JeanBaptiste, franz. Dichter, geb. zu
Paris
[* 2] als Sohn eines Schuhmachers, wurde
von den
Jesuiten erzogen, schrieb seit 1694 für die
Bühne, hatte aber nur mit dem
Lustspiel «Le
[* 3] flatteur» (1697) einigen Erfolg.
Er wandte sich deshalb der lyrischen
Dichtung zu, und verfaßte Oden und
Hymnen, daneben auch für seine vornehmen
Gönner boshafte
und cynische
Epigramme. Wegen einiger satir. Verse, die er vergeblich als vom Geometer Saurin verfaßt
bezeichnete, wurde er mit ewiger
Verbannung bestraft, worauf er nach der
Schweiz
[* 4] flüchtete und am franz. Gesandten,
Grafen du
Luc, einen
Gönner fand.
Auf dem
BadenerKongreß (1714) lernte er Prinz Eugen kennen und begleitete ihn nach
Wien,
[* 5] das er nach drei
Jahren wieder verlassen mußte. Er ging hierauf nach
Brüssel,
[* 6] hielt sich 1721 in England
auf und lernte, 1722 wieder in
Brüssel,
Voltaire kennen, mit dem er bald darauf sich bitter verfeindete. Rousseau starb zu Genette bei
Brüssel. Unter der Herrschaft
des Klassicismus galt Rousseau als der
Meister der höhern
Lyrik; in der That hat er eine glänzende Diktion
und leistete Hervorragendes in gereimten und rhythmischen Schulübungen über Gegenstände, die entweder unbedeutend (wie
meist in den weltlichen Oden) oder seiner Empfindung fremd waren (wie in den geistlichen Gedichten).
Außer den vier
Büchern
Oden begründen seinen litterar. Ruf drei
BücherEpigramme, die seinem behenden Witz und seiner Sprachgewandtheit
meist gut gelungen sind. Seine «?uvres» (mit einem
Teil seiner Korrespondenz) gab Amar heraus (5 Bde., Par.
1820).
(spr. rußoh),JeanJacques, franz. Schriftsteller, neben
Voltaire der einflußreichste der
Franzosen im 18. Jahrh.,
geb. zuGenf,
[* 7] Sohn eines Uhrmachers, aus alter angesehener Familie, die
sich infolge der Aufhebung des
Edikts von Nantes
[* 8] aus
Frankreich nach der
Schweiz geflüchtet hatte, wuchs ohne gründlichen
Unterricht
auf und wurde bei einem Graveur in die
Lehre
[* 9] gethan. Er hatte aber von vielem Romanlesen den
Kopf voll abenteuerlicher
Ideen, so daß er, 15 J. alt, seinem Lehrherrn entlief und eine Zeit lang in Savoyen umherirrte, bis
ihn ein kath. Landpfarrer nach
Annecy an Frau von Warens empfahl, die Mutterstelle bei ihm vertrat und ihn nach
Turin
[* 10] in die
Katechumenenanstalt schickte.
Nach seinem
Übertritt zum
Katholicismus aus diesem ihm unleidlichen Aufenthalt befreit, wurde er erst
Lakai bei einer vornehmen
Dame, von der er, des Diebstahls beschuldigt, entlassen wurde, dann bei dem
Grafen de Gouvon, der
für seine geistige Weiterbildung sorgen ließ; aber unruhige Wanderlust trieb ihn aus seiner
Stellung fort und nach einigen
Irrfahrten kam er wieder zu Frau von Warens (1730). Als der Versuch, ihn zum Geistlichen auszubilden,
mißlang, beschäftigte sich Rousseau mit der
Musik, gab Musikstunden, ging mit einem Abenteurer nach
¶
mehr
Frankreich und kam nach Paris, schließlich kehrte er aber zu Frau von Warens nach Chambéry zurück. Sie wurde seine Geliebte,
und mit ihr verlebte Rousseau von 1732 bis 1737 auf ihrem Landgute «Les
Charmettes» eine Reihe glücklicher Jahre, in denen er seine Bildung durch die Lektüre der engl. und franz.
Philosophen erweiterte und vertiefte und auch Latein und Mathematik trieb. Während einer kurzen Abwesenheit R.s war seine
Stelle bei Frau von Warens von einem andern eingenommen worden; er schied von ihr, ging als Hauslehrer nach Lyon
[* 12] und 1741 nach
Paris, um ein von ihm erfundenes Notensystem der Akademie vorzulegen. Da es ihm nicht glückte, die gehofften
Früchte aus seiner Erfindung zu ziehen, wurde er Sekretär
[* 13] des Grafen Montaigu, der als franz. Gesandter nach Venedig
[* 14] ging.
Er blieb bei diesem brutalen Manne nur anderthalb Jahr und versuchte dann mit seiner Oper «Les Muses galantes» in Paris sein
Glück.
Die Oper fiel durch, Rousseau lernte aber seit 1745 Grimm, Diderot, die Frau von Epinay (s. d.) u. a. kennen.
In diesen Jahren verband er sich auch mit einer ungebildeten Arbeiterin, Thérèse Levasseur; er hatte mit ihr fünf Kinder,
die er alle ins Findelhaus schickte. Sie selbst wurde nach 25jährigem Zusammenleben seine Gattin. Indessen wurde
er Privatsekretär von Frau Dupin und ihrem Schwiegersohne, später Kassierer beim Generalpächter Dupin. Als die Akademie
in Dijon
[* 15] die Preisfrage stellte: ob die Ausbildung der Künste und Wissenschaften mehr zur Verschlimmerung oder zur Verbesserung
der Sitten beitrage, schrieb er die Abhandlung «Discours sur les arts et les sciences» (1750). Obschon
er sich für die erste Meinung ausgesprochen hatte, erhielt er doch den Preis und erlangte Berühmtheit.
Von nun an verfolgte er in der Civilisation die Ursache aller Verderbnis und Laster und begann das Evangelium von der Rückkehr
zu einfachen natürlichen Verhältnissen zu predigen. Um nicht vom Schriftstellererwerb leben zu müssen,
suchte er, ohne auf die Vorstellungen seiner Freunde zu hören, seinen Unterhalt durch Notenschreiben zu erlangen. Auch auf
der Bühne hatte er einen großen Erfolg mit der Oper «Le devin du village» (1752). Bei dieser Gelegenheit erhob sich
zwischen den ital. und franz. Musikfreunden ein heftiger Streit,
in welchen sich Rousseau hineinmischte mit seiner «Lettre
sur la musique française» (1753), worin er den Franzosen alle Fähigkeit eines musikalischen Gehörs und, wegen der Eigenschaften
ihrer Sprache,
[* 16] jede Möglichkeit einer Tonkunst abstritt. 1754 unternahm er eine Reise nach Genf,
trat zur reform. Kirche zurück und
widmete dem GroßenRat von Genf
seine zweite Preisschrift: «Discours sur l'inégalité»
(1754).
Nach seiner Rückkehr (im Frühling 1756) bezog er mit Thérèse Levasseur ein ihm von Mme. d'Epinay eingerichtetes Häuschen,
die Eremitage. Anfang Jan. 1758 verließ Rousseau plötzlich die Einsiedelei, brach mit seiner Gönnerin, mit Grimm, Diderot, Holbach,
und zog nach Montmorency. Hier bewohnte er abwechselnd ein mitten in einem großen, Montlouis genannten
Garten
[* 17] gelegenes Haus und das Schlößchen in dem großen, dem Herzog von Luxemburg
[* 18] gehörigen Schloßpark von Montmorency.
In dieser Zeit schrieb Rousseau seine «Lettre à d'Alembert sur les spectacles»
(1758),
die ihn, weil er darin die Schauspiele für schädlich erklärte, mit Voltaire vollends verfeindete.
Dann folgte der in der Eremitage angefangene Roman «La nouvelle Héloïse» (1759),
der gewaltiges Aufsehen erregte,
ebenso wie
der «Contrat social» (1762), worin er die Lehre von der ursprünglichen Gleichheit aller Menschen und der unverlierbaren, immer
wieder direkt auszuübenden Souveränität des Volks verkündigte. Ein anderes Hauptwerk R.s, der lehrhaft
pädagogische Roman «Émile» (1762), hatte für ihn zahlreiche Drangsale zur Folge.
Das Buch wurde von dem Pariser Parlament für gottlos erklärt und im Hofe des Justizpalastes zerrissen und verbrannt;
der Verfasser selbst entging dem Gefängnisse nur durch die Flucht. In seiner Vaterstadt ebenfalls als gottloser Neuerer
verurteilt, flüchtete sich Rousseau ins Fürstentum Neuchâtel, nach Motiers-Travers, und kämpfte von hier
aus gegen Geistlichkeit und Polizei für die Freiheit des Glaubens («Lettre à l'archevêque de Paris», «Lettres écrites de
la montagne»).
Doch auch aus Neuchâtel und von der Petersinsel im Bieler See vertrieb ihn die Verfolgungswut seiner Gegner, und
Rousseau suchte, auf Einladung Humes, seine Zuflucht in England (1765). Sein überreiztes Selbstgefühl und sein krankhaftes Mißtrauen,
die schon lange in seinem Umgang mit Menschen hervorgetreten waren, steigerten sich jetzt zum Verfolgungswahnsinn; er brach
mit Hume, kehrte Mai 1767 nach Frankreich zurück und durfte 1770 nach Paris kommen. Hier vollendete er in
der Rue Plâtrière (jetzt Rue J. J. Rousseau) seine «Confessions» und zog, auf Einladung des Marquis de Girardin, Mai 1778 in ein
ruhiges Landhaus zu Ermenonville bei Paris, wo er plötzlich wie einige behaupten eines freiwilligen Todes, starb.
Seine Bestattung fand an demselben Tage auf der dortigen Pappelinsel statt. Am wurden seine
Gebeine im Pantheon zu Paris beigesetzt, jedoch, gleich denen Voltaires, Mai 1814 bei Nacht heimlich entfernt und in eine Kalkgrube
auf einem wüsten Felde vor derBarrière de la Gare geworfen. Auf der Rousseau-Insel (in der Rhône) zu Genf
wurde
ihm ein Bronzestandbild, von Pradier, errichtet.
Die Schriften R.s sind nicht bloß nach ihrem ästhetischen, moralischen und philos. Werte zu würdigen, sondern in Verbindung
mit der gesamten Kultur des 18. Jahrh. zu beurteilen. Sie sind der Ausdruck einer Lebensanschauung, deren Resultat politisch
in der Französischen Revolution, moralisch und pädagogisch im Philanthropinismus zur Erscheinung gekommen
ist. Psychologisch erklärt sich die Lehre R.s innerhalb der steuerlos gewordenen staatlichen und socialen Zustände Frankreichs
als eine maßlose Reaktion gegen die große Verderbtheit einer Kultur ohne religiöse, sittliche und philos.
Basis. Es war R.s unendliche Liebe zu der Menschheit, die ihn die Kultur verfluchen ließ; sein Irrtum
war, nicht in dem durch Kultur wieder zur Natur zurückgekehrten Menschen, sondern in dem sog. Naturzustand des Wilden sein
Ideal zu sehen. Der «Émile», den Goethe das Naturevangelium der Erziehung nannte, wirkte vorzugsweise mit, die Idee einer
allgemeinen Menschheit und humaner Bildung zur Anerkennung zu bringen, verführte indessen gar viele zu
dem fast lächerlichen Beginnen, nicht bestimmte, positive Menschen, sondern ein Abstractum, einen allgemeinen Menschen, der
nur Mensch sein sollte, durch Erziehung hervorzubringen. Mehr als irgend ein anderes Werk haben die polit. und socialpolit.
Schriften R.s gewirkt vor und während der Französischen Revolution. Der Konvent und Robespierre versuchten
den abstrakten Radikalismus des «Contrat
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mehr
social» zu verwirklichen, der insofern einen Fehlschluß machte, als er die in der kleinen Republik Genf
etwa mögliche direkte
Selbstregierung des Volks auf die ganz andern franz. Verhältnisse übertrug. Im übrigen hat R.s Opposition
gegen die vorwiegende Verstandesbildung der Aufklärung auf das Geistesleben aller Nationen tief und belebend eingewirkt.
In Deutschland
[* 20] sind seine Anregungen durch Herder und den Sturm und Drang unendlich fruchtbar geworden.
R.s zahlreiche Briefe sind mit bewußter Kunst geschrieben und für die Geschichte nicht nur seines eigenen Lebens, sondern
des Zeitalters wichtig. Seine «Confessions» (deutsch vonL. Schücking, Hildburgh. 1870), die erst nach seinem
Tode erschienen, haben durch ihre bis zum ärgsten Schmutze gehende zuchtlose Selbstenthüllung viele
Anklagen gegen Rousseau begründet und müssen in den Stunden des bittersten Schmerzes geschrieben sein, so daß man sie nicht ohne
tiefes Mitleid lesen kann.
Neben den ältern Ausgaben R.s von Du Peyron (17 Bde., Genf
1782-90, mit Kupferstichen nach Moreau) und von Sébastien
Mercier, Abbé Brizard und de L'Aulnaye (39 Bde., Par.
1788-93) ist als eine der besten zu nennen die Ausgabe von Musset-Pathay (26 Bde., ebd. 1823-27, mit der
«Histoire de la vie et des ouvrages de Jean-Jacques Rousseau», 3. Aufl., ebd. 1827) und die von Hachette (13 Bde.,
1865). Eine befriedigende Ausgabe giebt es noch nicht. Ins Deutsche
[* 21] wurden übersetzt die «Sämtlichen
Werke» von K. F. Cramer (11 Bde., Berl.
1786-99) und «Auserlesene Werke» von Gleich, TheodorHell u. a. (28 Bdchn., Lpz. 1826-30). Neuerdings erschienen
die von Bosscha herausgegebenen «Lettres inédites de Jean-Jacques Rousseau avec MarcMichel Rey» (Amsterd. 1858),
die von Streckeisen-Moulton veröffentlichten «?uvres et correspondance inédite
de Jean-Jacques Rousseau» (Par. 1861) und die von Jansen herausgegebenen «Fragments
inédits» (Berl. 1882). -
Vgl. Brockerhoff, R.s Leben und Werke (3 Bde., Lpz.
1863-74);
Streckeisen-Moulton, Rousseau ses amis et ses ennemis (2 Bde.,
Par. 1865);
Moreau, J. J. Rousseau et le siècle philosophe (ebd. 1870);
(spr. rußoh), Philippe, franz. Tiermaler, geb. 1808 zu
Paris, Schüler von Gros und Victor Bertin, war ursprünglich Landschafter, wendete sich jedoch später
ganz der Tiermalerei zu, die er oft mit vielem Humor und in kräftiger Malweise behandelte.
Dazu kamen zum Schlusse seines Lebens
viele Blumenstücke und Stillleben.
Drei seiner Tierbilder aus den fünfziger Jahren: Der Störenfried (Hund und Katzen),
[* 22] Schlafende
Störche, Blumenfressende Ziege, befinden sich in der Galerie des Luxembourg. Er starb in Paris.
(spr. rußoh),Théodore, franz. Landschaftsmaler, Bruder des vorigen, geb. in Paris, wußte der
realistischen Auffassung der Natur durch die Betonung
[* 23] eines Gefühls und Stimmungsmoments geistigen Gehalt und Bedeutung zu
verleihen; hierin ist er einer der Hauptvertreter des sog. Paysage intime. 1854 stellte
er eins seiner Hauptwerke: Der Sumpf in den Landes, aus, diesem solgte 1855 sein berühmtes Bild: Der Wald von Fontainebleau
(im Louvre). 1865 malte er für den Speisesaal des Fürsten Deni zwei dekorative Gemälde und 1867 wurde er von der internationalen
Jury, die ihm die höchste Auszeichnung, eine Ehrenmedaille verlieh, zu ihrem Präsidenten gewählt.
Hauptwerke von ihm sind ferner: Die Hütte unter den Bäumen (1864) und Die Lichtung im Hochwald (1865). Er starb in
Barbizon bei Fontainebleau.