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Post. Die Zahl aller Post- und Telegraphenämter (mit Einschluß von Finland) beträgt 6767, darunter ein Hauptamt, 50 Provinzialverwaltungen und 6716 Ortsämter;
die Zahl der Briefkästen 11133;
der Poststationen 4099 mit 37505 Pferden;
der Angestellten 52236, darunter 16431 Beamte, 11926 Packer, 4141 Posthalter, 19645 Schreiber, Postillone u. a. Am Ende des Jahres hatten Touren zurückgelegt 10046035 Pferde [* 3] (die Personenbeförderung erfolgt nur in Form der Extrapost, s. d.), von denen 3788996 Postsendungen und Staffetten beförderten;
insgesamt wurden im Laufe des Jahres zurückgelegt 72406760 Werst.
Postverbindung haben in Rußland
jährlich
einmal 2, monatlich einmal 4, zweimal 5, wöchentlich einmal 148, zweimal 948, dreimal 413, viermal 559,
fünfmal 87, täglich einmal und häufiger 3601 Orte. Die Gesamtzahl der Postsendungen betrug 401641329 im Wert von 3954018095
Rubel, und zwar 356917709 im Wert von 3823270210 im innern und 44723620 im Wert von 130747885 Rubel im internationalen Verkehr.
Sie verteilen sich folgendermaßen:
Postsendungen | Innerer Verkehr | Internationaler Verkehr Abgang | Ankunft |
---|---|---|---|
Briefe " " | 158,125 | 10,673 | 12,216 |
Postkarten " " | 22,220 | 1,496 | 2,442 |
Kreuzbandsendungen " " | 22,656 | 4,612 | 5,490 |
Eingeschriebene Sendungen " " | 15,537 | 1,050 | 1,017 |
Geld-und Wertpakete " "2 | 12,554 | 0,208 | 0,196 |
Wert Mill. Rubel | 3740,607 | 71,591 | 48,107 |
Wertsendungen Mill. Stück | 2,269 | 0,041 | 0,036 |
Wert Mill. Rubel | 82,663 | 5,625 | 5,425 |
Pakete ohne Wertangabe Stück | 1074301 | 6,784 | 62,057 |
Zeitungsabonnements Mill. Stück | 122,481 | 1,022 | 4,154 |
An Postmarken wurden verkauft 144380283 Stück im Werte von 8955238 Rubel, Stempelcouverts 10417150 Stück für 793234 Rubel, Postkarten 21293199 für 666 750 Rubel, Kartenbriefe 316932 für 22088 Rubel, Kreuzbänder 101320 für 2297 Rubel. Die Gesamteinnahme der Post (einschließlich Finlands) betrug 31569681, die Ausgabe 25793211 Rubel. Den Hauptposten bilden unter den Einnahmen die Postwertzeichen (10439605), dann die Versicherung (3746495); unter den Ausgaben die Gehälter der angestellten Personen (10998615) und der Zuschuß zum Halten von Postpferden auf den Stationen (6324755 Rubel).
Telegraph.
[* 4] Rußland
hat 346
Telegraphen- und 1578 Post- und
Telegraphenämter, ein
Amt auf 10017 Quadratwerst und 55278 E. 954
Ämter
befördern innere und internationale, 1006 nur innere
Telegramme; dazu kommen 3 Semaphoren- und 5 Kontrollstationen. Die Gesamtlänge
der Telegraphenlinien beträgt (1891) 115672, die Leitung 286184 Werst; die Zahl der
Telegramme (1891) 57609176; davon sind 11961765
innere und internationale, 44319317 Eisenbahn-, 1119128 Polizei- und Militär-, 208966 Transittelegramme.
Die Länge des Telephonnetzes beträgt (außer Finland) 1891: 2131 Werst mit 17422 Werst Leitung. In 15 Städten ist der Betrieb in den Händen des Staates, in den andern in den Händen von Privatgesellschaften. Die Gesamtzahl der jährlichen Abonnenten beträgt 6655, und es wurden 112691 Telegramme durch Telephon befördert.
Verfassung. Das Russische Reich [* 5] ist eine völlig uneingeschränkte Monarchie. Der Kaiser nennt sich Selbstherrscher (samoderžec) aller Reußen, Zar von Polen und Großfürst von Finland und ist höchster Gesetzgeber und Regent, wie auch, seit Peter d. Gr., höchstes Oberhaupt in allen geistlichen Angelegenheiten. Seit 1797 ist die erbliche Thronfolge in gerade absteigender Linie nach dem Recht der Erstgeburt und dem Vorzug der männlichen vor der weiblichen Linie festgesetzt.
Jeder russ. Herrscher muß mit Gemahlin und Descendenten der russ.-griech. Kirche angehören. Kinder aus einer vom Kaiser nicht für ebenbürtig anerkannten Ehe sind nicht successionsfähig. Der Thronfolger ist mit vollendetem 16. Jahre volljährig, die übrigen Glieder [* 6] des Hauses werden es erst mit zurückgelegtem 20. Jahre. In Bezug auf Finland ist der Kaiser an die bestehende Konstitution gebunden. Die besondern polit. Institutionen des frühern Königreichs Polen sind nach den Unruhen von 1830 und 1863 ganz aufgehoben worden.
Die oberste Leitung der Staatsgeschäfte befindet sich in den Händen des Kaisers selbst. Die obersten Reichskörperschaften sind:
1) Der Reichsrat, die höchste beratende Behörde, 1801 gegründet, 1810 organisiert; der Präsident desselben und die Vorsitzenden der Departements (drei, früher fünf) werden jährlich ernannt. Zum Forum [* 7] des Reichsrats gehören die Begutachtung aller im Entwurf an ihn gelangenden Gesetze, Verordnungen und Berichte, die Revision und Feststellung des Budgets. Sein Plenum umfaßt die vom Kaiser berufenen volljährigen Großfürsten, sämtliche Minister und außerdem eine Anzahl vom Kaiser berufener Militär- und Civilbeamter der drei ersten Rangklassen. Bei dem Reichsrat besteht die Reichskanzlei, an deren Spitze der Reichssekretär steht, und in deren fünf Sektionen ebenso viele Staatssekretäre die Leitung haben.
2) Das Komitee der Minister, aus den Ministern, den drei Vorsitzenden der Departements des Reichsrats und andern vom Kaiser ernannten Gliedern bestehend, ist oberster Rat des Kaisers in Administrativangelegenheiten, welche die Kompetenz der Minister übersteigen.
3) Der Rat der Minister, begründet 1861, aber seit der Krönung Alexanders III. nicht mehr berufen.
4) Der Senat
wurde von
Peter d. Gr. 1711 errichtet und 1718 definitiv organisiert, zunächst als oberste
Autorität für alle
Civil- und Militärsachen und deshalb mit dem
Prädikat dirigierend (pravitelstvujuščij) ausgestattet.
Bis
Alexander I. (1802) hatte er mit
Unterbrechungen die Direktion aller Staatsangelegenheiten. Gegenwärtig
stehen ihm nur noch zu die Registrierung und Veröffentlichung der Gesetze und Verordnungen, die richterliche
Entscheidung
letzter Instanz über
Civil- und Kriminalsachen, die
Entscheidung in zweiter und letzter Instanz in Sachen, die von Kommerzgerichten
entschieden sind, und in Vermessungssachen, die
Entscheidung bei Klagen über Minister, Gouverneure und
Gouvernementsregierungen u. s. w. Der Senat
ist somit eine die innern Angelegenheiten des
Staates überwachende
Behörde sowie oberste Justizbehörde und Kassationshof. Der
Kaiser ernennt die Senatoren
, deren Anzahl
nicht bestimmt und sehr groß ist.
5) Der Heilige Synod (s. Synod) bildet das höchste Gericht und die oberste Behörde für alle Angelegenheiten der griech.-russ. Kirche. Bei dem Synod bestehen eine Kanzlei, eine Direktion der Unterrichtsanstalten für den orthodoxen Klerus und eine Direktion für Verwaltung und Buchführung unter alleiniger Leitung des Oberprokurors, der die Rechte eines Ministers, ¶
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den Vortrag beim Kaiser und Sitz und Stimme im Reichsrat und Ministerkomitee hat.
Unter den Centralstellen der Administration nehmen die Staatsministerien den ersten Rang ein. Die einzelnen Minister walten
voneinander unabhängig unter direktem Vortrage beim Kaiser, haben Sitz und Stimme im Reichsrat, im Ministerkomitee, im Ministerrat
und im Senat.
Jedes Ministerium besteht aus drei Hauptabteilungen: das oder die Departements, das Ministerconseil
(die Direktoren und andere Glieder unter Vorsitz des Ministers umfassend) und die Kanzlei. Die Minister, ihre Adjunkten und
die Direktoren werden vom Kaiser ernannt. Gegenwärtig giebt es, mit Einschluß der Generalkontrolle, 11 Ministerien.
1) Das Ministerium des kaiserl. Hauses, das dem Hofstaat zugezählt ist.
2) Das Ministerium des Äußern mit zwei Archivdirektionen (eine in Petersburg, [* 9] eine in Moskau; [* 10] letztere mit den Akten bis 1801), drei Departements für asiat., innere und ökonomische Angelegenheiten.
3) Das Kriegsministerium, an dessen Spitze der Kriegsminister und in allen ökonomischen und Gesetzgebungsangelegenheiten der Kriegsrat unter seinem Präsidium stehen. Zu diesem Ministerium geboren das Obertribunal der Militärjustiz, die Kanzlei, der Generalstab; außerdem die sieben Generaldirektionen der Artillerie, des Geniewesens, der Intendanz, des militär. Sanitätsdienstes, der Militärjustiz, der Militärschulen und der irregulären Truppen.
4) Das Ministerium der Marine mit dem Admiralitätsrat hat die zwei Departements des persönlichen und der hydrogr. Angelegenheiten, die Direktion des Marinesanitätsdienstes, das Obermilitärtribunal der Marine, den Marine-Generalstab und das technische Komitee.
5) Das Ministerium des Innern umfaßt die sieben Departements der allgemeinen Angelegenheiten, der Polizei, der wirtschaftlichen Angelegenheiten des Semstwo, des Medizinalwesens, der fremden (nicht griech.-russ.) Kulte, der Post und des Telegraphenwesens; ferner eine Abteilung für die Angelegenheiten der Bauernemancipation, eine solche für das Versicherungswesen (seit 1894), das Centralkomitee für Statistik, die Generaldirektion für Angelegenheiten der Presse, [* 11] die Baudirektion und die Hauptverwaltung der Gefängnisse. Zum Ressort dieses Ministeriums gehören auch die Gouverneure und Generalgouverneure der einzelnen Reichsgebiete.
6) Das Ministerium des öffentlichen Unterrichts umfaßt ein wissenschaftliches Conseil, ein Departement des Unterrichts, die Direktion verschiedener wissenschaftlicher Anstalten und die Kuratoren der zwölf Lehrbezirke (Petersburg, Moskau, Riga, [* 12] Kiew, [* 13] Kasan, [* 14] Charkow, Wilna, [* 15] Odessa, [* 16] Orenburg, Warschau, [* 17] Kaukasien und Westsibirien).
7) Das Ministerium der Finanzen enthält die Direktion der Kreditangelegenheiten, die sechs Departements für Zölle, für direkte Steuern, für indirekte Steuern, für Industrie und Handel, für die Hauptbuchführung, für Eisenbahnangelegenheiten; ferner die Generalkasse, Reichsschuldentilgungskommission, die Fabrikation der Staatspapiere, des Papiergeldes, Stempelpapiers u. s. w. Zum Ressort des Ministeriums gehört auch die Reichsbank mit einem besondern Direktorium.
8) Das Ministerium der Justiz hat unter sich zwei Departements für die Justiz und den Personalbestand, die Kanzlei, die Verwaltung der Vermessungsangelegenheiten und eine sog. Konsultation.
9) Das Ministerium der Landwirtschaft und der Domänen zerfällt in vier Departements: für den allgemeinen Dienst, für Bergwesen, für den Ackerbau, für Forstwesen, und hat einen Bergrat, ein gelehrtes Komitee für Bergwesen und ein geolog. Komitee.
10) Das Ministerium der Wege und Verkehrsanstalten hat Abteilungen für Eisenbahnen, für Landstraßen und Kanäle und technische, gelehrte und administrative Sektionen.
11) Die Generalkontrolle des Reichs besitzt ihre besondern Kanzlei- und Archivdirektionen und in Petersburg eine Kontrollkommission, eine Sektion für die Marine-, die Eisenbahnverwaltung und in den Gouvernementsstädten Kontrollhöfe. Zu den Ministerien gesellt sich noch die Verwaltung der Hauptgestüte.
Verwaltung. Das ganze Russische Reich besteht gegenwärtig aus 77 Gouvernements, 18 Gebieten (oblasti), 2 Departements (otděly)
und 1 Bezirk. Das Europäische Rußland
hat 49 Gouvernements und 1 Gebiet, die sich so gruppieren:
1) Großrußland:
die 20 Gouvernements: Petersburg (mit der Stadthauptmannschaft Petersburg und dem Militärgouvernement
Kronstadt),
[* 18] Olonez, Wologda, Archangelsk, Nowgorod, Pskow, Twer, Jaroslawl, Kostroma, Wladimir, Nishnij Nowgorod, Moskau, Smolensk,
Kaluga, Tula, Rjasan, Tambow, Woronesch, Kursk, Orel.
2) Kleinrußland: die 4 Gouvernements: Kiew, Poltawa, Charkow, Tschernigow.
3) Süd- oder Neurußland: die 4 Gouvernements: Taurien (mit den Stadthauptmannschaften Kertsch-Jenikale und Sewastopol), [* 19] Cherson (mit der Stadthauptmannschaft Odessa), Jekaterinoslaw, Bessarabien und das Donische Gebiet.
4) Westrußland:
[* 20] die 9 Gouvernements: Kiew (auch zu Kleinrußland gehörig und schon dort genannt), Podolien, Volhynien, Minsk,
Mohilew, Witebsk, Wilna, Grodno und Kowno.
5) Die Baltischen Provinzen: die 3 Gouvernements: Kurland, [* 21] Livland, Esthland.
6) Das östliche Rußland:
die 10 Gouvernements: Perm, Wjatka, Kasan, Simbirsk, Pensa, Astrachan, Samara, Saratow,
Orenburg und Ufa. Dazu kommen:
7) Das Königreich Polen oder die Weichselgouvernements: die 10 Gouvernements: Warschau, Kalisch, [* 22] Kjelzy, Lomsha, Lublin, Petrikau, Plozk, Radom, Suwalki, Sjedlez; sie bilden zugleich das Generalgouvernement Warschau.
8) Das Großfürstentum Finland: die 8 Gouvernements oder Läns: Åbo-Björneborg, Kuopio, Nyland, St. Michel, Tawastehus, Uleåborg, Wasa, Wiborg; [* 23] sie bilden zugleich das Generalgouvernement Finland.
9) Das Generalgouvernement des Kaukasus: die 6 Gouvernements: Stawropol, Baku, Jelisawetpol, Eriwan, Kutais, Tiflis (mit dem Bezirk Sakataly);
die 4 Gebiete: Dagestan, Kuban, Terek, Kars;
Das Asiatische Rußland
umfaßt:
1) Sibirien: die Gouvernements: Tobolsk und Tomsk (Westsibirien);
das Generalgouvernement Irkutsk (bestehend aus den Gouvernements Irkutsk, Jenisseisk und aus dem Gebiet Jakutsk, zusammen Ostsibirien), das Amur-Generalgouvernement (bestehend aus dem Amur-, dem Transbaikalischen, dem Küstengebiet und dem Departement [otděl] Sachalin).
2) Centralasien: das Steppen-Generalgouvernement (bestehend aus den Gebieten Akmolinsk, Semipalatinsk und Semirjetschensk), das Generalgouvernement Turkestan (bestehend aus den Gebieten Syr-darja, Ferghana und Samarkand sowie aus dem Departement [otděl] Amu-darja);
die Gebiete Turgaj, Uralsk und Transkaspien.
Das Reich hat (1895) neun wirkliche ¶
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Generalgouvernements: neben den schon genannten sieben nämlich noch die von Kiew und Wilna. Außerdem giebt es noch, aber nur als Ehrenamt, einen Generalgouverneur von Moskau. (Über Flächenraum, Bevölkerung [* 25] u. s. w. der Generalgouvernements, Gouvernements, Gebiete, Departements, Stadthauptmannschaften s. die betreffenden Artikel.)
Jedes Gouvernement zerfällt wieder in Kreise [* 26] (ujězdy), die Gebiete in Bezirke (okruga). Der innern Provinzial- und Polizeiverwaltung steht der Gouverneur vor mit einer Kanzlei; ihm zur Seite befindet sich eine Gouvernementsregierung mit Abteilungen für Medizinal- und Bauwesen, ein Kameralhof für Steuersachen, eine Gouvernementsacciseverwaltung (für Branntwein-, Zucker- und Tabakaccise), eine Domänenverwaltung, ein Kontrollhof, ein Vermessungscomptoir, eine Post- und Telegraphenverwaltung, Schuldirektion, ein geistliches Konsistorium der russ. Kirche, eine Militärverwaltung, eine Gendarmerieverwaltung (geheime Polizei). Für mehrere Gouvernements zusammen bestehen Bezirksverwaltungen für Militärsachen, Zölle, Eisenbahnen, Chausseen und Kanäle und in einigen Gouvernements Apanagenverwaltungen, so daß jedes Ministerium ein oder mehrere selbständige, voneinander unabhängige Organe im Gouvernement hat.
Die Selbstverwaltung wurde zuerst von Katharina II. ständisch organisiert und dem Adel und den Städten
übertragen, doch schlug sie nicht Wurzel.
[* 27] Nur die Adelsmarschälle hatten für die Selbstverwaltung einige Bedeutung erlangt.
Nach der Aufhebung der Leibeigenschaft wurden aber die Befugnisse des Adels auf dessen eigene Standesangelegenheiten beschränkt
und in den 34 Gouvernements und etwa 340 Kreisen des eigentlichen Rußland
die sog. Landschaftsinstitutionen
(zemskija učreždenija) eingeführt, die für die lokalen ökonomischen Interessen sorgen sollten.
Ursprünglich wurden die Mitglieder der Kreislandversammlung von drei Wahlkollegien gewählt: dem Kollegium der Gutsbesitzer, dem der Stadtbewohner und dem der Landgemeinden, wobei bei den erstern beiden Kategorien ein Census für die Wähler festgesetzt war. Durch das Gesetz vom 12. (24.) Juni 1890 ist aber eine Standesvertretung eingeführt und die Zahl der Wahlkollegien auf zwei beschränkt worden: des erblichen und persönlichen Adels einerseits, und aller Wähler andererseits, mit Ausschluß der Personen des Bauernstandes, die überhaupt keinen Wahlkörper mehr bilden.
Die Auswahl der Abgeordneten der Bauerngemeinden erfolgt jetzt durch die Wolostversammlungen, und die Gewählten unterliegen der Bestätigung des Gouverneurs. Gleichzeitig damit ist die Zahl der bäuerlichen Abgeordneten von 38 Proz. der Gesamtzahl auf 31 Proz. gesunken, und die Gesamtzahl der Abgeordneten überhaupt um 23 Proz. verringert worden. Die Adligen nehmen jetzt 57 Proz. der Gesamtzahl ein, statt früher nur 42,4 Proz. Das Präsidium führt der Adelsmarschall.
Das Kreislandamt besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Mitgliedern, welche die Kreislandversammlung aus ihrer Mitte auf drei Jahre wählt. Dieselbe wählt aus ihrer Mitte die Delegierten zu der Gouvernementslandversammlung, von der das Gouvernementslandamt gewählt wird. Endlich werden eine Reihe Kommissionen aus Beamten der Krone und Delegierten der Selbstverwaltung (Landschaft, Adel, Städte, Bauern) gebildet. So die Kommissionen für Bauernsachen, Wehrpflichtsbehörden, für städtische Angelegenheiten, Gefängniskomitees, für öffentliche Gesundheitspflege, für Einquartierung, Truppenmärsche u. a. Über die Kommunalverwaltung der Städte s. Gorod; über den Adel s. Dienstleute und Russischer Adel.
Die Bauerngemeinde ist die einzige ständische Gemeinde. Mitglieder können nur Bauern sein; in Großrußland
alle, die Anteil haben am Gemeindelande, in den übrigen Teilen die Bauernwirte und Delegierte der Arbeiter. Die Gemeindeversammlung
wählt den Ältesten (starosta) sowie die niedern Polizeidiener, die Hundert- und Zehnt-Männer. Wo der Grund und Boden Gemeindebesitz
ist, da bilden mehrere Dorfgemeinden eine Samtgemeinde (volost). Jede Dorfgemeindeversammlung (selskij
schod) wählt Delegierte.
Diese Delegiertenversammlung (volostnoj schod) wählt den Ältermann (volostnoj staršina), der mit den Gemeindeältesten die «Wolostverwaltung» bildet. Die Ältesten sind Vertreter der Gemeinden und handhaben zugleich die Polizei. In großen Dörfern und in den Teilen des Reichs, wo kein Gemeindebesitz ist, fallen Dorf und Gesamtgemeinde zusammen. Die Bauerngemeinde (s. auch Mir) hat eine Strafgewalt über ihre Mitglieder. Ihre frühere große Selbständigkeit wird aber seit 1890 durch Einführung von Bezirkshauptleuten eingeschränkt, die die Aufsicht über die Bauerngemeinden führen und neben administrativen auch richterliche Befugnisse haben.
Die Polizei ist militärisch organisiert, in Petersburg mit Benutzung des Londoner Vorbildes. Sie steht daselbst unter dem Stadthauptmann, dem eine Reihe Behörden beigeordnet sind. In Moskau steht ein Oberpolizeimeister an der Spitze, in den Gouvernementsstädten, vielen Kreisstädten und Flecken besteht eine Stadtpolizei, in allen übrigen Kreisen ist Land- und Stadtpolizei vereinigt. An der Spitze der städtischen Polizei steht ein vom Gouverneur ernannter Polizeimeister, neben ihm ein von der Stadt gewähltes Kollegium. An der Spitze der Kreispolizei steht ein Kreisrichter (ispravnik), neben ihm ein vom Adel, den Stadtverordneten und den Bauerngemeinden gewähltes Kollegium.
Rechtspflege. (S. auch Russisches Recht.) Durchgreifende Änderungen auf dem Gebiet der russ. Rechtspflege, die sehr im argen lag, traten unter Alexander II. ein, deren Grundzüge in dem Ukas vom 29. Sept. enthalten sind: Unabhängigkeit der richterlichen von der exekutiven, administrativen und legislativen Gewalt; Einführung der Jury, des mündlichen Verfahrens und Öffentlichkeit der Verhandlung; Gleichheit aller Russen vor dem Gericht und damit Aufhebung des frühern Brauchs, wonach jeder nur von seinesgleichen gerichtet werden konnte; Aufhebung der alten und Gründung neuer Gerichtshöfe. In erster Instanz fungieren Friedensrichter, welche auf drei Jahre nach einem niedrigen Bildungs- und Vermögenscensus von der Kreislandversammlung gewählt werden. Diese entscheiden in Civilstreitigkeiten, wo es sich nicht um Immobilien handelt und das Objekt des Streites nicht über 500 Rubel wert ist; in Strafsachen, wenn die Strafe nicht über 1½ Jahr Gefängnis, drei Monat Arrest oder 900 Rubel Geldbuße hinausgeht. Von dem Urteil des Friedensrichters kann an die Friedensrichterversammlung des Bezirks appelliert werden. Seit 1890 wird jedoch wieder die Ersetzung der gewählten Friedensrichter durch von der Administration ernannte ¶