Süßholz
(besser Süßholzwurzel, Radix Liquiritiae oder R. Glycyrrhizae), ein bedeutender Artikel des Droguenhandels, an dessen Produktion sich Spanien, Frankreich, Süddeutschland zum Teil, ferner Italien (hauptsächlich Unteritalien und Sizilien), Ungarn, Mähren, Südrußland vorzugsweise, und der Orient beteiligen, während auch Nordamerika angefangen hat, starke Posten an den Markt zu bringen.
Es gibt zwei verschiedne Sorten der Ware, die im Handel als spanisches und russisches S. unterschieden und auseinander gehalten werden und auch von zwei, obschon nahe verwandten, strauchartigen Pflanzen stammen, nämlich Glycyrrhiza glabra und Gl. echinata, dem glatten und dem rauhen S. Sie gehören zu den Leguminosen oder Hülsenfrüchtlern, haben also Schmetterlingsblüten, aus denen kurze, wenigsamige Hülsen oder Schoten hervorgehen, die bei der ersten Art glatt, bei der andern mit steifen Borsten besetzt sind. Die glatte Art hat ihre Heimat im südlichen Europa, die andre scheint mehr östlich zu Hause, in den Ländern des Schwarzen Meeres und weiterhin. Alle Wurzeln kommen von angepflanzten Sträuchern. Die rauhe Art wird im südlichen Rußland für den Handel gebaut und liefert das russische S.; alle andre Ware kommt von der glatten Art und heißt spanisches, wozu also auch französisches, deutsches etc. gehört, obwohl eine Sekundasorte wirklich von Spanien kommt.
Beiderlei Wurzeln zeigen manche Unterschiede. Das spanische, das von Tortosa, Sevilla, Alicante über französische Häfen in Ballen von 35-40 kg eingeht, bildet meist 6-9 dm lange Stäbe von Fingerdicke, mit graubrauner, runzliger Rinde, im Holze gelb, von Geschmack süß und hintennach im Schlunde kratzend, schwerer als Wasser und darin untersinkend. Die russische Wurzel, die von Petersburg in Ballen von 75-100 kg, mit Lindenbastmatten umgeben, zu uns gelangt, ist schon entrindet, bildet viel dickere, öfter gespaltene Stücke; das Holz ist sehr faserig, strahlig zerklüftet, die Farbe desselben heller (schwefelgelb), der Geschmack weniger süß, aber ohne kratzenden Nachgeschmack. Diese Sorte schwimmt im Wasser.
Was in Deutschland (Gegend von Bamberg und Schweinfurt), in Mähren etc. gebaut wird, ist der spanischen Wurzel ähnlich, aber dünner und von blasserm Gelb. Die deutsche Ware wird für den Handel in längliche Kränze gebunden. Man verarbeitet die Wurzel zum Teil gleich selbst auf Extrakt (Lakritzensaft), andernteils wird sie von Nürnberger Droguisten für den Handel kleingeschnitten. Mährisches Produkt kommt nicht in den Handel, sondern wird im Lande selbst verbraucht. Französische Ware wird wohl in der Regel spanische, über Frankreich gegangene sein, da Frankreich selbst noch einführt, dagegen aber viel Extrakt versendet. Italien bringt nur diesen, aber keine Wurzeln in den Handel, wogegen sich bei der spanischen Sorte neuerdings vieles findet, was aus Kleinasien gekommen ist. Wahrscheinlich schließt sich hier auch die amerikanische Ware an, da sie nicht unter eigner Firma erscheint.
Die Wurzeln werden von den importierenden Großhandlungen für Apotheken und Detailhandel auf Maschinen klar geschnitten, zum Teil auch in mehreren Graden und bis aufs Feinste gepulvert. Bei jeder Sorte wird auf möglichst reines und hohes Gelb des Holzes gesehen; es ist aber die russische Wurzel zuweilen nicht ausreichend vorhanden und dann kommen auch geringe dunkle Quantitäten zum Konsum. -
Der charakteristische Bestandteil der Wurzel ist ein eigentümlicher Süßstoff, Glycyrrhizin oder Süßholzzucker, in der Wurzel mit Ammoniak verbunden, unfähig zu kristallisieren, durch Kochen mit verdünnter Salzsäure in einen nicht kristallisierenden Zucker und eine harzartige Substanz zerlegbar. Außerdem findet sich in der Wurzel von Gl. glabra noch ein Weichharz, welches den kratzenden Nachgeschmack verursacht und in der russischen Wurzel nur in sehr geringem Maße vertreten ist. Die harzigen Bestandteile sind zwar an sich nicht in Wasser löslich, gehen aber doch unter Vermittelung der übrigen in die Abkochungen mit ein, wenigstens bei längerm Kochen, während bei kürzerm Sieden diese bittern Teile weniger mit ausgezogen werden. Die österreichische Pharmakopöe schreibt auch einen kalt bereiteten Extrakt vor.
Das Glycyrrhizin ist als der hauptsächlich wirksame Bestandteil der Wurzel anzusehen; diese dient bekanntlich häufig als reizlinderndes, die Thätigkeit der Schleimhäute anregendes, geschmackverbesserndes Mittel, als Bestandteil von Brustthee und in Form von Pulver, wässerigen Extrakten und Sirupen. Welcher von beiden Arten der Vorzug gebühre, darüber sind die Pharmakopöen nicht einig, indem die eine nur russische, die andre nur spanische Wurzel, die dritte beide für zulässig erklärt. Wurzel und Extrakt sind häufig, wie bekannt, auch ein bloßes Naschwerk für Kinder.
Das trockne Extrakt, Lakritzensaft (Succus oder Extractum Liquiritiae), in dem die Bestandteile der Wurzel konzentriert sind, wird überall bereitet, wo die Wurzel gebaut wird, doch nicht in gleich guter Qualität. Gewöhnlich geschieht dies in eignen Siedereien, welche die Wurzeln von den Pflanzern kaufen. Diese werden erst in kürzere Stückchen geschnitten, gewaschen, zwischen Walzen zerquetscht oder mit Wasser gestampft und in großen Kesseln mit Wasser 4-5 Stunden ausgekocht. Der abgeseihte und abgepreßte Saft wird dann noch weitere 14-15 Stunden eingesotten, in der letzten Periode unter beständigem Umrühren, damit die Masse sich nicht klümpert, sondern eine gleichförmige Honigdicke erlangt. Der Teig wird dann zu Kuchen oder Broten, meist aber zu runden oder flachgedrückten Stangen verschiedner Länge und Dicke ausgeformt und getrocknet.
Die Ware ist bekanntlich schwarz oder schwarzbraun von Farbe, darf, wenn sie gut ist, nicht feucht und biegsam sein, sondern muß kurz und mit stark glänzenden Bruchflächen brechen. Auch guter und reiner Lakritzen löst sich nicht wieder völlig in Wasser, sondern hinterläßt einen Rückstand. Beträgt derselbe nicht über 15%, so kann die Ware für gut gelten, andernfalls ist auf Zumischungen zu
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schließen, als welche Stärke, Mehl, Dextrin, Gummi, gemahlenes und geröstetes Johannisbrot u. dgl. genannt werden. Die Kaufware, welche bekanntlich als Brust- und Hustenmittel, dann zu Tabakssaucen, auch wohl als Wasserfarbe dient, heißt in den Apotheken rohe; aus ihr wird zu pharmazeutischen Zwecken erst eine gereinigte dargestellt, die nur aus den in kaltem Wasser löslichen Teilen besteht. Man schichtet zu dem Zwecke in einem Extrahierfaß abwechselnde Lagen von Stroh oder Geflecht aus geschälten Weiden und Lakritzenstangen, füllt mit Wasser auf und läßt mehrere Tage stehen, worauf man die Lösung abzapft und in gleicher Weise noch einen Auszug nimmt. Die geklärten Auszüge werden im Wasserbade bis zur Konsistenz eines dicken Extrakts eingedampft, oder man dampft weiter ein, zieht die zähe Masse zu Bändern aus, trocknet diese in gelinder Wärme völlig, pulvert sie und verwahrt das Pulver in wohlverschlossenen Gläsern. Auch formt man aus dieser gereinigten Masse Stangenlakritzen. -
Die dünnen unbezeichneten Stangen, welche bei uns im Detailhandel verkauft werden, sind meistens deutschen Ursprungs. Fremde Handelsware kommt von Unteritalien (Kalabrien), Sizilien, Frankreich, Spanien und neuerdings auch aus Südrußland, gewöhnlich in dickern Stangen, mit dem Ursprungs- und Fabrikstempel versehen, in Kisten mit Lorbeerblättern, aus Rußland mit Eichenblättern verpackt; die französische Ware hat dünne Stengel in Kartons von 1 kg zu 100 Stück. Kalabreser Lakritzen ist immer noch bevorzugt, wenigstens das Produkt gewisser Firmen oder Fabriken, deren es dort sehr viele gibt. Am meisten geschätzt ist die Marke des Barons Baracco, dann folgen P. S. (Principe di Salerno), Martucci, Policoco, Corigiliano, Cassano und manche andre. Die französische Primaware trägt den Stempel E. B. 60. -
In Preislisten findet sich gewöhnlich S. ohne Herkunftsangabe geschält und geschnitten mit 64-70 Mk. der Zentner notiert, daneben spanisches nur halb so teuer; Lakritzensaft, deutscher, das kg 1 Mk. 75 Pf., Bayonner, Kalabreser u. a. 2 Mk 80 bis 3 Mk. 50 Pf. -
Die Pflanze des glatten S. wuchert in einem ihr zusagenden lockern, etwas sandigen, doch fruchtbaren Boden mit ihren horizontalen Ausläufern so weit umher, daß sie am Ende schwer auszurotten ist. Beim russischen Süßholz ist die starke Pfahlwurzel das Hauptstück. Die erstere hält in Deutschland jeden Winter aus und schickt alljährlich neue Triebe empor, bringt Blüten, aber selten Hülsen, wenigstens reifen diese nicht; ihre Vermehrung geschieht daher durch Wurzelteilung, die sehr leicht auszuführen ist und vermutlich auch in den warmem Ländern geübt wird. Man schneidet die langen dünnen Wurzeln in Stücke, deren jedes einige Augen hat, und legt sie schräg in die Erde. Wenn die Pflanzen drei Sommer alt sind, gräbt man die Wurzeln auf, sucht die hinreichend dicken aus und trocknet sie, während man die dünnen zu neuen Pflanzungen benutzt. - S., auch geraspelt oder gepulvert, zollfrei. Siehe auch Reglisse.