Rutengänger
,
s. Wünschelrute.
Rutengänger
3 Wörter, 32 Zeichen
Rutengänger,
s. Wünschelrute.
s. v. w. Zauberrute, nach dem altdeutschen Wort wünschen, welches s. v. w. zaubern bedeutet, auch kurz der »Wunsch« genannt (z. B. im Nibelungenlied, wo es heißt: »Es lag der Wunsch darunter, von Gold [* 3] ein Rütelein«),
ein Baumzweig, mit dessen Hilfe man vergrabene Schätze, Metalladern, Quellen und andre verborgene Dinge aufzufinden hoffte. Die Wurzeln des Glaubens an die besondere Kraft [* 4] gewisser Baumzweige, besonders des gabeligen Mistelzweigs (s. Viscum), lassen sich einerseits auf den Zauberstab der Magier und Götter, anderseits auf die alte Stabwahrsagung (Rhabdomantie, s. Los) der Asiaten zurückführen. Schon in der Bibliothek von Ninive wird eine Göttin als »Herrin des magischen Stabes« genannt; auch Mosis' Stab [* 5] dient zum Quellenhervorlocken, und besonders nach dem die Pforten der Unterwelt eröffnenden Schlangenstab des Hermes [* 6] wird die Wünschelrute später als Virgula divina seu mercurialis bezeichnet, wie denn der dem Hermes in mancher Beziehung entsprechende deutsche Sturmgott Wuotan als »Gottheit des Wunsches und Stabes« bezeichnet wird. Die Stabwahrsagung oder Rhabdomantie scheint von den mongolischen Stämmen (Skythen, Tataren, Chinesen) auf Perser und Juden übergegangen zu sein, und auf das Wahrsagen aus auf die Erde geworfenen ¶
Stäben scheint sich die Klage Hoseas: »Mein Volk fragt sein Holz, [* 8] und sein Stab soll ihm wahrsagen« zu beziehen. Der Gebrauch der Wünschelrute zur Aufsuchung verborgener Dinge entwickelte sich im Mittelalter zu einer besondern Wissenschaft namentlich einzelner Bergleute, die man Rutengänger nannte. Man hielt einen in der Johannisnacht unter verschiedenen Ansprachen und Zeremonien geschnittenen Gabelzweig vom Haselnußstrauch für vorzugsweise tauglich und trug ihn, gewöhnlich die Gabelenden mit beiden Händen umschlossen, so, daß der Stiel der Gabel in die Höhe stand und sich dann nach den Orten, wo sich die gesuchten Dinge befänden, bewegen (»schlagen«) sollte.
Der Glaube an die Wünschelrute war so allgemein, daß die Physiker bis in unser Jahrhundert die verschiedenartigsten Versuche angestellt haben, ihre Bewegungen aus natürlichen Ursachen zu erklären. Gegen das Ende des 17. Jahrh. setzte ein Rutengänger, Jacques Aymar, welcher vorgab, durch die Bewegungen seiner Rute die Spur von Verbrechern verfolgen zu können, Rechtsgelehrte und Physiker in Aufregung, und obwohl der Prinz von Condé diesen Mann als Betrüger entlarvte, schrieben die Physiker dicke Bände, um die Bewegungen der Rute durch den Einfluß der kleinen, von den verborgenen Dingen ausströmenden »Körperchen« oder Cartesiusschen »Geisterchen« zu erklären. Im 18. Jahrh. veröffentlichte der französische Physiker Thouvenel wohl ein Dutzend Denkschriften über zwei Quellenfinder, Bleton und Pennet, und diese Versuche wurden in Italien [* 9] von Fortis und Amoretti, in Deutschland [* 10] von Ritter, Baader und Kieser fortgesetzt.
Alle Letztgenannten glaubten an eine besondere »elektrometrische« Kraft, welche in reizbaren (sensitiven) Personen durch Metalladern oder unterirdisches bewegtes Wasser erregt werde und sich nicht bloß in den Bewegungen der in der Hand [* 11] gehaltenen Holzzweige und andrer Dinge, sondern auch in körperlichen Empfindungen, ja Konvulsionen äußern sollte. Mehrere der letzterwähnten »Metall- und Quellenspürer«, namentlich der italienische Landmann Campetti, mit welchem Amoretti und die Physiker der Münchener Akademie in den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts experimentierten, benutzten statt des Holzstabes auch den sogen. »bipolaren Cylinder«, einen zwischen Zeigefinger und Daumen gehaltenen Metallstab, und das »siderische Pendel«, ein an einem Faden [* 12] aufgehängtes Stück Kohle, Schwefelkies u. dgl., welches unter dem Einfluß verborgener Metalle und strömenden Wassers in Schwingungen geraten sollte.
Nachdem man die tierische Elektrizität [* 13] samt dem »tierischen Magnetismus« [* 14] (s. Magnetische Kuren), [* 15]
einen davon nicht wesentlich verschiedenen »Tellurismus« und »Siderismus« sowie das »Od« (s. d.) zur Erklärung der nicht abzuleugnenden Bewegungen genannter Instrumente zu Hilfe gerufen und eine kaum übersehbare Litteratur über diesen Gegenstand entstanden war, gaben endlich Gilbert, Maréchaux, Erman, Pfaff u. a. diesem Aberglauben den Todesstoß, indem sie nachwiesen, daß es sich einzig um Bewegungen handle, die durch unbewußte sogen. ideomotorische Bewegungen hervorgerufen werden, wie denn bereits Zeidler in seinem 1700 erschienenen »Pantomysterium« nachgewiesen hatte, daß die Rute sich alsbald bewegte, wenn der Träger [* 16] derselben den gesuchten Gegenstand auch nur gefunden zu haben glaubte. Chevreul (»Journal des Savants« 1854) hat diese Erklärung in neuerer Zeit durch geistreiche und umständliche Versuche bestätigt.
Vgl. Vallemont, Physique occulte, ou traité de la baguette divinatoire (Par. 1696);
die gesamte ältere Litteratur bei Aretin im »Neuen litterarischen Anzeiger« von 1807, S. 305-477; Carus Sterne, Die Wahrsagung aus den Bewegungen lebloser Körper unter dem Einfluß der menschlichen Hand (Weim. 1862).