Titel
Rumänien
[* ] (hierzu Karte »Rumänien, Bulgarien, Serbien etc.«),
Königreich an der untern Donau, aus der Walachei (s. d.) und Moldau (s. d.), den sogen. Donaufürstentümern, auf dem linken Donauufer, welche 1859-78 als Fürstentum Rumänien unter türkischer Oberhoheit standen, und der Dobrudscha auf dem rechten Donauufer bestehend, liegt zwischen 43° 38' bis 48° 50' nördl. Br. und 22° 40'-29° 30' östl. L. v. Gr. und grenzt im N. an das Königreich Ungarn und die Bukowina, im O. an Rußland u. das Schwarze Meer, im S. an Bulgarien, im W. an Serbien.
[Physische Beschaffenheit.]
Die Moldau ist von einer von N. nach S. zwischen Sereth und Pruth ziehenden Parallelkette der Karpathen und von mehreren von NW. nach SO. gerichteten, zwischen den Flüssen Moldowa, Bistritza, Trotusch, Putna gelegenen Ausläufern des Hochgebirges erfüllt. Im N. der Walachei ziehen die Transsylvanischen Alpen (mit Bucsecs, 2519 m, Negoi, 2543 m, u. a.), deren Hauptkamm die Grenze gegen Siebenbürgen folgt, von O. nach W. und verzweigen sich dann in Ketten, welche eine südliche Richtung nehmen, um längs des mächtigen Donaustroms die fruchtbare Ebene zu bilden (tief gehende schwarze Erde in den Distrikten Romanatzi, Teleorman, Jalomitza mit der ausgedehnten Ebene von Baragan, Braila).
Betrachtet man von der Donau aus die Walachei, so türmt sie sich amphitheatralisch von der Ebene zum Hügelland, dem Sitz der Weinberge, und zum Hochgebirge auf. Die wichtigsten Pässe, welche aus der Walachei nach Siebenbürgen führen, sind von W. nach O. der Vulkanpaß (850 m), Roteturmpaß (360 m), Törzburger Paß (240 m) und der Tömöspaß (1051 m), welchen die Eisenbahn Kronstadt-Predeal-Plojesti überschreitet; aus Siebenbürgen führt unter andern nach der Moldau der Ojtoczpaß (846 m). Der Hauptkamm des Gebirges im W. an der Donau ist durch kristallinischen Schiefer, nach O. zu abwechselnd durch Kalkstein-Sandstein und Konglomeratformationen gebildet. Die Ebene gehört tertiärer, das Donauthal quaternärer Bildung an. Mammutknochen werden in der walachischen Ebene, dieselben wie Dinotheriumknochen in der erwähnten Parallelkette der Karpathen in der Moldau gefunden. Vom Eisernen Thor bis unterhalb Silistria bildet die Donau die Südgrenze gegen Bulgarien; ihr nördliches Ufer ist flach und mit Sümpfen und Seen, den Überbleibseln früherer Strombetten, bedeckt. Ihr strömen aus der
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Walachei Shiul, Aluta, welche die Kleine Walachei von der Großen trennt, Ardschisch mit der Dimbowitza als Nebenfluß, Jalomitza, aus der Moldau der Sereth mit den Nebenflüssen Moldowa, Bistritza, Trotusch, Putna, Buzeo, Berlad, endlich der Pruth (mit dem Nebenfluß Schischia), Grenzfluß gegen Rußland, zu. Unterhalb Reni bildet die Donau die Grenze gegen Rußland. Die rumänische Tiefebene ist gegen die Lombardei, mit der sie manche Ähnlichkeit hat, dadurch im Nachteil, daß sie den Nordostwinden schutzlos preisgegeben ist.
Daher zeigt das Klima auffallende Extreme und einen starken Wechsel von regnerischen und regenlosen Jahren, von harten nordischen und gelinden südlichen Wintern. In Bukarest, das mit Bologna etwa unter gleicher Breite liegt und eine Jahrestemperatur von 8° C. hat, steigt das Thermometer im Hochsommer bis auf 45°, um im Winter bisweilen auf -30° zu sinken. Das Klima der Walachei ist im allgemeinen milder, die Moldau aber nicht selten vier Monate mit Schnee bedeckt. Im ganzen gehört Rumänien der Zone mit Regen zu allen Jahreszeiten an, doch fallen die meisten Regen im Herbst.
[Areal und Bevölkerung.]
hat einen Flächeninhalt von 131,357 qkm (nach andern nur 129,947 qkm = 2360 QM.) mit einer Bevölkerung von 6,218,000 Seelen. Diese Zahl beruht auf amtlicher Schätzung; die letzte Volkszählung (1864) ergab eine Bevölkerung von 4,424,961 Seelen. Die Einwanderung ist viel stärker als die Auswanderung, die mittlere Volksdichtigkeit beträgt 47 Seelen auf 1 qkm. Das Verhältnis der männlichen Geburten zu den weiblichen stellt sich im Durchschnitt wie 1160 zu 1000, der Überschuß der Geburten schwankte in den Jahren 1883-86 zwischen 80-90,000 Seelen.
Mehr als drei Viertel der Bevölkerung gehören dem Bauernstand an. Nach der Nationalität zerfällt die Bevölkerung in: Rumänen (5½ Mill.), Juden (200,000), Zigeuner (200,000), Bulgaren (100,000), Ungarn (50,000), Deutsche (50,000), Griechen und Armenier (je 15,000), außerdem Russen, Türken, Tataren, Italiener, Franzosen in geringerer Menge. Der Religion nach bekennt sich die große Mehrzahl zur griechisch-orthodoxen Kirche, außerdem gibt es, von Israeliten abgesehen, 128,000 Römisch-Katholische, 14,000 Protestanten, 8000 Armenier, 6000 Lipowaner und 2000 Mohammedaner (weiteres s. Rumänen).
Das Unterrichtswesen steht unter der Leitung des Ressortministers, eines ständigen Unterrichtsrats und eines jährlich zusammentretenden Generalrats. Die Schulen zerfallen in Primär- (Elementar-), Sekundär- (siebenklassige Lyceen, vierklassige Gymnasien und Fachschulen) und höhere Schulen (Fakultäten). Der Unterricht ist obligatorisch und durchaus unentgeltlich (seit 1864). Es bestanden 1888 in den Landgemeinden 2229 Schulen, in den Städten 276 Schulen; für den Sekundärunterricht bestehen 10 Lyceen, 21 Gymnasien, 8 Seminare und 15 Töchterschulen, für den Fachunterricht 5 Handels-, 8 Normal-, 12 Gewerbe-, 2 Musik- und 2 Kunstschulen; ferner eine höhere und 3 niedere landwirtschaftliche und eine Forstschule, eine Brücken- und Straßenbauschule, eine Veterinär-, eine pharmazeutische Schule und 3 Militärschulen. Universitäten sind 2 vorhanden, in Bukarest mit 5 (und einem physiologischen Institut) und Jassy mit 4 Fakultäten. Es bestehen außerdem eine rumänische Akademie der Wissenschaften und eine Geographische Gesellschaft.
[Landwirtschaft.]
Der Ackerbau befindet sich trotz der großen Fruchtbarkeit des Bodens auf verhältnismäßig niedriger Stufe. Die seit dem 16. Jahrh. bestehende Robotpflichtigkeit der Bauern ist 1864 aufgehoben, und die Bauern (406,898 Familien) haben seit 1880 die gesetzlich bestimmte Ablösung (107,247,852 Lei) den Grundbesitzern ausgezahlt, wofür sie Eigentümer des von ihnen besessenen Grund und Bodens (1½ Mill. Hektar) wurden. Seitdem sind noch 244,183 Hektar aus den ausgedehnten Staatsdomänen an 52,055 Bauernfamilien unter günstigen Bedingungen verkauft worden.
Überhaupt bildet der allmähliche Verkauf der Staatsländereien an Bauern seit 1878 den Hauptpunkt der rumänischen innern Sozialpolitik. Neben den Bauernwirtschaften gibt es aber in Rumänien viele ausgedehnte Güter des Staats und der Privatbesitzer welche leider an Pachter mit kurzzeitigen (fünfjährigen) Kontrakten vergeben werden, die das Land nur mit Rücksicht auf hohen Ertrag bewirtschaften. Die wichtigsten Bodenfrüchte sind Mais und Weizen (über ¾ des bebauten Bodens), Roggen, Gerste, Hafer und Hirse. Die Ausfuhr von Getreide betrug 1884: 1,107,119 Ton., 1885: 1,538,874 T., 1886: 1,452,199 T. (83,63 Proz., resp. 85,63 Proz., 85,18 Proz. der Gesamtausfuhr). Im J. 1886 wurden ausgeführt:
Mais | 743563 Ton. |
Weizen | 305075 " |
Gerste | 155556 " |
Roggen | 104115 " |
Hafer | 44285 " |
Hirse | 40056 " |
Ölhaltige Samen (Raps u. Leinsaat) | 78739 " |
Die Obstzucht nimmt mit jedem Jahr zu. Der Weinbau hat in der Walachei sehr viel von der Phylloxera gelitten. Der Weinexport betrug 1886: 4699 Ton. Seit der Übernahme der Verwaltung des Tabaksmonopols durch den Staat (1879) hat sich der Anbau des Tabaks ungemein gehoben; 1885 wurden auf 5609 Hektar 3,416,133 kg Tabak gewonnen, und der Bruttoertrag des Monopols ist von 12 Mill. Lei (1872) auf 27½ Mill. Lei (1885) gestiegen. In der Viehzucht, die noch auf niedriger Stufe steht, spielt das Rindvieh die wichtigste Rolle.
Der Bestand an Rindvieh wurde 1882 auf 2,557,381 Stück (darunter 111,913 Büffel), an Schweinen auf 1,053,403, an Schafen und Ziegen auf 4,759,366 Stück berechnet. Die Pferdezucht, früher in der Moldau im großen betrieben, ist in Verfall geraten. Zum Export kommen vornehmlich Schweine (nach Österreich-Ungarn) und Rinder (nach Italien und der Türkei). Die Bienenzucht ist noch primitiv. Während die Zucht der Seidenwürmer fast ganz eingegangen ist, liefert die Fischerei, besonders in der Donau, reiche Erträge, wenn ihr auch, wie der Jagd, von seiten der Gesetzgebung jeder Schutz mangelt. Die Waldungen bedecken etwa 2 Mill. Hektar und werden stark abgeholzt.
[Bergbau.]
Der Bergbau besteht in den reichen in den Karpathen gelegenen, dem Staat allein gehörenden Salzbergwerken (Ocna in der Moldau; Slanic, Doftana, Ocnele mare in der Walachei) und den zahlreichen ausgiebigen, zwischen Staat und Privatbesitzern sich teilenden Petroleumquellen. Die Salzbergwerke werden systematisch betrieben und ergaben 1862: 47,354 Ton., 1872: 75,191 T., 1882: 76,720 T., 1887: 82,946 T., wovon 51,528 T. dem inländischen Verbrauch und 31,418 T. zur Ausfuhr dienten.
Die reichsten Petroleumquellen befinden sich in den Kreisen Prahova, Dimbowitza, Bakau und Buzau und liefern jährlich über 30,000 T., wovon die Hälfte den einheimischen Bedarf deckt, die andre Hälfte zur Ausfuhr übrigbleibt. Außerdem gewinnt man Bernstein, Braunkohlen, Marmor, Mühlsteine, Kalksteine, Gips etc. Ansehnlich ist die Zahl der Mineralquellen; die bekanntesten sind die Schwefelbäder von Puciossa (Distrikt Dimbowitza), die Moorbäder von Balta-Alba (Rimnik-Sarat), die Jodquellen in Lacu-Saratu
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(Braila) und in Slanik (Bakau), die reichen Arsenquellen von Caciulata (Rimnik-Valcei).
[Industrie und Handel.]
Abgesehen von der Hausindustrie, welche auf dem Land eine große Rolle spielt, befindet sich das Gewerbe noch in den rohesten Anfängen, und nur in wenigen Zweigen ist, zum Teil unter Protektion der Regierung, ein fabrikmäßiger Betrieb eingerichtet. Es gibt über 30 Bierbrauereien, welche jedoch für den Bedarf nicht ausreichen, eine Destillieranstalt (Turnu-Severin), mehrere Tabaks- und Zuckerfabriken, 2 Tuch-, eine Aktienpapierfabrik, je eine Gips-, Fayence-, Porzellan- und Zündholzfabrik.
Unter dem ist ein Gesetz erlassen, welches Industriellen, die mit einem Kapital von mindestens 50,000 Lei eine Fabrik anlegen und darin wenigstens 25 Arbeiter beschäftigen, große Privilegien einräumt, z. B. Steuerfreiheit auf 15 Jahre, zollfreie Einfuhr von Maschinen und Rohstoffen, Ermäßigung der Eisenbahnfrachten für ihre Erzeugnisse etc. Der Handel mit dem Ausland, welcher meist in den Händen von Fremden liegt, ging früher vornehmlich über Galatz und Braila nach dem Schwarzen Meer und von hier nach England und Frankreich; seit einigen Jahren wandte er sich mit Benutzung der Donauschiffahrt und der Eisenbahnen mehr Österreich-Ungarn und Deutschland zu. Doch hat der Handelsverkehr mit Österreich-Ungarn seit Ablauf des zehnjährigen Handelsvertrags und des dadurch entstandenen Zollkriegs sich vermindert.
Die Einfuhr aus Österreich-Ungarn ist von 120,7 Mill. Lei (1885) auf 53,4 Mill. Lei (1887) gesunken, desgleichen die Ausfuhr dorthin von 83,8 Mill. auf 21,2 Mill. Lei. Im allgemeinen ist jedoch die Einfuhr Rumäniens von 268,5 Mill. Lei (1885) auf 296,5 Mill. Lei (1886) und 314,6 Mill. Lei (1887), die Ausfuhr von 248 Mill. Lei (1885) auf 255,5 Mill. Lei (1886) und 265,7 Mill. Lei (1887) gestiegen. Die Hauptgegenstände der Einfuhr waren 1886: Spinnstoffe und Gewebe 117 Mill. Lei, Metalle und Metallwaren 53,8 Mill., Sattlerwaren 23,2 Mill., Kolonialwaren und Südfrüchte 17,6 Mill., Thon- und Glaswaren 13,4 Mill., Holz und Holzwaren 12 Mill. Lei;
zur Ausfuhr kamen vornehmlich Getreide und Mehl 184,2 Mill. Lei, Südfrüchte und Gemüse 20,7 Mill., Getränke 12,8 Mill. Lei. An der Einfuhr waren 1887 Deutschland mit 90 Mill. Lei, Großbritannien mit 86,8 Mill., Österreich-Ungarn mit 53,4 Mill., Frankreich mit 25 Mill. und Belgien mit 16,6 Mill. Lei, an der Ausfuhr Großbritannien mit 154,2 Mill. Lei, Österreich-Ungarn mit 21,2 Mill., Frankreich mit 19,7 Mill., Italien mit 17,2 Mill., Belgien mit 15,7 Mill., Deutschland mit 8,8 Mill. Lei beteiligt. Aus Deutschland werden besonders Wollengewebe, Strumpfwaren, Tuch, Leder, Eisenbahnschienen, Bijouterien und Kurzwaren eingeführt. Die Schiffahrt konzentriert sich vornehmlich auf die Häfen Sulina, Braila, Galatz, Giurgewo und Constanza; 1884 liefen ein: 20,478 Schiffe von 3,711,143 Ton., aus: 20,650 Schiffe von 3,678,849 T.
Das Staatseisenbahnnetz hat sich seit der Eröffnung der ersten Linie (Bukarest-Giurgewo, 78 km, 1869) immer mehr entwickelt und umfaßt (1888) 2601 km befahrene und 382 km im Bau begriffene Bahnen (zusammen 2983 km). Die letzte der Privatbahnen (Itzkani-Roman-Jassy) ist letzthin verstaatlicht worden. Die Hauptbahnlinie durchschneidet das Land von Verciorova (an der Donau und der ungarischen Grenze) über Bukarest-Fokschani bis Itzkani-Roman (an der Bukowinaer Grenze).
Von der Hauptlinie geht bei Plojesti eine Linie über Predeal nach Siebenbürgen, von Bukarest eine nach Giurgewo (gegenüber Rustschuk, dem Anfangspunkt der bulgarischen Linie Rustschuk-Warna), eine andre nach Fetesci an der Donau, gegenüber Czernavoda (mit noch zu bauenden Donaubrücke) zum Anschluß an die nach dem am Schwarzen Meer gelegenen Hafenplatz Constanza führende Bahn. Nach Rußland führt die Bahn Jassy-Ungheni-Kischinew. Alle Distrikte haben jetzt ihre Bahnverbindungen mit der Hauptbahn, was für Entwickelung des Verkehrs von großer Wichtigkeit ist.
Der Frachtverkehr ist auf den rumänischen Eisenbahnen in den Jahren 1880-85 von 783,000 Ton. auf 1,589,000 T. gestiegen; der Personenverkehr beläuft sich auf 1 ⅓ Mill. Reisende. Auch gute Landstraßen sind neuerdings in den meisten Landesteilen gebaut und mehr als 40 Postrouten für Personenbeförderung eingerichtet worden; doch ist der Fahrpreis (0,90-1,20 Mk. für die deutsche Meile) teuer. Mit der Post wurden 1886: 18,8 Mill. Briefe und Postkarten und über ⅓ Mill. Pakete befördert;
es gab 188 Postbüreaus.
Die Länge der Telegraphenlinien betrug 1886: 5319 km. Die Münzeinheit in Rumänien bildet der Leu (»Löwe«) à 100 Bani (Para) = 1 Frank. Man prägt Goldmünzen zu 20 Lei und Silbermünzen zu 5, 2, 1 Leu und 50 Bani. Seit 1880 ist das französische Maß- und Gewichtssystem allgemein eingeführt.
[Staatsverfassung und Verwaltung.]
Rumänien bildet einen konstitutionellen Staat unter der erblichen Dynastie des Königs Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen (seit 1866). Die Verfassung beruht auf der Konstitution von 1866, welche 1884 revidiert wurde. Hiernach übt das Volk alle Staatsgewalten durch Delegation aus. Die Exekutive gehört dem König (rege), der mittels seiner verantwortlichen Minister regiert. Die gesetzgebende Gewalt wird ausgeübt von dem König, dem Senat (120 Mitglieder) und der Abgeordnetenkammer (183 Mitglieder), welche 27. Nov. jedes Jahrs zu einer dreimonatlichen regelmäßigen Session zusammentreten.
Die Zentralverwaltung zerfällt in die acht Departements des Innern, des Kultus und des Unterrichts, der Justiz, der Finanzen, der Domänen (des Ackerbaues, Handels und der Industrie), der öffentlichen Arbeiten, des Kriegs und des Äußern. Hinsichtlich der innern Verwaltung zerfällt in 32 Distrikte oder Kreise, 163 Bezirke oder Arrondissements u. 3070 Gemeinden, darunter 72 städtische. Dem Distrikt steht ein Präfekt, dem Bezirk ein Unterpräfekt und den Kommunen je ein Primar (Maire) vor.
Dem Präfekten zur Seite stehen ein zwölfgliederiger Distriktsrat und in dessen Abwesenheit ein dreigliederiger ständiger Ausschuß. An die Distriktsverwaltung reiht sich die Verwaltung der Kommunen, die in Stadt- und Landgemeinden zerfallen. Dem Primar steht zur Seite ein Gemeinderat, dessen Mitgliederzahl je nach der Einwohnerzahl zwischen 9 und 17 schwankt. Die Beschlüsse des Gemeinderats können teils selbständig ausgeführt werden, teils bedürfen sie der Zustimmung des ständigen Ausschusses und des Ministers des Innern (Budget etc.), teils auch der königlichen Genehmigung (Steuern etc.). Der Primar wird auf den Antrag des Ministers aus der Mitte der gewählten Gemeinderäte vom König ernannt; er ist zugleich Agent der Zentralverwaltung, leitet die Gemeindepolizei, in sechs Städten auch die Ortspolizei, redigiert die Wahllisten und besorgt die Führung der Standesregister und die Eintreibung der direkten Staatssteuern. - An der Spitze der herrschenden griechischen Kirche steht die heilige Synode, welcher die beiden Erzbischöfe und Metropoliten zu Bukarest und Jassy sowie sechs Bischöfe zu Rimnik,
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Waltscha, Buzau und Ardschisch in der Walachei und zu Roman, Husi und für die untere Donau in der Moldau angehören. Die weltliche Geistlichkeit zählt 22,178 Personen mit 6765 Gotteshäusern; die Zahl der Klöster, welche in den beiden letzten Jahrzehnten sehr zurückgegangen ist, beläuft sich noch auf 168 mit 1429 Mönchen und 2709 Nonnen. Die Katholiken haben einen Erzbischof in Bukarest und einen Bischof in Jassy; protestantische Gemeinden finden sich in Bukarest, Plojesti, Pitesti, Turnu Severin, Krajowa etc. Die Juden besitzen 422, die Türken 238 Gotteshäuser.
Für die Justizpflege bestehen ein Kassationshof (Bukarest), 4 Appellhöfe (in Bukarest, Jassy, Krajowa und Fokschani), 34 Tribunale (darunter 2 mohammedanische in der Dobrudscha) und 163 Friedensrichter (einer in jedem Bezirk). Für Strafsachen ist die Jury eingeführt, die Todesstrafe abgeschafft. Die Richter werden vom König ernannt, und nur die Räte des Kassationshofs sind unabsetzbar. Das Verfahren ist durchweg öffentlich und mündlich. Die Gesetze sind seit Cusa kodifiziert u. den französischen nachgebildet.
Die Finanzen leitet der betreffende Minister; für die Kontrolle besteht ein Rechnungshof. Die Umlegung der direkten Steuern geschieht alle fünf Jahre. Das Budget für 1888/89 beziffert die Einnahmen wie die Ausgaben auf 181,066,324 Lei. Unter den Einnahmen sind die direkten Steuern auf 27,500,000, die indirekten auf 39,055,000, die Erträge aus den Staatsmonopolen (Tabak, Salz, Zündhölzchen) auf 41,305,000, aus den Domänen auf 22,916,533 Lei veranschlagt. Unter den Ausgaben erfordert die öffentliche Schuld 66,015,450, die Armee 32,817,711, Kultus u. Unterricht 14,253,401, die Finanzen 9,633,679, Inneres 10,211,142 Lei. Die Staatsschuld beträgt (1889) 788¾ Mill. Lei (wovon ¾ produktiv angelegt), darunter 34 ⅓ Mill. Lei Schatzscheine.
In militärischer Hinsicht wird Rumänien eingeteilt in vier Armeekorpsbezirke (Krajowa, Bukarest, Galatz, Jassy) und einen Divisionsbezirk (Dobrudscha). An der Spitze des Heers steht der König, während die Verwaltung vom Kriegsminister geleitet wird. Das Heer (Friedensstärke 33,714 Mann und 1430 Offiziere; Kriegsstärke, ohne Milizen, 2638 Offiziere, 113,500 Mann, 16,500 Pferde, 370 Geschütze) umfaßt drei Elemente:
1) das stehende Heer: Infanterie, Jäger, Kavallerie, Artillerie, Genie, Train;
2) die Territorialarmee: 33 Infanterieregimenter (Dorobanzen), 12 Regimenter Kavallerie (Kalaraschi), 18 Batterien;
3) die Miliz (32 Bataillone). Wehrpflichtig sind alle Rumänen vom 21. bis 46. Jahr; die Dienstzeit für das stehende Heer ist 3 Jahre aktiv, für die Territorialarmee bei den Dorobanzen 5 Jahre, bei den Kalaraschi 4 Jahre. Das Los entscheidet, ob jemand in das stehende Heer oder die Territorialarmee eintritt. Die aus der aktiven Armee Entlassenen gehören bis zum 30. Lebensjahr der Reserve, bis zum 46. Lebensjahr der Miliz an. Die Dorobanzen werden nur monatlich zehn Tage zum Dienst herangezogen; die Miliz übt Sonntags.
Die Armee ist zum größten Teil mit Martiny-Gewehren bewaffnet, die Artillerie hat Kruppsche Kanonen. Es bestehen eine Militärwaffenfabrik, eine Offizierschule (Bukarest), eine Unteroffizierschule (Bistritza) und 14 Militärspitäler. Seit 1885 wird Bukarest in eine starke Festung mit 18 Gürtelforts umgeschaffen. Ebenso ist die Befestigung der Serethlinie nach Schumannschem System in Angriff genommen. Die Kriegsmarine besteht aus einem Torpedokreuzer, 2 Radavisos, 6 Kanonenbooten, 5 Torpedofahrzeugen, einem Schulschiff und 10 Schaluppen; die Bemannung zählt 1751 Mann (darunter 46 Offiziere und Ingenieure). - Das Wappen Rumäniens (s. Tafel »Wappen«) ist ein schwarz und weiß quadrierter Mittelschild;
im ersten, blauen Felde des Hauptschildes befindet sich ein gekrönter goldener Adler mit silbernem Kreuz im Schnabel (dem alten Wappen der Walachei entnommen), im zweiten, roten Feld ein schwarzer Stierkopf mit goldenen Hörnern, zwischen denen ein goldener Stern steht (für die Moldau);
im dritten, roten Feld steigt aus einer Königskrone ein doppelschwänziger goldener Löwe zur Hälfte hervor;
im vierten, blauen Feld zwei mit den Köpfen gegeneinander gekehrte Delphine.
Schildhalter sind zwei Löwen; darunter die Devise: »Nihil sine Deo«. Die Landesfarben sind Blau, Gelb und Rot; die Flagge ist vertikal gestreift (s. Tafel »Flaggen I«). [* ] An Orden bestehen: der Stern von Rumänien (seit 1877) und die Krone von Rumänien (seit Haupt- und Residenzstadt ist Bukarest.
Vgl. Neigebaur, Beschreibung der Moldau und Walachei (Bresl. 1854, 2 Bde.);
Obédénare, La Roumanie économique (Par. 1876);
Henke, Rumänien, Land und Volk (Leipz. 1877);
Beaure u. Mathorel, La Roumanie (Par. 1878);
Aurelian, Terra nostra (Bukar. 1880);
Filek v. Wittinghausen, Das Königreich Rumänien (2. Aufl., Wien 1881);
W. Götz, Das Donaugebiet mit Rücksicht auf seine Wasserstraßen (Stuttg. 1882);
Samuelson, Roumania past and present (Lond. 1882);
E. de Laveleye, La péninsule des Balcans (Brüssel 1886; deutsch, Leipz. 1888 ff.);
Blaramberg, Essai comparé sur les institutions, les lois et les mœurs de la Roumanie (Par. 1886);
Bergner, Rumänien, Land und Leute (Bresl. 1887);
»Statistica din Romania« (offizielles Sammelwerk);
»Annuaire de Roumanie«.
Eine Generalkarte der Walachei (1:288,000) des militärgeographischen Instituts in Wien erschien 1867 in 6 Blättern. Eine systematische Landesaufnahme fehlt bis jetzt.
Geschichte.
Die Ufergebiete der untern Donau waren in den ältesten Zeiten von dem thrakischen Volk der Geten oder Dacier, der östliche Teil zeitweilig auch von den Skythen bewohnt. Zur Abwehr der häufigen Einfälle der kriegerischen Dacier in die benachbarten römischen Provinzen hatte Rom wiederholt seine Legionen gegen sie zu schicken. Kaiser Trajan eroberte in zwei großen Feldzügen (101-106) Dacien, verwandelte es in eine römische Provinz und kolonisierte es mit Römern.
Die Blüte dieser Ansiedelungen dauerte bis zu den Einfällen der Goten (270). Kaiser Aurelianus zog die Legionen aus Dacien zurück und führte einen großen Teil der Kolonisten jenseit der Donau nach Mösien über, das fortan Aurelianisches Dacien hieß. Nunmehr ergoß sich der Strom der Barbaren über dieses Gebiet. Hunnen, Gepiden (450), Avaren (555), Slawen, Bulgaren (680), Ungarn (830), Petschenegen (900), Kumanen (1050) besetzten es nacheinander. Die germanischen Stämme verschwanden nach kurzem Aufenthalt, die slawischen und finnischen verschmolzen sich mit den dako-römischen Elementen allmählich zu dem rumänischen Volk, über dessen Schicksale während fast eines Jahrtausends wir wenig wissen (s. den Artikel Rumänen). Im 10. und 11. Jahrh. bildeten sich in verschiedenen Teilen Daciens kleinere Herzogtümer (Banate), von denen die in Siebenbürgen und an der Theiß gelegenen von den Ungarn unterworfen wurden. Die Fürstentümer südlich und östlich von den Karpathen widerstanden den Petschenegen, Kumanen und Tataren, bis sie sich im 14. Jahrh. zu zwei selbständigen Staaten, Moldau und Walachei, unter Führung kriegerischer Häuptlinge
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(Dragasch und Bassaraba) vereinigten. Damit schließt Rumäniens ältere Geschichte, und es beginnt die neue, welche bis zum Verfall der Fürstentümer unter der Fanariotenherrschaft reicht, und in welcher die Fürstentümer auf Grundlage von Verträgen oder Kapitulationen unter die türkische Suzeränität kamen. Näheres über diese Zeit s. Moldau und Walachei.
Die neuere Geschichte Rumäniens beginnt mit dem Pariser Frieden vom welcher das russische Protektorat in den Fürstentümern aufhob, einen Teil des russischen Bessarabien (Ismail, Bolgrad, Kahul) der Moldau zuteilte und außerdem in den Art. 23 und 25 bestimmte, daß die Bevölkerung selbst bezüglich der Grundlagen der Neugestaltung und der Verwaltungsreform befragt werden solle. Die Pforte verfügte nun die Abberufung der beiden Hospodare und ersetzte sie durch provisorische Kaimakame, deren Amt bis zur endgültigen Regelung der staatlichen Verhältnisse dauern sollte.
Zum Kaimakam in der Moldau wurde Theodor Balsch, nach dessen Tod (1857) Fürst Vogorides, in der Walachei Alex. D. Ghika ernannt. Im März 1857 erließ endlich die Pforte zwei Fermane behufs Einberufung der Volksversammlungen (Diwane), und Anfang Juni trat die internationale Kommission der Großmächte in Bukarest zusammen. Die Diwane versammelten sich im Oktober zu Bukarest und zu Jassy und beschlossen in gleichlautenden Programmen die folgenden Punkte:
1) Aufrechterhaltung der Autonomie und der Rechte der Fürstentümer;
2) Vereinigung derselben zu Einem Staat Rumänien; 3) erblicher Fürst aus einer herrschenden europäischen Dynastie;
4) Neutralität der Fürstentümer;
5) Ausübung der gesetzgebenden Gewalt durch eine Volksvertretung; dies alles unter der gemeinsamen Garantie der Vertragsmächte. Aber weder die Pforte noch die Mächte waren zur Bewilligung dieser Forderungen geneigt. Die Konferenz der Großmächte in Paris bestimmte vielmehr daß die Fürstentümer Tribut an die Pforte zahlen und je einen Hospodar wählen sollten, dem der Sultan die Investitur zu erteilen habe. Die neugewählten gesetzgebenden Versammlungen der Walachei und Moldau wählten jedoch Anfang 1859 beide den Obersten Alexander Cusa zum Fürsten und stellten dadurch zunächst eine Personalunion her, welche später zur Realunion führen sollte.
Cusa bestieg den Thron unter dem Namen Alexander Johann I., nachdem er zuvor eine Urkunde unterzeichnet hatte, wonach er sich verpflichtete, im Fall der Realvereinigung der Fürstentümer zu gunsten eines ausländischen Fürsten abzudanken. In der ersten Zeit seiner Regierung schon stellten sich die aus der Doppelstellung Cusas für die Verwaltung entspringenden Schwierigkeiten heraus. Mit zwei Ministerien, zwei Residenzen, in Jassy und Bukarest, und einer Zentralkommission in Fokschani, war eine komplizierte Maschinerie gegeben, mittels welcher die Organisation eines neuen Staats, die Einbürgerung der neuen Verfassung und die dadurch notwendig gewordenen durchgreifenden Reformen schwer durchgeführt werden konnten. Schon im April 1859 waren die Vertreter der sieben Vertragsmächte zu einer Konferenz zusammengetreten; sie erkannten zwar die Doppelwahl Cusas als der Konvention vom widersprechend nicht an, empfahlen aber doch der Pforte die Erteilung der Investitur, welche denn auch Anfang Oktober in zwei besondern Fermanen erfolgte.
Bei der durch die langjährige Fanariotenherrschaft verursachten Verderbtheit des herrschenden Bojarenstandes und der Armut und Verkommenheit der bäuerlichen Bevölkerung war ein gesundes politisches Leben nicht möglich. Parteileidenschaft schuf bald Hader zwischen den Versammlungen und dem Fürsten, führte zu fortwährendem Ministerwechsel (Cusa hatte während drei Jahren in der Moldau 6, in der Walachei 9 Ministerien), zu Auflösungen der Versammlungen, hemmte die Entfaltung der neuen Institutionen und ließ kein Vertrauen auf dieselben aufkommen.
Indes war Cusa, der allerdings durch sein leichtfertiges Leben bei den bessern Elementen Anstoß erregte, eifrig für die vollständige Union bemüht, und nach längern Verhandlungen zwischen den Vertretern der Vertragsmächte genehmigte endlich die Pforte wenigstens die zeitweilige Union mit der Bestimmung, daß die Zentralkommission aufgehoben werden und der Fürst unter Mitwirkung eines gemeinsamen Ministeriums und einer einzigen Nationalversammlung regieren solle.
Eine fürstliche Proklamation vom 8. Dez. erklärte hierauf die Gründung des einheitlichen Staats Rumänien unter dem Kabinettspräsidium des hochkonservativen B. Catargiu trat die erste einheitliche Nationalversammlung in Bukarest zusammen. Am wurde jedoch Catargiu beim Verlassen der Kammer am hellen Tag meuchlings erschossen. Die Kammer stellte sich dem neugebildeten ebenfalls konservativen Ministerium Cretzulesco feindlich gegenüber, wurde daher aufgelöst und vom Fürsten ein neues Kabinett unter Vorsitz Cogalnitscheanos gebildet, welches der neuen Versammlung versöhnlich gegenübertrat und Reformen in Aussicht stellte.
Die Kammer beschloß im Einvernehmen mit dem Kabinett die Abschaffung der Todesstrafe und der körperlichen Züchtigung sowie die Säkularisation der Klostergüter. Als jedoch die Kammer die Beratung eines neuen Wahlgesetzes verweigerte und dem Ministerium ein Tadelsvotum gab, wurde sie mittels Militärs gewaltsam aufgelöst. Eine Proklamation des Fürsten forderte das Volk auf, sich über ein Zusatzstatut der Pariser Konvention von 1858, enthaltend die Abänderung des Wahlgesetzes, Einführung des allgemeinen Wahlrechts, eines Senats und eines Staatsrats, auszusprechen. Die Volksabstimmung vom 22. Mai ergab 682,621 Stimmen mit Ja und 1307 mit Nein. Cusa reiste nun nach Konstantinopel, versicherte sich dort der Genehmigung der Pforte für den Staatsstreich, und nachdem auch die Mächte das Zusatzstatut und das neue Wahlgesetz bestätigt hatten, erfolgte deren Publikation 19. Juli.
Bis zum Zusammentritt der neuen Kammern übte Cusa eine unumschränkte Gewalt aus und benutzte sie, um mehrere wichtige Gesetze zu erlassen: ein Ruralgesetz, welches die Fronen ablöste und den Bauern Grundeigentum verlieh, ein Zivil-, Kriminal- und Handelsgesetzbuch nebst den Prozeßordnungen, eine neue Gerichtsorganisation, ein Unterrichtsgesetz u. a. Alle diese Reformen dienten aber nicht dazu, Cusas Ansehen zu befestigen. Als die Regierung die Einführung des Tabaksmonopols und die Ablieferung der Tabaksvorräte an den Staat für 15. Aug. anordnete, kam es in Bukarest zu einem Aufstand, dessen Unterdrückung mit Waffengewalt der Regierung auch keine dauernde Macht verlieh. Die Finanzen waren durch Verschwendung und mutwillige Ausgaben zerrüttet; für 1865 ergab sich ein Defizit von 17 Mill., während anderseits Mißernten und Hungersnot die Steuerkraft des Landes erschöpft hatten und dieses dem Bankrott nahebrachten. Die Allmacht von Günstlingen (wie
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dem Ostender Kellner Librecht) und Mätressen beleidigte die gebildeten Klassen. Dies beschleunigte die Bildung einer Verschwörung. In der Nacht vom 22. zum drangen die Verschwornen in den Palast, dessen Wache gewonnen war, und erbrachen die Thür des fürstlichen Schlafgemachs; Cusa wurde gezwungen, abzudanken, und verließ Rumänien. Eine provisorische Regierung konstituierte sich sodann mit einem Koalitionsministerium aus allen Parteischattierungen.
Beide Kammern wählten hierauf einstimmig den Grafen von Flandern, jüngern Bruder des Königs der Belgier, zum Fürsten. Da derselbe die Wahl ablehnte, ordnete die Regierung in einer Proklamation vom 14. April eine Volksabstimmung über die Wahl des Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen an, welche 20. April mit günstigem Ergebnis erfolgte. Die Konstituierende Versammlung proklamierte die Wahl 13. Mai, und Fürst Karl I. hielt seinen Einzug in Bukarest unter den jubelnden Zurufen der Bevölkerung (22. Mai). Die neue freisinnige Verfassung, nach belgischem Muster, wurde in kürzester Frist ausgearbeitet und vom Fürsten beschworen und veröffentlicht (11. Juli). Die Mächte erkannten die neue Ordnung der Dinge und die Wahl des neuen Fürsten an (24. Okt.).
Unter dem Fürsten Karl I. nahm das Land auf vielen Gebieten einen mächtigen Aufschwung, und die freie Entfaltung des Verfassungslebens erlitt von obenher keinerlei Beengung. Doch wurde der stetige, gesunde Fortschritt beeinträchtigt durch das Repräsentativsystem und durch das Hereinziehen politischer Rücksichten in alle ökonomischen Fragen, während die Finanzen unter der Entfaltung eines für den jungen Staat und seine Hilfsquellen zu beschwerlichen Verwaltungsapparats sowie durch zu überstürzte Ausgaben arg litten.
Das Volk war politisch noch ganz unreif, und der Staat war ein Spielball in den Händen gewissenloser, ehrgeiziger Politiker. Der Fürst hatte sich der Partei der Liberalen (Roten) angeschlossen, deren Führer Joan Bratianu war, weil diese allein stark genug war, eine Regierung zu stützen; die Partei der Weißen (der Bojaren) zerfiel in einzelne machtlose Cliquen. Das Ministerium Bratianu schloß 1868 mit Strousberg einen Eisenbahnvertrag, der zwar die wirtschaftliche Entwickelung Rumäniens erst ermöglichte, aber dem Land große Lasten auferlegte und es in ernste finanzielle Verlegenheiten stürzte.
Judenkrawalle und Umtriebe von Bulgarenbanden, welche das Mißtrauen der Pforte und Österreichs erregten, führten im November 1868 den Sturz der Liberalen herbei. Die konservativen Ministerien Cogalnitscheano (1868 bis Februar 1870), Golesco (Februar bis Mai 1870) und Epureano (Mai bis Dezember 1870) konnten sich nicht lange halten. Als das Ministerium Ghika (Dezember 1870 bis März 1871) eine brutale Störung des deutschen Friedensfestes ungeahndet ließ, drohte der Fürst mit Abdankung und erlangte dadurch, daß ein konservatives Ministerium Lascar Catargiu sich bildete und den Fürsten nachdrücklich unterstützte. 1872 wurde nach dem Bankrott Strousbergs das Eisenbahnwesen durch Gesetz geregelt und mit der neugebildeten Gesellschaft in Berlin eine Übereinkunft erzielt, das Tabaksmonopol eingeführt, um die Finanzen zu heben, und mehrere Anleihen bewilligt. Da 1876 die Wahlen liberal ausfielen, trat Catargiu zurück, und Florescu bildete 17. April ein neues Ministerium, das aber im Senat Widerstand fand und schon 6. Mai zurücktrat. Nun bildete Epureano ein neues, dessen Präsidium 5. Aug. Bratianu übernahm, der sich nun dauernd behauptete.
Die Bemühungen, das Land sittlich, geistig und materiell zu heben, der Korruption in den höhern Schichten, dem Stumpfsinn und der rohen Borniertheit des niedern Volkes zu steuern, erlitten eine nachteilige Unterbrechung durch den russisch-türkischen Krieg 1877, durch welchen Rumänien, wo man die panslawistischen Hetzereien Rußlands mit Mißtrauen beobachtet hatte, in eine mißliche Zwangslage geriet; nur einige chauvinistische Kreise ergriffen mit Begier die Gelegenheit, das ersehnte »großrumänische Reich« (mit Siebenbürgen etc.) gründen zu wollen. Da weder in dem Pariser Vertrag die Neutralität des rumänischen Territoriums ausdrücklich bestimmt war, noch die letzte Konferenz der Mächte in Konstantinopel, trotz dringendsten Ersuchens von seiten Rumäniens, diese Neutralität aussprechen wollte, so sah sich Rumänien veranlaßt, angesichts der russischen Invasion mit Rußland ein Bündnis abzuschließen, wofür Rußland auf eine Ablösung der Ansprüche russischer Klöster auf rumänische Güter einging.
Die russischen Heere, welche 24. April den Pruth überschritten hatten, besetzten bald alle Hafenstädte, während die rumänischen Truppen sich in der Kleinen Walachei zusammenzogen. Gegen den Willen Rußlands proklamierten die Kammern 21. Mai die völlige Unabhängigkeit Rumäniens und verfügten die Einstellung der Tributzahlung. Die rumänischen Truppen blieben einstweilen auf dem linken Donauufer, da Rußland in hochmütiger Siegesgewißheit ihre aktive Teilnahme am Krieg als besondere Armee verschmähte.
Nach den Niederlagen im August jedoch wurde ihre Hilfe in Anspruch genommen, drei rumänische Divisionen (35,000 Mann mit 108 Geschützen) vereinigten sich mit einem russischen Korps in Bulgarien unter dem Oberbefehl des Fürsten und nahmen 11. und 12. Sept. an dem nur teilweise erfolgreichen Sturm auf Plewna mit Auszeichnung teil, so daß sie den Bemühungen des Fürsten um ihre Organisation und Ausbildung ein glänzendes Zeugnis gaben. Am 19. Okt. unternahmen die Rumänen einen Sturm auf die Bukowacredoute bei Plewna, der jedoch unter empfindlichen Verlusten abgeschlagen wurde.
An der endlichen Einnahme Plewnas (10. Dez.) hatten die Rumänen entschiedenen Anteil, und Osman Pascha übergab sich ihnen, wurde aber den Russen ausgeliefert. Hierauf belagerten und eroberten die Rumänen Widdin. Dennoch mußte Rumänien bald den Undank des übermächtigen Alliierten erfahren. Zu den Verhandlungen über den Frieden von San Stefano wurde es gar nicht zugezogen. Rußland erwirkte zwar von der Pforte die Anerkennung der rumänischen Unabhängigkeit, forderte nun aber die Rückgabe des 1856 an die Moldau abgetretenen Bessarabien gegen die viel wertlosere Dobrudscha. Vergebens wendete sich an den Berliner Kongreß; dieser machte sogar die Aufhebung aller Beschränkungen der Juden zur Bedingung der Anerkennung der Souveränität. Die rumänischen Kammern mußten die Abtretung Bessarabiens genehmigen, worauf dieses geräumt und 25. Nov. die Dobrudscha okkupiert wurde.
Da die von den Mächten geforderte Gleichstellung der Juden eine Verfassungsänderung notwendig machte, so mußten 1879 besondere Revisionskammern gewählt werden. Diese sträubten sich lange gegen die Judenemanzipation, da sie die Existenz des Bauernstandes in der Moldau, wo die in Religion, Sprache und Sitten durchaus fremden Juden besonders zahlreich sind, zu gefährden drohte. Als jedoch ein Versuch der Regierung, bei den Mächten eine Milderung zu erlangen, erfolglos blieb, so wurde im Oktober
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1879 das Gesetz angenommen, welches jeden Unterschied der Religion hinsichtlich der bürgerlichen Rechte aufhob, für Fremde aber die Erwerbung des Indigenats, das zum Ankauf von Grundbesitz berechtigte, von einem zehnjährigen Aufenthalt in Rumänien abhängig machte. Hierauf erfolgte die Anerkennung der Souveränität Rumäniens durch die Mächte. Die Unabhängigkeit des Landes wurde ferner gefördert durch den Ankauf der Eisenbahnen und die Auflösung der rumänischen Eisenbahnaktiengesellschaft.
Das Tabaksmonopol wurde in Staatsregie übernommen, eine Nationalbank sowie Bodenkreditanstalten gegründet. Das Gleichgewicht der Ausgaben und Einnahmen im Staatshaushalt wurde hergestellt und der Staatskredit dadurch außerordentlich gehoben. Die Territorialarmee ward reorganisiert und endlich, da die Ehe des Fürsten kinderlos war, ein Thronfolgegesetz beschlossen, welches einen Neffen des Fürsten, Prinz Ferdinand von Hohenzollern, zum Nachfolger bestimmte.
Nachdem auf diese Weise der Staat befestigt und in seinem Ansehen erhöht worden, proklamierten die Kammern Rumänien als Königreich. Fürst Karl wurde 22. (10.) Mai, 15 Jahre nachdem er die Regierung übernommen, in Bukarest feierlich zum König gekrönt. 1884 wurde für den König eine Kronapanage geschaffen, bestehend aus 12 Gütern mit 700,000 Gulden Einkommen. Das Ministerium Bratianu, das einer gemäßigt liberalen Richtung huldigte, aber ehrlich und eifrig thätig war, behauptete sich mit einer kurzen Unterbrechung (1881) während dieser ganzen Zeit im Besitz der Regierungsgewalt und verstand es, Gesetzlichkeit, Ordnung, Volksbildung und Wohlstand in Rumänien immer mehr zu heben. Von den orientalischen Wirren hielt sich Rumänien fern. In seiner äußern Politik schloß es sich vielmehr Österreich-Ungarn und Deutschland an und hielt auch trotz mancher Differenzen mit ersterer Macht in der Donaufrage (s. Donau, S. 56) u. in Handelsangelegenheiten an diesem Bündnis fest.
Deswegen wurde das Ministerium Bratianu von der sogen. konservativen Partei (den Bojaren), welche mit panslawistischen Wühlern aus Rußland in Verbindung stand, aufs heftigste angegriffen, doch lange ohne Erfolg, da bei allen Wahlen das Volk fast ausschließlich Anhänger der Regierung wählte, obwohl eine neue Verfassungsrevision die alten Wahlkollegien beseitigt, das Wahlrecht beträchtlich erweitert und den Einfluß der Regierung auf die Wahlen geschwächt hatte.
Erst nahm Bratianu infolge von Straßenkrawallen in Bukarest und Bauernaufständen seine Entlassung, zumal es seiner Partei, den Nationalliberalen, an Einigkeit fehlte und der Kriegsminister Angelescu der eindringenden Korruption nicht energisch entgegentrat, ja sich sogar an ihr beteiligte. An die Spitze der Regierung trat Th. Rosetti von der Partei der Junimisten, der von den Konservativen (Bojaren) unterstützt wurde; bei den Neuwahlen im Oktober erlangten die Konservativen die überwiegende Mehrheit in den Kammern, weswegen die Junimisten drei wichtige Ministerien an die Führer der Konservativen abtreten mußten.
Vgl. Laurianu, Istoria Romaniloru (4. Aufl., Jassy 1873);
Hasdeu, Kritische Geschichte der Rumänen (Bukar. 1874, franz. 1878);
Cogalnitscheanu, Cronice (das. 1874, 3 Bde.);
Schinkai, Cronica (das. 1886, 3 Bde.);
Tocilescu, Istoria Romanici (1888);
Vacarescu, Rumäniens Anteil am Krieg der Jahre 1877 und 1878 (Leipz. 1887);
Hurmuzaki, Documente privitore la istoria romana (Bukar. 1882, 14 Bde.);
Derselbe, Fragmente zur Geschichte der Rumänen (das. 1878-84, 5 Bde.) D. Sturdza, La succession au trône de Roumanie (1886);
Derselbe, Le dix Mai (1887).