rufen ward, trugen einen demokratischen Stempel. Daher geriet selbst das liberale Märzministerium mit dem Landtage in Zwistigkeiten
wegen der von der Kammermehrheit geforderten Einführung der vom Frankfurter Parlament verkündigten «Deutschen Grundrechte».
Es nahm infolgedessen seinen Rücktritt, und an seine Stelle trat ein aus den Geheimräten Held, Weinlig, von Ehrenstein,
dem bisherigen Gesandten zu Berlin von Beust und dem General von Buttlar gebildetes.
Dieses bekannte sich in seinem Programm vollständig zu den Grundsätzen seiner Vorgänger, vollzog aber auch die Verkündigung
der Grundrechte unbedenklich. Dennoch kamen von den vorgelegten Gesetzentwürfen nur wenige zur wirklichen Beschlußfassung,
darunter als die wichtigsten: ein Gesetz, das die bisher der Regierung allein zustehende Initiative bei
der Gesetzgebung zwischen dieser und den Kammern teilte, Aushebung der Bannrechte, Ablösung der Lehngelder, Freigebung der
Jagd auf eigenem Grund und Boden, endlich ein Ausführungsgesetz zu der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung.
Als aber die Kammern auf sofortige Anerkennung der von dem Frankfurter Parlament verkündeten Reichsverfassung
drangen und die Forterhebung der nur für die ersten Monate des J. 1849 vorläufig bewilligten Steuern als einen Verfassungsbruch
bezeichneten, schritt die Regierung, nach dem Vorgange Preußens und der preuß. Unterstützung für den Notfall bereits sicher, zur
Auflösung des Landtags. Fast unmittelbar nachher löste sich auch das Ministerium auf.
Das 2. Mai durch Zschinsky, als Justizminister, ergänzte Ministerium machte im Namen des Königs bekannt: die Regierung trage
Bedenken, solange der König von Preußen die Reichsverfassung und die Kaiserkrone nicht annehme, ihrerseits eine Anerkennung
auszusprechen, durch die sie die Selbständigkeit S.s zu gefährden fürchten müsse. Die allgemeine Aufregung
rief eine gewaltsame Erhebung zunächst in dem damals von Truppen fast entblößten Dresden hervor. Der König entfloh 4. Mai mit
den Ministern auf den Königstein, worauf eine Anzahl der noch in Dresden anwesenden Mitglieder des aufgelösten Landtags
eine provisorische Regierung (Heubner, Tzschirner, Todt) niedersetzten. Es begann nun in Dresden der offene
von dem Russen Bakunin geleitete Kampf, der endlich 9. Mai mit Hilfe preuß. Truppen zu Gunsten der Regierung entschieden ward.
Todt und Tzschirner entflohen, Heubner, nebst andern Führern und Teilnehmern des Kampfes, ward gefangen genommen. Zahlreiche
Verhaftungen und Untersuchungen folgten. Während dieser Ereignisse nahm eine kombinierte sächs.
Brigade an dem Feldzuge gegen die Dänen ehrenvollen Anteil und wirkte namentlich bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen 13. April mit.
Die sächs. Regierung hatte inzwischen nach dem Vorgange der preußischen die Abgeordneten ihres Landes von Frankfurt abberufen
und die in Berlin begonnenen Konferenzen zur Vereinbarung einer Verfassung für Deutschland durch von Zeschau,
den ehemaligen Finanzminister, beschickt. Am 26. Mai kam daselbst der Entwurf einer Verfassung zu stande, welchen die verbündeten
Negierungen von Preußen, S. und Hannover den übrigen deutschen Regierungen zur Annahme vorlegten (Dreikönigsbündnis). Im
Innern blieb jedoch die Gesetzgebung des letzten Jahres unverändert bestehen.
Die Verhängung des Belagerungszustandes über Dresden und Umgebung
und über einen Bezirk im Erzgebirge
sowie die von dem neu eingetretenen Finanzminister Behr vorgenommene Ausschreibung der Steuern ohne vorausgegangene Bewilligung
der Kammern wurden, als durch den Drang der Verhältnisse gerechtfertigt, von der nachfolgenden Volksvertretung anerkannt.
In den auswärtigen Beziehungen war indessen die Regierung nebst Hannover von dem mit Preußen abgeschlossenen
Bündnis zurückgetreten, indem sie von einem früher geheimgehaltenen «Vorbehalte» Gebrauch machte, und hatte sich statt dessen,
unter Mitwirkung Österreichs, in Unterhandlungen mit Bayern und Württemberg eingelassen, als deren Zweck die Ersetzung des
Bundestags durch ein Direktorium und eine Verteilung der deutschen Einzelstaaten in größere Gruppen
unter der Herrschaft der beiden Großmächte und der Mittelstaaten erschien.
Als sodann im Mai 1850 die Regierung der Einladung Österreichs zu Konferenzen wegen der deutschen Verfassungsfrage nach Frankfurt
Folge leistete, legte der deutsche Ausschuß der Zweiten Kammer den Entwurf einer Adresse vor, worin gegen eine Mitwirkung der
Regierung zu einer Wiederherstellung des alten Bundestags im voraus Verwahrung eingelegt ward. Am erfolgte
hierauf die abermalige Auflösung der Kammern und die Wiedereinberufung der alten, 1848 aufgehobenen Stände. Im
Verordnungswege ergingen Gesetze zur Beschränkung des Vereinsrechts und der Preßfreiheit; doch ward der Belagerungszustand
in Dresden und Crimmitschau aufgehoben. Am traten die alten Stände wieder zusammen.
Diese «reaktivierten» Stände hoben das Wahlgesetz und das Gesetz über die Zusammensetzung der Kammern von 1848 auf, änderten
mehrere Bestimmungen der Verfassung von 1831 im Sinne größerer Machtvollkommenheit der Regierung, genehmigten die Wiederabschaffung
der Grundrechte (mit Ausnahme der bereits in die Landesgesetzgebung übergegangenen Bestimmungen) sowie
der Schwurgerichte für Preß- und Vereinsvergehen und gaben ihre Zustimmung zu den vorgelegten Preß- und Vereinsgesetzen
sowie zu andern reaktionären Maßregeln.
Den wichtigsten Punkt der Verhandlungen der Ständeversammlung von 1851 bildete die Umgestaltung der ganzen Rechtspflege und
Verwaltung. Da die Regierung die gänzliche Trennung der Justiz von der Verwaltung, desgleichen die Einführung
der Mündlichkeit im Civilverfahren fallen lieh und an Stelle der versprochenen Schwurgerichte juristisch besetzte Gerichte
mit öffentlich-mündlichem Anklageverfahren traten, so war in dieser Beziehung so ziemlich alles wieder rückgängig gemacht,
was das J. 1848 neu gestaltet oder angebahnt hatte. In betreff der deutschen Verhältnisse beteiligte
sich die Regierung, wie an den Frankfurter Konferenzen im Frühjahr 1850, so an den folgenden Versuchen zur Wiederherstellung
des alten Bundestags, die auch das einzige Ergebnis der im Winter 1850-51 in Dresden unter dem Vorsitz des sächs. Ministers
des Auswärtigen gehaltenen Konferenzen war. Im Okt. 1852 übernahm von Falkenstein das Departement des
Kultus, während von Beust die Departements des Innern und des Äußern vereinigte. 1858 trat von Friesen als Finanzminister
an Stelle Behrs, der das durch Zschinskys Tod erledigte Justizministerium übernahm, in das Ministerium ein. Durch die Erneuerung
und Vergrößerung des Zollvereins 1853 wurden der sächs. Industrie und dem sächs. Handel
forlaufend
149
die alten Absatzwege gesichert und neue wichtige eröffnet. Bei dem Deutsch-Österreichischen Postverein, Telegraphenverein
und dem Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen beteiligte sich S. in erster Linie, wie überhaupt für alles, was die Förderung
von Industrie, Handel, Landwirtschaft, Transport- und Kommunikationswesen, technischen Unterricht, Statistik u. s. w. betraf,
die Regierung große Sorgfalt entwickelte. Der plötzliche Tod des Königs Friedrich August auf
einer Reise in Tirol führte dessen Bruder Johann (s. d.) auf den Thron. Das wichtigste gesetzgeberische Werk der nächsten Jahre
war die Reform der Rechtspflege und der Behördenorganisation, wobei der Widerstand der Ersten Kammer gegen die Aufhebung der
Patrimonialgerichtsbarkeit durch die Übereinstimmung der Zweiten Kammer mit der Regierung gebrochen wurde.
Nach diesem Gesetz (vom traten mit dem an Stelle der Patrimonial- und Stadtgerichte 15 kollegialisch
eingerichtete Bezirksgerichte und 105 Gerichtsämter (im Schönburgischen erst mit Ein neues Strafgesetzbuch wurde
1856, ein neues bürgerliches Gesetzbuch 1865 eingeführt. 1861 fielen die Vorrechte der Innungen, und Handels-
und Gewerbekammern übernahmen die besondere Vertretung dieser Interessen. 1864 wurden die Wuchergesetze aufgehoben, 1863 der
Elbverkehr am obern Teile des Stromlaufs von allen Zöllen befreit und die Fahrbahn verbessert, 1869 die Kettenschleppschiffahrt
eingeführt.
Zugleich gestaltete sich das Eisenbahnnetz immer dichter. Für die Landeskirche beschloß der Landtag 1865 eine
neue Kirchen- und Synodalordnung, die Universität Leipzig erhob sich unter dem Ministerium Falkenstein zu einer der ersten Hochschulen
Deutschlands, die sehr vermehrten Seminare erhielten 1858, die Realschulen 1860 ein Regulativ. Die Vermehrung des Staatsvermögens,
das Steigen des Budgets bei fortdauernden Überschüssen, der Aufschwung/des Verkehrs und der Industrie,
das Anwachsen der Bevölkerung bezeugten die Tüchtigkeit der Bevölkerung und der Verwaltung und die Segnungen des Zollvereins.
Dem entsprach aber keineswegs der unfertige Zustand Gesamtdeutschlands und der innerpolit. Verhältnisse S.s. Eine allmähliche
Wandlung in den polit. Maximen der Regierung trat ein, seitdem durch den Regierungswechsel in Preußen 1858 und
durch den ital. Krieg 1859 eine lebhafte Bewegung in ganz Deutschland Platz gegriffen und Beust seit Hchinskys Tode den Vorsitz
im Ministerrate übernommen hatte. Ein reformiertes Wahlgesetz von 1861 erweiterte zwar etwas die Wahlfähigkeit, ließ aber
den Stände- und Bezirkszwang bestehen.
In den deutschen Dingen hielt das Ministerium Beust an seinem Gegensatz zu der immer stärker werdenden
bundesstaatlichen Agitation fortwährend fest, indem es auf Grund der Tn'asidee ebensowohl die nationalen Bedürfnisse zu
befriedigen als die volle Selbständigkeit der Mittelstaaten behaupten zu können hoffte. Aber der sächs.
Antrag auf Bundesreform (Delegiertenprojekt) scheiterte am Widerspruch der Großmächte (Dez. 1861), und
der österr. Reformplan, den S. auf dem Fürstentage von Frankfurt Aug. 1863 unterstützte, stieß aus den entschiedensten
Widerspruch Preußens, während gleichzeitig das in Leipzig gefeierte dritte Deutsche Turnfest (3. bis die nationale
Begeisterung mächtig anfachte.
Bei der nun ausbrechenden Krisis des Zollvereins mußte
Beust den Zollverein mit Preußen unbedingt und
unter Annahme des Handelsvertrags mit Frankreich erneuern, In dem Konflikt mit Dänemark stand die sächs. Regierung
mit an der Spitze derjenigen Negierungen, welche die gänzliche Losreißung der Herzogtümer von Dänemark und die Einsetzung
des Hauses Augustenburg betrieben. Es beteiligten sich 6000 Mann sächs. Truppen an der Bundesexekution
gegen Holstein (Dez. 1863), und die Haltung Beusts als Vertreter des Deutschen Bundes auf der Friedenskonferenz in London (Mai und
Juni 1864) war für S. ehrenvoll.
Als es sich jedoch um die Einordnung des befreiten Schleswig-Holstein in das deutsche Staatensystem handelte, trat die staatenbündische
und antipreuß. Politik Beusts wieder in den Vordergrund, zumal die beiden Großmächte den Abzug der Bundestruppen aus Holstein
erzwängen (Dez. 1864). Im Konflikt Preußens mit Österreich hielt S. trotz der von Preußen noch angebotenen Neutralität
fest zu. Während nun preuß. Truppen 16. Juni über die sächs. Grenze rückten, zog sich König Johann mit
seiner Armee 18. Juni ohne Widerstand nach Böhmen zurück. Im Verein mit den Österreichern nahm hier die sächs. Armee unter dein
Befehl des Kronprinzen Albert an den Schlachten von Jičin (29. Juni) und Königgrätz (3. Juli) hervorragenden Anteil(s. Deutscher Krieg von 1866,
Bd. 5, S. 54 b fg.).
Nachdem Preußen anfänglich bei den Nikolsburger Verhandlungen auf der Annexion des ganzen S.s oder wenigstens eines Teils bestanden
hatte, erhielt S. infolge der entschiedenen Haltung Österreichs endlich doch seine Selbständigkeit und seinen ungeschmälerten
Gebietsbestand verbürgt, trat aber im Berliner Frieden dem Norddeutschen Bunde bei und verzichtete
ganz oder teilweise auf seine Militärhoheit, seine diplomat. Vertretung, Post- und Telegraphenwesen zu Gunsten der Krone
Preußen, mußte auch eine Kriegskostenentschädigung von 10 Mill. Thlrn. an Preußen zahlen.
Beust war, da Preußen erklärte, nicht mit ihm unterhandeln zu wollen, schon 15. Aug. zurückgetreten. An seiner Statt übernahm
der Finanzminister von Friesen auch das Auswärtige, von Nostitz-Wallwitz das Innere. Das Justizministerium war schon im Mai 1866 an den
bisherigen Appellationsgerichtspräsidenten Schneider übergegangen. Ministerpräsident ward der Kultusminister von Falkenstein,
und der Kriegsminister von Rabenhorst wurde durch General Fabrice ersetzt, unter dessen Leitung nun die sächs. Truppen als 12. Armeekorps
des Norddeutschen Bundesheers nach preuß. Muster völlig umgestaltet wurden.
Überhaupt fanden alle Bundeseinrichtungen in S. pünktliche Durchführung. Auf dem Landtage von 1867 kam eine Kirchenvorstands-und
Synodalordnung zu stande, mit einem allerdings sehr beschränkten Wahlgesetz für die Synode. Die Aufhebung der Todesstrafe
und des sog. «Haß- und Verachtungsparagraphen»
ward publiziert. An die Stelle rechtsgelehrter traten wirkliche Geschworene, daneben wurden für minder
schwere Gesetzesübertretungen Schöffengerichte eingeführt. Im Herbst 1869 trat der erste Landtag nach dem neuen Wahlgesetz
zusammen. In der Zweiten Kammer standen etwa 42 Liberale gegen 38 Konservative. Die erstern, die sich in Nationalliberale
und Fortschrittler teilten, gingen fast immer Hand in Hand. Zu stände kamen ein liberales Preßgesetz,
die Wiedereinführung der direkten Gemeindewahlen und der
forlaufend
150
Wegfall der Bürgerrechtsgebühren. Im Deutsch-Französischen Kriege von 1870 und 1871 (s.d.) zeichnete sich das sächs. (12.)
Armeekorps unter der Führung des Kronprinzen Albert (seit 19. Aug. des Prinzen Georg) durch treffliche Haltung und wirksames Eingreifen
in die Aktion namentlich bei Gravelotte, Beaumont, Sedan und vor Paris ruhmvoll aus. Nach der Wiederausrichtung
des Deutschen Reichs wurde Leipzig, seit 1870 bereits der Sitz des Bundesoberhandelsgerichts, 1877 zum Sitz des Reichsgerichts
erwählt.
Zwischen dem Landtage von 1869/70 und dem (nach Verkürzung der Budgetperioden von drei- auf zweijährige) in das Ende 1871 fallenden
fand die erste Synode statt. Der Entwurf zur Errichtung eines evang.-luth. Landeskonsistoriums ward durch
die streng kirchliche Mehrheit derselben dermaßen umgestaltet, daß beim nächsten Landtag erst wieder in einem Publikationsgesetze
dazu die Rechte des Staates gegenüber der Kirche gewahrt werden mußten. Der bald nachher zurücktretende Kultusminister von
Falkenstein wurde durch Dr. von Gerber, bisher Professor des deutschen und Kirchenrechts zu
Leipzig (Präsident der Synode), der verstorbene Justizminister Schneider durch Geh.
Justizrat Dr. Abeken ersetzt. Der Landtag von 1871 brachte mehrere tief eingreifende Gesetze: neue Gemeindeordnungen für
Stadt und Land, Gesetze über Behördenorganisation und Bezirksvertretung, die größtenteils im Geiste ausgedehnter Selbstverwaltung
zu stande kamen. Dabei wurde die Zahl der Amtshauptmannschaften auf 27 vermehrt und die vier Kreisdirektionen
in Kreishauptmannschaften verwandelt (1874). Ein neues Volksschulgesetz wurde publiziert trotz
der heftigsten Anfechtungen in der Zweiten Kammer.
Dasselbe stellte das Volksschulwesen unter die Aufsicht des Staates, richtete Fortbildungsschulen mit dreijährigem Kursus
ein und übertrug die Aussicht königl. Bezirksschulinspektoren (seit 1874). Ein Gesetzentwurf,
der mehrere Verfassungsänderungen im liberalen Sinne enthielt, ward von der Ersten Kammer abgelehnt.
Eine Schwächung des parlamentarischen Liberalismus fand dadurch statt, daß die partikularistisch gefärbte Fortschrittspartei,
die auf den beiden letzten Landtagen fast ununterbrochen mit den Nationalliberalen Hand in Hand gegangen war, plötzlich denselben
schroff gegenübertrat und sich in demselben Maße der Negierung und den Konservativen näherte; seitdem
besaßen die Konservativen die Mehrheit.
Nach dem Tode des Königs Johann bestieg dessen älterer Sohn Albert (s.d.) den Thron. Die schon auf mehrern Landtagen
versuchte Steuerreform kam auf dem von 1873 insoweit zu stande, daß die Grundlagen für ein Einkommensteuergesetz festgestellt,
auch die Vornahme einer Einschätzung danach beschlossen, dagegen die Bestimmung darüber, welcher Teil des Staatsbedarfs
auf diesem Wege erhoben werden solle, dem nächsten Landtag vorbehalten wurde. Die Einkommensteuer sollte zunächst bloß
eine Ergänzungssteuer sein, neben ihr sollten Gewerbe- und Grundsteuer (jedoch beide in beschränktem Umfang) fortbestehen.
Auch eine neue Landtagsordnung nebst damit zusammenhängenden Abänderungen der Verfassung wurde angenommen.
Auf dem Landtag von 1875 bewirkte das Übergewicht der Konservativen und des Fortschritts, daß die Regierung mit ihren Gesetzvorlagen
und finanziellen Maßregeln fast in allen Punkten durchdrang. Dem Ankauf der Leipzig-Dresdener Eisenbahn (1876)
folgte allmählich
der fast sämtlicher Privatbahnen. Zunächst erlitt zwar dadurch das sächs.
Staatsbudget zum erstenmal einen Fehlbetrag, doch wurde später dieser durch die Überschüsse, welche die Eisenbahnen abwarfen,
wieder ausgeglichen.
Ein Streit mit Preußen über den Ankauf der Berlin-Dresdener Eisenbahn wurde 1877 durch Schiedsspruch des Lübecker Oberappellationsgerichts
zu Gunsten Preußens entschieden. Außerdem kamen auf dem Landtag 1875/76 noch zu stande eine Urkunden-
und Erbschaftsstempelsteuer, die Revision der Brandversicherungs-Gesetzgebung, die Abänderung des Civilstaatsdienergesetzes,
die Regelung des staatlichen Oberaufsichtsrechts über die kath. Kirche, ein Gesetz über die höhern Unterrichtsanstalten
(Gymnasien, Realschulen, Seminarien) u. s. w. In Ausführung des Reichsgesetzes von 1875 fand
damals auch die Civilehe in S. Eingang.
DerLandtag von 1877 hatte es zumeist mit den zur Ausführung der Reichsjustizgesetze notwendigen landesgesetzlichen
Maßregeln zu thun, außerdem mit der Revision der Steuerreform von 1874, die der an von Friesens Stelle eingetretene Finanzminister
von Könneritz vorlegte. Das Resultat der letztern war das Gesetz vom das neben der unverändert beibehaltenen
Grundsteuer von 4 Pf. für die Einheit eine progressive Einkommensteuer einführte. Derselbe Landtag regelte
den vollständigen Übergang der Gerichtsbarkeit in den Schönburgschen Rezeßherrschaften auf den Staat sowie das Disciplinarverfahren
gegen städtische Beamte.
Mit dem trat auch für S. die neue Reichsgerichtsordnung in Kraft, nach der das Land 1 Oberlandesgericht, 7 Landgerichte
und 105 Amtsgerichte erhielt. Das J. 1879 brachte eine veränderte Einrichtung der Altersrentenbank und ein Gesetz über die
Entscheidung von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden, 1880 ein neues Statut für die Universität
Leipzig und ein Gesetz über das Dienstverhältnis der Richter, 1881 die Errichtung eines Eisenbahnrats, 1882 Gesetze über
die Entmündigung Geisteskranker, Gebrechlicher und Verschwender sowie über das Pfandleihgewerbe, 1884 über die Anlegung
eines Staatsschuldenbuches und über die Befugnis zur Ausschließung säumiger Abgabenpflichtiger von öffentlichen Vergnügungsorten.
Vom an wurde das Chaussee- und Brückengeld aufgehoben. Regierung und Kammern richteten ihr besonderes Augenmerk
auf den weitern Ausbau des sächs. Eisenbahnnetzes durch Sekundärbahnen. Die günstige Finanzlage des
Staates erlaubte, die Finanzperiode 1884/85 mit einem Überschuß von etwa 17 Mill. M. abzuschließen, so daß die Regierung
den Kammern die Zurückgabe von 2 Pf. Grundsteuer an die Gemeinden zur Bestreitung ihrer hoch gestiegenen Schulausgaben in
Vorschlag bringen und doch ansehnliche außerordentliche Ausgaben aus den laufenden Einnahmen bestreiten
konnte.
Der Landtag von 1885/86 brachte zum erstenmal seit langer Zeit der Zweiten Kammer eine starke konservative Mehrheit, aber
auch eine Gruppe von fünf socialdemokratischen Abgeordneten, die sich sofort durch radikale Anträge bemerklich machten. Doch
wurde der Antrag Bebels, daß in den Volksschulen kein Schulgeld erhoben, sämtliche einheitliche Lehrmittel
den Schülern unentgeltlich geliefert werden sollten u. s. w., von der Zweiten Kammer abgelehnt, dagegen die Mittel
für den Bau oder
Geschichte des Kurstaats (seit 1423) und Königreichs S.
133
Preußische Provinz S.
141
Sächsische Herzogtümer.
Sachsen-Altenburg
143
S.-Gotha (Geschichte)
145
S.-Hildburghausen (Gesch.)
146
S.-Coburg-Gotha
146
S.-Meiningen
150
S.-Weimar-Eisenach
153
Der Volksstamm der Sachsen
Die Sachsen sind gleich den Alemannen u. a. ein germanischer Völkerbund (Sachsenbund), in welchem
die Cherusker, Chauken, Marsen, Angrivarier u. a. aufgegangen waren, und der nach Widukind seinen Namen von einer Waffe, Sahs (Steinmesser),
erhielt, während andre ihn als Sassen, d. h. Seßhafte, erklären. Sie wohnten zu beiden Seiten der Elbmündung und auf
den Inseln vor derselben (Insulae Saxonum), von wo sie sich nach Westen und Süden bis zur Ems, Lippe und zum
Harz ausbreiteten.
Als Seeräuber suchten sie die Küsten der Nordsee heim, plünderten die Küsten Britanniens und Galliens, und mit ihrer Hilfe
bemächtigte sich 287 der Menapier Carausius der Herrschaft Britanniens. In Gemeinschaft mit den Angeln setzten sie
sich um 450 in dem von den Römern verlassenen Britannien dauernd fest und gründeten daselbst das angelsächsische Reich (s.
Angelsachsen). In ihrer festländischen Heimat schieden sie sich nach der Lage ihrer Wohnsitze in die Ostfalen im O., die Westfalen
im W. der Weser, die Engern (Angrarier) zu beiden Seiten derselben und die Nordalbingier im N. der Elbe.
Von den Erschütterungen der Völkerwanderung wenig berührt, bewahrten sie unverändert die Grundzüge altgermanischen Wesens.
Neben den freien Grundeigentümern, den Frilingen oder Fronen, aus denen die Edelinge hervorragten, gab es dienstpflichtige Unfreie,
Liten (Laten), und Leibeigne. Sie bildeten freie Volksgemeinden und Gaugenossenschaften unter gewählten
Vorstehern; nur in Kriegszeiten stellten sie sich unter die Führung eines Herzogs. Alljährlich fand zu Marklo an der Weser
eine Versammlung von Abgeordneten der einzelnen Gaue statt, welche über gemeinsame Angelegenheiten, besonders über Krieg
und Frieden, beriet. Städte hatten die S. nicht, nur Burgen (Eresburg u. a.). Gleich den alten Germanen hatten
sie keinen Priesterstand, hingen aber dem heidnischen Götterdienst mit Eifer und Treue an.
Nachdem die S. 530 im Bund mit den Franken das Thüringerreich zerstört und das Land zwischen Harz und Unstrut erworben hatten,
gerieten sie allmählich in Abhängigkeit von den Franken, denen sie sich 553
mehr
124 zur Zahlung eines jährlichen Tributs von 500 Kühen verpflichten mußten; erst 631 wurden sie von demselben gegen das Versprechen,
die fränkische Grenze gegen die Einfälle der Wenden zu verteidigen, befreit. Infolge des Verfalls des Merowingerreichs wieder
unabhängig, wurden sie erst von Karl Martell wieder mit Krieg überzogen (718, 720 und 738), weil sie das
Land der Hattuarier (Geldern) verwüstet hatten. Pippin führte mehrere Kriege gegen sie, unterwarf die Grenzsachsen, bekehrte
sie zum Christentum und legte, nachdem er bis zur Weser und Oker vorgedrungen, 759 den S. einen Tribut von 300 Pferden auf.
Aber erst der große Sachsenkrieg Karls d. Gr. (772-785) unterwarf die S. dauernd der fränkischen Herrschaft
und dem Christentum. Schon auf seinem ersten Feldzug eroberte Karl die Eresburg, zerstörte die Irmensäule, drang bis an die Weser
vor und empfing von den S. Geiseln und das Versprechen, die christliche Mission nicht zu stören. Während Karl 774 gegen die
Langobarden zog, empörten sich die S. unter Widukind, wurden aber in zwei Kriegen 775-776 von Karl unterworfen, der 777 auf
sächsischem Gebiet zu Paderborn einen Reichstag abhielt, auf dem viele Edelinge ihm huldigten und die Taufe empfingen.
Während Karls Abwesenheit in Spanien erhoben sich die S. 778 von neuem und verwüsteten das rechte Rheinufer. 779 unternahm
daher Karl den vierten Zug
nach Sachsen, drang bis zur Oker vor, wo viele Engern und Ostfalen sich unterwarfen, und hielt 780 einen
Reichstag zu Lippspringe ab, auf welchem Sachsen im Missionsbezirke eingeteilt wurde. Die Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung
und der Heerespflicht rief 782 einen allgemeinen Aufstand unter Widukind hervor; die Kirchen wurden zerstört,
die Priester verjagt und ein gegen die Sorben ziehendes Frankenheer am Süntel vernichtet.
Die furchtbare Rache, die Karl durch Hinrichtung von 4500 Gefangenen in Verden a. d. Aller nahm, reizte die S. zum äußersten
Widerstand; doch erlitten sie 783 bei Detmold und an der Hase blutige Niederlagen, in welchen die waffenfähige
Mannschaft fast zu Grunde ging; das Land wurde auf Befehl Karls mit Feuer und Schwert verwüstet. Auf dem Reichstag zu Paderborn 785 wurde
darauf die Annahme des Christentums bei Todesstrafe geboten und die Abgabe des Zehnten auferlegt.
Nun empfingen Widukind und sein Freund Albio die Taufe zu Attigny. Hiermit war die Unterwerfung Sachsens entschieden.
Zwar kam es während des Avarenkriegs 793 noch einmal zu einer Empörung der S. Doch wiederholte Feldzüge Karls durch das
Sachsenland ( der letzte 804), Verpflanzung von S. in andre Reichsteile und Ansiedelung fränkischer Kolonisten in
Sachsen brachen endlich die Widerstandskraft des Volkes gänzlich. Die Errichtung zahlreicher Bistümer, wie Osnabrück, Verden,
Bremen, Paderborn, Minden, Halberstadt, Hildesheim und Münster, hatte die feste Begründung der christlichen Religion in Sachsen
zur Folge; ja, die S. wurden die eifrigsten Christen und unversöhnliche Feinde ihrer heidnisch gebliebenen östlichen Nachbarn,
der Wenden.
Nur ihr altes Stammesrecht, die Lex Saxonum, behielten sie. Der fränkischen Herrschaft blieben sie treu und standen dem Kaiser
Ludwig dem Frommen gegen seine Söhne bei. Während des Kriegs unter diesen nach des Kaisers Tod gelang es dem bei Fontenoy 841 geschlagenen
Kaiser Lothar, die niedern Stände in Sachsen, die Frilinge und Liten, gegen den von den Franken sehr begünstigten
Adel aufzureizen und den Aufstand eines Stellinga genannten Bundes
hervorzurufen; doch wurde derselbe 842 von Ludwig dem Deutschen
unterdrückt. Sachsen fiel im Vertrag von Verdun an das ostfränkische Reich.
Das alte Herzogtum Sachsen.
Die Schutzlosigkeit, in welcher die Karolinger das Land gegen die Raubeinfälle der Slawen und Normannen
ließen, welch letztere 845 Hamburg zerstörten, bewirkte, daß die Sachsen sich wieder unter die Führung eines Herzogs stellten.
Diese Würde erlangte zuerst Otto der Erlauchte (880-912), Sohn Brunos, eines Edelmanns aus reichbegütertem Geschlecht, der 880 bei
Hamburg gegen die Normannen fiel; Otto dehnte seine Gewalt auch über Thüringen aus. Sein Sohn Heinrich (912-936)
ward 919 zum deutschen König erwählt, und damit wurde der Stamm der Sachsen an die Spitze Deutschlands gestellt.
Seiner kriegerischen Tüchtigkeit verdankte dies die Vertreibung der Magyaren (933) und die Unterwerfung der slawischen Stämme
rechts der Elbe. Unter der weisen Leitung Heinrichs und seines großen Sohns Otto I. entwickelten sich aber
auch Künste und Wissenschaften in S. zu hoher Blüte. Zahlreiche Kirchen und Klöster wurden errichtet, Poesie und Geschichtschreibung
in letztern eifrig gepflegt. Die Sachsen, welche sich kaum 200 Jahre früher der fränkischen Herrschaft und dem Christentum
so hartnäckig widersetzt hatten, waren unter dem sächsischen Kaisergeschlecht die Hauptstütze des
heiligen römischen Reichs deutscher Nation.
Otto I. übertrug 950 dem tapfern Grafen Hermann Billung das Herzogtum S., der durch glückliche Kämpfe gegen die Wenden die Ostgrenze
erweiterte; doch gingen die überelbischen Eroberungen unter Herzog Bernhard I (973-988), dem Sohn Hermanns,
wieder verloren, als nach dem Tod Kaiser Ottos II. die Slawen einen großen Aufstand machten; weder Otto III. noch Heinrich II.
vermochten dieselben wiederzugewinnen. Auf Herzog Bernhard II. (988-1011) folgte Bernhard III. (1011-59), unter dessen langer
Regierung mit dem Erlöschen des sächsischen Kaiserhauses (1024) die deutsche Königskrone vom sächsischen Stamm
wieder auf den fränkischen überging.
Das erbliche sächsische Herzogtum, das auch die Bischöfe unter seine Gewalt beugte, war seitdem die Hauptstütze der fürstlichen
Opposition gegen die kaiserliche Macht, und der auf seine Eigenart und seine Freiheiten stolze sächsische Stamm stand den Billungern
treu zur Seite. Vergeblich verlegten die Kaiser Heinrich III. und Heinrich IV. ihre Residenz nach S., nach
Goslar und den von ihnen am Harz erbauten Burgen. Gerade die damit verbundenen Belästigungen und Kosten reizten die Sachsen um
so mehr gegen die fränkischen Herrscher auf, und als Heinrich IV. den sächsischen Großen Otto von Nordheim des Herzogtums
Bayern beraubte und den Nachfolger Herzog Ordulfs (1059-71), Herzog Magnus, durch Kerkerhaft zum Verzicht
auf die sächsische Herzogswürde zwingen wollte, brach 1073 in S. eine Empörung aus, welche erst 1075 durch den Sieg des
Königs bei Hohenburg bewältigt wurde. Doch hatten Heinrichs Gegenkönige, Rudolf von Schwaben, Hermann von Luxemburg und Ekbert
von Meißen, auch nachher ihre Hauptstütze im Sachsenstamm.
Als 1106 mit Magnus der Billungsche Mannesstamm erlosch, belehnte Heinrich V. den Grafen Lothar von Supplinburg mit dem Herzogtum
S. Derselbe brachte durch Heirat die reichen nordheimischen und braunschweigischen Güter an sich (1113) und stellte sich auf
Anstiften der päpstlichen Partei an die Spitze der Fürstenopposition, welche in der
mehr
Schlacht am Welfesholz 1115 den Sieg über das kaiserliche Heer davontrug. Als dann Lothar nach dem Erlöschen des salischen Hauses 1125 selbst
auf den Kaiserthron erhoben wurde, hatte er mit den staufischen Brüdern um die Krone zu kämpfen und mußte gegen sie eine
Stütze beim welfischen Herzog von Bayern, Heinrich dem Stolzen, suchen, der von seiner Mutter Wulfhild, der
Tochter des Herzogs Magnus, die Billungschen Hausgüter geerbt hatte. Er vermählte demselben seine Tochter Gertrud und übertrug
ihm auch auf seinem Sterbebett 1137 das Herzogtum S. Als der neue König, Konrad III., diese Übertragung nicht anerkennen
wollte, kam es zwischen ihm und Heinrich zum Kampf; letzterer wurde geächtet und seine Herzogtümer ihm
abgesprochen, von denen S. dem Markgrafen Albrecht dem Bären übertragen wurde.
Doch konnte dieser auch nach Heinrichs des Stolzen Tod (1139) S. nicht erobern und mußte es im Frankfurter Frieden 1142 Heinrichs
Sohn, Heinrich dem Löwen, zurückgeben, wogegen die Mark Brandenburg vergrößert und von der herzoglichen
Gewalt befreit wurde. Heinrich der Löwe nahm mit Erfolg die Kriege gegen die Wenden wieder auf, eroberte Holstein, Mecklenburg
und Vorpommern, gründete Bistümer und Städte, wie Lübeck, und verbreitete deutsche und christliche Kultur; die sächsischen
Großen, geistliche wie weltliche, brachte er unter seine Botmäßigkeit.
Seine über fast ganz Norddeutschland sich erstreckende Macht war eine königliche. Als er nun 1176 dem Kaiser Friedrich I.
die Heeresfolge nach Italien verweigerte, wurde die Zertrümmerung dieses allzu großen Herzogtums beschlossen. Nachdem Heinrich der
Löwe 1180 geächtet und vom Kaiser zur Unterwerfung gezwungen worden war, wurden ihm nur seine Allodien,
Braunschweig und Lüneburg, gelassen. Die Bischöfe und weltlichen Fürsten, auch einige Städte wurden für reichsunmittelbar
erklärt, die herzogliche Gewalt in Westfalen dem Erzstift Köln übertragen und der Name des Herzogtums S. auf den östlichen
Teil an der Elbe beschränkt, mit dem Albrechts des Bären zweiter Sohn, Bernhard von Askanien, belehnt wurde.
Das jüngere Herzogtum Sachsen.
Das neue Herzogtum S., dem alten Volksherzogtum weder an Umfang noch an Macht vergleichbar, spielte demgemäß in der Geschichte
des Deutschen Reichs nur eine untergeordnete Rolle. Dazu kam, daß die Askanier nach dem Tode des zweiten Herzogs aus ihrem Geschlecht,
Albrechts I. (1212-60), S. teilten, so daß der ältere Sohn, Johann, das Gebiet an der untern, der jüngere,
Albrecht II. (1260 bis 1298), das an der mittlern Elbe erhielt; beide Linien, die sich nach ihren Hauptstädten Sachsen-Lauenburg
und Sachsen-Wittenberg nannten, führten den Titel eines Herzogs von S., Engern und Westfalen und eines Reichsmarschalls
und erhoben beide auf das Recht, den König zu wählen, Anspruch.
Nach langem Streit wurde dies Recht durch die Goldene Bulle 1356 der wittenbergischen Linie zugesprochen, welche zugleich mit
dem Erzmarschallamt das Reichsvikariat in den Ländern des sächsischen Rechts erhielt und sich durch die Unteilbarkeit der
Kurlande vor weiterer Zersplitterung bewahrte. Herzog Rudolf II. (1356-70), Rudolfs I. (1298-1356) Sohn,
nannte sich zuerst Kurfürst von S., sein Bruder Wenzel (1370-88) führte zuerst die Kurschwerter im sächsischen Wappen. Wenzels
Sohn Rudolf III. starb kinderlos 1419, und mit seinem Bruder Albrecht III. erlosch 1422 die wittenbergische Linie des askanisch-sächsischen
Hauses.
Kaiser
Siegmund verlieh, ohne die Ansprüche der Linie Sachsen-Lauenburg zu berücksichtigen, S. dem
Markgrafen Friedrich dem Streitbaren (s. Friedrich 58) von Meißen, welcher zu Ofen feierlich belehnt wurde. Mit ihm
beginnt die Herrschaft des Hauses Wettin. Sachsen-Lauenburg erhob im 15. Jahrh. noch mehrmals Anspruch auf die kurfürstlichen
Titel und Rechte, aber ohne Erfolg (weiteres s. Lauenburg). Der Name S. ging nun auch auf die übrigen Besitzungen des Hauses
Wettin, Meißen und Thüringen, über; doch wurde dieses S. noch lange als Obersachsen von Niedersachsen, dem Gebiet der untern
Elbe und Weser, unterschieden, bis für letzteres Land der Name Hannover üblich wurde. Über die Geschichte
Kursachsens seit 1423 s. Sachsen, Königreich (S. 134 ff.).
Die Pfalzgrafschaft Sachsen.
Die königlichen Güter in S., hauptsächlich in der Nähe des Kyffhäusers gelegen (Grona, Werla, Wallhausen), ferner Dornburg,
Arnstadt und Sulza, die königlichen Pfalzen und Besitzungen in Magdeburg und Merseburg wurden von Pfalzgrafen
verwaltet, als deren erster Adalbert oder Berno (gest. 982) genannt wird. Um 1040 kam die Pfalzgrafschaft an Dedo, Grafen von
Goseck, dessen Nachfolger sich, als Friedrich von Sommerschenburg die Grafschaft 1088 seinem Großneffen Friedrich von Goseck
entrissen hatte, nach ihrem Allod Pfalzgrafen von Putelendorf (Bottelndorf a. d. Unstrut) nannten.
Nach dem Erlöschen des Hauses Sommerschenburg mit Albrecht II. 1179 verlieh Kaiser Friedrich I. auf dem
Reichstag zu Gelnhausen die Pfalzgrafschaft S. dem Landgrafen Ludwig III. von Thüringen, der sie 1181 seinem Bruder
Hermann abtrat. Nach dem Aussterben des thüringischen Landgrafengeschlechts kam sie nebst Thüringen an den Markgrafen Heinrich
den Erlauchten von Meißen, der sie 1291 nebst Landsberg, Delitzsch und Sangerhausen an den Markgrafen von Brandenburg verkaufte.
In ihren Resten, Lauchstädt und Allstedt, kam die Pfalzgrafschaft S. 1318 als Wittum an Agnes, die Witwe Heinrichs des ältern
von Brandenburg, von deren Erben sie Markgraf Friedrich der Ernsthafte von Meißen 1347 kaufte, worauf er
sich den pfalzgräflichen Titel beilegte. Doch galt noch immer die Pfalz in Magdeburg als eigentlicher Sitz der Pfalzgrafschaft,
welche daher in der sächsischen Goldenen Bulle vom als ein Zubehör des Herzogtums S. bezeichnet wurde. Friedrich
der Streitbare legte den bedeutungslos gewordenen pfalzgräflichen Titel ab und behielt nur das Wappen,
den kaiserlichen Adler, bei.
[* ] Ernestinische Linie. Das Haus Wettin teilte sich 1485 in zwei Linien, die jüngere Albertinische, begründet von
Albrecht dem Beherzten, welche Meißen und dazu 1547 die Kurwürde erhielt und jetzt im Königreich S. (s. d.) regiert, und
die ältere Ernestinische, welche 1547 die Kurwürde verlor und bloß die thüringischen Besitzungen behielt;
es waren dies die Ämter, Städte und Schlösser Gerstungen, Eisenach, Wartburg, Kreuzburg, Tenneberg, Waltershausen, Leuchtenburg,
Roda, Orlamünde, Gotha, Jena, Kapellendorf, Roßla, Weimar, Wachsenburg, Dornburg, Kamburg, Buttstädt, Arnshaugk, Weida und Ziegenrück.
Hierzu kamen nach dem Tode des Herzogs Johann Ernst von Koburg (1553) noch die Ämter Koburg, Sonneberg, Hildburghausen,
Königsberg, Veilsdorf und Schalkau und durch den Naumburger Vertrag Altenburg, Eisenberg, Sachsenburg und Herbesleben,
mehr
welche Kurfürst August abtrat, sowie 1555 durch Tausch mit den Grafen von Mansfeld die Herrschaft Römhild. Endlich erwarb das
Ernestinische Haus aus der hennebergischen Erbschaft (1583), definitiv allerdings erst 1660, die Ämter Meiningen, Themar, Maßfeld,
Behrungen, Henneberg, Milz, Ilmenau, Kaltennordheim, Frauenbreitungen, Sand und Wasungen.
Gehorsam dem väterlichen Testament, welches ihnen eine Landesteilung untersagte, überließen nach dem
Tod Johann Friedrichs des Großmütigen (1554) dessen jüngere Söhne, Johann Wilhelm und Johann Friedrich III., in dem Örterungsrezeß
von 1557 dem ältesten, Johann Friedrich II., dem Mittlern, die alleinige Regierung; jedoch nach Johann Friedrichs III. Tod (1565)
teilten die Brüder im Mutschierungsvergleich vom die Länder so, daß Johann Friedrich den weimarischen
Teil mit der Hauptstadt Gotha, Johann Wilhelm den koburgischen empfing. Nach der Ächtung und Gefangennahme Johann Friedrichs
infolge der Grumbachschen Händel (s. Grumbach) nahm Kurfürst August die Ämter Weida, Ziegenrück, Arnshaugk und Sachsenburg als
Ersatz für die Kosten der Achtsvollstreckung, während Johann Wilhelm sämtliche andre Ernestinische Lande
unter seiner Regierung vereinigte. Doch mußte er 1572 den koburgischen Teil an Johann Friedrichs Söhne abgeben, von denen Johann
Kasimir (gest. 1633) die Linie Koburg, Johann Ernst (gest. 1638) die Linie Eisenach gründeten, welche beide Linien mit ihrem Tod
aber wieder erloschen. Die Söhne Johann Wilhelms (gest. 1573), Friedrich Wilhelm I. und Johann, regierten
bis zu des erstern Tod (1602) gemeinschaftlich, dann teilten dessen Söhne und ihr Oheim Johann 1603 den weimarischen Anteil
in die Linien Altenburg und Weimar, von denen die erstere mit Friedrich Wilhelms II. jüngstem Sohn, Friedrich Wilhelm III., 1672 wieder
erlosch.
Herzog Johann von Weimar, der Stammvater der jetzigen Ernestinischen Linie, hinterließ bei seinem Tod 1605 acht Söhne, von denen
der sechste, Herzog Bernhard, der Held des Dreißigjährigen Kriegs wurde, Herzog Wilhelm die Linie Weimar fortpflanzte und Ernst
der Fromme die Linie Gotha begründete; Wilhelm und Ernst teilten sich durch den Erbvertrag vom in
die durch das Erlöschen der Linien Koburg und Eisenach (s. oben) vermehrten Lande. Nach Wilhelms Tod (1662) teilte sich die weimarische
Linie in die Linien Weimar, Eisenach, Marksuhl, Jena, von denen Eisenach 1670 erlosch, worauf Johann Georg von Marksuhl nach Eisenach
zog und seine Linie danach benannte; Jena erlosch 1690, Eisenach 1741, und ihre Lande fielen an das Stammhaus
Weimar zurück, in welchem Herzog Ernst August 1719 das Recht der Erstgeburt eingeführt hatte und die verderblichen Teilungen
nun aufhörten (s. Sachsen-Weimar-Eisenach, Geschichte).
Ernst der Fromme, der Stifter der Linie Gotha, erwarb nach dem Erlöschen der Linie Altenburg (1672) einen
Teil von deren Ländern, nämlich Altenburg, Saalfeld, Koburg, Hildburghausen sowie die ehemals hennebergischen Ämter Meiningen,
Römhild u. a. Nach seinem Tod (1675) begründeten seine sieben Söhne 1680 sieben Linien, nämlich Friedrich I. Gotha, Albrecht
Koburg, Bernhard Meiningen, Heinrich Römhild, Christian Eisenberg, Ernst Eisfeld (später Hildburghausen), Johann
Ernst Saalfeld.
Koburg erlosch schon 1699, Eisenberg 1707 und Römhild 1710, worauf nach langem Erbstreit 1735 durch kaiserliche Entscheidung
ihre Lande unter
die vier übrigen Linien Gotha, Meiningen, Hildburghausen und Koburg-Saalfeld geteilt wurden, in welchen inzwischen
das Erstgeburtsrecht eingeführt worden war, das weitere Zersplitterung verhinderte. Als 1825 die gothaische
Linie ausstarb, erhielt im Teilungsvertrag vom der Herzog Friedrich von Hildburghausen Altenburg, während er Hildburghausen
an Meiningen abtrat, und führte seitdem den Titel Herzog von S.-Altenburg (s. d.); Herzog Ernst von Koburg-Saalfeld trat Saalfeld
an Meiningen ab und erhielt Gotha, worauf er sich Herzog von S.-Koburg-Gotha (s. d.) nannte; Herzog Bernhard von
Meiningen erwarb Hildburghausen und Saalfeld und nannte sich seitdem Herzog von S.-Meiningen-Hildburghausen (s. d.). Gemeinschaftlich
blieb den drei gothaischen Speziallinien, die 1844 den Titel »Hoheit« annahmen, der 1690 gestiftete und 1833 erneuerte Ernestinische
Hausorden (s. d.), während die Gesamtuniversität Jena und das Oberappellationsgericht daselbst, das 1879 zu dem
thüringischen Oberlandesgericht erweitert wurde, sämtlichen Ernestinern gemeinschaftlich gehörten. Das Gesamtgebiet des
Ernestinischen Hauses beträgt 9344 qkm mit (1885) 889,119 Einw.
Vgl. Pölitz, Geschichte der Staaten des ernestinischen Hauses
S. (Dresd. 1827);
Burkhardt, Stammtafeln der ernestinischen Linien des Hauses S. (Weim. 1885).
deutsches Königreich, hinsichtlich des Flächeninhalts
der fünfte, hinsichtlich der Bevölkerung der dritte Staat des Deutschen Reichs, erstreckt sich von 50° 10'-51° 29' nördl.
Br. und von 11° 53'-15° 4' östl. L. v. Gr. Mit
Ausnahme der kleinen Parzellen Ziegelheim und Liebschwitz mit Traubenpreskeln bildet das Königreich ein geschlossenes Ganze,
das im O. und N. von den preußischen Provinzen Schlesien und S., im W. von der Provinz S., S.-Altenburg,
S.-Weimar und Reuß, im SW. von Bayern und Böhmen, im Süden und SO. von Böhmen begrenzt wird. Die ganze Grenzlinie hat eine Länge
von 1226 km. Die größte Längenausdehnung von W. nach O. beträgt 210, die größte Breitenausdehnung
von N. nach Süden 150 km. Nach allen übrigen Seiten offen, hat es nur gegen Böhmen eine natürliche Grenze.
Physische Beschaffenheit.
Seiner Bodenbeschaffenheit nach gehört S. fast ganz dem norddeutschen Berg- und Hügelland an und greift nur in seinem nördlichen
Teil in die Norddeutsche Tiefebene hinüber. Nur 0,5 Proz. der
Gesamtfläche liegt tiefer als 100 m über der Ostsee, 58,5 Proz. erheben sich mehr als 250 m über dieselbe,
wovon 18,1 Proz. bis 550 m, 9,1 Proz.
550-700 m und 0,3 Proz. über 700 m. S. wird durch die Elbe, deren enges Thal sich nur zwischen Pirna und Meißen erweitert,
in zwei orographisch verschiedene Teile geschieden.
Das Gebiet östlich von der Elbe wird von den nordwestlichen Gliedern der Sudeten und deren Vorhöhen erfüllt. Im äußersten
Südosten, um Zittau, reicht ein Teil des sächsisch-böhmischen Sandsteingebirges herein mit den höchsten Erhebungen des
ganzen Gebirgszugs, den Phonolithkuppen der Lausche (796 m) und des Hochwaldes (729 m) sowie dem Sandsteinkegel
des Oybins (565 m). Von da an zieht sich längs der böhmischen Grenze das Lausitzer Gebirge (s. d.) hin als eine größtenteils
aus Granit bestehende, wellige Hochfläche von 310-330 m Höhe mit zahlreichen schroff aufsteigenden Kegelbergen, z. B. dem
Kottmar bei Herrnhut (583 m), dem Löbauer Berg (446 m) u. a.
Königreich Sachsen Maßstab 1.850000
mehr
Gegen N. geht dieselbe allmählich in die sandige Tiefebene über, an deren Grenze noch als bedeutendere Berge der Rothstein
bei Sohland, das Pulsnitzer Gebirge mit dem Sibyllenstein (428 m), der isolierte Keulen- oder Augustusberg (409 m) und die Kamenzer
Berge hervortreten. Nach W. hin bildet dieses flache Terrain einen steil abfallenden Rand gegen das Elbthal
von Pillnitz abwärts (Porsberg 362 m) bis Niederau und tritt dann von Meißen abwärts mit immer niedriger werdendem Rand hart
an die Elbe heran, bis es nordwestlich von Großenhain ganz in die Ebene übergeht.
Oberhalb Meißen erhebt sich das kleine, geognostisch zum linken Ufer gehörige Spaargebirge (200 m). Zu
beiden Seiten der Elbe von Tetschen abwärts bis Pirna bildet das Elbsandsteingebirge oder die Sächsische Schweiz (s. d.) ein
im Durchschnitt über 325 m hohes bewaldetes Plateau, aus Quadersandstein mit einzelnen Basaltdurchbrüchen bestehend, von tiefen
und engen Thalschluchten durchfurcht, mit zahlreichen aufgesetzten Tafelbergen, darunter dem Lilienstein (409
m) am rechten, dem Königstein (360 m), den Zschirnsteinen (558 und 494 m), dem Papststein (438 m) und dem Pfaffenstein (423
m) am linken Ufer.
Die höchste, aber flachere Erhebung dieses Gebiets ist in S. der Große Winterberg (558 m) auf dem rechten Elbufer. Westlich
von der Elbe erstreckt sich das Hauptgebirge Sachsens, das Erzgebirge (s. d.), in einer Länge von 151 km
von den Quellen der Gottleuba in westsüdwestlicher Richtung bis über die Quellen der Zwickauer Mulde und Zwota hinaus. Der Kamm
desselben ist eine einförmige, oft stundenbreite öde Sumpf- und Waldfläche ohne Paßeinschnitte von 700-850 m durchschnittlicher
Erhebung, über welche die höchsten auf sächsischem Gebiet liegenden Berge, der vordere (1217 m) und hintere
Fichtelberg (1213 m), emporragen.
Die bedeutendsten Höhen des Gebirges liegen auf böhmischem Gebiet; auf der sächsischen Nordabdachung zwischen Elb- und Zschopauthal
erheben sich nur der basaltische Geising (822 m) und der Kahlenberg (894 m). Eine Linie von Mittweida über
Nossen, Wilsdruff, Wesenstein, Berggießhübel begrenzt das über 325 m hohe Terrain, welches nur selten einen scharfen Abfall,
wie im Windberg (364 m) zum Plauenschen Grund, zeigt. Aus der Tiefebene erheben sich das kleine Oschatzer Grauwackengebirge
mit dem weithin sichtbaren Kolmberg (314 m) sowie die Hügelgruppen von Lübschütz bei Strehla und von
Hohburg, letztere mit dem Löbenberg (241 m) und dem Spitzberg (204 m). Eine etwas mannigfaltigere Gestaltung als der östliche
Gebirgsflügel zeigt der von dem Pöhlbach und der Zschopau im O. bis gegen Schöneck und Auerbach im W., von der böhmischen
Grenze im Süden bis Stein, Stollberg, Thum im N. reichende westliche.
Hier erreicht der Granulit des Schneckensteins 874 m, der Großaffenstein 746 m. An letztern schließt sich der
Höhenzug an, welcher, von 600 m mittlerer Höhe, die Zwickauer Mulde im W. begleitet. Das Zentrum des Erzgebirges bietet infolge
der weitern Verbreitung des Granits und des Auftretens tafelförmiger Basaltberge abwechselnde Formen dar.
Hier erheben sich auf sächsischem Gebiet zwischen Muldequelle und Schwarzwasser nach SO.: der Rammelsberg (965 m), der Hirschkopf
(1006 m), der Brückenberg (964 m), der Auersberg (1019 m) und der Eselsberg (886 m), wegen ihrer ähnlichen Gestalt mit dem
gemeinsamen Namen der Auersberge bezeichnet.
Über die flachen, großenteils kultivierten Höhenzüge bei Annaberg erheben sich die Basaltkuppen des
Bärensteins (900 m), Pöhlbergs (831 m) und Scheibenbergs
(804 m), der Granitfels Greifenstein (726 m), der Schatzenstein (790
m) und der Ziegenberg (665 m). Zwischen Zwickau, Chemnitz und Nossen liegt das erzgebirgische Kohlenbassin, in dem Thonschiefer,
Grauwacke, Grünstein, Kohlengebirge, Rotliegendes, auch Porphyr und Melaphyr miteinander abwechseln, unter
einer welligen Oberfläche eingebettet, deren tiefste Punkte bei Zwickau (290 m), Glauchau (246 m) und Chemnitz (307 m) von den
Höhen bei Lichtenstein und Ölsnitz nur unbedeutend überragt werden, während der Thonschieferrücken im Süden (425-520 m)
und der Hohenstein-Chemnitzer Glimmerschiefer- und Thonschieferzug im N. (Langenberger Höhe 418 m) die höhern
Begrenzungen jenes Kohlenbassins bilden.
Zwischen Glauchau und Döbeln, rings von einem Thonschieferrand umgeben, erstreckt sich ein sich wenig über 350 m erhebendes
Granulitgebirge, mit einzelnen Granit-, Gneis- und Serpentinbildungen abwechselnd. In den flachern Gegenden von Altenburg bis
Wurzen und Oschatz herrscht Porphyr vor, der sich im Rochlitzer Berg 341 m hoch erhebt. Bei Grimma und Brandis
sind noch Höhen von 200 m, während sich nach NW. um Leipzig die braunkohlenführende Tertiärformation in flachen Wellen ausbreitet.
Der südlichste Teil des sächsischen Vogtlandes gehört dem Elstergebirge an, dessen abgerundete, meist aus Urthonschiefer
bestehende Höhen durch wenig markierte Sättel vom Erzgebirge und Fichtelgebirge getrennt sind. Hier erheben
sich um die Quellen der Elster der Hohe Brand (676 m) und der Kapellenberg (750 m).
S. ist reich bewässert, und zwar liegt es fast ausschließlich im Stromgebiet der Elbe (s. d.). Sie nimmt in S. auf: rechts
die Kirnitzsch, den aus der Sebnitz und Polenz gebildeten Lachsbach, die Wesenitz und die Priesnitz;
links die Biela, Gottleuba,
Müglitz, Lockwitz, Weißeritz, den Zschonergrundbach, Saubach, die Triebisch, das Lommatzscher Wasser, die Jahna, Döllnitz und
den Lupper- oder Bruchbach.
Der bedeutendste Nebenfluß der Elbe ist die Mulde, die mit ihren zwei bei
Klein-Sermuth sich vereinigenden Hauptarmen, der Zwickauer und der Freiberger Mulde, ein Gebiet von fast 5500 qkm (99,,6 QM.)
umfaßt und als bedeutendsten Zufluß die Zschopau mit der Sehma, Pöhla, Preßnitz und Flöha aufnimmt. Die Weiße Elster (s. d.)
verläßt bald nach der Vereinigung ihrer Quellen und nach Aufnahme der Trieb und der Göltzsch S., betritt
es aber oberhalb Pegau wieder, um dann, verstärkt durch die Schnauder und die Pleiße mit Wihra und Parthe, jenseit der Grenze
in die Saale zu münden.
Die Schwarze Elster (s. d.) entspringt in S., das sie nach einem Laufe von 22 km verläßt, und nimmt aus
S. das Schwarzwasser, die Pulsnitz und die Röder auf. Die Spree entspringt auf dem Lausitzer Gebirge bei Walddorf, durchfließt
S. auf einer Strecke von 52 km und nimmt das Löbauer Wasser auf. Zum Gebiet der Eger gehören nur die südlichste Spitze des
Landes und die Zwota. Das Saalegebiet berührt S. durch die Wiesenthal an der äußersten westlichen Grenze.
Zum Odergebiet gehört nur die aus Böhmen kommende Neiße, die nach 38 km langem Lauf nach Preußen übergeht, nachdem sie die
ebenfalls aus Böhmen kommende Mandau, Kipper, Wittig und Pliesnitz aufgenommen hat. Eigentliche Seen hat S. nicht, wohl aber
zahlreiche Teiche, namentlich bei Moritzburg und zwischen Hubertusburg und Mutzschen. Unter den Mineralquellen
sind hervorzuheben: Elster, das alkalische Bad Berggießhübel, die Eisenwässer Augustusbad bei Radeberg, Schandau, Tharandt,
Hohenstein, Neustadt
mehr
bei Stolpen, die Thermalbäder Wolkenstein (das wärmste von allen, 30° C.) und Wiesenbad, das Vitriolwasser zu Lausigk (Hermannsbad)
und das Schwefelbad Grünthal.
Sachsens Klima ist infolge seiner Lage am Nordabhang des Erzgebirges rauher, als die geographische Breite es bedingt, am mildesten
in den Thälern der Elbe, Mulde und Pleiße, am rauhesten auf dem Kamm des Erzgebirges, namentlich in dem »sächsischen
Sibirien« um Morgenröthe, Karlsfeld, Johanngeorgenstadt und Oberwiesenthal. Die mittlere Jahrestemperatur, wie sie auf den unter
dem meteorologischen Institut zu Chemnitz stehenden 156 Stationen ermittelt ist, beträgt 7,2° C., in Leipzig bei 119 m Meereshöhe
8,5,° in Dresden (128 m) 8,8,° in Elster (501 m) 6,2,° in Oberwiesenthal (927 m) 4,6°. Die Abnahme der
mittlern Jahrestemperatur erfolgt um 1° C. bei durchschnittlicher Erhebung um 170 m. Die Menge der Niederschläge ist durchschnittlich 710 mm
an 188 Regen- und Schneetagen, davon in der niedrigsten Höhenlage 589, in der höchsten 940. Den geringsten
Niederschlag hat die Station Gohrisch mit 490, den stärksten die Station Rehfeld mit 1297 mm.
Areal und Bevölkerung.
Der Flächenraum des Königreichs S. beträgt 14,992,94 qkm (272,29 QM.).
Es hat unter allen europäischen Staaten die dichteste Bevölkerung, im J. 1885: 3,182,003 Einw. in 707,088 Haushaltungen und
284,524 Hausgrundstücken, und trotzdem auch die stärkste jährliche Bevölkerungszunahme. Es zählte
1815: 1,178,802, 1830: 1,402,066, 1840: 1,706,276, 1864: 2,344,094, 1875: 2,760,786 Seelen. Männliche Einwohner sind 1,542,405,
weibliche 1,639,598. Es kommen auf 1 qkm 212,2 Einw., auf die Kreishauptmannschaft:
QKilom.
Einwohner
überhaupt
auf 1 QKil.
Dresden
4336.86
860558
186.4
Leipzig
3567.35
774036
198.4
Bautzen
2469.73
356560
142.3
Zwickau
4619.00
1190849
239.3
Am dichtesten bevölkert ist, abgesehen von den Bezirken der Großstädte, die industriereiche Amtshauptmannschaft Glauchau
mit 396,3 Einw. auf 1 qkm, am dünnsten das rein landwirtschaftliche
sandige Niederland rechts der Elbe und das unwirtliche Oberland. Die Zahl der Gebornen überragt die der Gestorbenen jährlich
um ca. 40,000 = 3 überschießende Geburten auf 1 qkm. Die Zahl der Auswanderer betrug 1887: 2434, der durchschnittliche
Anteil Sachsens an der deutschen Auswanderung 3,3 Proz., dagegen die der in S. aufgenommenen Fremden 3694 gegen 236 aus dem sächsischen
Staatsverband Entlassene. S. hat 143 Städte und 3118 Landgemeinden (920 Rittergüter). In Städten wohnen
1,340,881 (= 42,1 Proz.), auf dem Land 1,841,122 Menschen.
Unter den Städten hat eine (Dresden) mehr als 200,000 Einw., eine zwischen 150-200,000, eine über 90,000, eine über
30,000, vier zwischen 20,000 und 30,000, vier zwischen 15,000 und 20,000, acht zwischen 10,000 und 15,000, aber auch sechs
weniger als 500 Einw. Fünf Landgemeinden hatten mehr als 10,000 Einw.; die volkreichste der letztern war Reudnitz (18,824
Einw.), welches aber nebst andern Vorstadtdörfern 1889 in die Stadt Leipzig einverleibt wurde. Der Abstammung nach sind die
Bewohner teils germanisierte Slawen, teils aus Thüringen und Franken eingewanderte Deutsche. In der Lausitz
wohnen noch 49,916 Wenden. Dem religiösen Bekenntnis nach zählte man 1885: 3,064,564 (96,31 Proz.) Lutheraner, 86,952 (2,79
Proz.) Römisch-Katholische, 2539 Apostolisch-Katholische, 10,193 Reformierte, 2155 Deutschkatholiken, 7755 (1834: 850)
Israeliten
etc. Bodenbenutzung, Land- und Forstwirtschaft.
In Bezug auf die physische Kultur nimmt S. eine hohe Stelle ein. Von der Gesamtfläche an 1,492,491 Hektar
waren im J. 1883 landwirtschaftlich benutzte Fläche 1,021,030 Hektar (Feld und Gärten 831,226, Wiesen 174,122, Weiden und Hutungen
14,668, Weinberge 1014 Hektar), Forsten und Holzungen 409,120, Haus- und Hofräume 12,879, Wege, Straßen, Bahnen und öffentliche
Plätze 28,238, Gewässer und Teiche 9720, Stromgebiet der Elbe 2075, sonstige Wasserläufe 4100, Steinbrüche
2756, Unland 2573 Hektar.
Den wenigsten Wald hat die Amtshauptmannschaft Borna: 9,49 Proz., den meisten die Amtshauptmannschaft Schwarzenberg: 64,61 Proz.;
das meiste Acker- und Gartenland hat die Amtshauptmannschaft Leipzig: 75,30 Proz., das wenigste die Amtshauptmannschaft Auerbach:
23,66 Proz. Der Boden wird in allen Höhenstufen in nahezu gleichem Verhältnis zu landwirtschaftlicher
Kultur benutzt, indem von der dazu benutzten Fläche noch 8,5 Proz. auf die Höhenlage von 550-700 m und 0,9 Proz. auf die über 700 m
entfallen;
denn die Dichtigkeit der Bevölkerung drängt auch dort zu intensiver Bodenbenutzung, wo die klimatischen Verhältnisse
derselben nicht günstig sind. Im Vergleich zu andern Ländern des Reichs nimmt S. insofern eine sehr abweichende
Stellung ein, als nur Berlin und die Hansestädte einen geringern, alle andern Länder und Provinzen aber einen erheblich größern
Prozentsatz an landwirtschaftlicher Bevölkerung haben. Im J. 1882 gehörten der Land- und Forstwirtschaft an 19,8 Proz. der
Gesamtbevölkerung, der Industrie, dem Berg-, Hütten- und Bauwesen 58,21, dem Handel und Verkehr 10, den
persönliche Dienste Leistenden 0,82, sonstigen Hand- und Tagelöhnern 0,96, dem Heer 1,06, allen sonstigen Berufsarten 3,86;
ohne Beruf waren 5,11 Proz. Von der gesamten landwirtschaftlich benutzten
Fläche kommen 25,7 Proz. auf die kleinen Betriebe von 1-10 Hektar Größe, 57,2 Proz. auf die mittlern
von 10-100 Hektar; nur einer hat mehr als 1000 Hektar. Die Regel ist also der mittlere bäuerliche Betrieb; Zwergwirtschaft
und Großbetrieb treten daneben wesentlich zurück. Die meisten großen Güter liegen im Leipziger Kreis, die meisten mittlern
im Dresdener, die meisten kleinen im Zwickauer. Der Ernteertrag war im J. 1886 an:
Doppelztr.
Doppelztr.
vom Hektar durchschnittlich
Weizen
834699
31.4
Roggen
2901094
24.5
Gerste
509855
33.0
Hafer
3014823
16.4
Kartoffeln
12349032
104.7
Futterrüben)
Knollen
4823967
(221.4
Zuckerrüben)
(259.3
Sonstige Rüben
913762
107.3
Kraut, Häupter
2767965
71.8
Kleeheu
2629983
34.2
Wiesenheu
5175608
29.8
Anbauverhältnis der einzelnen Feldfrüchte:Getreide und Hülsenfrüchte
507929
Hektar
=
49.74
Proz.
Futterpflanzen
308786
"
=
30.24
"
Kartoffeln
117090
"
=
11.46
"
Futterrüben und -Kohl
36445
"
=
3.57
"
Handelsgewächse
10222
"
=
1.01
"
Brache
5955
"
=
0.58
"
Gärten
33590
"
=
3.29
"
Weinberge
1014
"
=
0.09
"
mehr
Die eigentlichen Kornkammern Sachsens sind die Gegenden von Lommatzsch, Döbeln, Mügeln, Grimma, südlich von Leipzig, um Bautzen
und Zittau. Treffliche Wiesen besitzen besonders das Erzgebirge und die Niederungen der Pleiße. Flachsbau wird im Erzgebirge und
einem Teil der Lausitz betrieben. Sehr bedeutend ist der Obstbau, vorzüglich in der Umgegend von Dresden,
Meißen, Lommatzsch, Mügeln, Leipzig, Glauchau und Krimmitschau, gefördert durch den Landesobstbauverein. Im J. 1883 gab es in
S. 4,832,495 Obstbäume, welche einen Ertrag von 3,303,337 Mk. lieferten.
Gemüsebau und Gärtnerei haben ihren Hauptsitz um Dresden, Leipzig und Zittau. Auf einer hohen Stufe steht auch die Viehzucht
Sachsens. 1883 zählte man 651,329 Stück Rindvieh (43,4 Stück auf 100 Hektar), 126,886 Pferde (8,5 auf 100 Hektar),
355,550 Schweine (23,7), 149,037 Schafe (9,9), 116,547 Ziegen (7,8). Der Gesamtwert des Viehbestandes auf 1 Hektar beträgt 159 Mk.
(in Preußen 97, in Bayern 105 Mk.). Zur Veredelung der Pferdezucht dient das Landgestüt mit Beschälanstalt
zu Moritzburg.
Die Schafzucht, deren Produkt, die sogen. Elektoralwolle, ehemals großen Ruf genoß, ist zwar sehr zurückgegangen, doch befinden
sich ausgezeichnete Zuchtschäfereien zu Leutewitz und Löthain bei Meißen, zu Machern, Lützschena, Klipphausen, Thal bei
Oschatz, Rochsburg etc. Wollmärkte finden in Leipzig, Dresden und Bautzen statt. Gänsezucht wird besonders in der Lausitz,
auch um Leipzig betrieben, Bienenzucht noch am meisten in den Heiden des rechten Elbufers.
Trotz der intensiven Landwirtschaft vermag S. nicht den Bedarf seiner dichten Bevölkerung an Nahrungsmitteln selbst zu erzeugen.
Im J. 1884 waren von den Körnerfrüchten für die menschliche Nahrung verfügbar 2 ⅓ Mill. Doppelzentner, der Verbrauch
betrug 7,177,600, so daß 4,651,800 Doppelzentner durch Einfuhr zu decken waren. Nur an Kartoffeln wurden 8,260,800 Doppelzentner
mehr erbaut als der Bedarf. Ebensowenig wird der Fleischbedarf durch die einheimische Viehzucht gedeckt; jener betrug 1884:
1,123,450 Doppelzentner, von denen 342,500 durch Einfuhr zu decken waren.
Der gesamte Mehrbedarf an Körnerfrüchten, Fleisch und Butter stellte einen Wert von 65,,92 Mill. Mk.
dar. Als beratendes Organ für landwirtschaftliche Angelegenheiten steht dem Ministerium des Innern der aus den Vorständen
und Abgeordneten der fünf Kreisvereine zu Dresden, Leipzig, Chemnitz, Reichenbach und Bautzen (mit 507 Zweigvereinen) und andern
Sachverständigen zusammengesetzte Landeskulturrat zur Seite. An der Universität Leipzig besteht ein landwirtschaftliches
Institut; Versuchsstationen ebendaselbst, zu Möckern und Pommritz, eine chemisch-physiologische bei der Tierarzneischule zu
Dresden, eine pflanzenphysiologische und Samenkontrollanstalt zu Tharandt.
Außerdem streben landwirtschaftliche Garten- und Obstbauschulen, Vereine für Fohlenaufzucht, Geflügelzucht etc. sowie landwirtschaftliche
Kreditvereine die Hebung der Landwirtschaft an. Eine Anstalt für künstliche Fischzucht befindet sich in
Tharandt. Die staatliche Landrentenbank hat von 1834 bis 1859 die Entschädigungen für die Aufhebung der auf dem Grund und
Boden haftenden Lasten beendigt; 1861 ist zunächst zum Zweck der Erleichterung von Wasserlaufsberichtigungen und Ent- und Bewässerungsanlagen
die Landeskulturrentenbank errichtet worden.
Eines europäischen Rufs erfreut sich die Forstkultur Sachsens. Es lassen sich drei Waldregionen unterscheiden:
die der Fichten und Tannen im
Süden, die der Laubhölzer im NW. und die der Kiefern im NO. Die Summe aller Forsten beträgt 408,798,35
Hektar = 27,4 Proz. der Gesamtfläche; davon waren 1886 Staatswaldungen
173,981 Hektar, in welchen die Gesamtverschlagung 817,895 Festmeter betrug. Bei seiner großen industriellen
Thätigkeit bedarf jedoch S. noch viel Holz aus den Nachbarländern, das besonders durch Flöße auf der Elbe bezogen wird.
Von sonstigen Waldprodukten sind Heidelbeeren, Preißelbeeren und Erdbeeren selbst Gegenstand der Ausfuhr. Der Wildstand wird
sorgfältig gehegt. Hirsche finden sich nur in einzelnen größern Revieren, Schwarzwild nur im Moritzburger,
Auerhähne bei Tharandt, Schwarzenberg etc., Trappen kommen im Niederland vor. Für die Hebung der Fischerei ist der Verein für
Fischzucht thätig. In der Elbe werden Welse, Störe, Sander, Aale und Lachse, letztere beiden auch in ihren größern Nebenflüssen
gefangen; Karpfen und Hechte liefern besonders die Teiche des rechten Elbufers, Forellen die Gebirgsgewässer.
Die Perlenfischerei in der Weißen Elster und einigen Seitengewässern, die früher mitunter schöne Perlen lieferte, wird noch
auf Staatskosten unterhalten. In Leipzig und Moritzburg treibt man Blutegelzucht.
Bergbau und Hüttenwesen.
Einen Hauptzweig der physischen Kultur bildet der Bergbau, der auf Metalle schon seit dem 12. Jahrh. in S.
betrieben wird. Das Gesetz unterscheidet den Regalbergbau und den Kohlenbergbau. Zu ersterm gehören nach dem Gesetz vom alle
wegen ihres Metallgehalts nutzbaren Mineralien; ihre Gewinnung ist unter gewissen Bedingungen, namentlich der Erlaubnis von
seiten des Staats, jedermann gestattet. Am bedeutendsten ist die Gewinnung von silberhaltigen Blei-, demnächst
von Zinn-, Eisen- und Kobalterzen.
Doch ist die Zahl der gangbaren Gruben von 1858 bis 1886 von 526 auf 137, die der Beamten und Arbeiter von 11,464 auf 8053,
der Wert der Produkte von 5,461,797 auf 5,326,828 Mk. zurückgegangen. 158 Erzgruben erforderten im J. 1886 eine
Zubuße von 1,702,509 Mk. Es bestehen vier Bergamtsreviere: das Freiberger, auf welches fast ausschließlich
die Silberproduktion kommt, das Altenberger, wo das meiste Zinn, das Schwarzenberger, wo das meiste Eisen gegraben wird, und
das Marienberger.
Der Steinkohlenbergbau wird in zwei Becken, in dem größern erzgebirgischen um Zwickau und Lugau und in dem des Plauenschen
Grundes, betrieben. Von den im J. 1886 noch vorhandenen 45 Steinkohlengruben arbeiteten 15 mit einem jährlichen
Reinertrag von 3 ⅓ Mill. Mk. Braunkohlen kommen vornehmlich in den Einbuchtungen des Tieflandes um Grimma, Oschatz, Bautzen
und Zittau vor. Die Ausbeute der 114 Braunkohlenwerke betrug 733,917 Ton. im Wert von 2 1/7 Mill. Mk. Der
gesamte Bergbau auf Erz, Stein- und Braunkohlen beschäftigte 1886: 29,648 Personen und lieferte Produkte im Wert von 39¾ Mill.
Mk. Torf hat besonders das Erzgebirge.
Bausteine (Quadern) liefert in vorzüglicher Güte das Elbsandsteingebirge, wo 1887 in 272 Steinbrüchen 3357 Arbeiter beschäftigt
waren, Granit zu Platten oder Skulpturen das Lausitzer Gebirge. Porphyr wird an den Wänden des Elbthals ober-
und unterhalb Meißen, Kalk im Müglitz- und Triebischthal, bei Mügeln, Geithain und Lengefeld, Schiefer im Erzgebirge, Serpentin
bei Zöblitz und Waldheim gebrochen. Einige Arten Edelsteine kommen im Erzgebirge vor, treffliche Porzellanerde bei Sornzig und
Meißen, Töpferthon an mehreren Stellen, Salz aber fehlt.
mehr
Seit 1710 kommen sämtliche silber-, blei- und kupferhaltige Erze des Inlandes, außerdem eine bedeutende Anzahl ausländischer
auf den fiskalischen Hüttenwerken bei Freiberg zur Verarbeitung; nur für Zinn besteht im Altenberger Revier eine besondere Schmelzhütte.
Von den Freiberger Hütten wurden im J. 1886: 384,740 metr. Ztr. Erze und Gekrätze für 12,032,438 Mk. eingekauft
und daraus gewonnen:
Gold
87
kg
metr. Ztr.
Silber
79783
-
Nickelspeise
276
Wismut
3415
-
Arsenikalien
11252
metr. Ztr.
Zink
403
Bleiprodukte
25841
Schwefelsäure
133990
Kupfervitriol
16981
Schrotwaren
2820
Eisenvitriol
11836
Bleiwaren
18698
zusammen im Wert von 15 Mill. Mk. Die Seigerhütte Grünthal (mit Kupferhammer) verfeinert
das von den Silberhütten ausgebrachte Rohkupfer. Die kobalt- und nickelhaltigen Erze der Annaberger und Schneeberger Gegend
werden auf dem gewerkschaftlichen Blaufarbenwerk zu Pfannenstiel und dem fiskalischen zu Oberschlema verarbeitet. Das Ausbringen
des letztern betrug 1886: 3866 kg im Wert von 1,996,834 Mk. Was die Eisenproduktion betrifft, so
produzierte 1886 ein Hochofen an Roheisen in Masseln und Gußwaren erster Schmelzung 9967,5 Ton. im Wert
von 528,122 Mk.;
118 Eisengießereien mit 5432 Arbeitern Gußwaren zweiter Schmelzung 971,937 T. im Wert von 13,3 Mill. Mk.;
4 Schweißeisenwerke
mit 1049 Arbeitern 24,432 T. Fabrikate im Wert von 3 Mill. Mk.;
2 Flußeisenwerke mit 349 Arbeitern 19,101
T. im Wert von 3 Mill. Mk.
Industrie.
S. ist eins der Hauptindustrieländer der Erde. Die größere Hälfte der Bevölkerung gehört dem Industriebetrieb, Bergbau
und Bauwesen eingerechnet, an; der industriereichste Bezirk ist die Kreishauptmannschaft Zwickau. Das Land ist in 5 Handels- und
Gewerbekammer- (Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen, Zittau) sowie in 7 Gewerbeinspektionsbezirke eingeteilt.
Die Zahl der 1882 in S. ermittelten, in 20 Gewerbegruppen unterschiedenen Hauptbetriebe beträgt 313,140. Davon gehörten
34,9 Proz. zur Textilindustrie, 22,9 Proz.
zur Gruppe Bekleidung und Reinigung, 11,3 Proz. zum Handelsgewerbe, 6 Proz. zur Gruppe der Nahrungs- und Genußmittel, 2,7 Proz.
zum Baugewerbe.
Die Zahl der in allen Hauptbetrieben beschäftigten Personen betrug 793,760. Von diesen arbeiteten 235,690
(29,7 Proz.) in der Textilindustrie, 114,157 (14,1
Proz.) in den zur Bekleidung und Reinigung gehörenden Gewerben, 68,641 (8,6 Proz.) im Handelsgewerbe, 54,094 (6,8 Proz.) in der
Nahrungs- und Genußmittelindustrie, 51,675 (6,5 Proz.) im Baugewerbe. Die Beteiligung des weiblichen Geschlechts
an der Gewerbthätigkeit ist in S. beträchtlich stärker als im Deutschen Reich überhaupt: hier 20,56, dort 27,78 Proz.
Die Zahl der in der Industrie verwendeten feststehenden Dampfmaschinen belief sich 1887 auf 6542 mit 103,773 Pferdekräften.
Die Zahl der Hauptbetriebe mit Motoren, in denen zusammen 214,651 Personen beschäftigt wurden, betrug
9789, die der Hauptbetriebe ohne Motoren, in welchen 579,109 Personen arbeiteten, 303,351, demnach die durchschnittliche Zahl
der beschäftigten Personen in einem Hauptbetrieb mit Motoren 21,9, in einem solchen ohne Motoren 1,9. Von großer Wichtigkeit
ist der Maschinenbau, der, 1826 in Chemnitz entstanden, dort auch seinen Hauptsitz hat. Steinzeug- und Thonwarenfabriken
haben Chemnitz, Zwickau, Meißen und Bautzen, Porzellanfabriken
Meißen u. Zwickau; Glas wird bei Dresden, in Radeberg, Bischofswerda,
Zwickau und bei Karlsfeld fabriziert. Die Fabrikation chemischer Produkte hat ihren Hauptsitz in und um Leipzig, die pharmazeutischer
Produkte in Dresden. 1886 erzeugten 753 Bierbrauereien 3,760,004 hl Bier. Von den 663 Branntweinbrennereien befinden
sich 35 in Städten, 628 auf dem Land.
Die wichtigste aller sächsischen Industrien ist die Textilindustrie. Ihren Hauptsitz hat diese in der Kreishauptmannschaft
Zwickau, wo Chemnitz und Umgegend sowie die Schönburgschen Rezeßherrschaften mit den Städten Glauchau, Meerane und Hohenstein
Mittelpunkte derselben sind. Hinsichtlich der Zahl der Betriebe und der in denselben beschäftigten
Personen nimmt die Weberei die erste Stelle ein; alsdann folgen die Strickerei und Wirkerei, die Häkelei, die Stickerei und Spitzenfabrikation
einschließlich der im südwestlichen Erzgebirge noch immer betriebenen, aber wenig lohnenden Klöppelei und die Posamentenfabrikation
der Annaberger Gegend.
Hauptsitz der Leinenindustrie ist die Lausitz, doch ist dieselbe infolge der erdrückenden englischen
Konkurrenz sehr zurückgegangen. Berühmt ist die Damastweberei von Groß- und Neuschönau. Die Fabrikation baumwollener
Musseline und die Weißstickerei haben im Vogtland ihren Sitz, die Strumpfwirkerei in und um Chemnitz, die Bandfabrikation in
Pulsnitz und Umgegend. Hauptpunkte für die Tuch- und Buckskinfabrikation sind: Kamenz, Bischofswerda und Großenhain, nächst
diesen Oschatz, Öderan, Werdau und Kirchberg;
für Flanelle Hainichen;
für wollene und halbwollene Kleiderstoffe Chemnitz, Glauchau,
Meerane, Reichenbach, Ölsnitz, Zittau;
für wollene Strumpfwaren Bautzen und Limbach.
Färberei und Zeugdruck werden vornehmlich
in Chemnitz, Zschopau, Frankenberg, Glauchau, Penig, Burgstädt und Hainichen betrieben, Wachstuchfabrikation in Leipzig; Jutespinnereien
haben Meißen und Ostritz. Die Papierfabrikation wird in mehr als 60 Fabriken betrieben (die größten in
Kriebstein bei Waldheim, Bautzen und Penig), die Strohflechterei hat sich auf dem Abfall des Gebirges zwischen der Gottleuba und
der Lockwitz angesiedelt, die Fabrikation künstlicher Blumen blüht in Leipzig, Dresden, Sebnitz und Neustadt b. Stolpen.
Große Ausdehnung hat in der Kreishauptmannschaft Leipzig die Zigarrenfabrikation. Hoch entwickelt ist die
Pianofortefabrikation in Dresden und Leipzig; beide sowie Chemnitz haben auch Hutmacherei. Im Erzgebirge, um Seiffen, Waldkirchen,
Olbernhau etc., hat sich die Holz- und Spielwarenindustrie, in Karlsfeld und Glashütte die Uhrenfabrikation, im Vogtland, in
Markneukirchen und Klingenthal, die Fabrikation musikalischer Instrumente angesiedelt. Korbmacherei blüht
in Zwenkau; fabrikmäßig ist die Kunsttischlerei in Johanngeorgenstadt entwickelt.
Handel und Verkehr.
Sachsens Handel nimmt teil am Welthandel; seine wichtigsten Ausfuhrartikel sind die Erzeugnisse der heimischen Industrie. Der
Mittelpunkt desselben und zugleich der des gesamten deutschen Buchhandels ist Leipzig. Sehr lebhaft ist der Verkehr auf der Elbe,
deren Schiffbarkeit sorgfältig unterhalten und verbessert wird. 1887 belief sich der Bestand der Elbfahrzeuge
in S. auf 25 Personen- und 5 Güterdampfschiffe, 12 Rad- und 8 Kettenschleppschiffe, eine Dampffähre, 526 Segel- und Schleppschiffe,
zusammen mit 2,743,330 Ztr. Tragfähigkeit. Die 1836 gegründete Sächsisch-Böhmische Dampfschiffahrtsgesellschaft befördert
jährlich über 2 Mill. Personen. Außerdem
mehr
betreiben den Stromverkehr seit 1869 die Gesellschaft Kette, die Gesellschaft der Vereinigten Schiffer und die Österreichische
Nordwest-Dampfschiffahrtsgesellschaft. Die Niederwarthaer Elbbrücke passierten 1887 in Thal- und Bergfahrt 19,084 Fahrzeuge.
Die Länge der Staatsstraßen betrug 3698 km. Die unter sächsischer Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen hatten Ende 1887 eine
Länge von 2456,79 km und zwar 2351,20 km
Staatsbahnen, 51,89 km Privatbahnen und 53,70 km Privatkohlenbahnen.
Unter Privatverwaltung steht nur die 5,40 km lange Bockwaer Kohlenbahn. Im Bau befinden sich noch 100,19 km, und für den
Bau genehmigt sind 98,39 km Staatsbahnen. Vollbahnen sind 1701,35
km, normalspurige Sekundärbahnen 544,62, schmalspurige 157,12 km.
Befördert wurden im Jahr über 25 Mill. Personen und gegen 14 Mill. Ton. Güter. Das mittlere Anlagekapital
der Staatsbahnen von 611,6 Mill. Mk. (Ende 1886) verzinste sich mit 4,59
Proz. Außer den beiden bereits erwähnten Rentenbanken, dem Erbländischen Ritterschaftlichen Kreditverein zu Leipzig und der
Landständischen Bank des Markgraftums Oberlausitz, die beide für Hypothekarkredit bestimmt sind, besitzt
S. mehrere Banken für Handel und Verkehr: die Leipziger Bank, die Allgemeine Deutsche Kreditanstalt und die Kommunalbank zu Leipzig,
die Sächsische und die Dresdener Bank zu Dresden u. a.;
außerdem dienen zahlreiche Kreditvereine der Förderung des Handelsverkehrs.
Hoch entwickelt ist in S. das Sparkassenwesen. Am Schluß des Jahrs 1886 gab es 200 (1888 bereits 207) Sparkassen,
d. h. eine auf 15,910 Einw., mit einem Gesamtguthaben der Einleger
von 462,9 Mill. Mk. Am Schluß des Jahrs 1877 kamen auf den Kopf der Bevölkerung 103 Mk., 1886 dagegen 145 Mk. Die durch Gesetz
vom errichtete Altersrentenbank hat bei einer Gesamthöhe der bis Ende 1887 bewirkten Einzahlungen
von 12,211,974 Mk. Renten im Betrag von 2,423,207 Mk. ausgezahlt.
Sachsens Volkswohlstand ist in stetigem Steigen. Während die Bevölkerung von 1880 bis 1885 um 7,4 Proz. gestiegen ist, hat
sich die Zahl der eingeschätzten Personen von 1879 bis 1886 um 16 Proz., das Einkommen von 959½ Mill.
auf 1236½ Mill. Mk. im Jahr (um 28,89 Proz.)
gehoben. Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Landbewohners betrug 1886: 297,86 Mk.
(1880: 264,61 Mk.), das eines Stadtbewohners 505,84
Mk. (1880: 424,84 Mk.). Das größte Einkommen für den Kopf der Bevölkerung hatte Leipzig: 848,12 Mk. (1880: 736,85 Mk.).
Die Klasse mit einem Einkommen bis zu 800 Mk. macht 73,45 Proz.
der Gesamtbevölkerung aus, die mittlere mit einem Einkommen von 801-3300 Mk. = 23,46, die wohlhabende von 3301-9600
Mk. = 2,45, die reiche mit einem Einkommen von über 9600 Mk. = 0,64 Proz.
Von 1879 bis 1886 hat die Prozentzahl der Bewohner mit Einkommen bis zu 800 Mk. abgenommen, dagegen sind
die bessern Einkommen gestiegen. Die Zahl der unbemittelten ist in dieser Zeit um 12,04 Proz.,
die der Angehörigen des Mittelstandes um 30,56, die der Wohlhabenden um 27,13,
die der Reichen um 50,93 Proz. gestiegen. 1886 waren 626 Aktiengesellschaften mit 28 ⅓ Mill. Mk. Einkommen
vorhanden.
Bildungsanstalten
. Für die intellektuelle Kultur der Bewohner, vom höchsten bis zum niedrigsten, ist durch trefflich eingerichtete Lehranstalten
aller Art gesorgt. Die Landesuniversität sowie die (Leibniz' 200jährigem Geburtstag) gestiftete königliche Gesellschaft
der Wissenschaften haben ihren Sitz in Leipzig. Außer den beiden Fürsten- (oder Landes-)
Schulen zu Meißen
und Grimma besitzt S. 15 Gymnasien, 11 Realgymnasien und 23 Realschulen. Höhere technische Lehranstalten sind das Polytechnikum
in Dresden und die höhere Gewerbeschule in Chemnitz.
Außerdem bestehen 4 Baugewerkschulen, eine mechanische, Baugewerk- und Werkmeisterschule in Chemnitz; Privatanstalten sind
das Technikum zu Frankenberg und das zu Mittweida. Als Fachschulen reihen sich ferner an: die Bergakademie
zu Freiberg, die Bergschulen zu Freiberg und Zwickau, die Forstakademie zu Tharandt, das Kadettenhaus, die Unteroffizierschule
zu Marienberg und die Soldatenknaben-Erziehungsanstalt zu Kleinstruppen, 5 Lehranstalten für bildende Kunst und Kunstgewerbe, 7 für
Musik und Theater, ein stenographisches Institut, eine Tierarzneischule, eine Turnlehrerbildungsanstalt
und ein Entbindungsinstitut zu Dresden.
Andre Anstalten für gewerbliche Fortbildung sind: 28 Web-, Wirk- und Posamentierschulen, 20 gewerbliche Fachschulen, 6 Schiffer-, 10 landwirtschaftliche
und Gartenbau-, 30 Handelsschulen etc. Die Volksschule, über welche der Staat seine Aufsicht durch 25 Bezirksschulinspektoren
ausübt, gliedert sich nach dem Gesetz vom in die einfache, mittlere und höhere, wozu noch
die Fortbildungsschule kommt. Man zählte 1885: 2144 evangelische, 54 katholische und 4 israelitische Volksschulen. An mehreren
Orten bestehen Sonntagsschulen.
Die Heranbildung der Lehrkräfte geschieht durch 18 Seminare einschließlich der 2 Lehrerinnenseminare zu Dresden und Kallnberg.
Die Zahl der Analphabeten bei der Rekrutenstellung ist von 0,27 im J. 1879 auf 0,02
im J. 1887 gesunken. Taubstummeninstitute bestehen zu Dresden und Leipzig. Die Zahl der zu Hubertusburg im Versorgungshaus für
irre Frauen, in der Abteilung für blödsinnige Kinder, im Landeskrankenhaus, in der Abteilung für Epileptische, dem Landessiechenhaus,
dem Landeshospital und der Erziehungsanstalt für schwachsinnige Kinder untergebrachten betrug 1885: 2077;
die der Irren auf dem Sonnenstein 361, in Kolditz 853, in der Irrenanstalt zu Hochweitzschen 447, auf der Irrenstation zu Waldheim 31. In der
Blindenanstalt zu Dresden und der Blindenvorschule zu Moritzburg befanden sich 220 Blinde.
Besserungsanstalten für Kinder bestehen zu Bräunsdorf und Großhennersdorf, Korrektionsanstalten für männliche
Jugendliche in Sachsenburg, für Weiber in Waldheim, für Männer in Hohnstein mit Hilfsanstalt in Radeberg, Gefängnisstrafanstalten
für männliche Jugendliche in Sachsenburg, für weibliche in Grünhain, für Weiber in Vogtsberg, für Männer in Zwickau (mit
Hilfsanstalt Nossen), Zuchthäuser für Männer in Waldheim, für Weiber in Hoheneck. In kirchlicher Hinsicht
ist S. ausschließlich der Lausitz in 25 evangelische Ephorien eingeteilt. Das ganze Land zählt 960 Parochien mit 1181 Geistlichen.
Staatsverfassung und -Verwaltung etc.
Das Königreich S. ist eine konstitutionelle Monarchie und ein Glied des Deutschen Reichs. Im Bundesrat hat es 4 Stimmen, in den
Reichstag entsendet es 23 Vertreter. Die Staatsverfassung beruht auf der Verfassungsurkunde vom
welche durch die Gesetze vom und modifiziert worden ist. Der König
kann ohne Zustimmung der Stände weder zugleich Oberhaupt eines andern Staats (Erbanfälle ausgenommen)
werden, noch seinen wesentlichen Aufenthalt außer Landes nehmen. Die Krone ist erblich im Mannesstamm des königlich
mehr
sächsischen Fürstenhauses (Albertinische Linie) nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealerbfolge; beim Erlöschen
desselben succediert die Ernestinische Linie des Hauses S. In Ermangelung eines successionsfähigen Prinzen geht die Krone auf
die weibliche Linie über. Der König wird mit zurückgelegtem 18. Lebensjahr volljährig. Er bezieht eine Zivilliste von 2,940,000
Mk., wozu noch 392,036 Mk. Apanagen des königlichen Hauses kommen.
Das königliche Haus bekennt sich zur römisch-katholischen Kirche. Das königliche Hausgesetz datiert vom Für
das ganze Königreich besteht eine in zwei Kammern geteilte Ständeversammlung. Mitglieder der Ersten Kammer sind:
1) die volljährigen Prinzen des königlichen Hauses;
2) ein Deputierter des Hochstifts Meißen;
3) der Besitzer der Herrschaft Wildenfels;
4) ein Vertreter der Besitzer der Schönburgschen Rezeßherrschaften;
5) ein Abgeordneter der Universität Leipzig;
6) und 7) die Besitzer der Standesherrschaften Reibersdorf und Königsbrück;
8) der evangelische Oberhofprediger;
9) der Dekan des katholischen Domstifts zu Bautzen;
10) der Superintendent zu Leipzig;
11) ein Abgeordneter des Kollegiatstifts zu Wurzen;
12) einer der Besitzer der Schönburgschen Lehnsherrschaften;
13) zwölf auf Lebenszeit gewählte Abgeordnete der Besitzer von Landgütern, die wenigstens 4000 Steuereinheiten haben;
14) zehn vom König auf Lebenszeit ernannte Rittergutsbesitzer, die ebenfalls wenigstens 4000 Steuereinheiten haben;
15) die erste Magistratsperson der Städte Dresden und Leipzig;
16) die erste Magistratsperson in sechs vom König unter möglichlichster (Anmerkung des Editors: möglichster) Berücksichtigung
aller Teile des Landes zu bestimmenden Städten;
17) fünf vom König nach freier Wahl auf Lebenszeit ernannte Mitglieder. Die Zweite Kammer besteht aus 80 Abgeordneten, 35 der
Städte und 45 der ländlichen Wahlkreise. Zu jenen schickt Dresden 5, Leipzig 3, Chemnitz 2, Zwickau einen
Abgeordneten; die übrigen Städte sind in 24 Wahlkreise verteilt, deren jeder einen Abgeordneten wählt. Jeder Kammer steht
die Wahl ihres Präsidenten zu. Der König beruft längstens alle zwei Jahre einen ordentlichen Landtag, außerordentliche,
so oft es dringende Angelegenheiten erfordern.
Die Abgeordneten werden auf sechs Jahre gewählt; alle zwei Jahre scheidet ein Dritteil aus. Die Wahl ist direkt und geheim.
Wahlberechtigt ist jeder Staatsangehörige vom 25. Jahr an, welcher wenigstens 3 Mk. Staatssteuern
zahlt; wählbar jeder, der das 30. Lebensjahr erfüllt und wenigstens 30 Mk. Staatssteuern zu entrichten
hat. Das Petitionsrecht können beide Kammern nur gemeinschaftlich, das Beschwerderecht kann, wenn keine Vereinigung zu stande
kommt, jede allein, das Anklagerecht können sie nur gemeinschaftlich ausüben und zwar nur gegen die Vorstände der Ministerien
und bei Verletzung der Verfassung.
Über die Anklage entscheidet ein teils vom König aus den Vorständen und Mitgliedern der höhern Gerichte
ernannter, teils von den Ständen gewählter Staatsgerichtshof nach einem durch Gesetz vom geregelten Verfahren. Derselbe
Staatsgerichtshof entscheidet auch, wenn sich Regierung und Stände über Auslegung der Verfassung nicht vereinigen können. Als
Provinzialstände bestehen in den Erblanden die vier Kreistage der Stände des Meißener, Leipziger, Erzgebirgischen
und Vogtländischen Kreises (in Gemäßheit der Kreisordnung vom und der Provinziallandtag der Oberlausitz nach Maßgabe
des provinzialständischen Statuts
(vom
Die obersten Staatsbehörden sind das Gesamtministerium und die einzelnen Ministerialdepartements der auswärtigen Angelegenheiten,
des Innern, des Kultus und öffentlichen Unterrichts, der Justiz, der Finanzen und des Kriegs. Dem Gesamtministerium
sind unmittelbar untergeordnet die seit mit erweiterten Befugnissen ausgestattete Oberrechnungskammer und das Hauptstaatsarchiv.
Getrennt von dem Gesamtministerium ist das Ministerium des königlichen Hauses.
Behufs der Verwaltung ist das Königreich in vier Kreishauptmannschaften (s. oben) und 25 Amtshauptmannschaften eingeteilt.
Jeder Amtshauptmannschaft ist ein Bezirksausschuß, jeder Kreishauptmannschaft ein Kreisausschuß beigegeben.
Nach dem Gesetz vom bildet jede Amtshauptmannschaft einen Bezirksverband, welcher durch die Bezirksversammlung
vertreten wird. Für Zwecke der Selbstverwaltung sind diese Bezirksverbände mit einem Fonds von 9 Mill. Mk. aus dem Anteil Sachsens
an der französischen Kriegskostenentschädigung versehen worden.
Verwaltung und Justiz sind auch in der ersten Instanz getrennt. Für den Regal- und Kohlenbergbau sowie für das fiskalische
Hüttenwesen ist das Bergamt in Freiberg kollegiale Mittelbehörde. Die Gemeindeordnung beruht auf der Städteordnung vom und
der Landgemeindeordnung vom beide revidiert durch Gesetz vom Für die Städte sind
nur die allgemeinen Grundzüge festgestellt, die Besonderheiten werden durch Ortsstatuten ergänzt.
An der Spitze des Stadtrats steht der Bürgermeister; die besoldeten Mitglieder des Stadtrats werden in der Regel auf Lebenszeit,
die unbesoldeten stets nur auf sechs Jahre gewählt; doch kann die Wahl der erstern nach Ortsstatut anfänglich
auch auf sechs, bez. zwölf Jahre erfolgen. Stadtrat u. Stadtverordnete können zu einem Stadtgemeinderat verschmelzen. In den
Landgemeinden besteht der Gemeinderat aus dem Gemeindevorstand, einem oder mehreren Gemeindeältesten und einem Gemeindeausschuß
unter Aufsicht des Amtshauptmanns. Die Ortspolizei wird von den Gemeinden unter Aufsicht der Regierungsbehörden, die Landespolizei
von der Landesregierung gehandhabt. Die Überwachung der Sanitätszustände liegt dem Landesmedizinalkollegium und in den
elf Medizinalbezirken den Bezirksgerichtsärzten ob.
Was die Gerichtsverfassung anlangt, so hat S. ein Oberlandesgericht, zu Dresden, 6 Landgerichte, zu Dresden, Leipzig, Bautzen, Chemnitz,
Zwickau und Freiberg, und 103 Amtsgerichte. Für das bürgerliche Recht gilt noch das in Kraft getretene
bürgerliche Gesetzbuch. Die Schönburgschen Ämter sind seit dem allgemeinen sächsischen Gerichtsverfahren unterstellt.
Über die evangelische Kirche üben, solange der König sich zur katholischen Kirche bekennt, die landesherrliche Kirchengewalt
die in evangelicis beauftragten Staatsminister. Höchste Kirchenbehörde ist das durch das Kirchengesetz vom errichtete
evangelische Landeskonsistorium zu Dresden; die Konsistorialbehörde für die Oberlausitz bildet die Kreishauptmannschaft zu
Bautzen, für die Schönburgschen Herrschaften das Gesamtkonsistorium zu Glauchau. Gemäß der Kirchenordnung von 1868 steht
die Vertretung der lutherischen Kirche einer aus 35 Laien und 29 Geistlichen zusammengesetzten Synode zu. Für die reformierte Kirche,
welche zwei Parochien hat, bestehen die reformierten Konsistorien zu Dresden und Leipzig. Die
mehr
römisch-katholische Kirche hat in den drei Bezirken Dresden, Leipzig und Zwickau (Erblanden) als oberste Behörde das apostolische
Vikariat zu Dresden, dem das katholische Konsistorium zu Dresden untergeordnet ist. In der Lausitz ist nach dem Traditionsrezeß
vom das Domstift St. Petri zu Bautzen nebst dem domstiftlichen Konsistorium die geistliche Behörde.
Nur in der Lausitz bestehen noch zwei Nonnenklöster (zu Marienstern und Marienthal); neue Klöster dürfen nicht errichtet,
auch darf kein religiöser Orden aufgenommen werden. Für die deutsch-katholischen Glaubensgenossen, deren Rechtsverhältnisse
durch Gesetz vom festgestellt sind, besteht nach Gesetz vom als Mittelbehörde der
Kirchenvorstand zu Dresden. Die griechische Kirche hat eine Parochie (Leipzig) mit Kapelle und einem Geistlichen. Der israelitische
Kultus hat 2 Synagogen (Dresden und Leipzig) und 2 Rabbiner.
Finanzen, Wappen, Orden.
Der Stand der Finanzen ergibt sich aus dem für 1888/89 festgesetzten Budget wie folgt:
A. Ordentlicher Staatshaushaltsetat.
Einnahmen:
Mark
Nutzungen des Staatsvermögens u. der Staatsanstalten
42838242
Direkte Steuern
20939640
Zölle und Verbrauchssteuern
19580432
Zusammen:
83358314
Ausgaben:
Zivilliste
2940000
Apanagen
392036
Sammlungen für Kunst und Wissenschaft
417879
Verzinsung und Tilgung der Staatsschuldv
30982395
Jahresrenten
407060
Ablösungen und Abfindungen
5000
Landtagskosten
126900
Stenographisches Institut
30250
Allgemeine Regierungs- u. Verwaltungsangelegenheiten
82300
Gesamtministerium
191535
Departement der Justiz
3586232
Departement des Innern
9887165
Departement der Finanzen
6203924
Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts
8540529
Departement des Auswärtigen
148970
Ausgaben zu Reichszwecken
14088891
Pensionsetat
3291589
Dotationen und Reservefonds
2035659
Zusammen:
83358314
B. Außerordentlicher Staatshaushaltsetat.
Ausgaben:
Mark
Wasser- und Eisenbahnbauten
28744500
Einnahmen:
Ertragsüberschuß der Finanzperiode 1884/85
8657956
Aus dem mobilen Staatsvermögen
20086544
Zusammen:
28744500
Die Staatsschuld beträgt einschließlich einer 1876 behufs Ankaufs von Privateisenbahnen aufgenommenen 3proz. Rentenanleihe
von 101 Mill. Mk. nominell 643½ Mill. Mk., der aber ein Staatsvermögen
von weit höherm Betrag gegenübersteht, indem allein für den Bau der Staatsbahnen bis Ende 1886: 662¾ Mill. Mk.
verausgabt worden sind. Die Abgabenverwaltung führt die Zoll- und Steuerdirektion in Dresden, die Erhebung der indirekten Abgaben
geschieht durch 6 Hauptzollämter und 11 Hauptsteuerämter, für die der direkten Steuern ist das Land in 4 Steuerkreise mit 23 Steuerbezirken
eingeteilt.
Zum Reichsheer stellt S.
das 12. Armeekorps; die aktive Armee besteht aus 11 Linieninfanterieregimentern,
einem Schützenregiment, 3 Jägerbataillonen, 6 Kavallerie- und 2 Feldartillerieregimentern, einem Fußartillerieregiment,
einem Pionier-, einem Eisenbahn- und einem Trainbataillon. Die Friedensstärke beläuft sich auf 1261 Offiziere und 31,810 Mann.
Den Korpskommandanten (gegenwärtig Prinz Georg) ernennt der Kaiser, die übrigen Generale der König.
Das Staatswappen (s. Tafel »Wappen«) ist ein deutscher Schild, welcher fünf schwarze Balken im goldenen
Feld mit schräg rechts darübergelegtem grünen Rautenkranz zeigt, vom Hausorden der Rautenkrone umhangen ist, von der Königskrone
bedeckt und von zwei Löwen gehalten wird. Die Landesfarben sind seit 1815 Weiß und Grün. Orden hat S. fünf: den Hausorden der
Rautenkrone (s. Tafel »Orden«,
[* ]
Fig. 3), gestiftet nach Annahme der Königswürde;
den Militär-Sankt.
Heinrichsorden, benannt nach dem Kaiser Heinrich II. und gestiftet von Friedrich August II. zu Hubertusburg, mit
neuen Statuten versehen (s. Heinrichsorden);
den Verdienstorden, gestiftet und den Albrechtsorden
(s. d. 1), zum Andenken an den Stammvater der Albertinischen Linie gestiftet (s. Tafel »Orden«, Fig. 1);
den Sidonienorden, gestiftet
für die von dem weiblichen Geschlecht auf dem Gebiet der freiwillig helfenden Liebe im Krieg oder im Frieden erworbenen Verdienste.
Residenz des Königs ist Dresden; königliche Lustschlösser sind: Pillnitz, Moritzburg und Sedlitz.
Vgl. v. Bose, Handbuch der Geographie, Statistik und Topographie des Königreichs S. (2. Aufl., Dresd. 1847);
Engelhardt, Vaterlandskunde
für Schule und Haus im Königreich S. (neue Bearbeitung von Th. Flathe, 3. Aufl. 1877);
Opitz, Staatsrecht des Königreichs S. (Leipz.
1883-87, 2 Bde.);
Leuthold, Das Staatsrecht etc. (in Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts«, Freiburg
1884);
Naumann und Cotta, Geognostische Beschreibung des Königreichs S. (Dresd. u. Leipz. 1845, 5 Hefte);
Credner, Die geologische Landesuntersuchung
des Königreichs S. (Leipz. 1885);
v. Langsdorff, Die Landwirtschaft im Königreich S. bis 1885 (Dresd. 1889);
Jüchtzer, Handbuch
der Kirchenstatistik für das Königreich S. (12. Ausg., das. 1882) und der Schulstatistik (14.
Ausg., das. 1888);
»Staatshandbuch für das Königreich S.« (das. 1887);
»Zeitschrift des königlich sächsischen Statistischen
Büreaus«; »Kalender und statistisches Jahrbuch für das Königreich S.« (hrsg. vom Statistischen Büreau, das. 1871 ff.).
Karten: Topographischer Atlas des Königreichs S., bearbeitet bei der königlichen Militärplankammer (Dresd.
1836-60, 20 Bl.);
Lange, Atlas von S. (Leipz. 1860-61, 12 Bl.);
Süßmilch-Hörnig, Topographische Spezialkarte des Königreichs
S. (Dresd. 1858, 4 Bl.);
»Geographische Spezialkarte des Königreichs S.«, herausgegeben vom topographischen Büreau (1:25,000,
in 156 Blättern, Leipz., seit 1875).
Geschichte.
Kursachsen bis zur Teilung.
Seit der Erwerbung Thüringens durch den Markgrafen Heinrich den Erlauchten von Meißen im J. 1263 (s. Meißen,
Markgrafschaft) besaßen die Wettiner ein zusammenhängendes Gebiet, das von der Oder bis zur Werra, vom Erzgebirge bis zum
Harz reichte. Doch die in den deutschen Fürstenhäusern üblichen Teilungen riefen auch bei den Wettinern öfters Zerwürfnisse
hervor. Heinrich trat noch bei Lebzeiten seinem ältesten Sohn, Albrecht dem Entarteten, Thüringen, dem
zweiten, Dietrich, Landsberg, dem jüngsten, Friedrich dem Kleinen
mehr
(gest. 1316), Dresden ab. Als Heinrich 1288 starb, fiel die Mark Meißen an Dietrichs Sohn Friedrich Tutta von Landsberg, und nach
dessen Tod (1291) nahmen Albrechts Söhne Friedrich der Freidige und Diezmann seine Länder in Besitz. Allein König Adolf von Nassau,
dem Albrecht aus Haß gegen seine Söhne die Landgrafschaft Thüringen verkauft hatte, und der die Mark Meißen
als ein durch Friedrich Tuttas Tod erledigtes Reichslehen ansah, bemächtigte sich mit Gewalt beider Länder.
Auch Adolfs Nachfolger, König Albrecht I., hielt den Anspruch auf diese Länder aufrecht; jedoch ein glückliches Gefecht bei
Lucka und des Königs Ermordung retteten Friedrich und Diezmann den Besitz ihrer Erblande, deren
Herrschaft Friedrich nach Diezmanns Ermordung (1307) und Albrechts des Entarteten Tod (1314) allein antrat; nur die Niederlausitz
war 1304 an Brandenburg verkauft worden. Friedrichs des Freidigen Sohn Friedrich der Ernsthafte (1324-47) war der letzte Alleinbesitzer
der Wettinschen Lande. Ihm folgten seine drei Söhne Friedrich der Strenge, Balthasar und Wilhelm I., welche
gemeinschaftlich regierten. Nach Friedrichs Tod jedoch (1381) teilten dessen Söhne Friedrich der Streitbare, Wilhelm II. (gest.
1425) und Georg (gest. 1402) mit ihren beiden Oheimen die Lande so, daß jene das Osterland und Landsberg, Wilhelm
I. Meißen und Balthasar Thüringen erhielten. Nach Wilhelms I. kinderlosem Tod (1407) wurde Meißen zwischen
der thüringischen und osterländischen Linie geteilt.
Durch die Belehnung des Markgrafen Friedrich des Streitbaren mit dem Kurfürstentum S. 1423 (s. Sachsen, S. 125), das zwar an
Areal nicht sehr bedeutend, aber wegen der mit der Kurwürde verbundenen Vorrechte von Wichtigkeit
war, gelangte das Haus Wettin zu größerer Bedeutung im Reich. Nicht bloß jene Vorrechte, sondern auch der Name S. gingen seitdem
allmählich auf die gesamten Wettinschen Lande über. Friedrich hatte die sächsische Kur zur Belohnung für seine eifrige Teilnahme am
Kampf gegen die Hussiten erhalten, welchen er fortsetzte, doch so unglücklich, daß sein Heer 1425 bei
Brüx und 1426 bei Aussig geschlagen wurde und sein Land von den Einfällen der Hussiten viel zu leiden hatte.
Nachdem Friedrich noch die Burggrafschaft Meißen erworben, hinterließ er seine Lande zu gemeinschaftlicher Regierung Friedrich
II., dem Sanftmütigen, der Kurfürst wurde (1428-64), Wilhelm III., Heinrich und Siegmund. Doch 1435 starb
Heinrich, Siegmund trat 1437 in den geistlichen Stand, und 1440 fiel durch Friedrichs des Friedfertigen kinderlosen Tod Thüringen
an die osterländische Linie zurück. Friedrich der Sanftmütige und Wilhelm teilten nun
1445 zu Altenburg so, daß Friedrich
Meißen, Wilhelm Thüringen erhielt, das Osterland geteilt wurde, die Bergwerke gemeinschaftlich blieben.
Doch hatte diese Teilung, bei der sich der von eigennützigen Räten aufgereizte Herzog Wilhelm benachteiligt glaubte, den verheerenden
sächsischen Bruderkrieg zur Folge, der erst 1451 zu Pforta beigelegt wurde; ein Nachspiel desselben bildete der Sächsische
Prinzenraub (s. d.). Friedrichs des Sanftmütigen Söhne, Kurfürst Ernst (1464-86) und Herzog Albrecht der
Beherzte, folgten 1464 ihrem Vater gemeinschaftlich, erbten 1482 auch Wilhelms III. Lande und verstanden es, die Macht ihres
Hauses nach allen Seiten hin auszubreiten.
Zwei von Ernsts Söhnen erlangten die erzbischöfliche Würde, Albrecht zu Mainz, Ernst zu Magdeburg; Albrecht, dessen Sohn Friedrich 1498 Hochmeister
des Deutschen Ordens wurde erwarb im Dienste des Hauses Habsburg Ehren und Vorteile, so 1483 die Eventualbelehnung
mit Jülich und Berg und später die Erbstatthalterschaft von Friesland. Im Innern nahm der Bergbau auf Silber einen großartigen
Aufschwung, vermehrte den Wohlstand und die Einwohnerzahl des Gebirges und förderte Handel und Verkehr.
Durch kaiserliche Privilegien wurden die Leipziger Märkte zu Messen erhoben. Während die Städte ihre Verfassung
ausbildeten und vom Landesherrn die eigne Gerichtsbarkeit erkauften, ward auch die Territorialgesetzgebung entwickelt und in
Thüringen 1446, in Meißen 1482 eine Landesordnung erlassen; das kurfürstliche Hofgericht erhielt 1483 seinen bleibenden Sitz
in Leipzig. Eine landständische Verfassung bildete sich, seitdem 1438 zuerst zu Leipzig eine Versammlung
von Prälaten, Grafen, Rittern und Städten zusammentrat; diese bald regelmäßig berufenen Landtage bewilligten neue Abgaben,
Steuern und Anleihen, übertrugen die Verwaltung der neuen Steuern einem ständischen Ausschuß u. beanspruchten, auch von den
Landesherren bei wichtigen Angelegenheiten zu Rate gezogen zu werden.
Mißhelligkeiten zwischen den beiden Brüdern Ernst und Albrecht führten zur Länderteilung zu Leipzig
bei welcher der ältere Bruder teilte, der jüngere wählte. Ernst erhielt außer den Kurlanden Thüringen mit den fränkischen
und vogtländischen und den einen Teil des Oster- und Pleißnerlandes, Albrecht den andern Teil desselben und Meißen. Die
Teilung, welche von Kaiser Friedrich III. bestätigt und 25. Juni durch den Naumburger Schied berichtigt wurde, trennte
das Haus Wettin für immer in zwei Linien, die Ernestinische und die Albertinische.
Sachsen in der Zeit der Reformation und des Dreißigjährigen Kriegs.
mehr
Aber er war nicht gesonnen, sich seinem Ernestinischen Vetter unterzuordnen, geriet mit Johann Friedrich besonders wegen der
sächsischen Bistümer in offenen Streit, trat beim Ausbruch des Schmalkaldischen Kriegs 1546 in geheime Verbindung mit dem Kaiser
und fiel, nachdem ihm die Übertragung der Kur versprochen worden, in dessen Lande ein, während die Verbündeten
in Süddeutschland standen. Johann Friedrich eilte sofort herbei, trieb Moritz bis zur böhmischen Grenze zurück, ward aber
vom nachrückenden kaiserlichen Heer bei Mühlberg geschlagen und gefangen und mußte in der Wittenberger Kapitulation
auf die Kur und den größten Teil seiner Lande verzichten, mit denen 4. Juni Moritz vom Kaiser
belehnt wurde. Den Ernestinern blieben nur die meisten Besitzungen in Thüringen (s. Sachsen, Ernest. Linie, S. 125). An König
Ferdinand von Böhmen mußte Moritz das Herzogtum Sagan u. die Lehnshoheit über Reuß abtreten.
Um seinen Verrat an seinen Glaubensgenossen zu sühnen und die kirchliche und politische Unterjochung
Deutschlands durch die Spanier abzuwehren, erhob sich Moritz 1552 gegen Karl V. und zwang ihn zum Passauer Vertrag, welcher den
evangelischen Reichsständen Religionsfreiheit zusicherte. Nachdem er an der bei Sievershausen empfangenen Wunde 11. Juli gestorben
war, folgte ihm sein Bruder August (1553-86) als Kurfürst. Mit seinen Ernestinischen Vettern setzte er sich
durch den Naumburger Vertrag auseinander, schädigte dieselben aber schwer, indem er die Vollstreckung der Acht
gegen Johann Friedrich den Mittlern übernahm, sich für die Kosten derselben vier Ämter abtreten ließ und ihnen einen großen
Teil der hennebergischen Erbschaft entriß.
Aus Furcht davor, daß ihm die Kur wieder entrissen werden könne, hielt er ängstlich am Augsburger Religionsfrieden fest und
schloß sich eng an das Haus Österreich an. Die Wühlereien der päpstlichen Partei für die Gegenreformation ließ er unbeachtet,
und während bisher seine Universität Wittenberg mit dem streng lutherischen Jena heftige theologische
Kämpfe ausgefochten hatte, wurden 1574 die Philippisten auch in S. gestürzt und durch die Einführung der Konkordienformel
(1580) die lutherische Orthodoxie zur Herrschaft erhoben. Im Innern schuf August durch seine Gesetzgebung (besonders die Konstitutionen
von 1572) ein wohlgeordnetes Staatswesen, organisierte die Behörden, regelte die Finanzverwaltung und beförderte, hauptsächlich
durch eignes Beispiel bei der Bewirtschaftung der Kammergüter, Ackerbau, Gewerbe und Handel.
Das Gebiet seines Staats rundete er durch neue Erwerbungen ab, bei denen er in den Mitteln allerdings nicht wählerisch war.
So erlangte er 1570 von den Herren von Plauen das Vogtland wieder, erwarb 1573 von den Grafen von Mansfeld
deren Halberstädter Lehen und erhielt 1581 die Administration des Stifts Meißen. Das Albertinische S. bildete ein geschlossenes
Territorium, das in Kreise eingeteilt war: den Kurkreis, Thüringen, Meißen, wovon 1691 der erzgebirgische Kreis abgetrennt wurde,
das Osterland und das Vogtland, wozu 1588 noch der Neustädter Kreis kam.
Unter Augusts Sohn Christian I. (1586-91) strebte der Kanzler Crell, der katholischen Reaktion einen protestantischen
Bund entgegenzustellen; aber der frühe Tod des Kurfürsten vereitelte denselben, und unter der Vormundschaft des Herzogs Friedrich
Wilhelm von Altenburg (bis 1601) für Christian II. (1591-1611) führte das Bündnis
des sächsischen Adels mit der orthodox-lutherischen
Partei den Sturz Crells herbei, worauf die Herrschaft des strengen Luthertums durch Einführung des Religionseides
und unnachsichtliche Verfolgung des Kryptocalvinismus gesichert wurde.
Hiermit trennte sich S. ganz von den reformierten Reichsständen; es beteiligte sich nicht an dem Widerstand gegen die immer
gefährlichere Gegenreformation und schloß sich der Union nicht an, verlor aber damit auch allen Einfluß
in Reichs- und Religionsangelegenheiten und erwarb im jülich-klevischen E rbstreit nichts als Titel und Wappen dieser Herzogtümer.
Dieser Politik blieb Christians II. Bruder, Kurfürst Johann Georg I. (1611-56), auch während des Dreißigjährigen Kriegs getreu.
Er lehnte 1619 die ihm angebotene böhmische Krone nicht nur ab, sondern unterstützte auch Kaiser Ferdinand
bei der Unterwerfung Schlesiens und der Lausitz und beobachtete aus Trägheit und Selbstsucht eine unfruchtbare Neutralität,
bis Tillys Einbruch in S. ihn 1631 auf Gustav Adolfs Seite trieb.
Die sächsischen Truppen nahmen an der Schlacht bei Breitenfeld teil und rückten dann in Böhmen ein, woraus sie Wallenstein 1632 vertrieb.
Nach dem Tod Gustav Adolfs und der Niederlage der Schweden bei Nördlingen (1634) kehrte S. jedoch im Frieden von Prag
der ihm den erblichen Besitz der Lausitzen einbrachte, zu dem Bund mit dem Kaiser zurück. Für diesen Abfall nahmen die Schweden
die grausamste Rache in wiederholten Einfällen, von denen dasselbe erst durch den Waffenstillstand zu
Kötzschenbroda erlöst wurde. 1650 räumten die Schweden das Land gänzlich, nachdem dessen Anteil an der schwedischen
Kriegskontribution, 267,107 Thlr., abgezahlt worden. Die Bevölkerung war von 3 Mill. auf die Hälfte vermindert, Wohlstand,
Handel, Gewerbe und Bildung auf lange schwer geschädigt, fast vernichtet.
Die kursächsischen Nebenlinien.
Einen erheblichen Abbruch erlitt der sächsische Staat dadurch, daß Johann Georg I. durch sein Testament seine jüngern Söhne,
August, Christian und Moritz, mit ansehnlichen Gebieten ausstattete und Kurfürst Johann Georg II. (1656-80) dies im Hauptvergleich
zu Dresden anerkannte. So entstanden die drei Linien S.-Weißenfels, S.-Merseburg und S.-Zeitz.
Die Linie S.-Weißenfels, von Herzog August, Administrator von Magdeburg, begründet und nach dessen Residenz Halle auch S.-Halle
benannt, erhielt die vier magdeburgischen Ämter Burg, Dahme, Jüterbog und Querfurt, Barby und den ganzen Thüringischen Kreis.
Nach seinem Tod (1680) fiel das Stift Magdeburg an Brandenburg, während ihm in Weißenfels sein älterer
Sohn, Johann Adolf I., folgte, der jüngere, Heinrich, aber die Nebenlinie S.-Barby stiftete, die jedoch mit Heinrichs Sohn und
Erben Georg Albrecht 1739 wieder erlosch. Johann Adolf trat 1687 Burg an Brandenburg ab, das dafür auf die Lehnshoheit über Dahme,
Jüterbog und Querfurt verzichtete, und erlangte für letzteres, das 1688 zum Fürstentum erhoben wurde,
die Reichsstandschaft, aber nicht Sitz und Stimme auf dem Reichstag. Ihm folgten 1697 sein Sohn Johann Georg und diesem 1712 sein
Bruder Christian, welche das Land durch Verschwendung in große Schulden stürzten; diese tilgte der sparsame jüngste Bruder,
Johann Adolf II. (1736-46), der das sächsische Heer im ersten und zweiten Schlesischen Krieg befehligte.
Mit ihm erlosch die Linie S.-Weißenfels, und ihre Besitzungen fielen an Kursachsen zurück.