten 138 Eisengießereien mit 7251 Arbeitern 110830 t Gußwaren (20115315 M.); endlich lieferten 4 Schweißeisenwerke 33894 t Fabrikate aus Schweißeisen für 3989780 M. und 4 Flußeisenwerke mit 2202 Arbeitern 55901 t Blöcke (Ingots) zum Verkauf und Fabrikate aus Flußeisen im Werte von 7816228 M. Die Gesamtzahl der im Betrieb befindlichen Steinbrüche betrug (1893) 365, die Zahl der in denselben beschäftigten Arbeiter 3580, die gesamte Warenproduktion schätzungsweise 180-190000 cbm. Industrie und Gewerbe.
Die Industrie ist hoch entwickelt und nimmt eine bedeutende Stellung ein. Die ausgeführte Zählung gewerblicher Anlagen (mit mindestens 10 Arbeitern oder durch elementare Kraft [* 77] bewegten Triebwerken oder Hüttenwerke, Zimmerplätze, Werften, Ziegeleien u. s. w. oder die nach §. 16 der Gewerbeordnung besondere Genehmigung bedürfen) und der daselbst beschäftigten Arbeiter ergab im ganzen 14808 Anlagen, darunter 5595 mit Dampfbetrieb und 5462 mit sonstigen elementaren oder tierischen Motoren, und 394426 (260207 männlichen, 134219 weiblichen) Arbeitern, darunter 1849 (588 weibliche) im Alter von 12 bis 14 und 31379 (13419 weibliche) im Alter von 14 bis 16 J. Nach der Gewerbezählung vom gab es 359447 Gewerbebetriebe (313140 Haupt- und 46307 Nebenbetriebe) mit 815683 Arbeitern. ¶
Titel
Sachsen.
[* 4] Übersicht der zugehörigen Artikel:
Der Volksstamm | 123 |
---|---|
Das alte Herzogtum S. | 124 |
Das jüngere Herzogtum S. | 125 |
Die Pfalzgrafschaft S. | 125 |
Die ernestinische Linie | 125 |
Das Königreich S. (Geogr.) | 126 |
Geschichte des Kurstaats (seit 1423) und Königreichs S. | 133 |
Preußische Provinz S. | 141 |
Sächsische Herzogtümer.
Sachsen-Altenburg | 143 |
---|---|
S.-Gotha (Geschichte) | 145 |
S.-Hildburghausen (Gesch.) | 146 |
S.-Coburg-Gotha | 146 |
S.-Meiningen | 150 |
S.-Weimar-Eisenach | 153 |
Der Volksstamm der Sachsen
Die Sachsen
sind gleich den Alemannen u. a. ein germanischer Völkerbund (Sachsenbund
), in welchem
die Cherusker, Chauken, Marsen, Angrivarier u. a. aufgegangen waren, und der nach Widukind seinen Namen von einer Waffe, Sahs (Steinmesser),
erhielt, während andre ihn als Sassen, d. h. Seßhafte, erklären. Sie wohnten zu beiden Seiten der Elbmündung und auf
den Inseln vor derselben (Insulae Saxonum), von wo sie sich nach Westen und Süden bis zur Ems,
[* 79] Lippe
[* 80] und zum
Harz ausbreiteten.
Als Seeräuber suchten sie die Küsten der Nordsee heim, plünderten die Küsten Britanniens und Galliens, und mit ihrer Hilfe bemächtigte sich 287 der Menapier Carausius der Herrschaft Britanniens. In Gemeinschaft mit den Angeln setzten sie sich um 450 in dem von den Römern verlassenen Britannien dauernd fest und gründeten daselbst das angelsächsische Reich (s. Angelsachsen). In ihrer festländischen Heimat schieden sie sich nach der Lage ihrer Wohnsitze in die Ostfalen im O., die Westfalen [* 81] im W. der Weser, die Engern (Angrarier) zu beiden Seiten derselben und die Nordalbingier im N. der Elbe.
Von den Erschütterungen der Völkerwanderung wenig berührt, bewahrten sie unverändert die Grundzüge altgermanischen Wesens. Neben den freien Grundeigentümern, den Frilingen oder Fronen, aus denen die Edelinge hervorragten, gab es dienstpflichtige Unfreie, Liten (Laten), und Leibeigne. Sie bildeten freie Volksgemeinden und Gaugenossenschaften unter gewählten Vorstehern; nur in Kriegszeiten stellten sie sich unter die Führung eines Herzogs. Alljährlich fand zu Marklo an der Weser eine Versammlung von Abgeordneten der einzelnen Gaue statt, welche über gemeinsame Angelegenheiten, besonders über Krieg und Frieden, beriet. Städte hatten die S. nicht, nur Burgen [* 82] (Eresburg u. a.). Gleich den alten Germanen hatten sie keinen Priesterstand, hingen aber dem heidnischen Götterdienst mit Eifer und Treue an.
Nachdem die S. 530 im Bund mit den Franken das Thüringerreich zerstört und das Land zwischen Harz und Unstrut erworben hatten, gerieten sie allmählich in Abhängigkeit von den Franken, denen sie sich 553 ¶
mehr
124 zur Zahlung eines jährlichen Tributs von 500 Kühen verpflichten mußten; erst 631 wurden sie von demselben gegen das Versprechen, die fränkische Grenze gegen die Einfälle der Wenden zu verteidigen, befreit. Infolge des Verfalls des Merowingerreichs wieder unabhängig, wurden sie erst von Karl Martell wieder mit Krieg überzogen (718, 720 und 738), weil sie das Land der Hattuarier (Geldern) verwüstet hatten. Pippin führte mehrere Kriege gegen sie, unterwarf die Grenzsachsen, bekehrte sie zum Christentum und legte, nachdem er bis zur Weser und Oker vorgedrungen, 759 den S. einen Tribut von 300 Pferden auf.
Aber erst der große Sachsenkrieg Karls d. Gr. (772-785) unterwarf die S. dauernd der fränkischen Herrschaft und dem Christentum. Schon auf seinem ersten Feldzug eroberte Karl die Eresburg, zerstörte die Irmensäule, drang bis an die Weser vor und empfing von den S. Geiseln und das Versprechen, die christliche Mission nicht zu stören. Während Karl 774 gegen die Langobarden zog, empörten sich die S. unter Widukind, wurden aber in zwei Kriegen 775-776 von Karl unterworfen, der 777 auf sächsischem Gebiet zu Paderborn [* 84] einen Reichstag abhielt, auf dem viele Edelinge ihm huldigten und die Taufe empfingen.
Während Karls Abwesenheit in Spanien [* 85] erhoben sich die S. 778 von neuem und verwüsteten das rechte Rheinufer. 779 unternahm daher Karl den vierten Zug nach Sachsen, drang bis zur Oker vor, wo viele Engern und Ostfalen sich unterwarfen, und hielt 780 einen Reichstag zu Lippspringe ab, auf welchem Sachsen im Missionsbezirke eingeteilt wurde. Die Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung und der Heerespflicht rief 782 einen allgemeinen Aufstand unter Widukind hervor; die Kirchen wurden zerstört, die Priester verjagt und ein gegen die Sorben ziehendes Frankenheer am Süntel vernichtet.
Die furchtbare Rache, die Karl durch Hinrichtung von 4500 Gefangenen in Verden [* 86] a. d. Aller nahm, reizte die S. zum äußersten Widerstand; doch erlitten sie 783 bei Detmold [* 87] und an der Hase [* 88] blutige Niederlagen, in welchen die waffenfähige Mannschaft fast zu Grunde ging; das Land wurde auf Befehl Karls mit Feuer und Schwert verwüstet. Auf dem Reichstag zu Paderborn 785 wurde darauf die Annahme des Christentums bei Todesstrafe geboten und die Abgabe des Zehnten auferlegt.
Nun empfingen Widukind und sein Freund Albio die Taufe zu Attigny. Hiermit war die Unterwerfung Sachsens entschieden. Zwar kam es während des Avarenkriegs 793 noch einmal zu einer Empörung der S. Doch wiederholte Feldzüge Karls durch das Sachsenland ( der letzte 804), Verpflanzung von S. in andre Reichsteile und Ansiedelung fränkischer Kolonisten in Sachsen brachen endlich die Widerstandskraft des Volkes gänzlich. Die Errichtung zahlreicher Bistümer, wie Osnabrück, [* 89] Verden, Bremen, [* 90] Paderborn, Minden, [* 91] Halberstadt, [* 92] Hildesheim [* 93] und Münster, [* 94] hatte die feste Begründung der christlichen Religion in Sachsen zur Folge; ja, die S. wurden die eifrigsten Christen und unversöhnliche Feinde ihrer heidnisch gebliebenen östlichen Nachbarn, der Wenden.
Nur ihr altes Stammesrecht, die Lex Saxonum, behielten sie. Der fränkischen Herrschaft blieben sie treu und standen dem Kaiser Ludwig dem Frommen gegen seine Söhne bei. Während des Kriegs unter diesen nach des Kaisers Tod gelang es dem bei Fontenoy 841 geschlagenen Kaiser Lothar, die niedern Stände in Sachsen, die Frilinge und Liten, gegen den von den Franken sehr begünstigten Adel aufzureizen und den Aufstand eines Stellinga genannten Bundes hervorzurufen; doch wurde derselbe 842 von Ludwig dem Deutschen unterdrückt. Sachsen fiel im Vertrag von Verdun [* 95] an das ostfränkische Reich.
Das alte Herzogtum Sachsen.
Die Schutzlosigkeit, in welcher die Karolinger das Land gegen die Raubeinfälle der Slawen und Normannen ließen, welch letztere 845 Hamburg [* 96] zerstörten, bewirkte, daß die Sachsen sich wieder unter die Führung eines Herzogs stellten. Diese Würde erlangte zuerst Otto der Erlauchte (880-912), Sohn Brunos, eines Edelmanns aus reichbegütertem Geschlecht, der 880 bei Hamburg gegen die Normannen fiel; Otto dehnte seine Gewalt auch über Thüringen aus. Sein Sohn Heinrich (912-936) ward 919 zum deutschen König erwählt, und damit wurde der Stamm der Sachsen an die Spitze Deutschlands gestellt.
Seiner kriegerischen Tüchtigkeit verdankte dies die Vertreibung der Magyaren (933) und die Unterwerfung der slawischen Stämme rechts der Elbe. Unter der weisen Leitung Heinrichs und seines großen Sohns Otto I. entwickelten sich aber auch Künste und Wissenschaften in S. zu hoher Blüte. [* 97] Zahlreiche Kirchen und Klöster wurden errichtet, Poesie und Geschichtschreibung in letztern eifrig gepflegt. Die Sachsen, welche sich kaum 200 Jahre früher der fränkischen Herrschaft und dem Christentum so hartnäckig widersetzt hatten, waren unter dem sächsischen Kaisergeschlecht die Hauptstütze des heiligen römischen Reichs deutscher Nation.
Otto I. übertrug 950 dem tapfern Grafen Hermann Billung das Herzogtum S., der durch glückliche Kämpfe gegen die Wenden die Ostgrenze erweiterte; doch gingen die überelbischen Eroberungen unter Herzog Bernhard I (973-988), dem Sohn Hermanns, wieder verloren, als nach dem Tod Kaiser Ottos II. die Slawen einen großen Aufstand machten; weder Otto III. noch Heinrich II. vermochten dieselben wiederzugewinnen. Auf Herzog Bernhard II. (988-1011) folgte Bernhard III. (1011-59), unter dessen langer Regierung mit dem Erlöschen des sächsischen Kaiserhauses (1024) die deutsche Königskrone vom sächsischen Stamm wieder auf den fränkischen überging.
Das erbliche sächsische Herzogtum, das auch die Bischöfe unter seine Gewalt beugte, war seitdem die Hauptstütze der fürstlichen Opposition gegen die kaiserliche Macht, und der auf seine Eigenart und seine Freiheiten stolze sächsische Stamm stand den Billungern treu zur Seite. Vergeblich verlegten die Kaiser Heinrich III. und Heinrich IV. ihre Residenz nach S., nach Goslar [* 98] und den von ihnen am Harz erbauten Burgen. Gerade die damit verbundenen Belästigungen und Kosten reizten die Sachsen um so mehr gegen die fränkischen Herrscher auf, und als Heinrich IV. den sächsischen Großen Otto von Nordheim des Herzogtums Bayern beraubte und den Nachfolger Herzog Ordulfs (1059-71), Herzog Magnus, durch Kerkerhaft zum Verzicht auf die sächsische Herzogswürde zwingen wollte, brach 1073 in S. eine Empörung aus, welche erst 1075 durch den Sieg des Königs bei Hohenburg bewältigt wurde. Doch hatten Heinrichs Gegenkönige, Rudolf von Schwaben, Hermann von Luxemburg [* 99] und Ekbert von Meißen, auch nachher ihre Hauptstütze im Sachsenstamm.
Als 1106 mit Magnus der Billungsche Mannesstamm erlosch, belehnte Heinrich V. den Grafen Lothar von Supplinburg mit dem Herzogtum S. Derselbe brachte durch Heirat die reichen nordheimischen und braunschweigischen Güter an sich (1113) und stellte sich auf Anstiften der päpstlichen Partei an die Spitze der Fürstenopposition, welche in der ¶
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Schlacht am Welfesholz 1115 den Sieg über das kaiserliche Heer davontrug. Als dann Lothar nach dem Erlöschen des salischen Hauses 1125 selbst auf den Kaiserthron erhoben wurde, hatte er mit den staufischen Brüdern um die Krone zu kämpfen und mußte gegen sie eine Stütze beim welfischen Herzog von Bayern, Heinrich dem Stolzen, suchen, der von seiner Mutter Wulfhild, der Tochter des Herzogs Magnus, die Billungschen Hausgüter geerbt hatte. Er vermählte demselben seine Tochter Gertrud und übertrug ihm auch auf seinem Sterbebett 1137 das Herzogtum S. Als der neue König, Konrad III., diese Übertragung nicht anerkennen wollte, kam es zwischen ihm und Heinrich zum Kampf; letzterer wurde geächtet und seine Herzogtümer ihm abgesprochen, von denen S. dem Markgrafen Albrecht dem Bären übertragen wurde.
Doch konnte dieser auch nach Heinrichs des Stolzen Tod (1139) S. nicht erobern und mußte es im Frankfurter Frieden 1142 Heinrichs Sohn, Heinrich dem Löwen, [* 101] zurückgeben, wogegen die Mark Brandenburg [* 102] vergrößert und von der herzoglichen Gewalt befreit wurde. Heinrich der Löwe nahm mit Erfolg die Kriege gegen die Wenden wieder auf, eroberte Holstein, Mecklenburg [* 103] und Vorpommern, gründete Bistümer und Städte, wie Lübeck, [* 104] und verbreitete deutsche und christliche Kultur; die sächsischen Großen, geistliche wie weltliche, brachte er unter seine Botmäßigkeit.
Seine über fast ganz Norddeutschland sich erstreckende Macht war eine königliche. Als er nun 1176 dem Kaiser Friedrich I. die Heeresfolge nach Italien [* 105] verweigerte, wurde die Zertrümmerung dieses allzu großen Herzogtums beschlossen. Nachdem Heinrich der Löwe 1180 geächtet und vom Kaiser zur Unterwerfung gezwungen worden war, wurden ihm nur seine Allodien, Braunschweig [* 106] und Lüneburg, [* 107] gelassen. Die Bischöfe und weltlichen Fürsten, auch einige Städte wurden für reichsunmittelbar erklärt, die herzogliche Gewalt in Westfalen dem Erzstift Köln [* 108] übertragen und der Name des Herzogtums S. auf den östlichen Teil an der Elbe beschränkt, mit dem Albrechts des Bären zweiter Sohn, Bernhard von Askanien, belehnt wurde.
Das jüngere Herzogtum Sachsen.
Das neue Herzogtum S., dem alten Volksherzogtum weder an Umfang noch an Macht vergleichbar, spielte demgemäß in der Geschichte des Deutschen Reichs nur eine untergeordnete Rolle. Dazu kam, daß die Askanier nach dem Tode des zweiten Herzogs aus ihrem Geschlecht, Albrechts I. (1212-60), S. teilten, so daß der ältere Sohn, Johann, das Gebiet an der untern, der jüngere, Albrecht II. (1260 bis 1298), das an der mittlern Elbe erhielt; beide Linien, die sich nach ihren Hauptstädten Sachsen-Lauenburg und Sachsen-Wittenberg nannten, führten den Titel eines Herzogs von S., Engern und Westfalen und eines Reichsmarschalls und erhoben beide auf das Recht, den König zu wählen, Anspruch.
Nach langem Streit wurde dies Recht durch die Goldene Bulle 1356 der wittenbergischen Linie zugesprochen, welche zugleich mit dem Erzmarschallamt das Reichsvikariat in den Ländern des sächsischen Rechts erhielt und sich durch die Unteilbarkeit der Kurlande vor weiterer Zersplitterung bewahrte. Herzog Rudolf II. (1356-70), Rudolfs I. (1298-1356) Sohn, nannte sich zuerst Kurfürst von S., sein Bruder Wenzel (1370-88) führte zuerst die Kurschwerter im sächsischen Wappen. [* 109] Wenzels Sohn Rudolf III. starb kinderlos 1419, und mit seinem Bruder Albrecht III. erlosch 1422 die wittenbergische Linie des askanisch-sächsischen Hauses.
Kaiser Siegmund verlieh, ohne die Ansprüche der Linie Sachsen-Lauenburg zu berücksichtigen, S. dem Markgrafen Friedrich dem Streitbaren (s. Friedrich 58) von Meißen, welcher zu Ofen feierlich belehnt wurde. Mit ihm beginnt die Herrschaft des Hauses Wettin. Sachsen-Lauenburg erhob im 15. Jahrh. noch mehrmals Anspruch auf die kurfürstlichen Titel und Rechte, aber ohne Erfolg (weiteres s. Lauenburg). [* 110] Der Name S. ging nun auch auf die übrigen Besitzungen des Hauses Wettin, Meißen und Thüringen, über; doch wurde dieses S. noch lange als Obersachsen von Niedersachsen, dem Gebiet der untern Elbe und Weser, unterschieden, bis für letzteres Land der Name Hannover [* 111] üblich wurde. Über die Geschichte Kursachsens seit 1423 s. Sachsen, Königreich (S. 134 ff.).
Die Pfalzgrafschaft Sachsen.
Die königlichen Güter in S., hauptsächlich in der Nähe des Kyffhäusers gelegen (Grona, Werla, Wallhausen), ferner Dornburg, Arnstadt [* 112] und Sulza, die königlichen Pfalzen und Besitzungen in Magdeburg [* 113] und Merseburg [* 114] wurden von Pfalzgrafen verwaltet, als deren erster Adalbert oder Berno (gest. 982) genannt wird. Um 1040 kam die Pfalzgrafschaft an Dedo, Grafen von Goseck, dessen Nachfolger sich, als Friedrich von Sommerschenburg die Grafschaft 1088 seinem Großneffen Friedrich von Goseck entrissen hatte, nach ihrem Allod Pfalzgrafen von Putelendorf (Bottelndorf a. d. Unstrut) nannten.
Nach dem Erlöschen des Hauses Sommerschenburg mit Albrecht II. 1179 verlieh Kaiser Friedrich I. auf dem Reichstag zu Gelnhausen [* 115] die Pfalzgrafschaft S. dem Landgrafen Ludwig III. von Thüringen, der sie 1181 seinem Bruder Hermann abtrat. Nach dem Aussterben des thüringischen Landgrafengeschlechts kam sie nebst Thüringen an den Markgrafen Heinrich den Erlauchten von Meißen, der sie 1291 nebst Landsberg, [* 116] Delitzsch [* 117] und Sangerhausen [* 118] an den Markgrafen von Brandenburg verkaufte. In ihren Resten, Lauchstädt und Allstedt, kam die Pfalzgrafschaft S. 1318 als Wittum an Agnes, die Witwe Heinrichs des ältern von Brandenburg, von deren Erben sie Markgraf Friedrich der Ernsthafte von Meißen 1347 kaufte, worauf er sich den pfalzgräflichen Titel beilegte. Doch galt noch immer die Pfalz in Magdeburg als eigentlicher Sitz der Pfalzgrafschaft, welche daher in der sächsischen Goldenen Bulle vom als ein Zubehör des Herzogtums S. bezeichnet wurde. Friedrich der Streitbare legte den bedeutungslos gewordenen pfalzgräflichen Titel ab und behielt nur das Wappen, den kaiserlichen Adler, [* 119] bei.