Rubens
,
Peter
Paul, niederländ.
Maler, das
Haupt der belgischen
Malerschule, geb. zu
Siegen,
[* 2] wo sein
Vater, der adliger
Schöppe in
Antwerpen
[* 3] gewesen, wegen
Ehebruchs mit der Gemahlin des
Prinzen
Wilhelm von
Oranien gefangen
gehalten wurde. Nach des
Vaters
Tod 1587 zog die
Witwe mit ihren
Kindern nach
Antwerpen zurück, und Rubens
fungierte einige Zeit
als
Page, widmete sich aber seit 1592 der
Kunst und hatte nacheinander
Tobias Verhaegt, van Noort und namentlich
Otto van
Veen zu
Lehrern. 1598 wurde er in die Malergilde zu
Antwerpen aufgenommen. Im Mai 1600 ging er nach
Italien
[* 4] und verweilte
zunächst in
Venedig,
[* 5] um daselbst
Tizian,
Veronese u. a. zu studieren. Hier wurde der
Herzog Vincenzo
Gonzaga
von
Mantua
[* 6] auf ihn aufmerksam gemacht, der ihn als Hofmaler nach
Mantua berief. Die Kunstschätze des
Herzogs, die Fresken
Giulio
Romanos, die
Arbeiten
Mantegnas in
Mantua boten ihm die reichste Anregung. Nach längerm Aufenthalt
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in Rom
[* 8] begab sich Rubens
1603 als Überbringer kostbarer Geschenke des Herzogs an den spanischen Hof
[* 9] nach Madrid.
[* 10] 1604 zurückgekehrt,
malte er ein Triptychon mit der heiligen Dreifaltigkeit für die Jesuitenkirche in Mantua. 1605 ging er nach Rom, wo er ein Altarbild
für Santa Maria in Vallicella (Madonna mit sechs Heiligen) zu malen begann (1608 vollendet). 1607 besuchte
er mit dem Herzog Genua,
[* 11] wo er die Marchesa Spinola malte, und Mailand.
[* 12] Die Nachricht von der Krankheit seiner Mutter rief ihn
im Herbst 1608 nach Antwerpen zurück; und die Trauer über ihren Tod sowie die Versprechungen des Erzherzogs Albert, des Statthalters
der Niederlande,
[* 13] der ihn zu seinem Hofmaler ernannte, hielten ihn dort fest. Im J. 1609 vermählte er sich mit Isabella Brant,
und 1611 gründete er sich ein eignes prächtiges Heim, in dem er seine reichen Sammlungen unterbrachte.
Sein Atelier füllte sich bald mit Schülern. Die ersten Bilder dieser Periode sind: die Anbetung der Könige
(1610, Museum zu Madrid), der Altar
[* 14] des heil. Ildefonso (Wien),
[* 15] ein Werk von wunderbarer Feinheit der Ausführung und zartem
Dufte der Farbe (damals begonnen, aber erst nach 1630 vollendet) und das berühmte Bild in der Pinakothek zu München,
[* 16] welches
ihn und seine Frau vorstellt, in einer Laube sitzend. Welche Meisterschaft Rubens
damals schon in dramatisch
bewegten Darstellungen entfalten konnte, zeigen die Kreuzaufrichtung von 1610 und die Kreuzabnahme von 1611 (beide in der Kathedrale
zu Antwerpen), in welchen noch am meisten die Erinnerungen an Michelangelo und Caravaggio nachklingen.
Von Jahr zu Jahr mehrte sich der Ruhm Rubens'
wie sein Reichtum, seine Ehren und die Zahl seiner Schüler. 1622 rief
ihn Maria de' Medici nach Paris,
[* 17] um ihren dort erbauten Luxembourgpalast mit Darstellungen der merkwürdigsten Begebenheiten ihres
eignen Lebens zu schmücken. Rubens
entwarf die Skizzen (Münchener Pinakothek) und ließ danach von seinen Schülern die Gemälde
ausführen, die er überging und 1625 selbst nach Paris brachte (jetzt im Louvre). Nachdem Rubens
schon seit 1623 als
diplomatischer Agent in den Diensten der Erzherzogin Isabella zum Zweck von Friedensunterhandlungen thätig gewesen, sandte ihn 1628 die
Erzherzogin in gleicher Absicht nach Spanien.
[* 18] Rubens
gewann das Vertrauen des Königs, wurde Sekretär
[* 19] des Geheimen
Rats und führte während seines Aufenthalts in Madrid mehrere Werke aus.
Von Madrid wurde er unmittelbar 1629 nach London [* 20] gesandt, um mit dem König wegen des Friedens zu verhandeln, und diesen Vorbesprechungen wurde es verdankt, daß der Friede 1630 unterzeichnet wurde. Der König von England schlug ihn zum Ritter. Auch in London war er als Maler thätig. In der Folge ward er noch zu mehreren Staatsgeschäften gebraucht, die ihm jedoch geringere Ehren einbrachten. Nach dem Tod seiner ersten Gattin (1626) vermählte er sich 1630 mit der schönen Helene Fourment, welche ihm häufig als Modell diente.
In den spätern Jahren seines Wirkens entwarf er, da sich die Aufträge zu sehr häuften, fast nur noch
die Skizzen selbst; die Ausführung mußte er seinen Schülern überlassen, und nur einzelnes, besonders die Hauptteile, überging
er bisweilen. Bei Übernahme von Arbeiten wurde häufig ausgemacht, von welchen Schülern er sich helfen lassen dürfe. Rubens
lebte
jetzt bald in der Stadt, bald auf seinem Landsitz Steen bei Mecheln.
[* 21] Seit 1635 malte er meist Staffeleibilder
von feinerer Ausführung. Er starb nach längerm Leiden
[* 22] an der Gicht in Antwerpen.
Die Stelle, wo seine Gebeine in der St. Jakobskirche zu Antwerpen ruhen, bezeichnet ein vortreffliches
Werk seiner
Hand,
[* 23] die Madonna mit dem Kind und mehreren Heiligen darstellend. Der Erlös aus dem Verkauf seines Nachlasses belief sich auf
1,010,000 Gulden. 1840 wurde Rubens
zu Antwerpen eine von Geefs modellierte Bronzestatue gesetzt und 1877 sein 300jähriger Geburtstag
in Antwerpen und Siegen feierlich begangen. Rubens'
Hauptstreben ging auf höchste Lebendigkeit der Darstellung
und auf das höchste Maß von koloristischer Wirkung.
Die erloschene religiöse Begeisterung suchte Rubens
, ohne sich jedoch in den Dienst einer fanatischen kirchlichen Richtung zu stellen,
dadurch wieder anzufachen, daß er selbst Gegenstände, deren Natur eine ruhige Darstellung erforderte, in lebhaft bewegter
Weise auffaßte. Seine Werke tragen mehr als die jedes andern Malers das Gepräge des ursprünglichen,
frischesten, lebendigsten Ergusses der Phantasie. Wie Rembrandt der Maler des Helldunkels, so ist Rubens
der Maler des Lichts und der
Farbenglut.
Seine Kunst umfaßte den gesamten Kreis [* 24] des Darstellbaren. Hinsichtlich des Reichtums seiner Erfindungen sind ihm von den größten Malern unter den neuern nur Raffael und Albrecht Dürer zu vergleichen. Seine Gestalten, besonders die weiblichen, leiden bisweilen unter einem Übermaß von Fleischesfülle und Muskelreichtum; aber dieser üppige Reichtum bildet einen Bestandteil seiner über menschliches Maß hinaus gesteigerter mit Michelangelo verwandten Formensprache.
Seine Freude an der sinnlichen Erscheinung bildet einen scharfen Gegensatz zu der weltentrückten Frömmigkeit der Andachtsbilder der ältern Schule; aber die sinnliche Glut seiner Farbe und das berauschende Fortissimo seiner religiösen Kompositionen kamen den katholischen Reformbestrebungen, die in erster Linie durch die Jesuiten vertreten wurden, sehr entgegen, weshalb ihn auch die Jesuiten 1620 mit der Ausschmückung ihrer Kirche in Antwerpen betrauten und er bis an sein Lebensende der bevorzugte Kirchenmaler der katholischen Welt blieb.
Die gleiche Kraft [* 25] leidenschaftlicher Darstellung widmete er aber auch mythologischen Gegenständen. In der Darstellung des Nackten, in der wunderbaren Leuchtkraft der Fleischfarbe ist er unübertroffen. Er war der erste, der nicht nur ausgekleidete Modelle nachbildete, sondern Gestalten schuf, welche, wie die der Griechen und Römer, [* 26] an Nacktheit gewöhnt waren. hat etwa 1500 Bilder hinterlassen, von denen freilich ein großer Teil von Schülerhänden ausgeführt und nur von ihm übergangen worden ist.
Neben den bereits genannten religiösen Bildern ist das jetzt im Belvedere zu Wien befindliche Bild des
heil. Ignaz von Loyola, der den Teufel austreibt, als eins derjenigen Werke auszuzeichnen, woraus die eigentümliche Größe
von Rubens
besonders hervorleuchtet. Am herrlichsten kommt diese letztere aber zur Entfaltung in solchen Bildern,
die eine dramatische Behandlung erfordern, wie die Bilder: der Sturz der rebellischen Engel, der Sturz der Verdammten,
das große und kleine Jüngste Gericht, das apokalyptische Weib, die Niederlage Sanheribs und der bethlehemitische Kindermord
(sämtlich in der Münchener Pinakothek). Von andern biblischen Darstellungen sind zu nennen: das Urteil Salomos, Simson und Delila,
Christus und die bußfertigen Sünder, Lot mit Frau und Töchtern von zwei Engeln aus Sodom geleitet (bei Mr.
Butler zu London), zahlreiche Darstellungen der Anbetung der Könige und der Himmelfahrt Mariä (letztere zu Antwerpen, Brüssel,
[* 27] Düsseldorf,
[* 28] Wien), die Kreuzigung Petri (Peterskirche zu Köln),
[* 29] die Kreuzigung Christi (coup de lance, Antwerpen),
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die Kreuztragung Christi (Brüssel) und die heil. Cäcilia (Berlin).
[* 31] Ganz frei und eigentümlich erscheint der Künstler in der
Behandlung des klassischen Altertums, dem er eine große Zahl von Bildern entnahm, zum Teil aus der Göttergeschichte, besonders
aus dem bacchischen Kreis (zahlreiche Bacchanalien), zum Teil aus der Heroengeschichte (Decius Mus in Wien).
Hervorzuheben sind: der Raub der Töchter des Leukippos, die Amazonenschlacht und der sterbende Seneca (München), das Venusfest
und Boreas und Oreithyia (Wien), Jupiter und Kallisto (Kassel),
[* 32] Neptun und Amphitrite, die gefesselte Andromeda und Bacchanal (Berlin),
das Urteil des Paris (Madrid) und Neptun auf dem Meer (Dresden,
[* 33] ein Teil der unter Rubens'
Leitung ausgeführten
Dekorationen zum Einzug des Kardinal-Infanten Ferdinand zu Antwerpen, 1635). Mit gleicher Wärme
[* 34] und Liebe umfaßte Rubens
die Darstellung
des Naturlebens und des fröhlichen Treibens der Kinder.
Das vortrefflichste Bild letzterer Art sind die sieben Kinder in der Pinakothek zu München, welche einen mächtigen Fruchtkranz
tragen. In seinen Tierbildern, die zum Teil in Gemeinschaft mit F. Snyders entstanden sind, entfaltet Rubens
ebenfalls
das höchste Maß von Lebendigkeit und dramatischer Kraft. Es sind zumeist Jagden, unter denen die Löwenjagd in München, die
Wolfsjagd bei Lord Ashburton, die Wildschweinsjagd in Dresden und die Hirschjagd der Diana in Berlin in erster
Reihe stehen.
Auch für die Landschaftsmalerei war Rubens
bahnbrechend, weil er Größe der Auffassung mit Tiefe und Kraft der Stimmung verband.
Es gibt sowohl solche Landschaften von ihm, welche, mit Zuziehung einiger Motive aus der Natur aus freier Phantasie hervorgegangen,
die Elemente in ihrem Aufruhr zeigen (Odysseus an der Küste der Phäaken in Florenz,
[* 35] Überschwemmung mit Philemon
und Baucis in Wien), als solche, die den idyllischen Charakter von Rubens'
reichgesegnetem Heimatsland darstellen (Landschaft mit
dem Regenbogen in München, Abendlandschaft in Petersburg).
[* 36]
Seine wenigen Genrebilder zeichnen sich durch eine geistreiche Auffassung und eine freie Behandlung aus (Bauernkirmes und Turnier im Louvre, Bauerntanz in Madrid). Von den Konversations- und Schäferstücken existiert der Liebesgarten in vielen Exemplaren, von denen aber das Bild in Madrid, nicht das in Dresden, als das Original zu betrachten ist. Ein andres Konversationsstück befindet sich unter dem Namen »der Schloßpark« im Belvedere zu Wien. Unter seinen zahlreichen Bildnissen gehört das Bild im Palast Pitti zu Florenz, bekannt unter dem Namen der vier Philosophen, welches Justus Lipsius, Hugo Grotius, Philipp Rubens und den Künstler selbst vorstellt, seiner frühsten Zeit an. Ausgezeichnet sind auch die Bildnisse von Rubens und seiner Frau im Schloß zu Windsor, bedeutender aber noch sind dessen Familienporträt in der Nationalgalerie zu London, das Bild seiner Frau mit Kind in München und das Doppelbildnis seiner Söhne in der Galerie Liechtenstein [* 37] zu Wien.
Eins seiner vollendetsten Bildnisse ist das des Doktors van Tulden in der Pinakothek zu München; ausgezeichnet durch sein magisches Helldunkel ist das unter dem Namen des Strohhuts bekannte Bildnis eines Mädchens in der Nationalgalerie zu London und meisterhaft in der Modellierung des Fleisches das Bildnis der nur mit einem Pelz bekleideten Helene Fourment in Wien. Wenige Künstler haben auf ihre Zeit einen so mächtigen, unwiderstehlichen Einfluß geübt wie es gibt keinen Zweig der niederländischen Malerei, auf den er nicht bestimmend eingewirkt hätte.
Die Zahl seiner Schüler war außerordentlich groß. Die bedeutendsten sind: van Dyck, Soutman, Th. van Tulden, M. Pepyn, A. Diepenbeek, C. Schut, E. Quellinus, J. ^[Justus] van Egmont, J. ^[Jan] van Hoeck etc. Außerdem aber hat er auch eine Schule von ausgezeichneten Kupferstechern herangezogen, wie Vorsterman, S. a Bolswert, Pontius etc., die seine Werke auf seine Kosten für den Verkauf in Kupfer [* 38] stachen, während Chr. Jegher sie in Holz schnitt. [* 39] Auch war er selbst der Radierkunst mächtig, und überdies hat er eine große Zahl von Zeichnungen für Büchertitel, Bücherverzierungen u. dgl. angefertigt. Er hat zahlreiche Handzeichnungen hinterlassen (in London, Paris und Wien). Rubens war ein Mann von universeller gelehrter Bildung, welcher mit zahlreichen Zeitgenossen in Briefwechsel stand.
Vgl. Michel, Histoire de la vie de Rubens (Brüssel 1771);
Waagen, Kleine Schriften (Stuttg. 1875);
Sainsbury, Original unpublished papers illustrative of the life of Rubens (Lond. 1858);
Bakhuizen van den Brink, Les à Siegen (Haag [* 40] 1861);
Michiels, Rubens et l'école d'Anvers (4. Aufl., Par. 1877);
Gachard, Histoire politique et diplomatique de Rubens (Brüssel 1877);
Génard, P. P. Rubens (Antw. 1877);
Hymans, Histoire de la gravure dans l'école de Rubens (Brüssel 1879);
Rosenberg, Rubensbriefe (Leipz. 1881);
Goeler v. Ravensburg, [* 41] Rubens und die Antike (Jena [* 42] 1882);
Rooses, en Balth. Moretus (Antwerp. 1884);
Derselbe, L'œuvre de Rubens (das. 1887 ff., 4 Bde.);
Rosenberg, Die Rubensstecher (Wien 1888 ff.);
Ruelens, Correspondance de Rubens (Antwerp. 1888 ff.).