Rumänien
[* 2] (Geschichte). Weil wichtige Angelegenheiten in der ordentlichen Sitzungsperiode der Kammern 1890 nicht erledigt worden waren, wurden dieselben nach Ostern zu einer außerordentlichen Session für Ende April berufen. Sie wurde 28. April vom Ministerpräsidenten Manu eröffnet. Der erste Verhandlungsgegenstand war der für Ausbau und Ausrüstung der Landesbefestigungen verlangte Kredit von 60 Mill. Lei, welcher in vier Raten bewilligt wurde; ebenso ein Kredit von 10 Mill. zu Zwecken der Heeresausrüstung.
Der
Führer der Junimisten (s. d., Bd.
17),
Carp, wies bei der Beratung (9. Mai) auf die wichtige
Stellung
Rumäniens in dem künftigen Entscheidungskampf
zwischen
Osten und
Westen, zwischen europäischer
Kultur und orientalischer Barbarei hin, in welchem Rumänien
vor allem auf eine
Sicherung
seiner offenen östlichen
Grenze Bedacht nehmen müsse, während es im
Westen durch hohe
Gebirge geschützt sei. Das
Gesetz über
die
Reform des Richterstandes, welches die Unabsetzbarkeit der
richterlichen Beamten aussprach, erforderte
längere Beratungen, weswegen die Parlamentssession verlängert wurde, fand dann aber
Annahme. Die 6proz. Eisenbahnobligationen
und Rubelschuldverschreibungen wurden in eine 4proz.
Rente verwandelt. Die Einführung der
Goldwährung wurde mit einer Bankreform
abgeschlossen, worauf die
Kammern 22. Juni ihre Thätigkeit beendeten. Während der
Session fand eine Vereinigung
sämtlicher liberaler
Gruppen zu einer
Partei unter
Führung
Demeter
[* 3] Bratianos, Joan Bratianos und M. Cogalniceanus statt, welche
dem Liberalismus in Rumänien
wieder
Kraft
[* 4] und Aussicht auf Erfolg zu verleihen schien. Die im
November 1890 stattfindenden Gemeinderatswahlen
fielen freilich noch zu ungunsten der
Liberalen aus. Die
Verhandlungen des
Ministerpräsidenten
Manu mit
den Junimisten über die Ergänzung des
Ministeriums durch
Carp und einige andre Mitglieder dieser
Partei endeten mit einem
Kompromiß, wonach drei Junimisten in das
Kabinett eintreten sollten. Die neue Tagung der
Kammern wurde 28. Nov. vom König mit
einer
Thronrede eröffnet, die vor allem die günstige Finanzlage, welche die Umwandlung der
Staatsschuld
und die Aufhebung einzelner
Steuern ermöglicht habe, hervorhob; das
Budget für 1891 sei im
Gleichgewicht
[* 5] aufgestellt und das
Rechnungsjahr 1890 habe einen Überschuß ergeben. Dennoch gelang es der
Regierung nicht, eine feste, zuverlässige Mehrheit
in den
Kammern zu behaupten. Im
Senat erlangten die vereinigten Altkonservativen und
Nationalliberalen bei
der Präsidentenwahl im
Dezember für ihren
Kandidaten
Florescu die Mehrheit, und nur der Einfluß des
Königs und ein rasch
beschlossenes
Vertrauensvotum des
Senats bewogen die
Minister, nicht auf ihrem Rücktritt zu bestehen. Bei der Adreßdebatte
hielt in beiden
Kammern die Regierungsmehrheit noch zusammen. Als aber der
Senat beschloß,
die Beratung über den
Gesetzentwurf betreffend den öffentlichen
Unterricht auszusetzen, reichte das
Ministerium seine Entlassung
ein. Der König nahm sie an und beauftragte den
General
Florescu mit der
Bildung eines neuen
Kabinetts, die unter Ausschluß
der Junimisten im Einverständnis mit der altkonservativen
Gruppe
Catargiu-Vernescu stattfand.
Florescu übernahm den
Vorsitz,
Catargiu das
Innere, Vernescu die
Finanzen und Lahovary den
Krieg; es war also ein reines Bojarenministerium, dem die
Kammer am ersten
Tage, 5. März, sofort mit 77 gegen 69
Stimmen ein Tadelsvotum erteilte. Darauf wurden die
Kammern 6. März aufgelöst
und die
Neuwahlen für Ende April ausgeschrieben.
Zur Litteratur: Zingeler, Die
Hohenzollern
[* 6] in Rumänien
(Bonn
[* 7] 1890);
»Acte si documente privitoare la Istoria Renascerei Romaniei« (Bukar. 1888 ff., 7 Bde.);
Draghicénu,
Geologische Übersichtskarte von Rumänien
(mit
Text, Berl. 1890);
»Das litterarische Rumänien«
(Zeitschrift, seit 1889).
Rumänische Volkslieder sammelte H. Vacaresco (»Der Rhapsode der Dimbowitza«, deutsch von Carmen Sylva, Bonn 1889).