mehr
Terrain erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. zu. Durch den
Vertrag von
Andrussowo 1667 kamen die Gebiete von Smolensk
und Sjewersk wieder an Rußland
zurück; es erhielt ferner die
Ukraine links vom
Dnjepr (das heutige Gouvernement Poltawa) und am
rechten Ufer die Stadt Kiew.
[* 3] Die weitere, ziemlich unbestimmte Südgrenze bildete das Gebiet der Saporoger
(s. d.). Der Versuch
Peters d. Gr., sich dem
Schwarzen
Meer zu nähern, führte zur Eroberung
Asows, zur
Aufstellung einer neutralen
Zone
(Vertrag von
Konstantinopel
[* 4] 1700) und zu einer festern Bestimmung der Grenzen
[* 5] der saporogischen
Länder (die zu Rußland
gezählt
wurden) gegen die türk. Besitzungen (1705). Aber nach dem Frieden am Pruth
(1711) mußte
Asow aufgegeben werden, und die russ. Grenze verschob sich vom
Dnjepr nach Norden
[* 6] an die
Flüsse
[* 7] Samara und Orel
(1713). Ebenso vergeblich war der Versuch, sich in
Transkaukasien festzusetzen: in den
Verträgen von
Rescht (1729) und
Gandscha
(das spätere Jelisawetpol, 1735) mußte Rußland
alle Eroberungen
Peters (Derbent,
Baku,
Gilan,
Masenderan,
Astrabad)
wieder aufgeben, und der
Terek blieb die Grenze. Dagegen entriß
Peter d. Gr. im Westen den
Schweden
[* 8] die
Küsten der Ostsee:
Livland
[* 9] (mit den
Inseln Ösel und Dagö),
Esthland, Ingermanland, Karelien und einen
Teil von
Finland mit der Stadt Wiborg.
[* 10] Nach
dem
Belgrader Frieden (1739) wurde im
Süden die Grenze von 1705 wiederhergestellt und als Grenze gegen
die Krim
[* 11] der
Fluß
Konka bestimmt (1742). In
Finland rückte die Grenze 1743 bis zum
Kymmene-elf vor (Frieden von
Åbo).
Eine neue
Ära beginnt mit
Katharina II. Nach dem ersten Türkenkriege wurden wichtige Punkte an den Mündungen
des
Dnjepr, des
Don, an der
Meerenge von
Kertsch gewonnen:
Kinburn,
Asow,
Kertsch-Jenikale (1774), dann
Balta, die Krim, das
Kubangebiet
(1783-84), endlich nach dem zweiten Türkenkriege die Seeküste zwischen dem
Bug und dem Dnjestr (Friede von Jassy 1792),
womit eine feste
Stellung am
Schwarzen
Meer erlangt war. Im Westen brachten Erwerbungen die drei
Teilungen
Polens:
die erste Westrußland
[* 12] östlich vom
Dnjepr und der Düna (1772), die zweite die Gebiete von Minsk,
Volhynien und Podolien
(1793), die dritte die jetzigen Gouvernements Wilna,
[* 13] Kowno und Grodno, den Oberlauf des Pripet, den westl.
Teil von
Volhynien (1795). Kurz vorher war das Herzogtum
Kurland durch Verzicht des
Herzogs
Peter zu Rußland
gekommen.
Unter
Alexander I. wurde erworben: das Gebiet von
Bjelostok (1807),
Finland bis zum
Fluß
Torneå mit den
Ålandsinseln (Friede
von Fredrikshamn 1809), auf dem
Wiener Kongreß (1815) das Herzogtum Warschau,
[* 14] das unter dem
Namen eines Königreichs
Polen
unter russ. Oberherrschaft kam.
Gleichzeitig fand ein Vordringen im
Kaukasus statt.
Schon unter
Paul I. wurde
Georgien einverleibt (1801). Dazu kamen im Nordwesten Mingrelien, Imeretien, Abchasien (1803-24), im Südosten die Chanate
Karabagh,
Gandscha, Derbent,
Kuba,
Baku,
Schirwan,
Talisch, Scheki
(Vertrag von Gulistan 1813). Ein Versuch
Persiens, nach dem
Tode
Alexanders
I. das
Verlorene wiederzuerobern, führte zu weiterm
Verlust der Chanate Eriwan und Nachitschewan
(Friede von Turkmantschaj 1828). In einem gleichzeitigen
Kriege mit der
Türkei
[* 15] erwarb Rußland
die
Küste des
Schwarzen
Meeres von
der Kubanmündung bis zum
Hafen Swajtoj Nikolaj nebst den Festungen
Anapa, Poti,
Achalzych und Achalkalaki (Friede von
Adrianopel
1829). Durch denselben
Vertrag erhielt Rußland
Bessarabien bis zur St. Georgsmündung der Donau. Nach dem
Orientkriege
gingen die Donaumündungen mit dem südl.
Bessarabien an
Rumänien
[* 16] verloren
(Pariser Friede
1856), doch kam das Land 1878 (aber
nur bis zur Kiliamündung) durch den
Berliner Vertrag
[* 17] wieder an Rußland.
Durch den letztern erhielt auch die
Gebiete von
Batum
[* 18] und
Kars in
Transkaukasien. Die kaukas.
Bergvölker wurden 1859-64 unterworfen (s.
Kaukasische Kriege) und 1867 die
Besitzungen des Schamchal von Terki einverleibt.
Die bedeutendsten Erwerbungen wurden in Mittelasien gemacht. Ein Teil der Kirgisen unterwarf sich schon 1730 und 1734 freiwillig. 1740 wurden eingenommen das Land zwischen dem Jaik (Uralfluß) und dem Aralsee und das Land zwischen dem Ischim und Irtysch, 1798 die Lücke zwischen den beiden vorhergehenden am obern Tobol und südlicher, 1802 das Gebiet am Ust-Urt zwischen dem Kaspischen Meer und dem Aralsee, 1819 der Rest des Landes nördlich vom Fluß Tschu und vom Balchaschsee, 1846-47 das Iligebiet (Semirjetschensk), 1853 das Land nördlich am Unterlauf des Syr-darja, 1854 Wjernyj, 1864-65 Taschkent, 1868 Samarkand und der obere Naryn, 1870 das Serafschanthal, 1873 das Gebiet zwischen dem Kaspischen Meer und Chiwa sowie das Land östlich am Aralsee zwischen dem Amu-darja und Syr-darja, 1876 das Chanat Kokan (jetzt Gebiet Ferghana), 1881 das Turkmenengebiet, 1884 Merw und 1885 Penschdeh.
China [* 19] gegenüber wurde 1871 das Gebiet von Kuldscha besetzt, aber 1881 bis auf einen Teil im Westen wieder zurückgegeben. In demselben Jahre trat China das Land nordöstlich am Saisan-nor ab, so daß dieser See nun ganz russisch wurde. (S. auch Russisch-Centralasien.) Von Nordostsibirien aus wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. der nordöstl. Teil von Amerika [* 20] (s. Alaska) in Besitz genommen, aber 1867 nebst den Aleuten gegen eine Geldentschädigung an die Vereinigten Staaten [* 21] von Amerika abgetreten. Es blieben noch die Kurilen (seit etwa 1720 im Besitz R.s) übrig: diese wurden 1875 an Japan umgetauscht gegen den südl. Teil der Insel Sachalin, die nun ganz in russ. Besitz kam.
Russische [* 22] Großfürsten und Kaiser.
Die Warägische Periode:
Rurik 862-879.
Oleg 879-912.
Igor 912-945.
Olga 945-957.
Swjatoslaw I. 957-972.
(Jaropolk regierte in Kiew 972-980.)
Wladimir I. 980-1015
Swjatopolk 1015-19.
Jaroslaw I., der Weise, 1019-54.
Die Periode der Teilfürstentümer:
Isjaslaw I. Jaroslawitsch von Kiew 1054-78.
Wsewolod I. Jaroslawitsch 1078-93.
Michail Isjaslawitsch 1093-1113.
Wladimir II. Monomach 1113-25.
Mstislaw I. Wladimirowitsch 1125-32.
Jaropolk Wladimirowitsch 1132-39.
Wsewolod II. Olgowitsch 1139-46.
Isjaslaw II. Mstislawitsch 1146-54.
Wjatscheslaw Wladimirowitsch und Rostislaw Mstislawitsch 1154-55.
Isjaslaw III. Dawidowitsch 1155.
Jurij I. Wladimirowitsch Dolgorukij 1155-59.
Rostislaw I. Mstislawitsch 1159-67.
Mstislaw II. Isjaslawitsch 1167-69.
Gleb Jurjewitsch 1169-71.
Herrscher aus verschiedenen Häusern 1171-94.
Rurik Rostislawitsch 1195-1202.
Wsewolod III. Jurjewitsch 1202-13.
Jurij II. Wsewolodowitsch 1213-16.
Konstantin I. Wsewolodowitsch 1216-19.
Jurij III. Wsewolodowitsch 1219-38.
Jaroslaw II. Wsewolodowitsch 1238-47. ¶
mehr
Swjatoslaw II. Wsewolodowitsch 1246-49.
Andrej I. Jaroslawitsch 1250-52.
Alexander Newskij 1252-63.
Jaroslaw III. Jaroslawitsch 1264-72.
Wassilij I. Jaroslawitsch 1272-76.
Dmitrij (Demetrius) I. Alexandrowitsch 1276-94.
Andrej II. Alexandrowitsch 1294-1304.
Michail Jaroslawitsch 1304-19.
Jurij IV. Danilowitsch 1319-25.
Alexander Michailowitsch 1327-28.
Großfürsten von Moskau: [* 24]
Iwan (Joan) I. Danilowitsch Kalita 1328-40.
Simeon Iwanowitsch, d. Stolze, 1340-53.
Iwan II. Iwanowitsch 1353-59.
Dmitrij III. Konstantinowitsch 1359-62.
Dmitrij IV. Iwanowitsch Donskoj 1362-89.
Wassilij II. Dmitrijewitsch 1389-1425.
Wassilij III. Wassiljewitsch, der Blinde, 1425-62.
Iwan III. Wassiljewitsch 1462-1505.
Wassilij IV. Iwanowitsch 1505-33.
Iwan IV. Wassiljewitsch, der Schreckliche, 1533-84.
Feodor I. Iwanowitsch 1584-98.
Boris Godunow 1598-1605.
Feodor II. Borissowitsch April bis Juni 1605.
Der (I.) falsche Dmitrij (Demetrius) 1605-6.
Wassilij V. Iwanowitsch Schujskij 1606-10.
Interregnum 1610-13.
Die Romanows:
Michail Feodorowitsch Romanow 1613-45.
Alexej Michajlowitsch 1645-76.
Feodor III. Alexejewitsch 1676-82.
Regentschaft der Sophia Alexejewna 1682-89.
(Iwan V. Alexejewitsch 1682-89.)
Peter d. Gr. 1689-1725.
Katharina I. 1725-27.
Peter II. 1727-30.
Anna Iwanowna 1730-40.
Iwan VI. 1740-41.
Elisabeth Petrowna 1741-62.
Haus Romanow-Holstein-Gottorp.
Peter III. Jan. bis Juli 1762.
Katharina II. 1762-96.
Paul 1796-1801.
Alexander I. 1801-25.
Nikolaus I. 1825-55.
Alexander II. 1855-81.
Alexander III. 1881-94.
Nikolaus II. seit Nov. 1894.
Geschichte. (Hierzu: Historische Karte von Rußland.
)
Urzeit. Die frühesten Nachrichten über die Bewohner des heutigen Rußland
finden sich bei Herodot,
nach dessen Angabe vom Schwarzen Meere nach Norden hin die Scythen (s. d.) und die Sarmaten (s. d.)
wohnten, ein Völkergemisch, dessen nördl. Bestandteile wahrscheinlich slaw. Stämme bildeten. Die letztern treten aber erst
später in der Geschichte hervor und gehörten, soweit sie für N. in Betracht kommen, dem östl.
Zweige der slaw. Völkerfamilie an. (S. Slawen.) Sie nahmen den westl. Teil des heutigen Rußland
ein, vom Ladogasee im R. bis in das
Gebiet der Steppe im S., ohne irgendwie das Meer zu berühren.
Im N. und NO. stießen sie an finn. Völker, im SO. und S. an die türk. Stämme der Wolgabulgaren, Chasaren, Petschenegen und Polowzer, im NW. an den bereits in vorhistor. Zeit aus der slawo-lettischen Volksgemeinschaft ausgeschiedenen litauischen Stamm. Die russ. Slawen zerfielen in eine Menge kleiner Völkerschaften, die nur durch das Band [* 25] der Sprache [* 26] geeinigt waren. Auch innerhalb der einzelnen Völkerschaften gab es keine dauernde staatliche Gewalt; nur im Kriegsfalle verbanden sich die Bezirke (Wolost) unter einem gemeinschaftlichen Anführer.
Den einzigen festen Organismus bildete die Dorfgemeinde (Mir), die erweiterte Familie, die Eigentümerin von Grund und Boden, deren Glieder [* 27] in der Gemeindeversammlung (Wjetsche) gleichberechtigt über alle Gemeindeangelegenheiten entschieden. Schon früh entstanden bei den Ostslawen Städte, und schon vor dem 9. Jahrh. wurde ein lebhafter Handel nach Skandinavien und nach Griechenland [* 28] betrieben. Die Handelsstraße ging nordwärts von dem Quellgebiet der Düna über den Ilmensee an den Finnischen Meerbusen der Ostsee und südwärts den Dnjepr hinab bis an das Schwarze Meer.
Warägische Periode. Auf dieser alten Handelsstraße waren schon früh die Normannen oder, wie sie hier hießen, Waräger zu Handel und Raub in das Gebiet der Ostslawen gekommen. Im 9. Jahrh. setzten sie sich in den Gegenden an der Newa und am Ladogasee fest und unterwarfen die Slawen von Nowgorod sowie verschiedene finn. Völkerschaften einem Tribut. Sie wurden zwar von den vereinigten Slawen und Finnen wieder vertrieben; bald jedoch brach innerer Hader unter diesen Stämmen aus, und dieselben beschlossen, sich von jenseit des Meers Fürsten zu holen.
Drei Brüder, Rurik, Sineus und Truwor, kamen auf den Ruf mit ihren Gefolgschaften herüber, ließen sich in den Orten Ladoga, Bjeloosero und Isborsk nieder und legten damit den Grund zu dem Russischen Reiche, wahrscheinlich schon vor dem als Gründungsjahr angenommenen J. 862. Der Name «Russen», den Schweden (Normannen) von den Finnen beigelegt (s. auch Rus), ging von der herrschenden Klasse bald aus das beherrschte Volk über. Die warägischen Fürsten und ihre Gefolgschaft, die Drushina (s. d.), verschmolzen im Laufe von zwei Jahrhunderten mit den ihnen an Zahl überlegenen Slawen.
Rurik erbte nach dem Tode seiner Brüder deren Fürstentümer, wurde dadurch alleiniger Herr der nordslaw. Stämme und verlegte nun seine Residenz nach Nowgorod. Inzwischen hatte ein anderer Waräger, Askold, der in Begleitung seines Kampfgenossen Dir an den Dnjepr gezogen war, in Kiew den zweiten slaw.-russ., vom Nowgorodschen Reiche unabhängigen Staat gestiftet. Ruriks Nachfolger, Oleg oder Olaf (879-912), der als Vormund seines Neffen Igor regierte, vereinigte indes schon 882 diesen zweiten russ. Staat mit dem ersten und erhob Kiew zur Residenz des vereinigten Reichs.
Gegen Konstantinopel unternahm er 907 einen glücklichen Zug,
erzwang einen vorteilhaften Handelsvertrag, gründete mehrere Städte
und ordnete das Reich. Igor (912-945) machte 941 einen vergeblichen Angriff auf Konstantinopel und rüstete sich 944 zu einem
Feldzug, zu dessen Abwendung der Kaiser Romanos I. den frühern Handelsvertrag erneuerte und erweiterte.
Unter Igor drang das Christentum zuerst in Rußland
ein. Als er im Kampfe mit slaw. Stämmen fiel, führte seine Witwe Olga 945-957 die
Regentschaft für ihren unmündigen Sohn Swjatoslaw, ließ sich 955 in Konstantinopel taufen, vermochte aber ihren Sohn nicht
für das Christentum zu gewinnen.
Swjatoslaw (957-972) zeigte sich als kühner Eroberer, brach die Macht der Chasaren, riß die slaw. Wjatitschen von ihnen los und vereinigte dadurch alle slaw. Stämme. Er besiegte auf die Aufforderung des byzant. Kaisers Nikephoros II. die Bulgaren, drang aber weiter vor und kam bis Adrianopel. Bei Silistria wurde er vom Kaiser Johannes I. Tzimiskes geschlagen und fiel auf dem Rückzug 972 im Kampfe gegen die Petschenegen. Er hatte das Reich unter seine drei Söhne geteilt.
Der jüngste derselben, Wladimir I., vereinigte 980 wieder das Ganze und regierte bis 1015. Er vermählte sich 988 zu Cherson
(bei dem heutigen Sewastopol)
[* 29] mit Anna, Tochter des griech. Kaisers Romanos II., ließ sich am gleichen
Tage taufen, machte das Christentum zur herrschenden Religion in Rußland
und bahnte hierdurch die Verschmelzung der ostslaw. Stämme
zu dem russ. Volke an. Nach seinem Tode wurde das Reich unter seine acht Söhne geteilt; Swjatopolk (1015-19) nahm als Großfürst
von Kiew eine hervorragende Stellung
¶
mehr
unter ihnen ein, wurde aber von seinem jüngsten Bruder Jaroslaw, Fürst von Nowgorod, verdrängt, worauf dieser als Großfürst 1019-54 in Kiew residierte. Er hatte mit Brüdern und Neffen Kriege zu führen, siegte über die Petschenegen, unterwarf einen Stamm der Esthen und ließ das erste Rechtsbuch, «Russkaja Prawda», sammeln.
Periode der Teilfürstentümer und der Mongolenherrschaft. Mit Jaroslaw schließt die Normannische Periode der russ. Geschichte, auch das Fürstenhaus war slawisch geworden. Die Teilung des Landes unter seine fünf Söhne veranlaßte die Schwächung und Zerrüttung desselben, wobei mehrere unabhängige Fürstentümer entstanden und die Hegemonie des Großfürsten von Kiew kaum noch dem Namen nach bestand. In dieser Zeit wurde Moskau 1147 gegründet und in Wladimir 1157 ein neues Großfürstentum errichtet.
Damit hörte Kiew auf, die Hauptstadt R.s zu sein. Das Reich zerfiel in eine Menge zusammenhangsloser Landschaften. Diese
Zersplitterung brachte Rußland
unter das Joch der Mongolen (1224-1480). Der Sieg Dschingis-Chans an der Kalka 1223 unterwarf
ihm das südliche Rußland.
Sein Enkel Batu gewann durch die Schlacht am Sit 1238 den Norden mit alleiniger Ausnahme Nowgorods, vor
welchem die Mongolen umkehrten. Das entsetzlich verwüstete Rußland
wurde nunmehr ein Bestandteil des Chanats von Kiptschak (s. d.)
oder der Goldenen Horde.
Die Fürsten unterlagen der Bestätigung des Chans, der ihr oberster Richter war und durch seine Steuereinnehmer
einen drückenden Tribut erhob. Unter Alexander Newskij, dem Sieger über die Schweden an der Newa 1240 und über den Deutschen
Orden
[* 31] auf dem Eise des Peipussees 1242, mußte sich auch das stolze Nowgorod 1260 unter das Joch der Mongolen oder Tataren
beugen. Im folgenden Jahrhundert drangen auch die Litauer erobernd in Rußland
vor: Volhynien (1319), Kiew, das ganze westliche
Rußland
ging an sie verloren.
Inzwischen bildete sich ein neuer Mittelpunkt R.s in Moskau. Der Gründer des Fürstentums Moskau aber war Daniel, der vierte Sohn Alexander Newskijs, der sein Gebiet durch Kolomna und Perejaslawl erweiterte. Ihm folgte sein Sohn Jurij Danilowitsch (1319-25). Dieser ließ im Kampfe um das Großfürstentum Susdal seinen Gegner Michael von Twer unter Einwilligung des Chans 1319 ermorden, wurde aber selbst von dessen Sohn Dmitrij erstochen. Sein Bruder Iwan I. Kalita (1328-40) legte den Grund zur Größe Moskaus.
Der Chan Usbek sprach ihm Susdal und damit die großfürstl. Würde zu und übertrug ihm die Beitreibung
des Tributs für die Horde aus ganz Rußland.
Hierdurch wurden alle andern Fürstentümer von Moskau abhängig, welches durch die
Übersiedelung des Metropoliten Peter von Wladimir dorthin (1325) zugleich der geistliche Mittelpunkt R.s wurde. Auf
Iwan I. folgten seine beiden Söhne Simeon Iwanowitsch Gordyj (1340-53) und Iwan II. Iwanowitsch (1353-59), auf letztern nach
der Entthronung Dmitrijs sein Sohn Dmitrij IV. Iwanowitsch (1302-89). Dieser wagte zuerst eine Erhebung gegen die Tataren und
errang auf dem Kulikowo Polje (s. d.) am Don 1380 einen rühmlichen Sieg. Bald darauf wurde jedoch Moskau
erstürmt, und Dmitrij mußte die mongol. Oberherrschaft wieder anerkennen. Ihm folgte sein
Sohn Wassilij II. Dmitrijewitsch (1389-1425). Unter diesem staatsklugen, zähen und vor keinem Mittel zurückschreckenden
Fürsten
hatte Moskaus Stellung eine solche Festigkeit
[* 32] erlangt, daß auch die Wirren unter der Regierung des schwachen Wassilij III.
Wassiljewitsch (1425-62) sie nicht mehr zu erschüttern vermochten.
Die Vorherrschaft Moskaus. Mit Iwan III. Wassiljewitsch (1462-1505) begann eine neue Zeit für Rußland.
Fast alle Teilfürstentümer
wurden mit Moskau vereinigt, der Freistaat Nowgorod 1471 unterworfen und nach einer Erhebung 1478 aller seiner Freiheiten beraubt.
Das Joch der Tataren hörte auf, indem das Reich der Goldenen Horde durch den Chan der Krim zerstört wurde.
Auch ein großer Teil des heutigen Kleinrußland wurde den Litauern wieder abgenommen (1492-1503), während zugleich das Chanat
Kasan
[* 33] von Moskau abhängig wurde.
Minder glücklich war Iwan im Kampfe gegen Livland. Der Landmeister Walter von Plettenberg schlug die Russen 1502 in einer blutigen Schlacht bei Pskow, erlangte aber, da die verbündeten Litauer ausblieben, nur einen kurzen Waffenstillstand, aus dem jedoch durch wiederholte Verlängerung [* 34] ein fünfzigjähriger Friede wurde. Im Innern wurde der Großfürst unumschränkter Herr und nannte sich Selbstherrscher (Gossudar) von ganz Rußland Iwans Nachfolger schritten auf dem von ihm gewiesenen Wege weiter.
Wassilij IV. Iwanowitsch (1505-33) unterwarf auch den zweiten russ. Freistaat Pskow (1510), vereinigte die letzten selbständigen Fürstentümer Rjasan (1521) und Nowgorod-Sjewerskij mit Moskau und entriß den Litauern Smolensk (1514). Doch wurde Rußland durch einen Einfall der Krimschen Tataren 1521 furchtbar verheert. Iwan IV. Wassiljewitsch (1533-84) vollendete die despotische Regierungsform. Schrecklich wütete er gegen den Adel, besonders während der Zeit der Opritschnina (s. d.; 1564-72). Er legte den Grund zu dem stehenden Heere der Strelzy (Strelitzen, s. d.), nahm 1547 den Titel Zar an, eroberte 1552 das Chanat Kasan, das sich unter seinem Vater von Rußland losgerissen hatte, 1554 das von Astrachan und erneuerte, um die Ostsee zu gewinnen, 1558 den Krieg gegen den livländ. Ordensstaat, der dadurch auseinander fiel. Da sich aber dessen einzelne Teile 1561 an Polen und Schweden anschlossen, mußte Iwan, der den vereinigten Gegnern nicht gewachsen war, im Frieden zu Sapolje 1582 auf Livland verzichten. 1571 fielen wieder die Tataren der Krim ins Land, verbrannten Moskau und schleppten 100000 Russen in die Sklaverei, wurden jedoch bei ihrer Wiederkehr im nächsten Jahre geschlagen. Am Ende der Regierung Iwans wurde Sibirien bis zum Irtysch von dem Kosakenhetman Jermak (s. d.) erobert. Iwan war unablässig bestrebt, Verbindungen mit Europa [* 35] anzuknüpfen, er rief auswärtige Handwerker und Künstler nach Rußland, legte die erste Buchdruckerei an und gründete den russ. Handelsbetrieb zur See durch einen Vertrag mit Elisabeth von England (1558), nachdem die Engländer den Seeweg nach Archangelsk gefunden hatten.
Sein Sohn Feodor I. (1584-98), der letzte Herrscher aus Ruriks Stamm, stand ganz unter dem Einfluß seines Schwagers Boris Godunow, welcher Feodors Bruder Dmitrij (Demetrius) ermorden ließ und nach dem Tode des kinderlosen Feodor zum Zaren gewählt wurde (1598-1605). Von den Bojaren gehaßt, wurde er durch einen Prätendenten, der sich für den angeblich seinen Mördern ¶