Saccharin.
Das S. des Handels ist selten oder nie ein einheitlicher Körper, es enthält außer kleinen Mengen von schwefelsaurem Natron und Kalk Parasulfaminbenzoesäure und saures sulfobenzoesaures Kali. Das leicht lösliche S. des Handels ist die Natronverbindung, welche in wässeriger Lösung 300mal stärker süßt als Rohrzucker. Wird das S. in Lösung genossen, so ist es unschädlich, pulverförmiges S. vermag dagegen in ungelöstem Zustand Pepsin an sich zu reißen und hierdurch die Verdauung zu beeinträchtigen.
Nach längerer Aufnahme von S. wurde ein dauernder, widerlich süßer, sehr belästigender Geschmack beobachtet. Tagesdosen von nicht mehr als 0,1-0,2 g dürften aber anstandslos vertragen werden. Versuche zur Ausnutzung der antiseptischen Eigenschaften des Saccharins bei Gärungsprozessen im Verdauungskanal etc. haben zu keinen befriedigenden Resultaten geführt. In der Technik hat man S. zum Versüßen von Stärkezuckersirup für die Zuckerbäckerei, in der Mostrichfabrikation, beim Einmachen von Früchten etc. benutzt. In Frankreich hält man S. nicht für so unschädlich wie in Deutschland [* 2] und hat 1888 seine Anwendung verboten, doch dürften kommerzielle Rücksichten bei diesem Verbot mitgewirkt haben.
Auch in
Portugal
[* 3] ist die Einfuhr von S. verboten, die italienische
Regierung warnte vor
Verfälschung der
Nahrungsmittel
[* 4] mit
S., und die
Akademie der
Medizin in
Madrid
[* 5] erklärte den Zusatz von S. zu allen
Nahrungsmitteln als
Verfälschung
und empfahl, saccharin
haltigen
Nahrungsmitteln den
Eintritt in
Spanien zu verweigern. Der oberste
Sanitätsrat in
Wien
[* 6] erklärte,
daß S. keine nachteilige
Wirkung auf den
Organismus ausübe, daß es den
Gewürzen gleich zu achten sei,
und daß sein diätetischer Wert nicht in Abrede gestellt werden könne. S. kann selbstverständlich den
Zucker,
[* 7] soweit er
als
Nahrungsmittel in Betracht kommt, nicht ersetzen, es ist nur ein
Surrogat des
Zuckers, wo es sich lediglich um die Hervorbringung
eines süßen
Geschmacks handelt und auf eine
Erhöhung des Nahrungswertes der betreffenden
Substanz kein
Gewicht gelegt wird. In diesem
Falle kommt dann bisweilen auch die antiseptische
Wirkung des
Saccharins vorteilhaft in Betracht.
Verwerflich ist hiernach das Versüßen verdünnter Kuhmilch für
Säuglinge mit S., auch sind
Nahrungsmittel, welche an
Stelle
von
Zucker S. enthalten, in der
Regel als minderwertig zu betrachten. Wird
Stärkezucker mit S. versetzt,
um besser den
Rohrzucker zu ersetzen, so kommt in Betracht, daß ersterer erhebliche
Mengen von
Substanzen enthält, deren Einführung
in den
Organismus nicht wünschenswert erscheint. Die Verwendung von
S. in der Bierbrauerei
[* 8] und Weinbereitung erscheint ebenfalls
unzulässig, wenn nicht, was auch für die meisten übrigen
Fälle gilt, die
Ware für den Verkauf ausdrücklich
als saccharin
haltig bezeichnet wird.
Die stillschweigende Anwendung des Saccharins schließt meistens eine Täuschung des Publikums in sich. Anderseits kann es den Konsumenten gleichgültig sein, ob z. B. Mostrich mit wenig Zucker oder mit S., das in so geringer Dosis sicher nicht schädlich ist, versetzt wird. In diesem Sinne sind Nahrungs- und Genußmittel, die ihren süßen Geschmack ganz oder teilweise einer Beimischung von S. verdanken und ohne Angabe dieses Umstandes verkauft werden, in der Regel als nachgemachte oder verfälschte im Sinne des § 10 des Nahrungsmittelgesetzes zu beurteilen.
Zur Nachweisung des Saccharins benutzt man zunächst den süßen Geschmack des Rückstandes, den man beim Verdampfen eines ätherischen Auszugs der betreffenden Substanz erhält. Zu weiterer Bestätigung wird der Rückstand in verdünnter Natriumcarbonatlösung gelöst, die Lösung zur Trockne verdampft und die Substanz mit Natriumcarbonat gemischt in schmelzenden Salpeter eingetragen. Es entsteht dann schwefelsaures Kali, dessen Schwefelsäure [* 9] quantitativ bestimmt werden kann.
Vgl. Stutzer, Das Fahlbergsche S. (Braunschw. 1890).