Rostock
,
[* 1] größte und wichtigste Stadt des Großherzogtums
Mecklenburg-Schwerin, liegt am linken
Ufer der
Warnow, die mit einer Minimaltiefe von 4 m sich hier sehr erweitert und 12 km nördlich bei
Warnemünde in die
Ostsee
mündet, an dem (1888) im
Bau begriffenen
Kanal
[* 2] Rostock
-Güstrow, im
Knotenpunkt der
Linie
Bützow-Rostock der Mecklenburgischen
Friedrich
Franz-Eisenbahn und der
Eisenbahnen
Wismar-Rostock,
Rostock-Stralsund u.
Neustrelitz-Warnemünde, ist an
Stelle der alten
Festungswerke mit schönen
Promenaden umgeben und besteht aus der
Alt-,
Mittel- und
Neustadt
[* 3] u. mehreren Vorstädten.
Die Stadt, namentlich die Mittel- und Neustadt, ist regelmäßig und schön gebaut und macht mit ihren stattlichen Kirchen, mit dem belebten Hafen und dem lebendigen Verkehr einen vorteilhaften Eindruck, hat 4 Land- u. 12 Wasserthore u. mehrere stattliche Plätze, worunter der Neue Markt mit Springbrunnen und der Blücherplatz mit einer Statue des hier (in der Blücherstraße) gebornen Feldmarschalls Blücher (seit 1819, von Schadow) sich auszeichnen.
Unter den öffentlichen Gebäuden sind hervorzuheben: 5 Kirchen, die Jakobikirche (14. Jahrh.), die Marienkirche (1398-1472), eine der größten und schönsten gotischen Kirchen Norddeutschlands, mit dem Grabstein des Hugo Grotius (dessen Leiche später nach Delft in Holland geschafft wurde), die Petrikirche mit dem höchsten Turme Mecklenburgs (126 m), die Kirche zum Heiligen Kreuz [* 4] und die Nikolaikirche, letztere beide mit prachtvoll geschützten Altären; ferner: das großherzogliche Palais (1702 erbaut), das gotische Rathaus (14. Jahrh.) mit zierlichen Giebeln, die Hauptwache, das Gebäude des Oberlandesgerichts, die 1867 neuerbaute Universität, das Societätsgebäude, die neue Anatomie, die Frauenklinik und Hebammenschule, die Zollniederlage, das Stadtkrankenhaus, das neue Militärlazarett, das Katharinenstift (Irrenheilanstalt), das Postgebäude und mehrere Schulgebäude. Ein schönes Kriegerdenkmal befindet sich am sogen. Wall. Die Zahl der Einwohner belief sich 1885 mit der Garnison (2 Füsilierbat. Nr. 90) auf 39,356 Seelen, darunter 224 Katholiken und 221 Juden.
Die bedeutende Industrie ist vertreten durch Schiff- und Maschinenbau, Zuckerfabrikation, Bierbrauerei [* 5] und Malzfabrikation, Baumwollmanufakturen, Strohhut-, Tabaks-, Tapeten-, Seifen-, Spielkarten-, Watten-, Schokoladen-, Zichorien-, Farben-, Wagenfett-, Essig-, Chemikalien-, Dachpappen- und Zündwarenfabriken, Wagenbau, Walk-, Öl-, Dampfmahl- und Sägemühlen, Branntweinbrennereien, bedeutende Gerbereien, Steinschleiferei etc. Wichtig ist auch die Fischerei. [* 6]
Der bedeutende
Handel macht Rostock
zu einem der ersten
Plätze der deutschen Ostseeküste. Unterstützt wird derselbe durch eine
Börse, eine Reichsbanknebenstelle und verschiedene zum Teil bedeutende Geldinstitute (Rostocker
Bank mit 6 Mill. Mk.
Kapital) wie durch die lebhafte
Schiffahrt und die
oben genannten Eisenbahnverbindungen. 1886 liefen ein: 910
Schiffe
[* 7] zu 112,007 Registertons, es gingen ab: 929
Schiffe zu 119,965 Registertons. Die dortige Reederei zählte zusammen 743 Seeschiffe
zu 145,473 Registertons, darunter 94
Dampfer (die größte
Handelsflotte der
Ostsee). Rostock
besitzt eine eigne
Flagge: weiß, das obere innere
Viertel gelb mit einem stehenden schwarzen
Greif.
[* 8]
Gegenstände der Ausfuhr sind:
Getreide
[* 9] u. andre Landesprodukte, als
Wolle,
Flachs,
Fleisch etc., während vorzüglich Kolonial-
und Eisenwaren,
Wein,
Steinkohlen,
Petroleum,
Holz
[* 10] und
Heringe eingeführt werden. Auch hat Rostock
jährlich eine
Messe und besuchte
Woll-,
Pferde- und Viehmärkte. Im
Januar und Juni jedes
Jahrs, im sogen. Antonii- und Johannistermin, wird
der hauptsächlichste Geldverkehr des ganzen
Landes in Rostock
vermittelt. Dem
Verkehr in der Stadt dient eine
Pferdebahn.
Unter den Bildungsanstalten steht obenan die 1418 von den
Herzögen
Johann III. und
Albrecht V. von
Mecklenburg
[* 11] in
Gemeinschaft mit der Stadt gestiftete
Universität, die 1437-43 wegen des vom
Baseler Konzil über Rostock
verhängten
Interdikts
in
Greifswald
[* 12] ihren Sitz hatte und 1760 infolge von Mißhelligkeiten zwischen
Herzog
Friedrich und der Stadt Rostock
nach
Bützow
verlegt ward. Da indessen die vom
Rat angestellten
Professoren in Rostock
blieben und ihre Vorlesungen fortsetzten,
so bestanden damals thatsächlich zwei mecklenburgische
Universitäten, zu Rostock
und zu
Bützow, bis 1789 ihre Wiedervereinigung
in Rostock
erfolgte; doch gab die Stadt ihr Kompatronat erst 1827 auf. Die
Universität hat eine
Bibliothek (145,000
Bände), eine
Sternwarte,
[* 13] eine landwirtschaftliche
Versuchsstation etc. und zählte im Wintersemester 1888/89: 340 Studierende.
Außerdem
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 14] von Rostock.]
¶
mehr
befinden sich in ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine höhere Bürgerschule, eine Navigationsschule, ein Handelsinstitut, ein Theater, [* 16] eine Kunstsammlung etc.; ferner: ein Krankenhaus, [* 17] 2 Hospitäler, eine Irrenanstalt, eine Hebammenschule, ein Jungfrauenkloster, ein Armen- und Arbeitshaus, eine Kaltwasserheilanstalt etc. Nach dem mit dem Großherzog Friedrich Franz 1788 geschlossenen Erbvergleich hat die Stadt eine eigentümliche, republikanisch organisierte innere Verfassung.
Der Rat besteht aus 14, die repräsentierende Bürgerschaft aus 60 Mitgliedern. Auf dem Landtag bildet Rostock
einen Stand für sich,
und einer seiner Bürgermeister ist Mitglied des Direktoriums auf den Landtagen und Landeskonventen sowie des engern Ausschusses
der Stände, welcher in Rostock
seinen Sitz hat. Sonst ist die Stadt Sitz des permanenten Landeskonsistoriums,
des obern Kirchengerichts, eines geistlichen Ministeriums (für die Stadt), eines Oberlandes- und eines Landgerichts, einer
Landessteuerdirektion, eines Hauptzollamtes, einer Medizinalkommission etc. In der Nähe von Rostock
liegen die Barnstorfer Anlagen,
ein großer Park und besuchter Vergnügungsort, 12 km nördlich der Hafen von Rostock
, Warnemünde (s. d.). -
Zum Landgerichtsbezirk Rostock gehören die neun Amtsgerichte zu Doberan, Gnoien, Kröpelin, Neubukow, Ribnitz, Rostock, Schwaan, Sülze-Marlow
und Tessin.
- Rostock (Roztoc) erhielt im 11. Jahrh. vom Obotritenfürsten Gottschalk Stadtrechte, ward aber 1161 vom Dänenkönig Waldemar
I. erobert und in Asche gelegt. Um 1170 durch den christlichen Obotritenfürsten Pribislaw II. wieder
aufgebaut, erhielt es bald starke deutsche Bevölkerung
[* 18] und 1218 vom Herzog Borwin I. aufs neue Stadtgerechtigkeit.
Nachdem die Stadt von 1229 bis 1314 der Sitz einer eignen Fürstenlinie gewesen, kam sie an die Hauptlinie Mecklenburg, welche 1323 für Rostock einstweilen die dänische Lehnshoheit anerkannte. Als Mitglied der Hansa, außerdem seit 1418 als Universitätsstadt erhob sich Rostock zu großem Wohlstand, litt jedoch durch die häufigen Seekriege, an welchen es teilnahm. Bei der Teilung Mecklenburgs 1621 blieb die Stadt beiden Linien gemeinsam und fiel erst 1695 an Mecklenburg-Schwerin.
Von ihren zahlreichen Privilegien behielt sie seit 1788 nur das Recht der eignen Besteuerung. 1712 von den Schweden [* 19] erobert, ward Rostock 1715 von den Dänen und 1716 von den Russen besetzt, jedoch 1719 durch eine kaiserliche Kommission in seine alten Rechte wieder eingesetzt. Im Mai 1848 und im April 1849 wurde es von den Dänen in Blockadezustand erklärt.
Vgl. Eschenbach, Annalen der Akademie zu Rostock (Rost. 1790-96, 6 Bde.);
Krabbe, [* 20] Die Universität Rostock im 15. und 16. Jahrhundert (das. 1854, 2 Bde.);
Herrlich, Geschichte der Stadt Rostock bis zum Jahr 1300 (das. 1873);
Koppmann, Geschichte von Rostock (das. 1887, Bd. 1);
Derselbe, Geschichtsquellen der Stadt Rostock (das. 1885 ff.).