Rußniaken
,
s. Ruthenen.
Rußniaken
6 Wörter, 50 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Rußniaken,
s. Ruthenen.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Rußniaken,
s. Ruthenen.
(Russinen, Rußniaken), slaw. Volksstamm im östlichen Galizien, in der Bukowina und im nordöstlichen Ungarn, [* 4] zu beiden Seiten der Karpathen, zählt 3,160,000 Seelen (2,800,000 in Galizien und der Bukowina, 360,000 in Ungarn) und bildet einen Teil der Kleinrussen (s. Russen). Sich selbst nennen die Ruthenen Rusy. Die Gebirgsbewohner, zumal die Stämme der Bojken und Huzulen, unterscheiden sich durch ovale Gesichtsbildung und schlanken Körperbau von den untersetzten Bewohnern des Flachlandes, den Podolaken, deren breites, viereckiges Gesicht [* 5] an die ehemalige tatarische Überflutung des Landes erinnert.
Trotz des großen Bodenreichtums erscheinen die letztern in Wohnung und Kleidung viel verwahrloster als die Gebirgsbewohner. Im allgemeinen aber sind die ein kräftiger Menschenschlag von mittlerer Körpergröße und wenn auch nicht muskulös (infolge der meist vegetabilischen Nahrung), doch ausdauernd und gegen Strapazen abgehärtet. Sie sind fast durchweg Ackerbauer, im Gebirge auch Viehzüchter, Hirten, Holzschläger, Köhler u. dgl., halten im Ackerbau fest am Hergebrachten und Ererbten, sind ihrer Kirche (der griechisch-unierten) in hohem Grad zugethan und pietätvoll gegen die Verstorbenen.
Daneben charakterisieren sie sich durch Fatalismus, Passivität und Hang zu ruhigem, beschaulichem Leben. In ihren Liedern sind sie sehr poetisch, aber auch schwermütig, im Verkehr mit Fremden artig, aber verschlossen, im häuslichen Leben zeremoniell. Sie sind geistig begabt und besitzen mannigfache technische Fertigkeiten, weshalb auch die Hausindustrie bei ihnen von Bedeutung ist. Bei der fortwährenden Zerstückelung des Bodens wächst jedoch das Landproletariat; auch der Mangel an eigentlicher Industrie, die Ausbeutung durch die Juden und die stark verbreitete Trunksucht tragen zur steigenden Verarmung des Volkes bei.
Während die Ruthenen eines eigentlichen Bürgerstands entbehren, besitzen sie einen zahlreichen intelligenten Beamtenstand, der meist treu zum Volk hält und sich um die Hebung [* 6] desselben verdient gemacht hat, und eine sehr geachtete Geistlichkeit, welche die politische Führung des Volkes in Händen hat. Im Sinn der Volksbildung wirken die beiden Vereine Proswita und Kaczkowski. Seit 1848 fing die ruthenische Sprache [* 7] und Litteratur, welche jahrhundertelang von der polnischen Aristokratie unterdrückt worden ist, sich einigermaßen zu entwickeln an (s. Kleinrussische Sprache und Litteratur).
Gegenwärtig verfügen die Ruthenen über mehrere Zeitschriften, ein Theater, [* 8] einige Mittelschulen und Universitätslehrkanzeln. Gegenüber den galizischen sind die ungarischen in jeder Beziehung viel mehr zurückgeblieben.
Vgl. Bidermann, Die ungarischen Ruthenen (Innsbr. 1863-68, 2 Bde.);
Szujski, Die Polen und in Galizien (Teschen 1882);
Kupczanko, Die Schicksale der Ruthenen (Leipz. 1887).
Einen Katalog der ruthenischen Litteratur seit 1800 bearbeitete Kotula (Lemb. 1878).