(Val) (Kt. Graubünden,
Bez. Vorderrhein).
2350-1050 m. Eines der grössten linksseitigen Nebenthäler des Vorderrheinthales. Mündet zwischen
Disentis und
Somvix (etwas näher dem letztern
Ort) und reicht mit seinen obern Verzweigungen hinauf bis an den
Tödi und seine
Nachbargebirge. Schon die Mündungsschlucht ist grossartig. Hohe, malerische, tannenbewachsene
Wände schliessen sie ein,
unten braust in wilder Flucht der Ruseinbach
dahin und stürzt dann in donnernden Kaskaden 90 m tief in den
Rhein, beherrscht
von der auf einem Bergvorsprung tronenden,
im Wald versteckten Ruine
Hohenbalken.
Ueber die
Schlucht setzt in kühnem Schwung eine zierlich gebaute Holzbrücke (45,5 m über dem
Wasser und mit
56,2 m Lichtweite), und am
Felsen erinnert eine Marmortafel an die drei grossen Erforscher des rätischen Gebirges: Arnold
Escher von der
Linth, G. Theobald und Placidus a
Spescha. Ein Fussweg führt im Waldesschatten hinauf in das eigentliche Val Rusein.
Nach etwa 1½ Stunden weitet sich das Thal und teilt sich in mehrere Arme. Der Hauptarm setzt die Richtung
nach N. fort.
Ein Seitenarm steigt nach W. auf und teilt sich bald in das
Val Cavardiras and das
Val Cavrein, ersteres bis zum
Piz Cavardiras
und den ö. Trabanten des
Oberalpstocks, letzteres zum
Düssistock und seinen feingezackten Begleitern
(Hagstäcken,
Strahlige Stöcke)
ansteigend und im
Hintergrund mit hängenden Gletschern geschmückt. Hohe, nur selten von Touristen und
Jägern begangene Eisjoche fuhren von da hinüber zum
Brunni- und
Hufigletscher im
Maderanerthal.
Auch das obere Val Rusein
verzweigt sich noch weiter. Von der untern Ruseinalp steigt das
Val Gliems nach O. und NO. zum
Gliemsgletscher
und
Piz Urlaun hinauf. Von da führt die
Gliemspforte hinüber zum Bifertengletscher und zum
Tödi und der Puntaiglaspass zum
Puntaiglasgletscher. Von der obern Ruseinalp
steigt das kleine, wilde
Val Pintga nach NW., überragt von der schönen doppelgipfligen
Pyramide des
Piz Cambriales. Endlich öffnet sich zwischen dem
Culm Tgietschen und
Piz Avat der oberste
Felszirkus des Val Rusein
, umschlossen von gewaltigen
Wänden und hochragenden
Hörnern, unter welchen der imposante
Piz Rusein
als Herrscher tront.
Zwischen ihm und dem
Piz
Catscharauls sitzt der zierliche Klein
Tödi oder
Crap Glarun wie ein Reiter auf dem Grat. Zu seinen
beiden
Seiten steigt ruan über den
Sandalppass hinüber nach der
Sandalp und nach dem
Linththal. Andere,
sehr steil ansteigende und schwer zu begehende Felssteige
(Ruseinpforte,
Ruseinlücke und
Porta da Spescha) führen hinauf auf
den obersten Teil des Bifertengletschers und werden gelegentlich zu Tödibesteigungen benutzt. Der Hauptaufstieg auf den
Piz Rusein vom Val Rusein
aus führt aber unter dem Klein
Tödi durch und über den W.-Grat.
Das Val Rusein
bietet auch dem Geologen und Botaniker viel des Interessanten. Es ist zu einem grossen Teil in Protogin, Diorit
und Hornblendegesteine eingeschnitten, und das Hintergehänge
(Piz Rusein, Klein
Tödi, etc.) zeigt auf krystalliner Grundlage
die Sedimentschichten vom Verrucano bis zum Hochgebirgskalk in kühnem Aufbau und in mehrfacher Wiederholung.
An Mineralien findet man schöne Bergkrystalle, Rauchtopase, Amethyste, Kalkspate, Epidot, Sphen etc. Die Verschiedenheit
der Felsunterlage, die Mischung der Bodenarten und die grossen Höhenunterschiede bedingen natürlich auch eine reiche Mannigfaltigkeit
der Flora, obwohl die Vegetation im ganzen eine sehr spärliche ist. Nach den Angaben des Eidg. Hydrometrischen
Bureaus in Bern
fallen von den 55,5 km2 des Val Rusein
30,1% auf Fels und
Schutt, 10,2% auf Firn und
Gletscher, 8,2% auf Wälder
und 51,5% auf die übrigen Gebiete.