Säule
(hierzu Tafel »Säulenordnungen«), [* 4]
eine lotrechte, cylindrische oder schwach konische Stütze von Stein, Eisen [* 5] oder Holz [* 6] zur Übertragung der mehr oder minder ausgebreiteten, frei schwebenden Last einer Decke, [* 7] eines Fußbodens, eines Daches oder einer Überführung auf einen räumlich möglichst eingeschränkten Teil des Unterbaues. Da die Druckfestigkeit des Steins, Holzes und Eisens sich durchschnittlich wie 1:10:100 verhält, so sind, wo es sich um möglichste Raumersparnis handelt, die eisernen Säulen [* 8] vorzuziehen, während die steinernen Säulen bei Gebäuden von monumentalem Charakter, die hölzernen Säulen bei interimistischen Bauwerken (Ausstellungsbauten u. dgl.) Anwendung finden.
Während man daher z. B. bei modernen Geschäftshäusern, welche großer, heller Ausstellungs- und Lagerräume bedürfen, die obern Geschosse [* 9] oft ausschließlich durch gußeiserne oder schmiedeeiserne Säulen stützt, erhalten die Kirchen, öffentlichen Gebäude und Paläste meist noch steinerne, denjenigen der ältern, insbesondere antiken, Baustile nachgebildete Säulen. Unter den Säulen der alten Baustile, des indischen, persischen, ägyptischen und griechischen Stils (s. Tafeln »Baukunst [* 10] I-IV«),
zeichnen sich besonders die des letztern durch den Adel ihrer Formen und Verhältnisse aus und haben den Säulen des etruskischen, römischen und Renaissancestils (s. Tafeln »Baukunst V, VI, XI, XII«) mehr oder minder als Vorbilder gedient. Die griechischen Säulen treten in drei verschiedenen Grundformen auf, worunter ¶
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die dorischen (s. Tafel »Säulenordnungen«, [* 4] Fig. 1 bis 3) die einfachsten Formen und schwersten Verhältnisse, die ionischen [* 11] (Fig. 4-6) flüssigere Formen und leichtere Verhältnisse, die korinthischen [* 11] (Fig. 7) die reichsten Formen und schlanksten Verhältnisse zeigen. Nachdem man diese Formen und Verhältnisse als Richtschnur für spätere Bauperioden aufgenommen und zusammengestellt hat, unterscheidet man die dorische, ionische und korinthische Säulenordnung.
Als Beispiele der römischen (der griechisch-korinthischen nachgebildeten) Säulenordnung können die [* 11] Fig. 8 und 9 dienen. Unter den Säulen der übrigen Baustile sind diejenigen des altchristlichen und mohammedanischen sowie des romanischen und gotischen Stils (s. Tafeln »Baukunst VII-IX« und Tafeln »Kölner [* 12] Dom«) als eigenartige Stützen gewölbter Decken hervorzuheben, wenn sie auch nicht so typisch auftreten wie in den griechischen Säulenordnungen mit wagerechten Balkendecken.
Die drei Hauptteile jeder Säulenordnung sind: das die Decke bildende Gebälk, die jene Decke tragende lotrechte S. und der wagerechte, die S. unterstützende Unterbau (Säulenstuhl, Stylobat). Das Gebälk zerfällt wieder in drei Teile, wovon der unterste, der Architrav, [* 13] den eigentlichen Deckenträger, der oberste, das Kranzgesims [* 14] (Geison), die Abdeckung, der mittlere, der Fries, den Träger [* 15] der Deckenquerbalken bildet (s. Tafel »Säulenordnungen«, [* 4] Fig. 1 u. 9). Auch die S. zerfällt in drei Teile, wovon der oberste, das Kapitäl, den Architrav aufnimmt, der unterste, die Basis, auf dem Unterbau ruht und der mittlere, der Schaft, den eigentlichen Körper der S. bildet [* 11] (Fig. 9). Der mehr oder minder hohe Unterbau eines Tempels (Stereobat) besteht meist aus drei oder mehreren hohen Stufen, auf deren oberster die Säulen stehen. Die einzelnen Teile des Gebälks und der S. gestalten sich in den einzelnen Säulenordnungen in folgender Weise.
In der dorischen Säulenordnung, welche übrigens, wie uns die Überreste der besten dorischen Tempel, [* 16] z. B. in Pästum [* 11] (Fig. 1 u. 1a), das Parthenon in Athen [* 17] (Fig. 2 und 2a), der Tempel des nemeischen Zeus [* 18] (Fig. 3), lehren, in sehr verschiedenen Verhältnissen auftritt, besteht das Geison nur aus einer mit einfacher Kranzleiste gekrönten glatte, deren Unterfläche durch hervortretende, mit Tropfen (guttae) als Symbolen des Freischwebenden besetzte Platten (mutuli) a charakterisiert ist.
Der Fries besteht aus den mit Dreischlitzen (Triglyphen) versehenen Trägern b des Geison und den zwischen denselben befindlichen Feldern (Metopen) [* 19] c, welche bei ältern Tempeln dieser Gattung offen und bisweilen durch hineingestellte Gefäße geziert, bei spätern Tempeln geschlossen und zwar mit glatten oder mit Reliefs geschmückten Platten ausgefüllt waren. Unter dem Fries befindet sich der glatte, nur mit einem schmalen Plättchen bekrönte Architrav, an welchem häufig metallene Schilde oder vergoldete Weihinschriften oder Weihgeschenke angebracht waren.
Unter jenen Plättchen befindliche Tropfen vermittelten Architrav und Triglyphen, deren einer über jeder S. und je einer oder je zwei über jedem Säulenzwischenraum angebracht waren, wonach man den monotriglyphischen und ditriglyphischen Bau unterscheidet. Den Architrav stützt ein stark verjüngter, mit einer leichten Anschwellung (Entasis) versehener und durch etwa 20 Kannelierungen e belebter runder Schaft mit seinem konsolenartig vorspringenden Echinus [* 20] (Wulst).
Dieser letztere bildet mit dem quadratischen Abakus [* 21] als dem natürlichen Vermittelungskörper zwischen dem parallelepipedischen Architrav und dem zentralen Säulenschaft bis zu dem konkaven, oben durch einige vorspringende Plättchen (Riemchen) d und unten durch seichte Einschnitte begrenzten Säulenhals das dorische Kapital [* 11] (Fig. 1a u. 2a). Dagegen hatte die dorische S. keine besondere Basis, sondern ersetzte dieselbe durch die starke Verbreiterung ihres Schafts und die damit verbundene Vermehrung seiner Stabilität.
Die Höhe der S. mißt bei den Monumenten der besten Zeit 5½, bei den frühern und spätern Tempeln bez. 4 und 6½ ihrer untern Durchmesser, während der Säulenabstand etwa 1⅓ untere Durchmesser und das Verhältnis ihrer Gebälk- zu ihrer Säulenhöhe bez. etwa 1:2,4; 1:3 und 1:4 beträgt. Legt man den untern Halbmesser der S. als Einheit (Modulus) zu Grunde und teilt denselben in 30 Teile (Partes), so ergeben sich die in [* 11] Fig. 1, 2 und 3 eingetragenen Verhältniszahlen zwischen der S., dem Gebälk und deren Teilen.
In der ionischen Säulenordnung, welche, wie uns die Überreste der besten ionischen Tempel, z. B. am Ilissos in Athen (Fig. 4), der Athene [* 22] Polias in Priene [* 11] (Fig. 5), der Athene Polias in Athen (Fig. 6), zeigen, ebenfalls in verschiedenen Verhältnissen auftritt, besteht das Geison aus einer meist unterschnittenen Hängeplatte, welche oben durch ein bisweilen mit Ornamenten geschmücktes Glied [* 23] (Kymation) bekrönt und unten durch ein etwas ausgeladenes, gleichfalls ornamentiertes Glied, ohne oder mit Zahnschnitten [* 11] (Fig. 6 u. 5), unterstützt wird.
Der ionische Fries, welcher die Triglyphen nicht kennt, ist glatt oder mit durchlaufenden Skulpturen in Relief geschmückt und oben mit einem durch eine Perlschnur angehefteten, mit Blattwerk geschmückten Vermittelungsglied (Kymation) versehen. Durch ein glattes oder ornamentiertes Trennungsglied geschieden, folgt der meist durch schwache, bisweilen durch Perlschnüre vermittelte Vorsprünge in drei wagerechte Streifen zerlegte Architrav, der hierdurch ein wesentlich leichteres Ansehen erhält.
Durch Vermittelung einer mit Blattwerk geschmückten quadratischen Platte nimmt die S. den Architrav, bez. das Gebälk auf. Sie zerfällt in das (aus einem durch eine Perlschnur angehefteten Kymation [Eierstab] [* 24] und einer die Vermittelung des wagerechten Architravs als Last und der lotrechten S. als Stütze herstellenden Doppelspirale bestehende) Kapitäl [* 11] (Fig. 4a bis 6a), den mit meist 24 durch schmale Stege voneinander getrennten Kannelüren versehenen Schaft und die meist durch eine Hohlkehle mit ihm vermittelte, oben und unten durch zwei wulstförmige Trennungsglieder begrenzte Basis [* 11] (Fig. 4a u. 6a). Zu dieser attischen Basis, welche unmittelbar auf dem gemeinsamen Stylobat ruht, tritt bei der ionischen Basis [* 11] (Fig. 5a), als Vermittlerin zwischen diesem und dem zentralen Säulenschaft, noch eine quadratische Unterlagsplatte. Die Höhe der S. mißt 8½-9½, der Säulenabstand 2 untere Durchmesser, während das Verhältnis der Gebälk- zur Säulenhöhe 1:4 bis 1:4,5 beträgt. Legt man auch hier den untern Halbmesser der S. als Einheit zu Grunde und teilt denselben in 30 Teile, so ergeben sich die in [* 11] Fig. 4-6 eingetragenen Verhältniszahlen zwischen der S., dem Gebälk und deren Teilen.
Die korinthische Säulenordnung, so genannt nach der Stadt Korinth, [* 25] schließt sich, wie [* 11] Fig. 7 zeigt, in ihren Hauptteilen der ionischen Ordnung an, zeigt ein ähnliches Gebälk, dessen Geison mit Zahnschnitten versehen, dessen Fries glatt und dessen Architrav ¶
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des leichtern Ansehens wegen in drei Streifen zerlegt ist, und eine bis auf das Kapitäl ähnliche S., deren Schaft mit 24 Kannelüren versehen ist, und deren Fuß meist der attischen Basis gleicht, jedoch noch eine quadratische Unterlagsplatte hat. Das Kapitäl bildet einen zwei- oder dreifachen Blattkelch und behält die ionischen Voluten nur als vier rankenartige Auswüchse des letztern unter den Ecken der quadratischen, an den Seiten etwas eingeschweiften Platte bei.
Eins der zierlichsten und reichsten korinthischen Kapitäler zeigt das Monument des Lysikrates [* 26] (Fig. 7 u. 7a; Tafel »Baukunst IV«, [* 26] Fig. 8 u. 9), welches unten einen einfachen Kranz glatter, fleischiger, oben einen zweiten Kranz gerippter und gezahnter Akanthusblätter besitzt, woraus außer den rankenartigen Voluten noch mehrere spiralförmige Ranken hervorwachsen, um in der Mitte eine Palmette [* 27] aufzunehmen. Eine einfachere Form zeigt das unter den Trümmern des Apollotempels bei Milet gefundene Kapitäl, dessen einziger Blattkelch aus Akanthusblättern, woraus vier rankenartige Voluten hervorwachsen, gebildet ist und unten mit einer Perlschnur an den Säulenschaft geheftet erscheint.
Einfacher noch sind die Kapitäler vom Turm [* 28] der Winde [* 29] in Athen (s. Tafel »Baukunst IV«, [* 30] Fig. 10), bei welchen die Rankenvoluten fehlen und aus einem Kelch von Akanthusblättern unten ein zweiter Kelch lanzettförmiger Blätter emporwächst, deren Spitzen unter der Kapitälplatte, gleichsam von der Last des darauf ruhenden Gebälks beschwert, leicht so übergeneigt sind, daß hierdurch die sonst von den Voluten bewirkte Vermittelung zwischen Wagerecht und Senkrecht (Last und Stütze) vollzogen wird.
Die S. ist noch schlanker als die ionische und hat, z. B. bei dem Monument des Lysikrates, die etwa zehnfache Höhe des untern Durchmessers, während das Verhältnis der Gebälk- zur Säulenhöhe etwa 1:4,5 beträgt. Wenn die korinthische Ordnung (das Kapitäl ausgenommen) auch keine eigenartige Ausbildung zeigt, so sind doch die vermehrte Leichtigkeit ihrer Verhältnisse, ihre reichere Ausstattung und die größere Mannigfaltigkeit ihrer Einzelformen für die Folgezeit, zunächst für die römische Baukunst, von hoher Bedeutung geworden.
Die römische Säulenordnung schließt sich den griechischen Säulenordnungen, insbesondere, wie [* 26] Fig. 8 zeigt, der griechisch-korinthischen, mehr oder minder eng an. Die römisch-dorische Säulenordnung, unrichtig die toscanische genannt, fügt der S. eine aus Wulst und Plättchen bestehende oder die attische Basis mit quadratischer Fußplatte hinzu, bedient sich eines glatten Säulenschafts mit bandartigem Säulenhals und eines aus gegliederter Deckplatte und aus im Querschnitt viertelkreisförmigem, meist mit dem sogen. Eierstab geziertem Echinus zusammengesetzten Kapitäls, während der Architrav erniedrigt, der Triglyphenfries erhöht und das Kranzgesims mannigfaltiger gegliedert erscheint.
Die römisch-ionische Ordnung beschränkt sich auf eine steife Umgestaltung des Kapitäls und eine reichere Gliederung und Ornamentierung des Gebälks; dagegen wurde die korinthische Ordnung, wie z. B. bei dem Tempel des Jupiter Stator in Rom [* 31] (Fig. 8), meist mit mehr Pracht ausgestattet, welche besonders dem mit Zahnschnitten und Konsolen geschmückten, reichdekorierten Hauptgesims zu gute kam. Bisweilen wurde das Kapitäl in seinem untern Teil aus korinthischen, in seinem obern Teil aus ionischen Elementen zusammengesetzt und hierdurch die unvermittelte Form des Komposit- oder römischen Kapitäls geschaffen, bisweilen auch, wie an dem Pantheon in Rom, an die Stelle des kannelierten der glatte Schaft gesetzt [* 26] (Fig. 9).
Unter den Säulen der spätern Baustile treten diejenigen des romanischen, gotischen und Renaissancestils in den Vordergrund. Für diese Säulen blieb mit größern oder kleinern Modifikationen die mit Unterlagsplatte versehene attische Basis maßgebend, welche bei dem romanischen und gotischen Stil niedriger gehalten und energischer so profiliert wird, daß weiter hervortretende, selbst scharfe Wülste entstehen und eine tief eingeschnittene Hohlkehle zwischen denselben verbleibt. Zur Vermittelung des untern Wulstes mit den hervortretenden Ecken der Unterlagsplatte dienen bei der romanischen Basis nicht selten vier Eckblätter (s. Tafel »Baukunst IX«, [* 32] Fig. 2). Der Schaft der romanischen S. ist meist glatt, seltener mit Mustern überzogen (s. Tafel »Baukunst IX«, [* 32] Fig. 9 u. 2) und cylindrisch oder mehr oder minder stark konisch, während sich der Schaft der gotischen S. als der Komplex eines starken Säulen- oder Pfeilerkerns mit 4, 8, 12 oder mehr schlanken Säulchen (Diensten) darstellt (s. Tafel »Kölner Dom [* 33] II«, [* 26] Fig. 6 u. 7) und der Schaft der Renaissancesäule sich wieder der römischen nähert, jedoch oft nur teilweise kanneliert und teilweise glatt (s. Tafel »Baukunst XII«, [* 34] Fig. 3) oder mit mehr oder minder abweichenden, z. B. spiralförmig gewundenen, Formen (s. Tafel »Baukunst XII«, [* 34] Fig. 5) überzogen ist. Am eigenartigsten stellt sich das romanische Kapitäl dar, welches auch eine (gegliederte) Deckplatte und einen Halsring besitzt.
Während bei dem dorischen, ionischen und korinthischen Kapitäl, bei den beiden letztern unter Mitwirkung von Voluten, vorzugsweise die quadratische Deckplatte die Vermittelung zwischen dem runden Schaft und dem eckigen Architrav vollzieht, übernimmt sie hier der zwischen Deckplatte und Halsring befindliche Teil desselben, welcher eine Durchdringung von Würfel und Halbkugel bildet, wovon der erstere sich an die viereckige Deckplatte, die letztere an den runden Halsring anschließt. Dieser Vermittelungskörper, welcher das romanische Würfelkapitäl [* 35] (Knauf) [* 36] charakterisiert, tritt beim romanischen Baustil in den verschiedensten Abwandlungen und mit den verschiedensten, aus vegetabilischen, animalischen und aus beiden Elementen zusammengesetzten Ornamenten (s. Tafel »Baukunst IX«, [* 32] Fig. 1, 2 u. 11) auf.
Auch die Kelche des gotischen Kapitäls vollziehen jene Vermittelung zwischen den eckigen Deckplatten und den runden Diensten, indem sie aus dem Runden in das Eckige übergehen und mit meist naturalistischen Pflanzengebilden bekleidet sind, welche jene Vermittelung unterstützen (s. Tafel »Kölner Dom [* 33] I«, rechts unten); jedoch treten sie bei dem gotischen Stil, wobei S. und Gewölbe [* 37] fast ineinander übergehen, mehr in den Hintergrund, da das Kapitäl hier mehr die Stelle eines Trennungsglieds als eines Vermittelungskörpers zwischen Last und Stütze übernimmt. Das Renaissancekapitäl enthält fast stets Anklänge an das korinthische, hat jedoch in der Regel nur eine Reihe von Akanthusblättern, während die Mitte und die Ecken oft durch Palmetten, Rosetten, Tiergestalten oder phantastische Gebilde ausgezeichnet werden. In der Zeit des Barockstils geht in einer nicht selten widersinnigen Form der Begriff der S. als Stütze meist verloren.
Unter Halbsäule versteht man eine nur teilweise aus einer Wandfläche vorspringende S., wie sie an den Pseudodipteraltempeln der Griechen, z. B. an dem Zeustempel zu Agrigent, vorkommt; unter einer gekuppelten S. (s. Abbild. S. 352) eine aus zwei dicht ¶