Rüssel
(Proboscis) nennt man zwar im allgemeinen das röhrenförmige Organ, das sich an der vordern
Fläche des
Gesichts mancher
Tiere findet und meist durch Verlängerung
[* 2] der Mundteile oder der
Nase
[* 3] entsteht; jedoch hat das Wort noch viele
Nebenbedeutungen. So findet man bei manchen
Würmern
(Naïs proboscidea L.,
Balanoglossus u. s. w.) einfache Verlängerungen
des Vorderkörpers über die Mundöffnung hinaus als Rüssel
bezeichnet, während bei vielen Schnecken,
[* 4]
Würmern u. s. w. der
eine ausstülpbare
Bildung der Mundorgane darstellt, die bald an der
Spitze bewaffnet ist, bald nicht, und zum Verwunden, Saugen
und Schlucken dient.
Bei manchen
Strudelwürmern (Nemertes) ist das ausstülpbare Organ nur zum Verwunden der Beutetiere bestimmt.
Bei den saugenden
Insekten
[* 5] geht der Rüssel
aus einer Umbildung der ursprünglich kauenden Mundteile hervor
und wird in den
Stechrüssel, Schöpfrüssel
und Rollrüssel unterschieden. Der
Stechrüssel, der sich z. B. bei Wanzen,
Stechmücken,
Stechfliegen findet, besteht aus der zur
Röhre verwandelten Unterlippe und enthält mehrere Stechborsten, die verwandelte
Kiefer sind, wozu manchmal noch die borstenförmige
Zunge kommt.
Der Schöpfrüssel
, wie bei der gemeinen
Stubenfliege, besteht aus der verlängerten, weichen und fleischigen
Unterlippe und endet in eine gleichsam zweiklappige Saugfläche, welche aus den umgestalteten
Lippentastern entstanden ist;
Stechborsten aber fehlen.
Endlich der Rollrüssel
,der sich bei
Schmetterlingen findet und in der Ruhe unter dem
Kopfe spiralig
zusammengerollt liegt, wird hervorgebracht durch die beiden sehr verlängerten
Unterkiefer, die zwei parallel
nebeneinander verlaufende
Röhren
[* 6] bilden und deren jede auf dem Rücken noch eine Längenleiste trägt, die sich mit der entgegengesetzten
mittels mikroskopischer Häkchen verbindet und hiermit eine dritte
Röhre darstellt, so daß der Rollrüssel
auf dem Querschnitt
drei
Röhren zeigt.
Bei Milben und parasitischen Krustentieren geht der Rüssel
ebenfalls aus umgewandelten Mundorganen
hervor.
Bei den
Rüsselkäfern (s. d.) dagegen
ist es der ganze Vorderkopf, welcher den sogenannten
Rüssel
bildet, an dessen Ende erst die sehr kleinen Kauwerkzeuge stehen.
Bei den Wirbeltieren, die mit einem Rüssel
versehen sind,
ist der eine Verlängerung der
Nase, welche innerlich die Einrichtung des Riechorgans zeigt. Unter den
Reptilien hat die Rüssel
schildkröte
(Chelys) einen ziemlich langen und dünnen Rüssel.
Dieses Organ dient bei Wirbeltieren teils
als
Atmungs- und
Geruchsorgan, teils zu andern Zwecken, wie bei dem Schweine,
[* 7] wo es kurz und vorn scheibenförmig abgestutzt
ist, zum Wühlen, bei dem
Maulwurf, wo es sehr beweglich ist, als sehr empfindliches Tastorgan und als
sehr feines, die
Beute aufspürendes Riechorgan.
Bei der Rüssel
robbe haben nur die Männchen eine zum Rüssel verlängerte
Nase; auch der
Rüsselbär und der Rohrrüßler besitzen
ähnliche Rüssel.
Der
Tapir hat einen zwar kurzen, aber sehr beweglichen Rüssel.
Die größte Ausbildung aber erlangt dieses
Organ bei dem Elefanten. Der Rüssel zeigt hier eine sehr große Beweglichkeit und Geschicklichkeit. Nach
Cuvier enthält der Elefantenrüssel 40000 nach
allen
Richtungen verbreitete
Muskelbündel. Ein beweglicher Knorpel
[* 8] schließt das hintere Ende, wo die mit
Knochen
[* 9] umgebene
Nasenhöhle beginnt, und verhindert als
Klappe das überströmen des eingesogenen Wassers in die hintere
Nasenhöhle und in die Luftwege. Man unterscheidet die Elefanten und die denselben verwandten vorweltlichen Formen, wie z. B.
die
Mastodonten, als besondere Säugetiergruppe unter dem
Namen der Rüsseltiere (s. d.).