Rudlieb
(Ruodlieb), latein. Gedicht aus dem 11. Jahrh., wahrscheinlich von einem Bayern verfaßt und als der erste frei erfundene Ritterroman merkwürdig. Die erhaltenen Bruchstücke desselben erzählen, wie der Recke Rudlieb vor seinen Feinden zum König von Afrika entweicht und, nachdem er zehn Jahre daselbst zugebracht, durch einen Brief seiner Mutter zurückgerufen wird. Beim Abschied gibt ihm der König zwölf goldene Lehren. Nach mancherlei Abenteuern zu Hause angelangt, soll sich Rudlieb vermählen.
Eine von den Verwandten vorgeschlagene, aber ihm anstößige Heirat weiß er zu umgehen. Darauf zeigt ihm ein Zwerg, den er bezwingt, den Schatz zweier Könige, des Immung und seines Sohns Hartung; beide erschlägt Rudlieb, und die schöne Herburg, Immungs Tochter und eines mächtigen Reichs Erbin, wird seine Frau. Das Gedicht, das sich in epischer Breite ergeht und vom Leben der damaligen Zeit ein reiches Bild entwirft, ist abgedruckt in den »Lateinischen Gedichten des 10. und 11. Jahrhunderts« von Grimm und Schmeller (Götting. 1838) und wurde neuerlich von Seiler (Halle 1882) herausgegeben.