Süd-Norddeutsche
Verbindungsbahn, s. Österreichisch-Ungarische Eisenbahnen (Beilage).
26 Wörter, 252 Zeichen
Verbindungsbahn, s. Österreichisch-Ungarische Eisenbahnen (Beilage).
Monarchie (hierzu die Übersichtskarte), ein aus zwei Staatsgebieten oder Reichshälften, nämlich dem österreichischen Staatsgebiet (Kaisertum Österreich, s. S. 482 ff.) oder den im Reichsrat vertretenen Ländern und dem ungarischen Staatsgebiet oder den Ländern der ungarischen Krone (s. Ungarn), zusammengesetztes Reich und eine der europäischen Großmächte, nimmt gegenwärtig unter den europäischen Staaten in Bezug auf den Flächeninhalt den zweiten und in Beziehung auf die Volkszahl den dritten Rang ein, liegt zwischen 42° 7'- 51° 3' nördl. Br. und 9° 32-266 ^[richtig: 26°] 30' östl. L. v. Gr. und breitet sich sonach zwischen 9 Breiten- und 17 Längengraden aus. Im N. grenzt sie an das Deutsche Reich (Sachsen, Preußen) und Rußland, im O. an Rußland und Rumänien (Moldau), im S. an Rumänien (Walachei), Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, das Adriatische Meer und Italien, im W. an Italien, Liechtenstein, die Schweiz und das Deutsche Reich (Bayern).
Das Reichsgebiet umfaßt einen Flächenraum von 622,006 qkm (11,296,2 QM.) und ist zusammenhängend; nur in Dalmatien wird es durch zwei Landzungen des herzegowinischen Gebiets derart durchbrochen, daß der Bezirk Ragusa nirgends an österreichisches Gebiet grenzt. Die Verteilung des Flächenraums auf die beiden Staatsgebiete, die Bevölkerung derselben nach den zwei letzten Zählungen und die gegenwärtige Volksdichtigkeit ist aus folgendem zu ersehen:
Österreich | Ungarn | Gesamtmonarchie | |
---|---|---|---|
Flächenraum in QKilom. | 299984 | 322022 | 622006 |
Bevölkerung im Jahr 1869 | 20396630 | 15425279 | 35821909 |
" " " 1880 | 22144244 | 15739375 | 37883619 |
Relative Bevölkerung 1880 pro QKilometer | 74 | 48 | 61 |
Nach dem zwischen den beiden Staatsgebieten im J. 1878 abgeschlossenen Zoll- und Handelsbündnis (1887 für weitere 10 Jahre verlängert) bilden beide Gebiete zusammen ein Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von einer gemeinsamen Zollgrenze. Infolgedessen steht keinem der beiden Teile das Recht zu, Verkehrsgegenstände, welche aus dem einen Ländergebiet in das andre übergehen, mit Ein-, Aus- und Durchfuhrabgaben zu belasten und hierzu eine Zwischenzollinie zu errichten.
Verträge, welche die Regelung wirtschaftlicher Beziehungen zum Ausland bezwecken, werden mit fremden Staaten für beide Reichshälften gleichmäßig angeschlossen. Die Zollgesetzgebung ist eine gleichartige; ebenso gelten gleiche gesetzliche Normen für alle Angelegenheiten, welche sich auf die Ausübung der Schiffahrt und auf das Seesanitätswesen, auf das Privatrecht, auf die Flußpolizei, auf das Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen, auf die Landeswährung, das Maß- und Gewichtssystem, den Feingehalt der Gold- und Silberwaren, auf die Hausierbefugnisse, die Erfindungspatente, den Marken- und Musterschutz und den Schutz des geistigen und artistischen Eigentums beziehen. Die Angehörigen des einen Ländergebiets, welche in dem andern Handel und Gewerbe treiben wollen oder Arbeit suchen, sind bezüglich des Gewerbeantritts, der Gewerbeausübung und der zu zahlenden Abgaben den Einheimischen ganz gleichgestellt; eine solche Gleichstellung besteht auch bezüglich des
Die bairische Ostmark (Ostarrichi) um die Mitte des zwölften Jahrhunderts.
Die helvetischen Stammlande der Habsburger um das Jahr 1350.
Die österreichischen Lande zur Zeit Kaiser Rudolfs I. 1273-1291.
Die österreichischen Lande im Jahre der Erwerbung Ungarns und Böhmens 1526.
Die österreichischen und ungarischen Lande beim Ausbruch des dreissigjährigen Krieges im Jahre 1618.
Die österreichischen und ungarischen Lande in den Jahren 1618-1795.
Die österreichischen und ungarischen Lande bei der Auflösung des deutschen Bundes im Jahre 1866.
Zum Artikel »Österreich.-ungar. Monarchie«.
Marktverkehrs, der Errichtung von Zweigniederlassungen, der Ausübung der Schiffahrt und Flößerei. Die frühern Zollausschlüsse (Istrien und die Quarnerischen Inseln, die Freihäfen Buccari, Zengg, Portoré und Carlopago, die galizische Stadt Brody) und das besondere Zollgebiet Dalmatien sind Ende 1879 dem allgemeinen österreichisch-ungarischen Zollgebiet einverleibt worden, von welchem nur noch die bis auf weiteres in ihrer Sonderstellung belassenen Freihäfen Triest und Fiume ausgenommen sind. Außerdem gehören dem Zollgebiet das Fürstentum Liechtenstein (Vertrag vom und die okkupierten Provinzen Bosnien und die Herzegowina (seit an. Das Zollsystem in demselben beruht gegenwärtig auf dem Tarif vom Jahr 1887. Der äußere Handel des allgemeinen österreichisch-ungarischen Zollgebiets ergab 1886
in der Einfuhr | 539223418 | Guld. |
in der Ausfuhr | 698632273 | " |
Mehrwert der Ausfuhr: | 159408855 | Guld. |
Ein Vergleich mit den Vorjahren ergibt folgende Übersicht in Millionen Silbergulden (ohne edle Metalle):
Einfuhr | Ausfuhr | Mehrausfuhr | Einfuhr | Ausfuhr | Mehrausfuhr | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|
1877 | 555.3 | 666.6 | 111.3 | 1882 | 654.2 | 781.9 | 127.7 |
1878 | 552.1 | 654.7 | 102.6 | 1883 | 624.9 | 749.9 | 125.0 |
1879 | 556.6 | 684.0 | 127.4 | 1884 | 612.6 | 691.1 | 78.9 |
1880 | 613.5 | 676.0 | 62.5 | 1885 | 557.9 | 672.1 | 114.2 |
1881 | 641.8 | 731.5 | 89.7 | 1886 | 539.2 | 698.6 | 159.4 |
Sowohl in der Einfuhr als in der Ausfuhr (und zwar bei letzterer noch in höherm Grad) ist im abgelaufenen Jahrzehnt eine erhebliche Vermehrung zu konstatieren. Wenn dieselbe nicht auch in den letzten vier Jahren anhielt, so liegt der Grund hauptsächlich in den gesunkenen Preisen vieler wichtiger Handelsgüter, wodurch die Gesamtsumme ungünstig beeinflußt worden ist. Die wichtigsten Artikel in der Einfuhr und Ausfuhr werteten in Millionen Gulden:
Einfuhr | Ausfuhr | ||
---|---|---|---|
Baumwolle | 45.8 | Getreide | 63.1 |
Schafwolle | 31.5 | Holz | 50.2 |
Kaffee | 31.2 | Zucker | 48.3 |
Felle und Häute | 22.9 | Kurzwaren und Uhren | 44.9 |
Seide u. Seidenabfälle | 19.6 | Schlachtvieh | 38.8 |
Tabaksfabrikate | 16.7 | Schafwollwaren | 27.4 |
Tabaksblätter | 16.1 | Mahlprodukte | 24.6 |
Leder | 14.5 | Schafwolle | 24.5 |
Getreide | 14.4 | Lederwaren | 21.3 |
Baumwollgarne | 14.4 | Glas und Glaswaren | 19.4 |
Mineralkohlen | 13.7 | Wein | 17.7 |
Schafwollgarne | 13.6 | Mineralkohlen | 17.4 |
Schafwollwaren | 13.3 | Holzwaren | 17.1 |
Schlachtvieh | 13.3 | Papier u. Papierwaren | 12.8 |
Flachs | 13.0 | Eisen und Eisenwaren | 11.9 |
Seidenwaren | 11.9 | Geflügeleier | 11.3 |
Farb- u. Gerbstoffe | 11.7 | Leinengarne | 11.3 |
Kurzwaren und Uhren | 9.9 | Mineralien, diverse | 10.5 |
Maschinen | 9.7 | Federn | 10.2 |
Eisen und Eisenwaren | 8.9 | Felle und Häute | 10.0 |
Summe: | 346.1 | Summe: | 492.7 |
Andre Waren | 193.1 | Andre Waren | 205.9 |
Im ganzen: | 539.2 | Im ganzen: | 698.6 |
Der Gesamtverkehr verteilt sich nach den einzelnen Ein- und Austrittsgrenzen folgendermaßen:
Verkehr mit und über: | Einfuhr | Ausfuhr | Verkehr mit und über: | Einfuhr | Ausfuhr |
---|---|---|---|---|---|
Prozente | Prozente | ||||
Deutschland | 61.84 | 56.87 | |||
Rußland | 4.35 | 2.94 | Türkei und Montenegro | 0.21 | 0.11 |
Rumänien | 1.87 | 4.92 | Schweiz | 1.77 | 5.64 |
Serbien | 2.91 | 2.63 | Triest | 17.50 | 14.28 |
Italien | 3.35 | 6.07 | Sonstige Häfen | 6.20 | 6.54 |
Der Landverkehr steht hiernach dem Seeverkehr in der Einfuhr mit 76,30 gegen 23,70 Proz., in der Ausfuhr mit 79,18 gegen 20,82 Proz. gegenüber. In den obigen Ziffern über den eigentlichen Warenverkehr sind die ein- und ausgeführten Mengen an Edelmetallen und Münzen nicht inbegriffen. Der auswärtige Verkehr hierin war folgender:
Jahr | Einfuhr | Ausfuhr | Mehreinfuhr (+) oder |
---|---|---|---|
Mill. Gulden | Mindereinfuhr (-) | ||
1881 | 36.5 | 5.9 | +30.6 |
1882 | 22.5 | 48.9 | -26.4 |
1883 | 21.7 | 4.2 | +17.5 |
1884 | 12.7 | 9.9 | +2.8 |
1885 | 12.3 | 8.7 | +3.6 |
1886 | 10.6 | 1.8 | +8.8 |
Der Durchfuhrhandel ist namentlich für die vom Westen nach dem Osten des Kontinents zu transportierenden Fabrikate wie für die vom Osten nach dem Westen Europas zu befördernden Rohstoffe von Wichtigkeit; doch macht sich in letzterer Verkehrsrichtung noch immer der Mangel türkischer Anschlußbahnen fühlbar. Gegen frühere Jahre hat der Durchfuhrhandel infolge der steten Erweiterung des österreichisch-ungarischen und überhaupt des kontinentalen Eisenbahnnetzes eine große Entwickelung aufzuweisen; 1885 belief er sich auf 4,5 Mill. metr. Ztr. im Wert von 316,7 Mill. Gulden.
Eine besondere Kategorie des Handelsverkehr bildet die Einfuhr, resp. Ausfuhr zum Zweck der Umgestaltung (sogen. Appreturverfahren), die auf Grund der Handelsverträge unter Kontrolle der Finanzorgane gegen zollfreie Rücksendung erfolgt. 1885 wurden 355,395 metr. Ztr. Getreide zum Vermahlen, ferner 5177 metr. Ztr. Metalle, Maschinen und Maschinenteile zur Herstellung von zum Export bestimmten Waren und 5046 metr. Ztr. Gewebe zur Kleider- und Schuhwarenfabrikation eingeführt.
Die Staatsverfassung Österreich-Ungarns hat unter dem Einfluß der Ereignisse seit 1848 mehrfache Wandlungen erlitten (s. unten, Geschichte). Die für Österreich und Ungarn übereinstimmend geltenden Grundgesetze sind:
1) die Pragmatische Sanktion Kaiser Karls VI. vom (nach Annahme durch die Stände der österreichischen Provinzen zusammengefaßt als »Hauptinstrument« im Reskript vom in Ungarn anerkannt durch die Gesetzartikel I, II und III vom Jahr 1723), betreffend die Thronfolgeordnung, die Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der Bestandteile der Monarchie;
2) das Gesetz vom (ungarische Gesetzartikel XII vom Jahr 1867), betreffend die allen Ländern der Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten;
3) das Zoll- und Handelsbündnis der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder mit den Ländern der ungarischen Krone (Gesetz vom ungarische Gesetzartikel XX vom Jahr 1878, s. oben). Durch das Pragmatikalpatent vom wurde die Annahme der Kaiserwürde von Österreich und durch das Handschreiben vom der Titel »Österreichisch-Ungarische Monarchie« oder »Österreichisch-Ungarisches Reich« bekannt gemacht. Staatsoberhaupt der gesamten Monarchie ist der Kaiser von Österreich und König von Ungarn (gegenwärtig Franz Joseph I., geb. regiert seit
dessen Prädikat »Kaiserliche und Königliche Apostolische Majestät« ist. Er ist unverletzlich und unverantwortlich, Oberbefehlshaber des
Heers und der Flotte und entscheidet über Krieg und Frieden. In seinem Namen werden die Gesetze erlassen, die für beide Reichshälften durch die Mitwirkung der bezüglichen Vertretungskörper zu stande gekommen sind. In seinem Namen wird im ganzen Reich Recht gesprochen, wie ihm allein auch das Recht der Begnadigung, Strafmilderung und Amnestierung zusteht. Er leistet beim Antritt der Regierung ein eidliches Gelöbnis auf die Verfassung, was in Österreich in Gegenwart beider Häuser des Reichsrats, in Ungarn bei der Krönung geschieht. Er besteigt den Thron kraft des Geburtsrechts, und zwar ist der Thron der Pragmatische Sanktion und den österreichischen Hausgesetzen gemäß nach dem Rechte der Erstgeburt und der gemischten Linealerbfolge in dem Haus Habsburg-Lothringen erblich. Die männliche Linie geht der weiblichen vor, und letztere folgt erst nach dem völligen Aussterben ersterer. Die Religion des Kaisers und der kaiserlichen Familie ist die römisch-katholische.
Den Grundgesetzen gemäß sind die Königreiche und Länder, welche die Monarchie ausmachen, in zwei Staaten oder Reichshälften vereinigt, welche staatsrechtlich, abgesehen von der gemeinschaftlichen Dynastie, durch gewisse als gemeinsam erklärte Angelegenheiten zusammenhängen, sonst aber ihre besondere Verfassung, welche die eingeschränkt- (repräsentativ-) monarchische ist, besitzen (Verhältnis der Realunion). Beiden Reichshälften gemeinsame Angelegenheiten sind: die auswärtigen Angelegenheiten, das Kriegswesen (mit Ausschluß der Rekrutenbewilligung und der Gesetzgebung über die Wehrpflicht), das Finanzwesen rücksichtlich der gemeinschaftlich zu bestreitenden Ausgaben.
Hierzu ist noch die durch den Berliner Vertrag vom Jahr 1878 an Österreich-Ungarn übertragene Verwaltung Bosniens und der Herzegowina getreten. Außerdem werden folgende Angelegenheiten zwar nicht gemeinsam verwaltet, aber nach gleichartigen Grundsätzen behandelt: die kommerziellen Angelegenheiten, speziell die Zollgesetzgebung;
die Gesetzgebung über die mit der industriellen Produktion in Verbindung stehenden indirekten Abgaben;
die Feststellung des Münzwesens und des Geldfußes;
Verfügungen bezüglich jener Eisenbahnlinien, welche das Interesse beider Reichshälften berühren;
die Feststellung des Wehrsystems.
Das Gesetzgebungsrecht hinsichtlich der beiden Staatsgebieten gemeinsamen Angelegenheiten wird von beiden Reichsvertretungen mittels zu entsendender Delegationen ausgeübt. Jede der beiden Delegationen besteht aus 60 Mitgliedern, von welchen ⅓ vom Herrenhaus, bez. der Magnatentafel, ⅔ vom Abgeordnetenhaus, bez. der Repräsentantentafel, auf ein Jahr gewählt werden. Sie werden alljährlich vom Monarchen abwechselnd nach Wien oder Budapest einberufen, verhandeln abgeändert und teilen sich ihre Beschlüsse gegenseitig schriftlich (durch »Nunzien«) mit; wenn ein dreimaliger Schriftenwechsel nicht zur Einigung führt, so erfolgt die Entscheidung durch Abstimmung in gemeinschaftlicher Plenarsitzung. Für die Verwaltung der beiden Reichshälften gemeinsamen Angelegenheiten bestehen drei gemeinsame Ministerien mit dem Sitz in Wien und zwar: das Ministerium des kaiserlichen Hauses und des Äußern, das Reichskriegsministerium und das Reichsfinanzministerium. Die Rechnungskontrolle über das Kassenwesen der gemeinsamen Ministerien ist dem gemeinsamen obersten Rechnungshof in Wien zugewiesen.
In Bezug auf das Staatsfinanzwesen ist zwischen dem gemeinsamen Staatshaushalt und jenem der beiden Reichshälften zu unterscheiden. Die gemeinsamen Ausgaben werden nach Abzug der eignen Einnahmen und des Ertrags des Zollgefälles sowie einer Quote von 2 Proz., welche zu Lasten des ungarischen Staats (wegen der demselben einverleibten Militärgrenze) in Rechnung genommen wird, durch einen Beitrag von 70 Proz. seitens der im Reichsrat vertretenen Länder und durch einen solchen von 30 Proz. seitens der ungarischen Länder gedeckt. Nach dem gemeinsamen Staatsbudget für 1887 betragen:
Die gemeinsamen Ausgaben | 123855414 | Guld. |
- darunter: Heer | 105935378 | " |
- Kriegsmarine | 11316039 | " |
Als Bedeckung dienen: | ||
Eigne Einnahmen u. Überschuß des Zollgefälles | 21799975 | Guld. |
Beitrag der im Reichsrat vertretenen Länder | 70010032 | " |
Beitrag der ungarischen Länder | 32045407 | " |
Das Heerwesen gliedert sich in das stehende Heer, die Ersatzreserve und die Kriegsmarine unter dem Reichskriegsministerium, die österreichische Landwehr und den Landsturm, dann die ungarische Landwehr (Hónved) und den Landsturm, unter je einem Minister für Landesverteidigung in den beiden Reichshälften. Die Wehrpflicht ist allgemein und dauert im stehenden Heer 10 Jahre und zwar 3 Jahre in der Linie und 7 Jahre in der Reserve;
in der Kriegsmarine 9 Jahre und zwar 4 Jahre in der Linie und 5 Jahre in der Reserve;
sie beginnt mit dem 20. Lebensjahr;
freiwilliger Eintritt ist vom 17. Jahr an gestattet.
Von den nicht Ausgehobenen dient ein Teil (jährlich 10 Proz. der Ausgehobenen) 10 Jahre in der Ersatzreserve (mit ähnlicher Bestimmung wie in Deutschland); der Rest wird sofort in die Landwehr und zwar für eine 12jährige Dienstzeit eingereiht, in welche außerdem die ausgedienten Reservemänner und Ersatzreservisten für 2 Jahre versetzt werden. Der Landsturm umfaßt alle dem Heer nicht angehörenden wehrfähigen Staatsbürger vom 19. bis zum 42. Lebensjahr.
Das stehende Heer umfaßt folgende Truppenformationen: a) Infanterie: 102 Infanterieregimenter, 1 Tiroler Jägerregiment und 32 Feldjägerbataillone. Das Infanterieregiment besteht aus 4 Feldbataillonen und 1 Ersatzbataillon, das Bataillon zählt 4 Kompanien. Das Tiroler Jägerregiment ist in 10 Feldbataillone (zu je 4 Kompanien) und 2 Ersatzbataillone (mit 5 Kompanien) gegliedert; jedes der 32 selbständigen Feldjägerbataillone zählt 4 Kompanien und 1 Ersatzkompanie.
Durch die Ersatzbataillone der Infanterie und der Tiroler Jäger werden bei der Mobilisierung Stabszüge aufgestellt. b) Kavallerie: 41 Regimenter (14 Dragoner-, 16 Husaren-, 11 Ulanenregimenter) zu je 6 Eskadrons (2 Divisionen), einem Pionierzug und einem Ergänzungskadre, an dessen Stelle im Krieg je 1 Reserve- und Ersatzeskadron und 2 Züge Stabskavallerie hinzutreten. c) Artillerie: 14 Artilleriebrigaden mit 14 Korpsartillerieregimentern (jedes mit einer schweren und einer leichten Batteriedivision), 17 den letztern zugeteilten Batteriedivisionen (9 schwere und 8 reitende) und 28 selbständigen schweren Batteriedivisionen, ferner 12 Festungsartilleriebataillone. Die Feldartillerie umfaßt im ganzen 197 Batterien, 12, eventuell 24 Gebirgsbatterien, 79 Munitionskolonnen und 42 Ersatzdepots; die schwere Batteriedivision ist zu 3, die leichte und reitende Batteriedivision zu 2 Batterien formiert; jede Batterie zählt im Frieden in der Regel 4, im Krieg 8 (die Gebirgsbatterie 4)
Geschütze, nur jede der 16 reitenden Batterien begreift im Frieden wie im Krieg 6 Kanonen. Das Festungsartilleriebataillon besteht aus 6 Kompanien, beim 9. Bataillon befinden sich außerdem 3 Gebirgsbatterien, deren Zahl im Krieg verdoppelt wird. d) Genie- und Pioniertruppen: 2 Genieregimenter und 1 Pionierregiment. Jedes der beiden Genieregimenter gliedert sich in 5 Feldbataillone (zu 4 Kompanien), 2 Reservekompanien und 1 Ersatzbataillon zu 5 Kompanien. Das Pionierregiment ist in 5 Feldbataillone formiert, jedes zu 4 Feldkompanien, 1 Reserve- und 1 Ersatzkompanie und 1 Zeugsreserve. e) 1 Eisenbahn- und Telegraphenregiment mit 8 Kompanien in 2 Bataillonen und 1 im Frieden als Kadre bestehenden Ersatzbataillon. f) Traintruppe: 3 Trainregimenter mit 15 Traindivisionen, 77 Eskadrons und 20 Gebirgseskadrons. g) Sanitätstruppe mit 26 Abteilungen.
Die Landwehr besteht in Österreich (ohne Tirol und Vorarlberg) aus 82 Landwehrbataillonen und zwar 59 in 17 Regimenter zusammengezogenen Infanteriebataillonen, 19 in 5 Regimenter vereinigten Schützenbataillonen und 4 selbständigen dalmatischen Schützenbataillonen; ferner aus 3 Dragoner- und 3 Ulanenregimentern (zu 4 Feldeskadrons und 1 Ersatzeskadron) und 1 berittenen Schützenabteilung in Oberdalmatien. Bei einer Mobilisierung hat jedes Landwehrbataillon 1 Feldbataillon (mit 4 Kompanien), dann 1 Ersatz- und 1 Reservekompanie aufzustellen. In Tirol und Vorarlberg bestehen 10 Landesschützenbataillone zu 4 Kompanien, aus welchen im Krieg 10 Feld- und 10 Reservebataillone sowie 10 Ersatzkompanien formiert werden; ferner 2 Landesschützeneskadrons.
Die Landwehr der ungarischen Länder umfaßt an Infanterie. 94 Bataillone erster Linie, 30 Bataillone zweiter Linie, 94 Ersatzkompanien und die erforderlichen Stabstruppen; an Kavallerie 10 Husarenregimenter und 8 Züge Stabstruppen. Das Infanteriebataillon begreift 4 Kompanien, das Kavallerieregiment 2 Divisionen mit vier Eskadrons, 1 Pionierzug und 1 Ersatzeskadron. Der Landsturm umfaßt in Österreich je 80 Auszugs- und Territorialbataillone, außerdem in Tirol 30 Bataillone, dann in Ungarn je 92 Infanteriebataillone ersten und zweiten Aufgebots und 40 Husareneskadrons nebst 20 Ersatzhalbeskadrons.
Die Stärke des Landheers beläuft sich im Friedensstand auf 267,179 Mann stehenden Heers, 14,870 Mann Landwehr und 20,455 Mann besonderer Formationen (Garden, Gendarmerie, Gestütsbranche), zusammen auf 302,504 Mann und 816 Geschütze. Jährlich werden 94,543 Rekruten eingestellt, wovon 54,991 auf Österreich, 39,552 auf Ungarn entfallen. Der Kriegsstand beträgt im stehenden Heer 807,072 Mann, wovon 6154 auf Behörden, höhere Kommanden und Stäbe, 781,600 Mann auf die Truppen (552,945 Infanterie und Jäger, 64,055 Kavallerie, 84,022 Artillerie, 26,179 technische Truppen, 38,917 Traintruppen, 15,482 Sanitätstruppen) und 19,318 Mann auf die Heeresanstalten kommen;
in der Landwehr 324,000 Mann (in Österreich 153,000, in Ungarn 171,000);
in den besondern Formationen 20,455 Mann;
endlich im Landsturm auf ca. 440,000 Mann (in Österreich 228,000, in Ungarn 212,000).
Der gesamte Kriegsstand beläuft sich sonach auf ca. 1,591,500 Mann mit 1748 Geschützen. Für den militärischen und administrativen Dienst des Heers ist die Monarchie in 15 Militärterritorialbezirke eingeteilt; die leitenden Behörden sind die dem Reichskriegsministerium unterstehenden 14 Korpskommanden (1. Krakau, 2. Wien, 3. Graz, 4. Budapest, 5. Preßburg, 6. Kaschau, 7. Temesvár, 8. Prag, 9. Josephstadt, 10. Brünn, 11. Lemberg, 12. Hermannstadt, 13. Agram, 14. Innsbruck) und das Militärkommando in Zara.
Für die Kriegsmarine ist im Reichskriegsministerium eine besondere Sektion errichtet, deren Chef als Befehlshaber der Flotte fungiert. Als Hilfsorgane sind dem Reichskriegsministerium zugeteilt: der Chef des Generalstabs, die Generalinspektoren für Infanterie, Kavallerie, Artillerie, Genie, Train und der Sanitätstruppenkommandant. Ein Generalinspektor des Heers überwacht die Ausbildung und Manövrierfähigkeit der Truppen. Im Krieg wird die zur Aktion bestimmte Heeresmacht in 3 Armeen, 15 Armeekorps, 42 Infanterie- und 8 selbständige Kavallerie-Truppendivisionen formiert. Im Frieden ist das stehende Heer gegenwärtig in 15 Armeekorps; 33 Truppendivisionen (darunter. 2 selbständige Kavalleriedivisionen), 63 Infanterie-, 6 Gebirgs-, 20 Kavallerie- und 14 Artilleriebrigaden aufgestellt.
Unter den zahlreichen Festungen und Sperrforts an den Gebirgsgrenzen sind als große Waffenplätze besonders zu nennen: Olmütz, Krakau, Przemysl, Komorn, Peterwardein und der Kriegshafen Pola. Die Kriegsmarine zählte Ende 1887 an Panzerschiffen: 2 Turmschiffe, 8 Kasemattschiffe und 1 Fregatte mit zusammen 60,000 Ton. Tragfähigkeit und 165 Kanonen nebst 85 Schnellfeuergeschützen; ferner 2 Fregatten, 3 gedeckte Korvetten, 5 Glattdeckkorvetten, 8 Torpedofahrzeuge, 6 Kanonenboote, 5 Raddampfer und Jachten, 40 Torpedoboote, 6 Transportschiffe, endlich 2 Donaumonitoren. Zu diesen 88 Kriegsschiffen (97,097 T. Tragfähigkeit, 350 Kanonen und 155 Schnellfeuergeschütze) kommen noch 16 Schulschiffe und Hulks und 10 Tender. Das Marinepersonal hat einen Friedensstand von 8560 und einen Kriegsstand von 12,976 Mann. Der letztere gliedert sich in 757 aktive Seeoffiziere und Seekadetten, 11,532 Mann des Matrosenkorps (in 2 Depots zu 6 Kompanien) und 687 Auditoren, Ärzte, Geistliche, Beamte u. dgl. Über die militärischen Lehranstalten s. die Art. Österreich und Ungarn.
Ritterorden (s. Tafel »Orden«) bestehen in Österreich acht: der Orden des Goldenen Vlieses (Toisonorden), aus einer Klasse bestehend, vom Herzog Philipp von Burgund gestiftet, der höchste Orden Österreich-Ungarns, bloß für Souveräne und die höchsten Würdenträger katholischer Religion bestimmt;
der Sternkreuzorden, gestiftet ebenfalls aus einer Klasse bestehend, von der Kaiserin an Damen des hohen Adels verliehen;
der militärische Maria Theresia-Orden, gestiftet mit drei Klassen (Großkreuzen, Kommandeuren und Rittern), zur Belohnung tapferer Thaten für in- und ausländische Offiziere bestimmt;
der königlich ungarische St. Stephansorden, gestiftet für Adlige, die sich im Zivildienst verdient gemacht, auch für Militärpersonen, mit drei Klassen (Großkreuzen, Kommandeuren und Kleinkreuzen);
der Leopoldsorden, gestiftet zur Auszeichnung für gemeinnützige Verdienste, Gelehrsamkeit etc., mit drei Klassen (Großkreuzen, Kommandeuren und Kleinkreuzen);
der Orden der Eisernen Krone, gestiftet 1805 von Napoleon I., von Kaiser Franz I. erneuert, für ähnliche Verdienste bestimmt wie der vorige und ebenfalls mit drei Klassen (Rittern erster: zweiter und dritter Klasse);
der Franz Joseph-Orden, gestiftet erweitert für ehrenvolle Verdienste ohne Rücksicht auf Stand, Geburt und Religion bestimmt, auch mit drei Klassen.
(Großkreuzen, Komturen und Rittern); das militärische Elisabeth Theresia-Stiftskreuz, gestiftet 1750, erneuert 1771, zur Belohnung von 21 bedürftigen, verdienstvollen Generalen und Obersten der österreichischen Armee bestimmt, die damit Pensionen erhalten. Verdienst- und Ehrenzeichen sind: das (goldene und silberne) geistliche Verdienstkreuz für Feldgeistliche;
die (große und kleine, goldene und silberne) militärische Tapferkeitsmedaille;
das (silberne) Militärverdienstkreuz für aktive Offiziere;
die Militärdienstzeichen für Offiziere und Mannschaft (in je zwei Klassen);
das (goldene und silberne, mit oder ohne Krone versehene) Verdienstkreuz für Zivilverdienste;
das Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft (gestiftet
Zur Belohnung der Seefahrer ist eine Ehrenflagge (in zwei Klassen, einer weißen und einer roten) bestimmt.
Vgl. »Statistisches Handbuch der österreichisch-ungarischen Monarchie für den Zeitraum 1867-76«, herausgegeben von den Vorständen des k. k. österreichischen und königl. ungarischen statistischen Büreaus (Wien 1878),
und die bei den Artikeln »Österreich« und »Ungarn« angeführten Werke.
Die Österreichisch-Ungarische Monarchie in ihrem jetzigen Umfang und ihrer heutigen politischen Organisation ist aus dem ehemaligen Herzogtum Österreich (jetzt Nieder- und Oberösterreich), einer Ostmark Deutschlands, allmählich erwachsen, wie Preußen aus der Mark Brandenburg. Durch Eroberung, durch friedlichen Erwerb und durch Vererbung sind diesem Kern die deutschen Kronlande Steiermark, Kärnten, Krain, Istrien und Tirol, das Königreich Böhmen mit seinen Nebenlanden, die Länder der ungarischen Krone, Galizien und die Bukowina, Salzburg und Dalmatien, endlich Bosnien und die Herzegowina angegliedert worden; die Geschichte dieser Länder vor ihrer Vereinigung mit Österreich und ihre speziellern Schicksale seitdem sind in besondern Artikeln behandelt (s. d.). Andre Länder, wie Belgien, Neapel und Sizilien, die Lombardei, Venetien, Schlesien und die Lausitz, hat Österreich nur vorübergehend besessen. Wir beschäftigen uns zunächst mit dem Herzogtum Österreich allein.
Das Gebiet Österreichs wurde in der ältesten Zeit von Kelten bewohnt, deren Gebiet südlich der Donau unter Augustus von den Römern erobert wurde; dieselben bildeten daselbst die beiden Provinzen Noricum und Pannonia, deren Grenze der Wienerwald (Cetius Mons) bildete. Das Land nördlich der Donau fiel später in die Gewalt der Markomannen und Quaden, welche in der Zeit der Völkerwanderung unter dem Namen der Bajuwaren oder Bayern sich auch des Gebiets südlich der Donau und des der Ostalpen bemächtigten, während in Pannonien nach dem Zerfall des Hunnenreichs und dem Abzug der Langobarden nach Italien ein uralisch-finnischer Volksstamm, die Avaren, denen sich Slawen anschlossen, sich festsetzte.
Enns und Drau bildeten die Grenzen des avarischen und bayrischen Gebiets, welch letzteres von den verheerenden Einfällen der Avaren oft heimgesucht wurde. Als diese sich 787 mit dem letzten agilolfingischen Herzog von Bayern, Thassilo, verbanden, um Bayern vom fränkischen Reich losreißen zu helfen, beschloß Karl d. Gr. nach der Absetzung Thassilos und der Einverleibung Bayerns in sein Reich (788), die beutegierigen Avaren zu züchtigen und von weitern Einfällen in das Frankenreich abzuschrecken. Er unternahm 791 selbst einen Kriegszug gegen sie, überließ aber die weitere Fortsetzung des Kriegs seinem tapfern Sohn Pippin.
Unter schweren Kämpfen drang dieser bis in den Hauptring der Avaren an der Theiß vor, vernichtete durch einen glänzenden Sieg (796) ihre Macht völlig und fügte das Land zwischen Enns und Raab dem fränkischen Reich als avarische oder Ostmark bei. Das eroberte Gebiet wurde bayrischen Ansiedlern überlassen, Salzburg zum Metropolitansitz für die Ostgegenden erhoben und so diese für die Kultur und für das in den Stürmen der Völkerwanderung erloschene Christentum gewonnen.
Schon Ludwig der Deutsche hatte, um das neuerworbene Grenzland zu schützen, mit den slawischen Mähren Kämpfe zu bestehen. Dieselben wurden noch gefährlicher unter seinen Nachfolgern, als Swatopluk ein großes Mährenreich gründete und die Ostmark demselben einzuverleiben suchte. König Arnulf rief gegen ihn die Magyaren oder Ungarn zu Hilfe, ein uralisch-finnisches Reitervolk, das an Stelle der Avaren sich in der ungarischen Tiefebene niedergelassen hatte.
Nach Swatopluks Tod (894) und dem Zerfall des Mährenreichs wurden die Magyaren die Nachbarn Deutschlands selbst, in das sie wiederholt verwüstende Einfälle machten, welche die schwachen Könige Ludwig das Kind und Konrad I. nicht zurückzuweisen vermochten. Das bayrische Heer unter Markgraf Luitpold erlitt 28. Juni 907 durch die Magyaren eine furchtbare Niederlage, durch welche die Ostmark jenseit der Enns verloren ging. Erst infolge des Siegs der Deutschen auf dem Lechfeld (10. Aug. 955) hörten die verheerenden Einfälle der Magyaren auf.
Während dieselben sich zu seßhaften Leben in der Theiß- und Donauebene bequemten und mit dem Christentum allmählich abendländische Kultur annahmen, ward das Land jenseit der Enns wieder von deutschen Ansiedlern besetzt und als bayrische Ostmark dem Deutschen Reich wiedergewonnen. Kaiser Otto II. verlieh das Land 974 dem Babenberger Luitpold mit der Würde eines Markgrafen gegen die Ungarn und machte ihn 976 nach der Unterdrückung der Empörung des bayrischen Herzogs Heinrich des Zänkers von Bayern fast unabhängig. So gelangte das Geschlecht der Babenberger zur Herrschaft über Österreich, die es bis zu seinem Aussterben (1246) innehatte.
Der erste Markgraf, Luitpold oder Leopold I. (976-994), eroberte die Grenzfestung Melk und dehnte die Grenzen seines Gebiets bis zum Wienerwald aus, starb aber schon 10. Juli 994 durch einen Pfeilschuß, der die Blendung eines Würzburger Vasallen rächte. Unter seinem Sohn Heinrich I. (994-1018) erscheint der Name Österreich 996 zum erstenmal in einer Schenkungsurkunde. Ihm folgte sein Bruder Adalbert (1018-1056), dessen Sohn Luitpold sich im Krieg Kaiser Heinrichs III. gegen die Ungarn auszeichnete, aber schon 1043 starb. In diesem Krieg wurden die Ungarn zur Abtretung des Gebiets westlich der March und der Leitha gezwungen, welch letzterer Fluß seitdem Grenzfluß Deutschlands und Ungarns war. Die Gegenden östlich vom Wienerwald wurden nun dauernd von deutschen Kolonisten besiedelt, und ein frischer Sproß deutscher Kultur schoß hier kräftig empor. Adalberts zweiter Sohn, Ernst der Tapfere (1056-1075), kämpfte mit Kühnheit und Erfolg gegen die Ungarn, erhielt 1058 von Heinrich IV. einen Freiheitsbrief, das erste der österreichischen Hausprivilegien, und fiel in der Schlacht bei Hohenburg an der Unstrut gegen
die Sachsen. Sein Sohn Leopold II., der Schöne (1075-1096), trat dagegen in die Reihe der Feinde Heinrichs IV. und ward daher von diesem 1081 seiner Markgrafschaft entsetzt, die dem Böhmenherzog Wlatislaw II. übertragen wurde; doch behauptete er sich schließlich seit 1083 im Besitz derselben. Ihm folgte sein Sohn Leopold III., der Heilige (1096 bis 1136); derselbe verriet 1105 den mit seinem Sohn Heinrich in Streit geratenen alten Kaiser Heinrich IV. und erhielt zur Belohnung von Heinrich V. 1106 die Hand seiner Schwester Agnes, der Witwe des ersten Staufenherzogs von Schwaben.
Seinen Treubruch sühnte er durch ein würdiges Fürstenleben. Er verließ Melk, den ältern Fürstensitz der Babenberger, und erbaute sich eine neue Burg in der Nähe von Wien auf dem Berg, der nach ihm noch heutigestags der Leopoldsberg heißt; auch gründete oder bereicherte er Klöster und Stiftungen. Sein älterer Sohn, Leopold IV., der Freigebige (1136-41), erhielt nach der Ächtung des Welfen Heinrich des Stolzen 1139 von seinem Halbbruder König Konrad III. das Herzogtum Bayern, das nebst Österreich nach seinem frühen kinderlosen Tod (1141) sein Bruder Heinrich Jasomirgott (1141-77) erbte.
Dieser nahm am zweiten Kreuzzug teil und erlitt bald darauf (1149) an der Fischa eine Niederlage durch die Ungarn. Bayern mußte er zu Regensburg auf Verlangen Kaiser Friedrichs I. an den Welfen Heinrich den Löwen zurückgeben, welchen der Kaiser hierdurch für sich zu gewinnen hoffte. Zum Ersatz hierfür wurde die Markgrafschaft Österreich und das Land zwischen Inn und Enns vergrößert und zu einem Herzogtum mit besondern Vorrechten erhoben.
Heinrichs Sohn Leopold V., der Tugendhafte (1177-94), beteiligte sich am dritten Kreuzzug, half Akka erobern, verließ aber, von Richard Löwenherz in Askalon beleidigt, 1192 das Kreuzheer und kehrte nach Österreich zurück, wo er Richard auf seiner Rückkehr aus dem Morgenland in der Nähe von Wien gefangen nahm und auf der Feste Dürnstein in strengen Gewahrsam bringen ließ; 1193 lieferte er den König an Kaiser Heinrich VI. aus. Von großer Bedeutung war die Erwerbung Steiermarks, das einem 1186 abgeschlossenen Vertrag gemäß nach dem Tode des letzten Traungauers, Ottokars VI., 1192 an die Babenberger fiel.
Auf Leopolds V. ältern Sohn, Herzog Friedrich den Katholischen (1194-98), der auf der Heimreise von einer Kreuzfahrt starb, folgte der jüngere, Leopold VI., der Glorreiche (1198-1230), der bisher in Steiermark regiert hatte. Unter ihm befand sich Österreich am blühendsten und glücklichsten; er sorgte nicht nur für den Wohlstand seines Landes und vergrößerte es, indem er vom Stift Freising dessen beträchtliche Lehen in Krain erwarb (1229); er war auch wie sein Vater ein Freund der Dichtkunst und zog durch seine Freigebigkeit mehrere Minnesinger an seinen Hof.
Für die Kirche unternahm er einen Zug nach Spanien und schloß sich dem Kreuzzug des Königs Andreas von Ungarn nach Palästina und Ägypten an. Er starb in San Germano, wo er mit andern deutschen Fürsten den Frieden zwischen Kaiser und Papst vermittelt hatte. Nicht so war es seinem Sohn Friedrich dem Streitbaren (1230-46) vergönnt, sich des Erbes seiner Väter in Ruhe zu erfreuen. Wegen verschiedener Anklagen zur Rechenschaft gezogen, wurde er 1236 vom Kaiser Friedrich II. seiner Länder für verlustig erklärt und erhielt sie erst 1239 zurück; 1241 wehrte er den Einfall der Mongolen in Österreich ab und fiel im Kampf gegen Bela von Ungarn, erst 35 Jahre alt, der letzte aus dem ruhmreichen Geschlecht der Babenberger.
Friedrichs des Streitbaren Tod hatte für Österreich und die angrenzenden Länder große Verwirrungen zur Folge, da er auch keine direkten weiblichen Nachkommen hinterließ und testamentarisch nichts verfügt hatte. Zunächst nahm Kaiser Friedrich II. Österreich und Steiermark als erledigtes Lehen an sich und ernannte den Grafen Otto von Eberstein zum Reichshauptmann und Statthalter; später übertrug er die Verwaltung Österreichs dem Herzog Otto von Bayern, die Steiermarks dem Grafen Meinhard von Görz.
Papst Innocenz IV., der den Staufen den Besitz der schönen Länder nicht gönnte, ernannte dagegen den zweiten Gemahl Gertruds, einer Nichte Friedrichs des Streitbaren, den Markgrafen Hermann von Baden, zum Herzog von Österreich (September 1248). Doch starb dieser schon und der Tod des Kaisers Friedrich II. in demselben Jahr steigerte die Verwirrung aufs höchste, so daß endlich die österreichischen Stände 1251 zu Trübensee bei Tuln ^[richtig: Tulln] zusammentraten und den Przemysliden Ottokar, Markgrafen von Mähren und böhmischen Thronerben, zum Herzog wählten.
Derselbe zog in Wien ein und fand bald allgemeine Anerkennung. Um seine rechtlichen Ansprüche zu verstärken, vermählte er sich mit einer Schwester Friedrichs des Streitbaren, Margarete, der 47jährigen Witwe des römischen Königs Heinrich VII. Die steirischen Stände hatten inzwischen den Sohn des Königs Bela IV. von Ungarn, Stephan, zum Herzog erwählt. Ottokar, der 1253 König von Böhmen geworden war, erkannte 1254 Stephan als Herzog von Steiermark an, eroberte dies aber in einem neuen Krieg mit Ungarn durch die siegreiche Schlacht bei Kroißenbrunn an der March gelangte 1269 durch Testament des letzten kinderlosen Herzogs auch in den Besitz von Kärnten und Krain und entriß 1272 den Ungarn Preßburg. Nach den Wirren der vorangegangenen Jahre war die Regierung dieses mächtigen Fürsten für die Länder, die er beherrschte, eine glückliche; denn er machte dem Raub- und Fehdewesen ein Ende, hob das Ansehen des Landesherrn und der Gesetze, förderte die Bildung eines freien Bürgerstandes in den Städten, deren Wohlstand er mehrte, und war eifrig auf Germanisierung der slawischen Lande durch deutsche Kolonisten bedacht.
In Deutschland war unterdessen Rudolf von Habsburg 1273 zum König gewählt worden. Ottokar, der an der Wahl nicht teilgenommen hatte, weigerte sich, den seiner Meinung nach unrechtmäßig gewählten König anzuerkennen und die an ihn ergangene Aufforderung zu erfüllen, die österreichischen Länder als heimgefallene Reichslehen herauszugeben. Er wurde in die Reichsacht erklärt, Rudolf rückte mit einem Heer in Österreich ein, während die mit ihm verbündeten Ungarn Ottokar im Rücken bedrohten, und zwang Ottokar 1276 zu einem Vertrag, in welchem er auf Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain verzichten mußte. Als Ottokar 1278 den Frieden brach und von neuem zu den Waffen griff, verlor er auf dem Marchfeld Sieg und Leben. Nun verlieh König Rudolf seinen Söhnen Albrecht und Rudolf, welch letzterer aber schon 1283 verzichtete, Österreich, Steiermark und Krain als Lehen des Reichs und legte damit den Grund zur Hausmacht des habsburgischen Fürstenhauses. Kärnten gab Rudolf 1286 dem Grafen Meinhard von Tirol zum Lohn für die gegen Ottokar
geleistete Hilfe; demselben wurde auch Krain verpfändet. Herzog Albrecht I. (1282-1308) hatte mit den Ständen zu kämpfen, welche über Vernachlässigung der Landrechte und die Begünstigung schwäbischer Ritter klagten; er wahrte seine landeshoheitlichen Rechte mit aller Entschiedenheit und kümmerte sich um alte Privilegien wenig; wo er Widerstand fand, wie bei der Stadt Wien 1288, wurde er mit Waffengewalt unterdrückt. Grenzstreitigkeiten führten zur Fehde mit den Erzbischöfe Rudolf und Konrad von Salzburg; an Ungarn erwarb er sich einen festen Rückhalt durch Verzichtleistung auf seine Thronansprüche und seine Eroberungen (1291). Dagegen war Albrechts Bestreben, nachdem er den deutschen Thron bestiegen (1298), die habsburgische Hausmacht bedeutend zu vergrößern, nicht erfolgreich. Böhmen, welches er nach dem söhnelosen Tod Wenzels III. als erledigtes Lehen einzog und seinem Sohn Rudolf verlieh, mußte er nach dessen schon im nächsten Jahr erfolgtem Tod Wenzels Schwager, dem Herzog Heinrich von Kärnten, Meinhards Sohn, überlassen.
Nach der Ermordung Albrechts I. welchem in der Regierung der Erbländer Friedrich III., der Schöne, und Leopold der Glorwürdige folgten, ging die deutsche Krone dem Haus Habsburg wieder für längere Zeit verloren; 1314 wurde zwar Friedrich der Schöne neben Ludwig dem Bayern von einem Teil der Wahlfürsten zum König erwählt, doch erlag er im Kampf mit seinem Nebenbuhler 1322 bei Mühldorf und geriet in dessen Gefangenschaft. Der Krieg, den Leopold bis zu seinem Tod (1326) fortsetzte, erschöpfte die Kräfte Österreichs.
Als Friedrich der Schöne (1330) ebenso wie Leopold ohne Söhne starb, folgte ihm der dritte Sohn Albrechts I., Albrecht II., der Weise, auch der Lahme genannt (1330-58), der nach dem Tod Heinrichs von Kärnten von Kaiser Ludwig zusammen mit seinem Bruder Otto mit Kärnten, Krain und dem größten Teil von Tirol belehnt wurde. König Johann von Böhmen, dessen Sohn Johann mit Heinrichs von Kärnten Tochter Margarete Maultasch vermählt war, wollte die Belehnung nicht anerkennen und überzog die österreichischen Herzöge mit Krieg. Im Frieden von Enns behaupteten diese aber Kärnten, Krain und die windische Mark, während sie auf Tirol verzichteten. Aber auch dieses erwarb Albrechts II. Sohn Rudolf IV., der Stifter oder der Sinnreiche (1358-65), der von Margarete Maultasch zum Erben dieses Landes eingesetzt wurde; nach dem Tod ihres einzigen Sohns, Meinhard III. (1363), der mit Rudolfs Schwester Margarete vermählt war, legte sie die Regierung nieder und überließ Tirol den Habsburgern, die sich den Besitz desselben durch den Brünner Vertrag mit Kaiser Karl IV. und durch eine Geldentschädigung an die Wittelsbacher (1369) sicherten.
Rudolf IV. machte sich auch durch viele Einrichtungen, Neuerungen und Stiftungen verdient, von denen die bedeutendste die Gründung der Universität Wien (1365) ist. Als er 1365 kinderlos starb, drohte der habsburgische Länderbesitz, der nun Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol und die schwäbischen oder vorderösterreichischen Lande umfaßte und 1369 um Freiburg i. Br., 1375 um die Grafschaft Feldkirch vermehrt wurde (fast 90,000 qkm), durch Teilungen dem Los der Zersplitterung zu verfallen.
Rudolfs IV. Brüder teilten sich nämlich die Länder in der Weise, daß Albrecht III. (1365-95) Österreich ob und unter der Enns (österreichische oder Albrechtinische Linie, bis 1457) und Leopold III. das übrige erhielt (Leopoldinische Linie, zerfallend in die tirolische, bis 1496, und die steiermärkische). Nachdem Leopold 1386 im Kampf gegen die Schweizer bei Sempach gefallen war, übernahm Albrecht III. die Regierung des gesamten habsburgischen Besitzes für die vier unmündigen Söhne des Gefallenen und verteidigte sie mit tapferer Hand gegen unbotmäßige Vasallen. Ihm folgte in Österreich sein Sohn Albrecht IV. (1395-1404) und diesem nach kurzer Herrschaft sein Sohn Albrecht V. (1404-1439). Derselbe stand bis 1411 unter der Vormundschaft seiner Vettern Wilhelm und Leopold IV. aus der Leopoldinischen Linie, deren Länder nach dem Tod Leopolds III. unter seine vier Söhne Wilhelm, Leopold IV., Ernst den Eisernen und Friedrich IV. geteilt worden waren.
Mit dem Jahr 1411, in welchem Albrecht V. die Regierung in Österreich selbständig übernahm, kehrten bessere Zeiten in dem Land ein. Auch nahm die habsburgische Macht einen neuen Aufschwung. Als Schwiegersohn des luxemburgischen Kaisers Siegmund erbte Albrecht nach dessen Tod (1437) die Kronen Böhmen und Ungarn und ward 1438 als Albrecht II. zum deutschen König gewählt, worauf die deutsche Kaiserkrone über 300 Jahre (bis 1740) bei den Habsburgern blieb. Albrecht wurde freilich schon auf der Rückkehr von einem Feldzug gegen die Türken unweit Gran vom Tod ereilt und hinterließ nur einen nachgebornen Sohn, Wladislaw Posthumus (geb. für den der älteste Sohn Ernst des Eisernen, Friedrich V. von der steiermärkischen Linie, als deutscher König Friedrich III. (1440-93), die Vormundschaft führte.
Unter diesem unfähigen, habgierigen Fürsten, der am den schon seit 1389 üblichen erzherzoglichen Titel für die steiermärkische als Hauptlinie offiziell einführte, herrschten in Österreich Zustände der traurigsten Art. Die Erbitterung über Friedrichs vormundschaftliche Regierung war so groß, daß die Unzufriedenen 1451 eine provisorische Regierung unter Ulrich Eizinger bildeten, die Friedrich bei seiner Rückkehr aus Italien 1452 zur Herausgabe Wladislaws zwang.
Doch starb der junge Fürst schon und da mit ihm die österreichische oder Albrechtinische Linie erlosch, fiel Österreich an Friedrich III. und Albrecht VI., den Verschwender, von der steiermärkischen Linie, welche es sich so teilten, daß Friedrich das Land unter der Enns, Albrecht das ob der Enns erhielt; ihr Vetter Siegmund von Tirol, Sohn Friedrichs III., wurde durch ein Drittel aller österreichischen Einkünfte entschädigt. Aber der Vergleich hatte keine lange Dauer.
Die hohen Zölle, die Verschlechterung der Münzen, die Unsicherheit der Straßen und die Verwüstungen des Landes durch feindliche Einfälle der Ungarn und Böhmen steigerten die von Albrecht geschürte Unzufriedenheit gegen Friedrich derartig, daß es in Wien zum offenen Aufstand kam und Friedrich von den Aufrührern unter Wolfgang Holzer in der Hofburg belagert wurde. Friedrich mußte im Dezember 1462 auch Niederösterreich gegen 4000 Goldgulden jährlich an seinen Bruder Albrecht abtreten. Da dieser verschwenderische Fürst das Land aber nicht weniger hart bedrückte, so verbanden sich die Unzufriedenen mit Friedrich und ließen kaiserliches Söldnervolk in Wien ein; schon drohte es von neuem zu heftigen Konflikten zu kommen, als Albrechts VI. Tod denselben vorbeugte. ^[Absatz]
Nach Wladislaw Posthumus' Tod hatte Friedrich III. Versuche gemacht, die Königreiche Ungarn und Böhmen an sich zu bringen. Dieselben blieben aber nicht bloß erfolglos, sondern verwickelten ihn auch in unglückliche Kriege mit den Königen Georg Podiebrad von Böhmen und Matthias Corvinus von Ungarn, und letzterer vertrieb ihn sogar 1485 aus seiner Hauptstadt Wien. Erst nach dem Tode des Matthias (1490) vertrieb des Kaisers Sohn Maximilian die Ungarn aus Österreich, zog in Wien ein und drang bis nach Ungarn selbst vor, wo er nur durch die Meuterei seiner Söldnerscharen zum Rückzug gezwungen wurde.
Matthias' Nachfolger, der Jagellone Wladislaw II., mußte im Frieden von Preßburg dem Kaiser und dessen Haus die Nachfolge in Ungarn zusagen, falls er selbst ohne männliche Nachkommen sterben würde. Da Maximilian durch seine Heirat mit Maria von Burgund seinen Erben die burgundische Herrschaft gesichert hatte und auch zum römischen König gewählt worden war, so schien sich trotz seiner eignen Unfähigkeit Friedrichs III. Traum von der Deutung der fünf Vokale A. E. I. O. U. (»Austriae Est Imperium Orbis Universi« oder »Alles Erdreich ist Österreich unterthan«) zu erfüllen. Da er 1490 durch den Verzicht seines Vetters Siegmund (gest. 1496) Tirol bekommen hatte, so konnte er bei seinem Tod die gesamten habsburgischen Lande, freilich meist in einem traurigen Zustand, seinem Sohn Maximilian hinterlassen.
Maximilian I. (1493-1519) überließ die Niederlande seinem Sohn Philipp dem Schönen, um seine ganze Thätigkeit dem Reich und seinen Erblanden zu widmen. Zwar scheiterten seine Pläne, Österreich zum Königreich zu erheben oder wenigstens für eins der Erblande die Kurwürde zu erlangen. Dagegen glückten ihm einige Gebietserwerbungen, die sein Gebiet vorteilhaft abrundeten; so fiel ihm nach dem Tode des letzten Grafen von Görz 1500 diese Grafschaft auf Grund eines Erbvertrags, den Herzog Rudolf der Stifter abgeschlossen hatte, zu, und 1505 erlangte er bei der Entscheidung des Erbstreits zwischen den bayrischen Fürstenhäusern von München und Landshut auf dem Reichstag zu Köln beträchtliche bayrische Distrikte an der Tiroler Grenze, Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg sowie das schwäbische Kirchberg und Weißenhorn.
Bei der Einteilung des Reichs in Kreise 1512 wurden sämtliche habsburgischen Erblande zu einem, dem österreichischen Kreis, vereinigt, was ihre Regierung sehr erleichterte. Maximilian verstärkte die fürstliche Herrschergewalt, errichtete die obersten Verwaltungsbehörden zu Wien, Graz und Innsbruck und erließ die wichtigen Landesverordnungen oder »Libelle« und Kriminalsatzungen (Malefizordnung). Auch für Wissenschaft und Kunst sorgte er, und wie in der Blütezeit des Minnegesangs nahm Österreich einen hervorragenden Anteil an der geistigen Bewegung, die Deutschland erfüllte, dem Humanismus.
Die Universität Wien, durch neue Privilegien gehoben, war eine der ersten Europas, an der die gefeierten Gelehrten wirkten; eine Gesellschaft, die »Danubische« genannt, vereinigte in Wien die Freunde des Humanismus. Hauptsächlich allerdings war die ruhelose Phantasie des geistvollen Herrschers mit der Zukunft seines Hauses beschäftigt. Durch die Heirat seines Sohns Philipp mit der Erbin des spanischen Throns, Johanna von Kastilien (1496), erwarben die Habsburger dieses Reich, welches sich gerade zu einem weltbeherrschenden Staat entwickelte. 1516 erneuerte er die Erbverträge mit dem jagellonischen König Ludwig von Ungarn und Böhmen. Diese Erfolge mochten den Kaiser dafür entschädigen, daß seine Versuche, in Oberitalien seine Macht auszubreiten und Deutschlands Kräfte der habsburgischen Hauspolitik dienstbar zu machen, nicht glückten und es ihm auch nicht gelang, seinen Enkel, König Karl von Spanien, noch bei seinen Lebzeiten zum deutschen König gewählt zu sehen. Maximilian I. starb
Unter Karl V. (1519-56) bildete Österreich nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des habsburgischen Weltreichs. Doch erhielt es eine seine Selbständigkeit wahrende Sonderstellung dadurch, daß Karl auf dem Wormser Reichstag die österreichischen Lande seinem jüngern Bruder, Ferdinand I., als erbliches Eigentum überließ, wodurch die deutsche oder österreichische Linie des habsburgischen Hauses begründet wurde. Indem Karl ferner im Januar 1531 Ferdinand zum römisch-deutschen König wählen ließ, übertrug er auch die deutsche Kaiserkrone und die herrschende Stellung in Deutschland dieser Linie seines Hauses, während er seinen direkten Nachkommen das spanisch-burgundische Erbe vorbehielt.
Eine neue wichtige Machtvermehrung, aber auch schwierige Aufgaben fielen Österreich zu, als 1526 der junge König Ludwig von Ungarn bei Mohács gegen die Türken fiel, ohne Kinder zu hinterlassen, und kraft der Verträge Ungarn und Böhmen nun an den Gemahl seiner Schwester Anna, Erzherzog Ferdinand, kamen. Die böhmischen Stände bestätigten Ferdinands Erbansprüche, indem sie ihn zum König wählten. In Ungarn dagegen rief nur ein Teil der Magnaten den Habsburger zum König aus, während die Mehrzahl den Fürsten von Siebenbürgen, Johann Zápolya, zum König wählte, der sich unter türkischen Schutz stellte und 1529 nach der Eroberung von Budapest daselbst vom Sultan Soliman als Vasallenkönig eingesetzt wurde.
Ferdinand blieb bloß der Königstitel und der Besitz einiger Landstriche im Westen und Norden des Reichs. Aber nicht nur diese, sondern auch seine österreichischen Lande waren nun fortwährend von den Türken bedroht, welche 1529 bis vor Wien vordrangen, allerdings 14. Okt. die Belagerung der tapfer verteidigen Stadt aufgeben mußten, aber doch das Land aufs furchtbarste verwüsteten. Als Soliman zum zweitenmal 1532 gegen Wien vorrückte, hemmte die Verteidigung von Güns durch eine kleine deutsche Besatzung das türkische Heer so lange, bis die deutschen Truppen erschienen, vor denen es zurückwich.
Der erste Friedensvertrag, den darauf der Großwesir 1533 zu Konstantinopel mit Ferdinands Gesandten abschloß, sicherte diesem den Besitz der Städte und Landschaften zu, die er in Ungarn noch in Händen hatte. Während Ferdinand durch Anerbietung von Pensionen und Ehrengeschenken vergeblich die Anerkennung seiner Erbansprüche aus Ungarn von Soliman zu erwirken bemüht war, richteten die Reichsheere, welche Kurfürst Joachim von Brandenburg 1541 und 1542 nach Ungarn führte, auch nichts Entscheidendes aus. Ferdinand mußte froh sein, daß ihm 1547 gegen Zahlung einer jährlichen Pension von 30,000 Dukaten sein ungarischer Besitzstand von den Türken auf fünf Jahre zugestanden wurde. Der Grenzkrieg dauerte trotzdem fort, auch nachdem Ferdinand 1562 in einem neuen Friedensvertrag auf das 1551 für kurze Zeit erworbene Siebenbürgen verzichtet hatte.
Was Österreich selbst betrifft, so suchte Ferdinand anfangs dem Eindringen der Reformation möglichst zu wehren und schloß sich 1524 dem Regensburger Konvent der katholischen Reichsstände an, auf dem diese in kirchlichen Dingen eine bedeutende Mehrung ihrer landesherrlichen Befugnisse zugestanden erhielten. Ferdinand wünschte die kirchliche Reformfrage bis zu der beabsichtigten Vereinbarung zwischen Kaiser und Papst und der Berufung eines Konzils in der Schwebe zu halten.
Der Bauernkrieg verbreitete sich auch nach Österreich. Zum Ausbruch kam er 1525 im Ennsthal, wo die Bauern 5. Juli ein Heer Ferdinands bei Schladming schlugen. Obwohl der Aufstand sich nun über das ganze Land zu verbreiten drohte, wurde er dennoch unterdrückt, die Bauern aber menschlicher behandelt als in andern Teilen Deutschlands, indem wenigstens einige der drückendsten Feudalrechte abgeschafft wurden. Auch sonst bemühte sich Ferdinand um das Wohl seiner österreichischen Lande. Er erließ 1555 eine neue Landgerichtsordnung, ordnete das Zunftwesen, erließ Verbote gegen den Luxus in der Kleidung, gegen den Wucher u. a. In kirchlicher Beziehung bewies er sich mit der Zeit toleranter gegen die Reformation, wie er sich denn auch um die Herstellung des kirchlichen Friedens im Reich verdient machte und auf dem Trienter Konzil vergeblich Zugeständnisse von der Kurie zu erlangen suchte. Wenigstens für seine Lande erwirkte er vom Papste die Erlaubnis des Abendmahls in beiderlei Gestalt, um eine künftige Versöhnung zwischen beiden Parteien möglich zu erhalten. Nachdem Ferdinand I. 1556 die Kaiserwürde erhalten hatte, starb er
Ferdinand hatte seine Lande unter seine Söhne so verteilt, daß Maximilian II. (1564-76) außer der Kaiserwürde Österreich, Böhmen und Ungarn, Ferdinand Tirol, Karl Steiermark, Kärnten, Krain und Görz erhielt. Der Tod Solimans vor Szigeth (1566), nach welchem der weichliche Selim II. den Thron bestieg, verschaffte Maximilian Ruhe vor den Türken; der Friede von 1547 wurde erneuert und Österreich sein Besitz in Ungarn gelassen; dafür mußte es die Scheinherrschaft des Woiwoden Johann Siegmund und seines Nachfolgers Stephan Báthori in Siebenbürgen anerkennen.
Von entscheidender Bedeutung für Österreich und seine engere Verbindung mit dem übrigen Deutschland schien Maximilians II. Regierung durch seinen Anschluß an die Reformation zu werden; denn der Kaiser, von Jugend an von protestantisch gesinnten Lehrern erzogen und durch Karls V. Plan, die Kaiserwürde auf seinen Sohn Philipp zu übertragen, in einen Gegensatz zu den spanischen Habsburgern gebracht, neigte entschieden dem Protestantismus zu, hielt sich lutherische Hofprediger und duldete die Ausbreitung der Reformation in Österreich, wo sie in allen Ständen, besonders im Adel, zahlreiche Anhänger besaß.
Indes der unheilvolle Zwist zwischen den beiden protestantischen Bekenntnissen im Reich, die Rücksichten auf die Tradition seines Hauses, seine Verschwägerung mit dem spanischen und dem französischen Königshaus, endlich nicht am wenigsten die Aussicht auf die Erwerbung der spanischen Krone für seine Nachkommen hinderten ihn, den entscheidenden Schritt zu thun, der den geistigen Zusammenhang zwischen Österreich und Deutschland befestigt und der kaiserlichen Hausmacht auch das politische Übergewicht gesichert hätte.
Maximilian blieb katholisch und gab den protestantischen Edelleuten nur eine Religionsassekuration, aber keine rechtlich anerkannte Kirchenverfassung. Unter seinem Sohn und Nachfolger Rudolf II. (1576-1612), dem Zögling der Jesuiten, begann die Reaktion gegen die neue Lehre, welche schließlich zur völligen Ausrottung derselben in Österreich führte, aber auch die Entfremdung der habsburgischen Lande von Deutschland zur Folge hatte, so daß die habsburgischen Herrscher entweder gar nicht danach strebten, ihre Stellung an der Spitze Deutschlands zu einer wirklichen einheitlichen Monarchie umzugestalten, oder, wenn sie es thaten, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stießen.
Gegen die österreichischen Städte, welche ohne gesetzliche Ermächtigung den nur dem Herren- und Ritterstand gestatteten protestantischen Gottesdienst eingeführt hatten, ergingen schon 1578 zwei Edikte, denen zufolge die protestantischen Prediger entfernt und hinfort nur Katholiken als Bürger aufgenommen werden sollten. Und mit der weltlichen Obrigkeit gingen die katholischen Priester Hand in Hand, an ihrer Spitze Melchior Khlesl (s. d.), der als Offizial des Bischofs von Passau und seit 1602 als Bischof von Wien eine emsige Thätigkeit entfaltete und die Religionsedikte unnachsichtlich zur Anwendung brachte. In dieser Bedrängnis schlossen 1603 die protestantischen Stände Österreichs unter Anführung des Freiherrn Erasmus von Tschernembl eine Vereinigung zum Schutz ihrer religiösen und politischen Freiheiten, was 1605 das Zusammentreffen der katholischen.
Stände zu einem Gegenbund zur Folge hatte. Noch rücksichtsloser war Ferdinand, der Sohn des Erzherzogs Karl, der 1596 in Steiermark, Kärnten und Krain zur Regierung gekommen war und durch Gewaltmaßregeln aller Art binnen wenigen Jahren den größten Teil seiner Unterthanen wieder katholisch machte. Auch in Böhmen, Mähren und Ungarn sollte die katholische Reaktion durchgeführt werden. In Ungarn war die Folge hiervon, daß, als Stephan Bocskay als Vorkämpfer der religiösen und nationalen Freiheit auftrat; sich ihm in kurzem fast der gesamte Adel und die Städte anschlossen, und da er auch ein Bündnis mit den Türken einging, so hielt es der kaiserliche Feldherr Basta für geraten, das Land zu räumen, das somit ebenso wie Siebenbürgen für den Kaiser verloren zu sein schien. Endlich stellte sich auch im Deutschen Reich unter Rudolf II. der kaiserliche Hof unter spanischem Einfluß an die Spitze der katholischen Stände und unterstützte deren Bemühen, den Protestantismus zurückzudrängen, was die evangelischen Stände mit Mißtrauen gegen das Haus Habsburg erfüllte.
Die Gefahr, Ungarn und die deutsche Kaiserkrone möchten durch Rudolf II. dauernd verloren gehen, bewog die Brüder des Kaisers, Matthias, seit seines ältern Bruders, Ernst, Tod (1595) Statthalter von Österreich, und Maximilian, seit Erzherzog Ferdinands von Tirol Tod (1595) Verwalter dieses Landes, die Leitung der Dinge in die Hand zu nehmen. Mit den Türken wurde 1606 der Friede von Zsitwa-Torok abgeschlossen, Stephan Bocskay und sein Nachfolger Siegmund Rákóczy im Besitz von Siebenbürgen und Oberungarn anerkannt und den Ungarn im habsburgischen Gebiet Religionsfreiheit gewährt. Im Preßburger Bündnis vereinigten sich die ungarischen, österreichischen und mährischen Stände mit Matthias zur Aufrechthaltung dieser Zugeständnisse auch gegen den Kaiser, und dieser mußte im Vertrag von Lieben Ungarn, Österreich und Mähren an Matthias abtreten und demselben die Nachfolge in Böhmen zusichern. Matthias versprach den mährischen und österreichischen Ständen, daß niemand seiner Religion wegen verfolgt
werden sollte, und Rudolf II. gab den Böhmen den Majestätsbrief. Nachdem er infolge eines Versuchs, mit Gewalt die frühere Herrschaft wiederzugewinnen, 1611 auch zum Verzicht auf die böhmische Krone gezwungen worden war, starb Rudolf Ihm folgte Matthias, der am auch zum deutschen Kaiser gewählt wurde.
Matthias lenkte in Deutschland und in Österreich mehr und mehr in eine kirchliche Restaurationspolitik ein, für welche der spanische Hof und die Erzherzöge, namentlich Ferdinand von Steiermark, der zum Nachfolger des Kaisers bestimmt wurde, entschieden eintraten. Aber in den vorangegangenen Wirren und dem Streit zwischen den Brüdern hatten die Stände ihre Macht und ihre Ansprüche gesteigert, und als Matthias den Majestätsbrief nach katholischer Deutung handhabte, veranlaßte er den Aufstand der Böhmen und damit den Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs. Er starb, als die aufständischen Böhmen schon die österreichische Grenze überschritten hatten, ihm folgte Ferdinand von Steiermark, der als Ferdinand II. (1619-37) 28. Aug. auch zum Kaiser gewählt wurde.
Seine Lage war aber anfangs sehr gefährdet. Denn nicht nur die österreichischen Stände erhoben gegen seine Thronfolge Einspruch, die Böhmen erklärten ihn sogar für abgesetzt und wählten an seiner Stelle den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz. Zweimal drangen die Böhmen unter Thurn in Österreich ein und lagerten sich unter den Mauern von Wien; im Osten war Bethlen Gabor, seit 1613 Fürst von Siebenbürgen, im Bund mit den Türken ein gefährliche Feind: da rettete der Sieg am Weißen Berg den Kaiser aus allen Bedrängnissen.
Böhmen wurde völlig unterworfen, die österreichischen Stände zur Huldigung gezwungen, und nach dem Muster des böhmischen Religionspatents vom welches alle Andersgläubigen rücksichtslos aus dem Königreich verbannte, wurde in den übrigen habsburgischen Ländern verfahren, um die neue Lehre auszurotten. Zwar kam es den gewaltsamen Bekehrungsmaßregeln gegenüber zu Aufständen, so besonders in dem an Maximilian von Bayern für die böhmischen Kriegskosten verpfändeten Oberösterreich, wo sich die Bauern im Mai 1625 unter Anführung von Stephan Fladinger erhoben; indessen die Empörung wurde durch überlegene Truppenmassen blutig niedergeschlagen. Im Osten wurde die Gefahr für Österreich vermindert durch einen Vertrag mit den Türken (1627) auf Grund des Friedens von Zsitwa-Torok und durch den Tod Bethlen Gabors Ja, in Deutschland schienen die Siege Tillys und Wallensteins über die evangelischen Reichsstände im weitern Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs dem Haus Habsburg die Möglichkeit zu eröffnen, die Kaiserwürde in eine wirkliche monarchische Gewalt zu verwandeln und Deutschland unter habsburgischem Zepter zu einigen. 1629 hielten kaiserliche Truppen fast ganz Deutschland besetzt, Reichsfürsten waren geächtet und flüchtig, und niemand wagte mehr, sich offen gegen den Kaiser aufzulehnen.
Aber bei Ferdinand überwog der kirchliche Eifer den dynastischen Ehrgeiz. Das Restitutionsedikt, die Entlassung Wallensteins und die Landung Gustav Adolfs entrissen dem Habsburger mit einemmal alle Erfolge, und um die Sachsen aus Böhmen zu vertreiben und seine Erblande vor dem siegreichen Schwedenkönig zu schützen, mußte Ferdinand II. 1632 alle militärische Gewalt Wallenstein überlassen. In dem weitern wechselvollen Verlauf des Kriegs wurden auch die habsburgischen Lande wiederholt Schauplatz der verheerenden Kämpfe, und 1645 drangen schwedische Truppen unter Torstensson bis unter die Mauern von Wien vor.
Das Eingreifen Frankreichs in den deutschen Krieg wurde Österreich besonders nachteilig, und nachdem schon Ferdinand II. im Prager Frieden 1635 auf das Restitutionsedikt hatte verzichten und die Lausitz an Sachsen hatte abtreten müssen, verlor sein Nachfolger Ferdinand III. (1637-57) im Westfälischen Frieden 1648 die alten habsburgischen Besitzungen im Ober- und Unterelsaß nebst der Festung Breisach an Frankreich. Die kaiserliche Gewalt ging nicht gekräftigt, sondern geschwächt aus dem Krieg hervor, und der Zusammenhang Österreichs mit dem übrigen Deutschland wurde immer lockerer. Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens über die kirchlichen Verhältnisse wurden auf Österreich nicht ausgedehnt, wo die Reformation unterdrückt blieb, und die Reichsgesetze fanden auf Österreich keine Anwendung. So schied es sich geistig und politisch von Deutschland.
Auf Ferdinand III. folgte, da der älteste Sohn, Ferdinand, der 1653 zum römischen König gewählt worden, bereits gestorben war, sein zweiter Sohn, Leopold I. (1657-1705), der 1658 auch zum deutschen Kaiser gewählt wurde. Die lange Regierung dieses Habsburgers war für Österreich eine bedeutungsvolle und schließlich erfolgreiche, obwohl er geringe Herrschergaben entwickelte, die Verwaltung in ihrem alten Geleise beließ, Verschwendung am Hof und Bestechlichkeit der Beamten duldete, so daß die Finanzen sich in kläglichem Zustand befanden, durch seinen fanatischen Bekehrungseifer die protestantischen Ungarn zu Empörungen zwang und sich in seiner auswärtigen Politik vom spanischen Einfluß leiten ließ. Nur das Heerwesen war in genügendem Stande, da hier noch die glänzenden Traditionen des großen Kriegs wirksam waren. Aber die echt habsburgische Zähigkeit, mit der Leopold, durch kein Mißgeschick abgeschreckt, an seinen Zielen festhielt, bewirkte, daß er endlich die österreichische Machtstellung in Europa bedeutend erhöhte; der innere Organismus war aber nicht gesund und lebenskräftig.
Österreich hatte unter Leopold I. nach zwei Seiten hin zu kämpfen. Zunächst fielen die Türken von neuem in Ungarn ein. Ein österreichisches Heer, welches sie bei Gran am Überschreiten der Donau hindern wollte, wurde zurückgeschlagen (Aug. 1663), und die türkischen und tatarischen Scharen drangen plündernd und brandschatzend bis Brünn und Olmütz vor. Durch den Sieg Montecuccolis bei St. Gotthardt a. d. Raab wurden die Türken zu dem Frieden von Vasvár bewogen, der Österreich zwar keine Gebietsvergrößerung, aber Ruhe und die Möglichkeit gewährte, die Herrschaft in Ungarn zu befestigen und die ständischen Rechte und die Religionsfreiheit der Ungarn zu beschränken.
Eine Verschwörung der Magnaten hiergegen wurde unterdrückt und blutig bestraft (1665-71). Als Emmerich Tököly, das Haupt der Ungarn, die für ihre alte Verfassung und für den in grausamer Weise verfolgten Protestantismus kämpften, die Türken endlich um Hilfe bat, rückten diese 1683 unter dem Großwesir Kara Mustafa, 200,000 Mann stark, sengend und brennend bis vor Wien, das zwei Monate lang belagert, aber durch die tapfere Besatzung und die Bürgerschaft erfolgreich verteidigt wurde, während der kaiserliche Hof nach Passau geflüchtet war. Ein kaiserliches und Reichsheer unter Karl von Lothringen und die Polen unter
Johann Sobieski entsetzten endlich durch den Sieg am Kahlenberg die Hauptstadt. Durch deutsche Reichstruppen verstärkt, rückten nun die Kaiserlichen in Ungarn ein, nahmen 1683 Gran, 1686 Ofen ein und eroberten durch den Sieg bei Mohács Kroatien und Slawonien. Durch diese Erfolge seiner Waffen erreichte es Leopold, daß die ungarischen Stände 1687 in die Aufhebung des Wahlkönigtums willigten und das Land in ein Erbreich unter habsburgischer Herrschaft verwandelten, und vereinigte mit demselben Siebenbürgen, dessen Fürst und Landtag der türkischen Oberherrschaft entsagten. Durch die Siege des Markgrafen Ludwig von Baden bei Szalankemen und Eugens von Savoyen bei Zenta wurde der Sultan zum Frieden von Karlowitz gezwungen, in welchem ganz Siebenbürgen und alles Land zwischen Donau und Theiß, mit Ausnahme des Banats von Temesvár, an Österreich abgetreten wurde. Inzwischen war auch Tirol, welches seit 1564 von Seitenlinien beherrscht worden, nach dem Erlöschen der letzten 1665 an Österreich zurückgefallen.
Den Krieg im Westen gegen Frankreich führte Leopold zur Sicherung der Reichsgrenzen und der Wahrung der Stellung seines Hauses im Reich; hatte Ludwig XIV. doch schon 1658 sich ernstlich um die Kaiserkrone beworben. Die ersten französischen Kriege (1672-79 und 1688-97) waren freilich nicht so erfolgreich wie die türkischen. Die Friedensschlüsse von Nimwegen und Ryswyk ließen Ludwig XIV. seine meisten Eroberungen, namentlich die Reunionen. Von nun an bestimmte vornehmlich die Rücksicht auf Spanien die Haltung Leopolds gegen Frankreich.
Hier stand das Erlöschen der habsburgischen Dynastie bevor, da König Karl II. kränklich und kinderlos war, und der Kaiser war eifrig bemüht, die spanische Krone seinem Haus zu erhalten und auf seinen zweiten Sohn, Karl, zu übertragen. Als nun Karl II. 1700 starb und der von ihm testamentarisch zum Erben ernannte Enkel Ludwigs XIV., Philipp von Anjou, mit französischer Hilfe von Spanien Besitz ergriff, entschloß sich Leopold 1701 im Bund mit den meisten deutschen Fürsten und den Seemächte, die habsburgischen Ansprüche auf Spanien mit Waffengewalt geltend zu machen. In diesem Krieg (s. Spanischer Erbfolgekrieg), welcher nur für dynastische Zwecke, für die Vergrößerung der habsburgischen Hausmacht, geführt wurde, und in welchem Österreich zum erstenmal seine Hand nach dem Erwerb Bayerns ausstreckte, errangen die Kaiserlichen, hauptsächlich durch das Feldherrngenie des Prinzen Eugen, nach anfänglichem Mißgeschick endlich auch glänzende Erfolge.
Leopold I. erlebte noch den Sieg bei Höchstädt der dem Krieg die entscheidende Wendung zu gunsten Österreichs gab. Auf Leopold (gest. folgte sein älterer Sohn, Joseph I. (1705-11), der den spanischen Erbfolgekrieg mit Aufbietung aller Kräfte fortsetzte, obwohl in Ungarn eine Empörung unter Franz Rákóczy II. ausbrach; dieselbe wurde durch den Sieg der Kaiserlichen bei Trentschin (1708) unterdrückt und die völlige Pacifikation Ungarns durch den Száthmarer oder Károlyischen Frieden (1711) erreicht.
Inzwischen war Bayern besetzt, durch den Sieg von Turin (1706) Italien von den Franzosen befreit und durch die Schlachten von Oudenaarde (1708) und Malplaquet (1709) die französische Kriegsmacht fast vernichtet worden. Jetzt hätte der Friede unter den günstigsten Bedingungen abgeschlossen werden können, indem Ludwig XIV. zum Verzicht auf die spanische Erbschaft und zur Rückgabe seiner Eroberungen an der deutschen Westgrenze bereit war. Deutschland wäre künftig gegen französische Eroberungsgier gesichert gewesen, das Haus Habsburg hätte sich als den mächtigen Hort des Reichs erwiesen und Österreich sich unter der Regierung Josephs I., der sich auch im Innern als tüchtiger Regent bewährte, sich tolerant und aufgeklärt zeigte und in den Finanzen und der Justiz wirksame Reformen einführte, einer glücklichen Entwickelung erfreuen können.
Aber aus dynastischem Interesse brachte Joseph die Friedensverhandlungen zum Scheitern, indem er die ganze spanische Monarchie für seinen Bruder Karl verlangte und sogar von Ludwig XIV. forderte, daß er seinen Enkel aus Spanien vertreiben helfe. Inzwischen nahm der Krieg in Spanien für Karl eine so ungünstige Wendung, daß an eine Eroberung des Landes weniger als je zu denken war, und Frankreichs Streitkräfte erholten sich. Joseph I. starb aber ohne Söhne zu hinterlassen: der einzige Sproß des habsburgischen Hauses war sein Bruder, bisher Karl III. von Spanien, noch 1711 als Karl VI. (1711-40) auf den deutschen Kaiserthron erhoben. Die Fortsetzung der bisherigen Politik der Verbündeten hätte also die Vereinigung der österreichischen und der spanischen Monarchie in Eine Hand zur Folge gehabt, und da dies das europäische Gleichgewicht gefährden mußte, so trennten sich die Seemächte von Österreich und schlossen mit Frankreich 1713 den Frieden von Utrecht, den der Kaiser nach erfolgloser Fortsetzung des Kriegs 1714 im Friedensschluß von Rastatt anerkennen mußte.
Österreich erwarb aus der spanischen Erbschaft ansehnliche Gebietsteile, die spanischen Niederlande, Mailand, Mantua, Neapel und Sardinien, das 1720 gegen Sizilien ausgetauscht wurde. Eine weitere beträchtliche Gebietsvergrößerung erlangte es durch einen neuen Türkenkrieg (1716-18), in welchem Prinz Eugen die weit stärkern Türkenheere bei Peterwardein und bei Belgrad völlig besiegte und die Pforte im Frieden von Passarowitz zur Abtretung des Banats, von fünf Distrikten der Kleinen Walachei und Serbiens zwischen der Morawa und Drina zwang.
Doch gereichten diese Erwerbungen. Österreich nicht zum Heil und wurden auch nicht lange behauptet. In den Niederlanden und in den italienischen Besitzungen verschlang die Verwaltung alle Einnahmen; dagegen nahmen diese Lande einen Teil des Heers in Anspruch und verursachten wiederholt diplomatische Verwickelungen, da die Bourbonen immer wieder ihre begehrlichen Blicke nach ihnen richteten. Karl VI. wurde hierdurch ganz von der innern. Verwaltung abgezogen, die in den zerrütteten Zustand der Zeit Leopolds I. zurücksank.
Die höchsten Beamtenstellen wurden nach der Gunst des Hofs vergeben, die niedern Beamten waren träge, nachlässig und bestechlich. Die Einnahmen des Staats, ungeschickt verwaltet und am unrechten Ort verschwendet, reichten nie zur Deckung der Ausgaben, geschweige denn zur Schuldentilgung aus. So wurde selbst das Heer vernachlässigt: es war nie vollzählig, über die ganze Monarchie in Garnisonen verstreut, mangelhaft ausgerüstet und geschult, die Festungen vernachlässigt und meist nicht verteidigungsfähig.
Seit 1716 beschäftigte den Kaiser fast ausschließlich die Regelung der Thronfolge in seinen Landen. Karl VI. (s. Karl 7) hatte nämlich ebenfalls keine Söhne. Er erließ daher eine neue
Thronfolgeordnung, die Pragmatische Sanktion, welche bestimmte, daß sämtliche österreichische Länder nach seinem Tod »untrennbar und unauflöslich« sein und sämtlich an seine älteste Tochter, Maria Theresia, und deren Nachkommen fallen sollten. Nachdem er die Zustimmung der Stände der verschiedenen Erbländer seines Reiches zu derselben erlangt hatte, suchte er auch die europäischen Mächte zur Anerkennung derselben zu bewegen, statt, wie Prinz Eugen riet, seine Nachfolgerin durch ein tüchtiges Heer und einen wohlgefüllten Schatz in stand zu setzen, ihren Thron mit eigner Kraft zu verteidigen, und brachte hierfür große Opfer.
Nachdem Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen, der Gemahl von Josephs I. ältester Tochter, die Pragmatische Sanktion anerkannt hatte, unterstützte Karl VI. dessen Bewerbung um die polnische Krone im polnischen Erbfolgekrieg (s. d.) und trat im Wiener Frieden 1738 Neapel und Sizilien als eine Sekundogenitur an die spanischen Bourbonen sowie Lothringen an Frankreich ab, wofür er Parma und Piacenza sowie für seinen Schwiegersohn Franz von Lothringen Toscana als Entschädigung erhielt. Hatten schon im polnischen Erbfolgekrieg die kaiserlichen Truppen keine Lorbeeren erworben, so trat der Verfall des Kriegswesens in dem Türkenkrieg, den Karl VI. 1737-39 im Bund mit Rußland führte, noch greller zu Tage: die Kaiserlichen wurden 1737 bei Banjaluka, bei Krotzka geschlagen und mußten im Frieden von Belgrad diese Festung, Serbien und die Walachei abtreten.
Mit Karls VI. Tod erlosch der habsburgische Mannesstamm, und mit Maria Theresia (1740-80), der ältesten Tochter Karls VI., die mit Franz von Lothringen, Großherzog von Toscana, vermählt war, begann die Herrschaft des Hauses Habsburg-Lothringen. Die junge Fürstin übernahm das Reich in einem kläglichen Zustand. Die Länder desselben bildeten eine lockere Föderation, die nur durch die Person des Herrschers, aber nicht durch eine Verfassung oder einen festen Verwaltungsorganismus vereinigt war.
Jedes Land hatte seine eigne ständische Verfassung, die dem Adel und der Geistlichkeit bedeutende Privilegien einräumte, und welche die habsburgischen Herrscher zwar nicht immer streng beachteten, doch auch nicht aufhoben. Die Zentralbehörden waren der Hofkriegsrat, die Hofkammer (Finanzen) und die Staatskanzlei (äußere Angelegenheiten), welche aber keine ausreichenden niedern Organe zu ihrer Verfügung hatten, sondern sich auf die ständischen und Lokalbehörden stützen mußten. Der Schatz war leer, das Heer in Zerrüttung, die Minister und Generale alt und unzuverlässig. In geistiger Beziehung herrschte völliger Stillstand, der Zusammenhang mit Deutschland schien gänzlich gelöst.
Karl VI. hatte die Wahl seines Schwiegersohns zum deutschen Kaiser bei seinen Lebzeiten nicht erreicht. Der Glaube, daß Maria Theresias Thronfolge durch die Verträge mit den Mächten gesichert sei, erwies sich als trügerisch. Der Kurfürst Karl Albert von Bayern machte Ansprüche auf das habsburgische Erbe. Friedrich II. von Preußen forderte Entschädigung für seine schlesischen Ansprüche und fiel, als diese sowie sein Anerbieten, zum Lohn für dieselbe die Pragmatische Sanktion verteidigen zu helfen, schroff zurückgewiesen wurden, in Schlesien ein (erster Schlesischer Krieg).
Mit Ausnahme weniger Festungen, die auch bald erobert wurden, fiel das ganze Land ohne erheblichen Widerstand in seine Hände, und der Versuch Neippergs, es wiederzuerobern, wurde durch die Schlacht bei Mollwitz zurückgewiesen. Jetzt fochten auch Sachsen, Sardinien, Spanien und Frankreich die Pragmatische Sanktion an und vereinigten sich mit Bayern und Preußen. Der österreichische Erbfolgekrieg (s. d., 1741-48), der aus diesem Bündnis hervorging, verlief anfangs für die junge Königin sehr ungünstig.
Durch ein französisches Heer verstärkt, eroberte der Kurfürst von Bayern Oberösterreich und empfing in Linz die Huldigung der Stände. Er drang bis vor Wien vor, wandte sich aber dann nach Böhmen und ließ sich in Prag krönen (Dezember 1741). Auch hier schlossen sich die Stände teils Bayern an, teils verhielten sie sich unthätig. Nur der ungarische Reichstag leistete Maria Theresia Beistand. Infolge der Fehler der französisch-bayrischen Kriegführung wandte sich die Sache 1742 zu gunsten Österreichs.
Ein österreichisches Heer unter Karl von Lothringen fiel in Böhmen, ein zweites unter dem General Khevenhüller in Bayern ein und besetzte München, während Maria Theresia nach der Niederlage bei Chotusitz mit Friedrich II. zu Berlin einen Frieden schloß, in welchem sie Schlesien (außer Troppau, Teschen und Jägerndorf) nebst der Grafschaft Glatz an Preußen abtrat. Um so energischer und erfolgreicher wurde nun der Krieg gegen die Franzosen und Bayern fortgesetzt.
Aus Besorgnis, daß nach dem völligen Sieg Österreichs ihm Schlesien wieder entrissen werden könne, begann Friedrich II. 1744 den zweiten Schlesischen Krieg, fiel in Böhmen ein und eroberte 16. Sept. Prag. Dies nötigte Karl von Lothringen, Bayern zu räumen und sich nach Böhmen zu wenden. Den geschickten Operationen des Grafen Traun war es zu danken, daß Friedrich sich unter großen Verlusten aus Böhmen nach Schlesien zurückziehen mußte. Schon hoffte Maria Theresia, Schlesien wiedergewinnen zu können, für das sie sich durch Bayern zu entschädigen gedacht hatte. Als daher nach dem Tod Karls VII. dessen Nachfolger Max Joseph III. um Frieden bat, ließ ihm Maria Theresia im Vertrag von Füssen Bayern, während er auf alle Ansprüche an Österreich verzichtete.
Österreichische Truppen rückten darauf in Ober- und Mittelschlesien ein; Friedrich rettete sich aber durch die Siege von Hohenfriedeberg (4. Juni), Soor (30. Sept.) und Kesselsdorf (15. Dez.) aus der Bedrängnis und behauptete Schlesien im Frieden von Dresden Der Krieg zwischen Österreich nebst seinen Verbündeten und Frankreich wurde noch drei Jahre in den Niederlanden und in Italien fortgesetzt und erst durch den Frieden von Aachen beendigt. Maria Theresia verlor einen Teil Mailands an Sardinien, Parma und Piacenza als Sekundogenitur an die sizilischen Bourbonen. Im übrigen wurde ihr Thronfolgerecht und ihr Besitzstand bestätigt und ihr Gemahl Franz von Lothringen als deutscher Kaiser anerkannt.
Die erheblichen Gebrechen, welche sich im österreichischen Staatswesen während dieser Kriege gezeigt hatten, den Mangel an Einheit und Staatsbewußtsein im Volk, die Geringfügigkeit und Unsicherheit der Einkünfte, die Schwäche der Zentralbehörden, die schwerfällig provinzielle Verwaltung und die ungenügende Heeresorganisation, zu beseitigen, war nun Maria Theresias Streben. Sie rottete das Feudalsystem nicht völlig aus, aber suchte es unschädlich zu machen. Mit Güte oder mit Gewalt wurden die
Stände zur Erfüllung der landesherrlichen Befehle bewogen. Als Zentralbehörde ward ein Staatsrat eingesetzt, die österreichische und die böhmische Hofkanzlei vereinigt., die bisher ständischen Beamten in staatliche verwandelt. Die Justiz wurde wenigstens in den obern Instanzen von der Verwaltung getrennt und ein neues Strafgesetz erlassen, welches viele Härten milderte und die Tortur abschaffte (1776). Die von der Hofkammer verwalteten Finanzen wurden durch Vereinfachung der Verwaltung gebessert, die Einnahmen durch neue Zölle, Steuern und Monopole von 20 Mill. (1745) auf 40 (1754), ja auf 54 Mill. (1773) vermehrt.
Dennoch verschlangen die Kriege so ungeheure Summen, daß die öffentliche Schuld immer noch 250 Mill. betrug. Auch die Freigebigkeit Maria Theresias überschritt oft die verfügbaren Mittel, und das jährliche Defizit betrug 8-10 Mill. Das Heerwesen, dessen oberste Leitung der Hofkriegsrat behielt, wurde nach preußischem Muster reorganisiert und der Friedensstand der Armee auf 108,000 Mann mit einem jährlichen Erfordernis von 14 Mill. festgesetzt. Die drückende Lage der bäuerlichen Bevölkerung wurde erleichtert, die Robotpflicht 1775 erheblich herabgesetzt, dagegen die Steuerfreiheit der Grundherren aufgehoben. In kirchlicher Beziehung wurde die Herrschaft der römisch-katholischen Kirche als Staatsreligion aufrecht erhalten und den Nichtkatholiken kaum Duldung gewährt.
Den Jesuitenorden hob Maria Theresia 1773 auf, nachdem der Papst ihn aufgelöst hatte. Die Universitäten wurden in Staatsinstitute umgewandelt und reorganisiert, der Gymnasialunterricht reformiert und die Volksschule als wichtigste Erziehungs- und Bildungsanstalt geschaffen (1774). Doch bezogen sich diese Reformen nur auf die österreichisch-böhmischen Lande. Ungarn, Belgien und die Lombardei nahmen in allen diesen Dingen eine Sonderstellung ein.
Unterbrochen wurde diese Reformthätigkeit durch den Siebenjährigen Krieg (s. d., 1756-63). Maria Theresia glaubte stark genug zu sein, ihren unversöhnlich gehaßten Feind Friedrich II. zu demütigen und Schlesien wiederzugewinnen; sie rechnete hierbei auf die Hilfe Rußlands, Schwedens, Sachsens und Englands. Als letzteres sich mit Preußen verbündete, that sie einen entscheidenden Schritt: sie schloß ein Bündnis mit Frankreich, welches dem mehr als zweihundertjährigen Antagonismus zwischen dem Haus Österreich und Frankreich ein Ende machte.
Österreich wollte den Krieg gegen Preußen erst 1757 beginnen, doch kam dieses mit dem Einfall in Sachsen und Böhmen 1756 zuvor. Die Schlacht bei Kolin setzte dem Siegeslauf des Preußenkönigs ein Ziel, und auch im weitern Verlauf des Kriegs bewährte das österreichische Heer seine erhöhte Kriegstüchtigkeit und errang unter hervorragenden Feldherren noch mehrere Siege. Aber Friedrich II. zeigte sich schließlich seinen zahlreichen Feinden und allen Wechselfällen des Schicksals gewachsen. Auch Österreichs Hilfsquellen, besonders die Finanzen, waren endlich erschöpft, und Maria Theresia mußte im Hubertusburger Frieden auf Schlesien endgültig verzichten.
Die ungeheuern Opfer an Geld und Menschen waren vergeblich gebracht. Nicht zu unterschätzen war die moralische Einbuße, welche Österreich durch den Siebenjährigen Krieg erlitt. Es hatte sich mit fremden Mächten, namentlich dem Erbfeind Frankreich, zur Zertrümmerung eines deutschen Staats, zur Auslieferung deutschen Gebiets (Pommerns und Ostpreußens) an das Ausland (Schweden und Rußland) verbunden, aus eroberungssüchtigem Ehrgeiz Deutschland der Verheerung durch fremde Truppen preisgegeben und dadurch die Sympathien verscherzt, welche es sich als Verteidiger der deutschen Grenzen früher im Volk erworben. Besonders die protestantische Bevölkerung Deutschlands sah jetzt in Friedrich II. ihren Nationalhelden.
Nicht lange nach dem Frieden, starb Maria Theresias Gemahl, Kaiser Franz I. (1745-65), der erste aus dem habsburg-lothringischen Haus. Ihm folgte als Kaiser der älteste Sohn, Joseph II. (1765-90), den Maria Theresia auch zum Mitregenten für Österreich ernannte; sie überließ ihm die Leitung des Militärs und der Finanzen, räumte ihm aber auch auf die auswärtige Politik einen erheblichen Einfluß ein. So geschah es, daß die Kaiserin, obwohl jedem neuen Ländererwerb und namentlich jeder kriegerischen Verwickelung persönlich abgeneigt, es geschehen ließ, daß sich Österreich 1772 an der ersten Teilung Polens beteiligte und bei derselben Galizien und Lodomerien (100,000 qkm) erwarb, wozu 1775 noch die von der Türkei abgetretene Bukowina kam. Joseph II. nahm auch den Plan der Erwerbung Bayerns wieder auf (s. Bayrischer Erbfolgekrieg), indem er nach dem Erlöschen der bayrischen Wittelsbacher mit dem Tode des Kurfürsten Maximilian III. Joseph sofort mit dessen Erben, Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, einen Vertrag schloß, der Österreichs Ansprüche auf den größten Teil von Niederbayern, Mindelheim und die böhmischen Lehen anerkannte.
Österreich wäre damit die einzig gebietende Macht in Süddeutschland geworden, zumal Joseph auch die übrigen Länder Bayerns durch Verträge zu erwerben hoffte. Friedrich II. war aber entschlossen, eine solche Vergrößerung Österreichs in Deutschland um keinen Preis zu dulden, veranlaßte den nächsten Erbberechtigten, den Herzog Karl von Zweibrücken, gegen den Vertrag vom 3. Jan. zu protestieren, und als dessenungeachtet Joseph die abgetretenen Gebietsteile besetzte und die Räumung verweigerte, rückte er 1778 in Böhmen ein.
Der Krieg, in welchem weniger gekämpft als demonstriert wurde, endete mit dem Frieden von Teschen in welchem Joseph II. sich mit der Erwerbung des Innviertels begnügen mußte. Ein Jahr darauf, starb Maria Theresia. Sie hinterließ einen Staat von 600,000 qkm mit 24 Mill. Einwohner in bedeutend besserm Zustand, als sie ihn 1740 übernommen hatte. Nicht bloß die Einheit und Kraft des Staatswesens waren gewachsen, auch in wirtschaftlicher Beziehung waren Fortschritte gemacht worden: Industrie und Handel nahmen einen bedeutenden Aufschwung. Die deutsche Aufklärung brach sich in Österreich Bahn und befreite es von dem geistigen Druck, der seit der Gegenreformation ertötend auf ihm gelastet hatte. In Wissenschaft, Litteratur und Kunst gewann man wieder Fühlung mit dem Reich, mit Deutschland.
Kaiser Joseph hatte mit wachsender Ungeduld zusehen müssen, wie seine Mutter an hochkirchlichen und aristokratischen konservativen Grundsätzen festhielt und weitergehende Reformen ablehnte. Als alleiniger Regent (1780-90) wollte er, »von Fanatismus für das Wohl des Staats erfüllt«, die Umgestaltung des Staats nach seinen philosophischen Anschauungen möglichst rasch und möglichst gründlich durchführen. »Die Monarchie muß eine einzige, in allen Einrichtungen und Lasten gleiche Provinz bilden«, schrieb er; in den verschiedenen Völkern sah er