Rumänen
Romanzement - Römer

* 3
Römer. (Romani, Rumuni oder
Walachen), der große romanische Volksstamm der Süddonauländer und der
Balkanhalbinsel,
[* 2] über dessen Ursprung sich noch heute zwei wissenschaftliche
Ansichten gegenüberstehen.
Schon
Niebuhr nannte
sie ein rätselhaftes
Volk;
Schafarik ließ sie erst im 5. oder 6. Jahrh. aus einem
Gemenge von
Römern,
Geten und
Slawen entstehen;
Miklosich datiert sie aus dem Beginn des 2. Jahrh., wo römische
Kolonisten sich am linken Donauufer niederließen. Auch die
Ansicht der rumänischen
Gelehrten geht dahin, daß die heutigen Rumänen
die kontinuierliche Fortsetzung der mit den
Daciern verschmolzenen,
durch Trajan in die heutige
Walachei versetzten
Römer
[* 3] seien, eine
Ansicht, die zuletzt von J.
^[Julius]
Jung
(»Römer und
Romanen
in den Donauländern«, Innsbr. 1877) mit vieler
Gelehrsamkeit gestützt wurde.
Dieser Meinung gegenüber vertreten Rumänen
Rösler (»Romänische
Studien«, Leipz. 1871),
P. Hunfalvy (»Ethnographie [* 4] von Ungarn«, [* 5] Budap. 1877), Tomaschek u. a. die Entstehung der in den Ländern südlich der Donau, im Balkan. Historisch beglaubigt ist, daß vom Kaiser Aurelian (270-275), als er Dacien nicht mehr gegen die Goten halten konnte, die römischen Kolonisten nach dem rechten Donauufer, nach Mösien, vollständig übergeführt wurden; das Römertum im Norden [* 6] der Donau erlosch und wurde hier erst durch spätere Rückwanderung aus Bulgarien [* 7] seit dem 13. Jahrh. in seiner modernen Gestalt (als Walachen) wieder aufgefrischt.
Noch um die Mitte jenes
Jahrhunderts war die
Walachei eine nur von nomadischen
Horden durchstreifte Wüstenei,
deren Weidegründe die Rumänen
anzogen, welche allmählich sich über das Land und weiter über
Siebenbürgen, wo sie auch erst
im 13. Jahrh. auftraten, verbreiteten. Ein Teil der Rumänen
blieb jedoch im
Süden der
Donau, in den Balkanländern, zurück, und
dieses sind die sogen.
Zinzaren (s. d.), welche dialektisch nur wenig von den
Rumänen
des
Königreichs geschieden sind.
Spottiswoode - Sprache

* 8
Sprache.
Diese
Anschauung von der Herkunft der Rumänen
findet ihre wesentliche
Stütze in der Betrachtung der
Sprache
[* 8] derselben, welche trotz
romanischer Grundlage eine bunt gemischte ist, in der jedoch, obgleich 100 Jahre im
Norden der
Donau Westgoten und
Gepiden herrschten,
germanische
Worte fehlen. Dagegen sind solche Sprachzuthaten vorhanden, die nur im
Süden der
Donau aufgenommen
werden konnten: slawische
Wörter, die dem
Bulgarischen entstammen, die Nachsetzung des
Artikels aus dem
Albanesischen, griechische
Wörter;
hierzu gesellte sich der Gebrauch der bulgarisch-slawischen (Cyrillischen) Schrift.
Hiernach würden also die Rumänen
ihren
gemeinsamen Stammsitz im Innern der
Balkanhalbinsel haben und die Trajanische
Kolonisation
Daciens nur eine
untergeordnete
Episode in der Geschichte dieser
Nation spielen. Die heutigen Rumänen
sind ein über fünf
Staaten verbreitetes und,
sieht man von den nahe dazugehörigen
Zinzaren ab, doch kompakt bei einander wohnendes
Volk. Sie machen die vorherrschende
Bevölkerung
[* 9] des
Königreichs
Rumänien aus, bewohnen die
Bukowina,
Siebenbürgen, das östliche
Ungarn, das
nordöstliche
Serbien, die bulgarischen Donauufer und
Bessarabien. Was ihre Anzahl betrifft, so wird dieselbe von den Rumänen
selbst
gewöhnlich höher angegeben als die nachstehenden Mittelwerte. Es wohnen in:
¶
Rumänien, Bulgarien, S

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Rumänien | 5![]() ![]() |
Ungarn | 1![]() ![]() |
Siebenbürgen | 1![]() ![]() |
Bukowina | 210![]() |
Rußland | 1![]() ![]() |
Serbien, Bulgarien | 250![]() |
Zusammen: | 9![]() ![]() |
Da das Volk ungemein fruchtbar ist und sich nicht von andern Nationalitäten assimilieren läßt, so ist es stark im numerischen Fortschritt begriffen und dehnt sich räumlich auf Kosten der Magyaren, Szekler, Siebenbürger Sachsen, [* 13] Serben und Bulgaren aus. Die bei weitem überwiegende Zahl (etwa 9 Mill.) gehört der orthodoxen Kirche an. Wie schon die Sprache andeutet, sind die ein Mischvolk, und es bestätigen dieses auch die von Kopernicki vorgenommenen Schädelmessungen, welche eine große Mannigfaltigkeit ergeben. Es lassen sich drei Haupt- und zwei Neben- und Übergangsgruppen unterscheiden.
Auge des Menschen

* 14
Auge.
Die zahlreichsten Schädel zeigen den Mitteltypus, dann folgt der brachykephale und zuletzt, als am wenigsten vertreten, der
dolichokephale Typus. Welcker giebt den Rumänen
einen Breitenindex von 80, rechnet sie also zu den Subbrachykephalen. Die Männer
sind meist von Mittelgröße, und kleine Gestalten gehören zu den Ausnahmen. Der Wuchs ist schlank,
regelmäßig, das Profil meist hübsch, das Auge
[* 14] schwarz, der Mund wohlgebildet. Die Haare
[* 15] sind dicht, lang und dunkel. Im Sommer
hüllt sich der Rumäne (immer die ländliche Bevölkerung als Typus festgehalten) in Leinenstoff, der als weite Hose und bunt
gesticktes Hemd getragen wird.
Ein breiter Filzhut oder eine Schaffellmütze dienen als Kopfbedeckung. Im Winter trägt er wollene Hose, Pelzjacke und Lodenmantel. Das rumänische Mädchen zeichnet sich durch Schönheit der Gestalt und Bewegung aus; Kopf- und Gesichtsbildung erinnern oft an antike Statuen, die dunkeln, von langen Wimpern beschatteten Augen geben dem Gesicht [* 16] einen idealen Ausdruck. Allgemein üblich ist die Unsitte des Schminkens der Wangen und Färbens der Augenbrauen. Das lange, weiße Hemd, meist bunt gestickt, läßt gewöhnlich die Formen deutlich erkennen.
Haarananas - Haare

* 17
Haar.
Außer einer Schürze ist es im Sommer das einzige Kleidungsstück der rumänischen Bäuerin, die sonst mit Blumen im Haar
[* 17] und
Gold- und Silbermünzen am Hals geschmückt ist. Während Schönheit und Sittenreinheit dem Mädchen nachgerühmt
werden, ist dieses bei der Frau weniger der Fall, die eine untergeordnete Stellung einnimmt und die Arbeit im Garten,
[* 18] Feld und
Wald, das Weben
[* 19] und Färben der Stoffe zu besorgen hat. Bei den Rumänen
der höhern Stände und in den großen Städten zeigt sich
dagegen in allen Äußerlichkeiten ein starkes Nachahmen des Pariser Geschmacks, und die Bojarinnen gelten als prachtliebend
und kokett. - Mit der geistigen Bildung sieht es in den niedern und mittlern Ständen des Volkes noch schlimm aus, und erst neuerdings
geschieht in Bezug auf Gründung von Volksschulen in den verschiedenen Ländern etwas mehr.
Der Rumäne gilt als hinterlistig, feig, grausam und faul, Charaktereigenschaften, die seine Nachbarn übereinstimmend ihm
nachsagen; doch hat er im letzten orientalischen Krieg (1878) sich als tapferer Soldat gezeigt. Viele suchen im Nichtsthun
und Rakitrinken ihr größtes Lebensglück; gern sind sie Fuhrleute. Im allgemeinen ist dem Rumänen
das
Streben nach Kapitalbesitz fremd. Dabei ist jedoch seine natürliche Begabung eine vorzügliche und entwickelungsfähige,
sein natürliches Geschick zu mechanischen Arbeiten groß, auch zeigt er große Anlagen zum Kunstgewerbe, und sein Formensinn
ist beachtenswert.
Europa. Fluß- und Gebi

* 20
Europa.
Viele Rumänen
führen in den Gebirgsländern ein nomadisierendes
Hirtenleben, während andre in den fruchtbaren Gegenden
Siebenbürgens und des Königreichs Rumänien Ackerbauer sind, und selbst die Popen bestellen ihre Felder selbst;
aber die Früchte dieser Thätigkeit fallen nur noch selten dem Arbeiter selbst in den Schoß, da der Rumäne auf dem platten
Land in einem sonst in Europa
[* 20] kaum wieder gekannten Maß dem Juden verschuldet ist. Mais ist das Hauptnahrungsmittel
des Rumänen
, welcher als dünner Brotkuchen genossen wird, während Schafkäse, Speck, Zwiebeln, Obst und Fische
[* 21] die Zukost
bilden.
Charakteristisch für den Rumänen
ist sein starker Aberglaube, der sein steter Begleiter auf dem ganzen Lebensgang ist. Seine
Religion ist infolge der niedrigen Bildungsstufe der Popen eine sehr äußerliche. Im Festkalender spielt
das Fest des Hauspatrons die größte Rolle, und Musik, Gesang, Tanz, meist von Zigeunern ausgeführt, hören das ganze Jahr wegen
der vielen Feiertage nicht auf. Der Gesang der ist schwermütig und wenig melodiös.
Vgl. Pič, Über die Abstammung der Rumänen
(Leipz.
1880);
Slavici, Die in Ungarn, Siebenbürgen und der Bukowina (Teschen 1881);
de Rosny, La patrie des Romains d'Orient (Par. 1885, mit Atlas). [* 22]