Rubens,
Peter Paul, der berühmteste vläm. Maler, geb. im Juni 1577 wahrscheinlich zu Siegen (im Nassauischen), Sohn eines Antwerpener Rechtsanwalts und Schöffen, Jan Rubens, der als Reformierter sich vor den religiösen Verfolgungen 1568 nach Köln flüchtete und dann, weil er mit der Witwe Wilhelms von Oranien intimen Umgang gepflogen hatte, in Siegen (1573) seinen Aufenthalt nehmen mußte. 1578 erhielt die Familie die Erlaubnis, sich wieder in Köln niederzulassen; nach dem Tode des Vaters (1587) kehrte die Witwe, Maria Pypelincx, mit den Kindern nach Antwerpen zurück.
Dort besuchte der junge Rubens drei Jahre lang die Lateinschule und kam 1590 als Page zu der Gräfin Lalaing, wahrscheinlich nach Oudenaarde. Doch bald begann er seine künstlerischen Studien; er besuchte das Atelier des Tobias Verhaecht, eines mittelmäßigen Landschaftsmalers, arbeitete 1592–96 bei Adam van Noort und vier weitere Jahre bei Otto Venius. Darauf trat er eine Studienreise nach Italien an; er reiste nach Venedig ab, von wo der Herzog von Mantua, Vincenzo Gonzaga, ihn mit in seine Residenz nahm.
Von Juli 1600 bis Dez. 1608 erfreute er sich der Gunst des Herzogs, der ihn im Sommer 1601 nach Rom schickte, damit er dort einige Gemälde kopierte und ausführte. Dort angekommen, erhielt er 1602 vom Erzherzog Albrecht, dem Statthalter der Niederlande, den Auftrag, drei Altarbilder für die Kapelle der heil. Helena in der Kirche Sta. Croce in Gerusalemme zu malen. Im April 1602 kehrte Rubens nach Mantua zurück, reiste im Auftrage des Herzogs März 1603 nach Spanien, um König Philipp III. Geschenke zu überbringen. Im Febr. 1604 war er wieder in Mantua und führte nun drei große Gemälde: Die heilige Dreieinigkeit von der herzogl. Familie verehrt, Die Transfiguration, Die Taufe Christi, für die Jesuitenkirche daselbst, aus. Von Ende 1605 bis Juni 1607 weilte Rubens wieder in Rom, von neuem seit 1608; doch riefen ihn im Oktober die Nachrichten über den schlechten Gesundheitszustand seiner Mutter nach Antwerpen zurück. Als er Dez. 1608 in der Heimat eintraf, war seine Mutter bereits verstorben.
In Rom hatte Rubens die Werke der großen ital. Meister studiert und selbständig Bildnisse sowie mytholog. und religiöse Kompositionen gefertigt, bei seinem letzten Aufenthalt daselbst einen heil. Gregor mit andern Heiligen für die Chiesa Nuova, welches Bild später die Grabkapelle seiner Mutter zierte (jetzt im Museum zu Grenoble). Am verheiratete er sich mit Isabella Brant, der Tochter des Ratssekretärs, die ihm eine Tochter und zwei Söhne gebar, und baute sich in Antwerpen ein stattliches Haus, das ihm als Wohnsitz, Atelier und Museum diente.
Alsbald erhielt er zahlreiche Aufträge; so malte er für die Kathedrale zu Antwerpen 1610 Die Aufrichtung des Kreuzes und 1612 Die Kreuzabnahme Christi (kleinere Wiederholung im Antwerpener Museum). Das ebenfalls 1610 ausgeführte große Bild einer Anbetung der Könige kam nach Spanien und befindet sich jetzt im Prado-Museum zu Madrid. Vom J. 1614 sind datiert: Susanna im Bade (Stockholm, Nationalmuseum), Flucht nach Ägypten (Museum in Cassel) und die Erkältete Venus (Museum in Antwerpen). 1615 vollendete Rubens das Triptychon, darstellend die Geschichte des ungläubigen Thomas mit den Bildnissen des Nic. Rockox und seiner Frau für die Kirche der Franziskaner.
Ungefähr aus derselben Zeit stammen: Das kleine Jüngste Gericht, Der Sturz der Verdammten, Die Versöhnung Esaus und Jakobs, Jesus und die vier reuigen Sünder, Der Früchtekranz (sämtlich in der Münchener Pinakothek), Anbetung der Könige (Museum in Brüssel), Christus am Kreuz (im Louvre), Kreuzabnahme Christi (Museum in Valenciennes und in Lille), Der heil. Franz von Assisi (ebenfalls in Lille), Martyrium des heil. Georg (Museum in Bordeaux), Dianas Rückkehr von der Jagd (Galerie in Dresden), Meleager und Atalante (Galerie zu Cassel), Perseus und
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Andromeda, Neptun und Amphitrite (Museum in Berlin), Eberjagd (Museum in Marseille), Jagd auf Krokodil und Nilpferd (Museum in Augsburg), Perseus befreit Andromeda und Triumph des Silen (Eremitage zu Petersburg). 1617 malte er die Geißelung Christi für die Paulskirche zu Antwerpen, 1618 das große Jüngste Gericht (Münchener Pinakothek), Daniel in der Löwengrube (im Besitz des Herzogs von Hamilton), Der trunkene Silen (Münchener Pinakothek), Geschichte des Decius (6 Bilder; Galerie Liechtenstein zu Wien), Heros von der Siegesgöttin gekrönt (Galerie zu Cassel).
Von Febr. 1618 bis Aug. 1619 war Rubens beschäftigt mit der Vollendung des Triptychons: Der wunderbare Fischzug, für die Liebfrauenkirche zu Mecheln. Für die Johanniskirche daselbst führte er Die Anbetung der Könige als Hauptbild eines Triptychons mit Predellen aus vollendet). Aus dem J. 1619 stammt Die Amazonenschlacht (Alte Pinakothek zu München: s. die beigefügte Tafel: Amazonenschlacht). In der ersten Hälfte des J. 1620 vollendete er Die Geburt Christi und Die Ausgießung des heiligen Geistes für die Jesuitenkirche in Neuburg, im Auftrage des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm, der den Künstler kurz vorher für dieselbe Kirche mit der Ausführung eines großen Jüngsten Gerichts beauftragt hatte (alle drei Gemälde jetzt in der Münchener Pinakothek).
Aus derselben Zeit stammen noch: Die Himmelfahrt Mariä (Museum in Brüssel), Die heil. Dominicus und Franz als Retter der Welt (Museum in Lyon), Der heil. Stephanus (Triptychon; Museum in Valenciennes), Wunder des heil. Ignatius für San Ambrogio zu Genua, Wunder des heil. Franz Xaver und Wunder des heil. Ignatius (im Hofmuseum zu Wien); letztere beide für die Jesuitenkirche in Antwerpen gemalt. Für dieselbe Kirche begann Rubens 39 Plafonds und ein Altargemälde, die vor Ablauf des Jahres vollendet sein sollten.
Diese großartige Arbeit wurde durch einen Brand zerstört. Vom J.1619 datiert noch: Die letzte Kommunion des heil. Franz von Assisi, und von 1620: Christus am Kreuz, zwei Hauptwerke, die das Antwerpener Museum besitzt. Die Zahl und Bedeutung der Werke, die Rubens während der zwölf ersten Jahre seit der Rückkehr nach Antwerpen vollendete, beweisen, wie schnell sich sein Ruhm in seinem Vaterlande und über dessen Grenzen hinaus verbreitete. Im Jan. 1622 wurde er von der Königin-Mutter Maria von Medici nach Paris gerufen, die ihn beauftragte, den Ehrensaal in dem von ihr erbauten Palais du Luxembourg auszumalen; er arbeitete drei Jahre lang an diesen 24 Gemälden und ging zur Ausstellung derselben Jan. 1625 nach Paris.
Die Gemälde, welche das Leben der Maria von Medici von ihrer Geburt bis zur Versöhnung mit ihrem Sohne Ludwig XIII. im J. 1620 schildern, befinden sich jetzt in der Galerie des Louvre (18 Skizzen in der Alten Pinakothek zu München). Sodann wurde Rubens beauftragt, einen zweiten Saal des Louvre mit Darstellungen aus der Geschichte Heinrichs IV. zu schmücken; er arbeitete daran mit Unterbrechung 1628 und 1630, doch blieb diese zweite Serie von Bildern unvollendet. Zwei großartige Skizzen aus derselben bewahrt die Uffiziengalerie zu Florenz. Zu gleicher Zeit (1622) ließ König Ludwig XIII. zwölf Kartons zu Teppichen mit der Geschichte Konstantins d. Gr. von ihm anfertigen.
Unter seinen Werken dieser Epoche sind ferner zu nennen: Der heil. Rochus wird von Christus den Pestkranken zur Anrufung empfohlen, für die St. Martinskirche zu Alost (1623 oder 1624), Bekehrung des heil. Bavo, für die Kathedrale zu Gent (1624), Anbetung der Könige (1624; Museum in Antwerpen), Himmelfahrt Maria (1626; Hauptaltarbild der Kathedrale zu Antwerpen), 15 große Kartons (1627 vollendet), nach denen die Erzherzogin Isabella Teppiche für das Clarissenkloster in Madrid weben ließ.
Schon 1623–25 mit diplomat. Missionen von der Infantin Isabella beauftragt, unterhandelte Rubens 1627 auf Veranlassung des Herzogs von Buckingham zu Brüssel mit dem engl. Agenten Balth. Gerbier über den Frieden, den Karl I. von England mit Spanien zu schließen gesonnen war. Auf Grund der Vorbesprechungen wurde Rubens Aug. 1628 nach Madrid zum König berufen, um endgültige Instruktionen zu erhalten. Mit diesen ging er nach London, wo er von Juni 1629 bis März 1630 verweilte und die Verhandlung über die Bedingungen zur Erledigung brachte, unter denen der Friede Nov. 1630 zu stande kam. Während seines Aufenthalts in Madrid malte Rubens zahlreiche Bildnisse von Mitgliedern der königl. Familie (jetzt im Museum zu Madrid); in London malte er die Familie Gerbier und als Geschenk für König Karl: Minerva verteidigt den Frieden gegen den Krieg.
Bald nach seiner Rückkehr aus London, heiratete er Helena Fourment, die ihm fünf Kinder gebar. 1630–32 arbeitete er im Auftrage der Infantin Isabella an dem herrlichen Triptychon des heil. Ildefons für die Kirche St. Jakob aus Caudenberg in Brüssel (jetzt im Hofmuseum zu Wien); 1630–35 malte er für den König von England Gemälde für den Bankettsaal des Schlosses zu Whitehall, in denen er eine Verherrlichung Jakobs I. gab. 1632 vollendete er das Abendmahl für St. Rombaut in Mecheln (jetzt im Museum zu Mailand).
Aus derselben Zeit stammt: Tomyris und Cyrus (im Louvre), Simsons Gefangennehmung (Münchener Pinakothek). 1634 und 1635 führte er die Kompositionen zu dem Triumphbogen für den Kardinal-Infanten Ferdinand in Antwerpen (Skizzen in der Eremitage zu Petersburg) aus, die die Erfindungsgabe des genialen Dekorationsmalers so recht offenbaren. 1635–36 fertigte er für den König von Spanien Kompositionen nach Ovids «Metamorphosen», mehr als 50 Gemälde, bestimmt zur Ausschmückung des Jagdschlößchens Torre de la Parada bei Madrid. In seinen letzten Lebensjahren schuf Rubens noch für König Philipp IV. eine Anzahl Gemälde mytholog.
Inhalts (jetzt im Prado-Museum zu Madrid). Unter den Hauptwerken dieser Zeit sind zu nennen: Anbetung der Könige (1634; Sammlung des Herzogs von Westminster), Bathseba im Bade (Dresdener Galerie), Bethlehemitischer Kindermord (Münchener Pinakothek), Vläm. Kirmeß (im Louvre), Martyrium des heil. Livinus (Museum zu Brüssel), Raub der Sabinerinnen (Nationalgalerie zu London), Kreuztragung (1637; Museum zu Brüssel), Himmelfahrt Maria (Galerie Liechtenstein zu Wien), Kreuzigung Petri (St. Peter zu Köln), Vornehme Gesellschaft oder Garten der Venus (Museum zu Madrid), Martyrium des heil. Thomas (in der Augustinerkirche zu Prag) sowie eine große Anzahl Landschaften. Rubens starb und wurde bestattet in der Jacobskirche zu Antwerpen; für den Altar seiner Grabkapelle hatte er eine sog.
1045a Rubiinen (Dikotyledonen: Sympetalen.) 1. Coffea arabica (Kaffee);
a Blüte, b Fruchtstand, verkleinert, c Frucht, d desgl. Im Querschnitt. 2. Chinona calisaya (Chinarinde);
a Blüte, b Teil des Fruchtstandes. 3. Sambucus nigra (Holunder);
a Blüte, vergrößert, b Frucht, c desgl. Im Querschnitt. 4. Rubia tinctorum (Krapp);
a Blüte, b Frucht, c Wurzel. 5. Cephaëlis ipecacuanha (Brechwurzel);
a Blüte.
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Santa conversazione, eins seiner letzten und herrlichsten Werke, gemalt. 1840 wurde sein nach W. Geefs’ Modell in Erz gegossenes Standbild zu Antwerpen enthüllt (s. Tafel: Niederländische Kunst IV, [* ] Fig. 2). Rubens war der fruchtbarste Maler der Welt; die Zahl seiner Gemälde überschreitet 1200. Außer Gemälden schuf er mehrere hundert Zeichnungen, die zumeist zur Reproduktion in Kupfer bestimmt waren und als Illustrationen der von seinem Freund Balthasar Moretus veröffentlichten Bücher dienten. Er wurde der Gründer einer Kupferstecherschule, die ihrerseits Ruhm gewann durch die Wiedergabe seiner berühmten Werke. Er hatte einen hochbedeutenden Einfluß auf die vläm. Malerei; ein Jahrhundert lang folgte sie der von ihm vorgezeichneten Richtung.
Seine Schüler waren zahlreich, der berühmteste ist A. van Dyck. Von den andern sind zu nennen: Th. van Thulden, Corn. Schut, Erasmus Quellinus, Jan van den Hoeck, Abr. van Diepenbeeck, Jan Thomas van Ypern, Ant. Sallaert, Franc. Wouters, Deoda-del Monte, Victor Wolfvoet. Alle diese unterstützten ihn oft bei Ausführung seiner Gemälde: Rubens fertigte die Skizzen, die Schüler führten sie aus, danach folgte die Überarbeitung durch den Meister. Andere Künstler unterstützten ihn, indem sie ihm direkt bei den Arbeiten halfen: Frans Snyders und Paul de Vos malten oftmals in seine Gemälde die Tiere, Lukas van Uden und Jan Wildens die Landschaften, Jan Brueghel die Blumen. Rubens war ein Eklektiker, begeisterte sich an den Schöpfungen der großen ital. Maler und gelangte so zu einem gesunden Realismus, einem reichen und harmonischen Kolorit. Der Schwung seiner Komposition, die Leichtigkeit des Schaffens, der Glanz seiner Farben machten ihn weltberühmt. Er bewegte sich auf den verschiedensten Gebieten der Malerei, und in allen war er gleich hervorragend: Religion und Geschichte, Allegorie und Mythologie, Bildnis, Landschaften, Tier- und Jagdstücke waren die von ihm mit Glanz vertretenen Fächer.
Treffliche Stiche nach R.’ Werken lieferten in seinem Auftrage L. Vorstermann, die Brüder B. und S. van Bolswert, P. Pontius, P. de Jode, Corn. Galle, Nic. Ryckemans, Jan Witdoeck, G. Panneels, Christ. Jegher. Rubens beeinflußte auch die Baukunst seines Landes und zeigte sich als Anhänger eines derben Barockstils. Auch veröffentlichte er die wichtigsten Paläste von Genua im Grund- und Aufriß u. d. T. «Palazzi antichi di Genova» (2 Bde., mit 139 Kupfertaf., Antw. 1622).
Litteratur. Die von seinem Neffen Philip Rubens geschriebene «Vita P. P. Rubenii» veröffentlichte Baron von Reiffenberg. A. van Hasselt, Histoire de Rubens (Brüss. 1840);
Gachet, Lettres inédites de Rubens (ebd. 1840);
Gachard, L’articularités et documents inédits sur Rubens (ebd. 1842);
A. Michiels, Rubens et l’école d’anvers (Par. 1854; 4. Aufl. 1877);
Sainsbury, Original unpublished papers illustrative of the life of Rubens (Lond. 1859);
Bakhuysen van den Brink, Les Rubens à Siegen (Haag 1861): Baschet, Rubens peintre de Vincent I de Gonzague (in «Gazette des Beauxarts», 1866–68);
Kinkel, Peter Paul Rubens (Bas. 1874);
Cruzada Villaamil, Rubens diplomatico espaňol (Madr. 1874);
Génard, Peter Paul Rubens (Antw. 1877);
Gachard, Histoire politique et diplomatique de Rubens (Brüss. 1877);
Hymans, Histoire de la gravure dans l’école de Rubens (ebd. 1879);
Ad. Rosenberg, Rubensbriefe (Lpz. 1881);
Göler von Ravensburg, Rubens und die Antike (Jena 1882);
Rooses, Rubens en Balth. Moretus (Antw. 1884);
ders., L’œuvre de Rubens Histoire et description de ses tableaux et dessins (mit 360 Abbild., 5 Bde., ebd. 1886–92);
Correspondance de Rubens et documents épistolaires concernant sa vie et ses œuvres, Bd. 1: 1600–8 (hg. von Ruelens, ebd. 1887);
Rosenberg, Der Kupferstich in der Schule und unter dem Einfluß des Rubens (Wien 1888);
ders., Peter Paul Rubens (in der «Zeitschrift für bildende Kunst», Lpz. 1894);
endlich die beim Artikel Niederländische Kunst angeführten Werke.
Verzeichnisse von R.’ Werken und der danach gestochenen Blätter lieferten: F. Basan, Catalogue des estampes gravées d’après Rubens (Par. 1767);
Schneevoogt, Catalogue (Haarl. 1873);
J. Smith, Catalogue raisonné of the works of the most eminent Dutch, Flemish and French Painters, Vol. II (Lond. 1830);
A. von Hasselt in der angeführten Biographie; A. Michiels, catalogue des tableaux et dessins de Rubens (Par. 1854).