Mechanische Stickerei als Haus- und Fabrikindustrie. Der N.- und W.-Abschnitt des Bezirkes bildet einen wahren Obstbaumwald,
während im bergigen S.-Abschnitt Wiesen und Tannenwald vorherrschen. Im NW. (Gemeinde Steinach und im Riet
bei Goldach) findet sich auch Sumpfland. Brüche auf ausgezeichneten Sandstein (Seelaffe) am Rorschacherberg, Schieferbrüche
und Braunkohlengruben in Mörswil. Gartenbau von einiger Bedeutung in Rorschach, Goldach, Steinach, Tübach; Holzhandel im S.
des Bezirkes. Fischfang im Bodensee. Die Viehstatistik ergibt folgende Zahlen:
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Auf Boden der Gemeinde Goldach stehen das Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerk der Stadt St. Gallen. Sägen.
Goldach hat 2 und Tübach 3 Mühlen. Marmor- und Granitgeschäfte in Rorschach und Goldach. Textilindustrie und Bleicherei in
Goldach und Rorschacherberg. Kur- und Heilanstalten in Rorschach und Mörswil. Gemeinnützige und wohltätige Vereine, landwirtschaftliche
Genossenschaften, Fach- und politische Vereine etc. in jeder Gemeinde. Den Bezirk bedienen die Linien
Romanshorn-Rorschach-Rheineck, St. Gallen-Rorschach und die Bergbahn Rorschach-Heiden, sowie die Hauptstrassen von Rorschach
nach St. Gallen,Heiden, Rheineck und Arbon.
Ueberall hin gute Gemeindestrassen.
Der heutige Bezirk Rorschach gehörte vor 1798 dem Fürstabt von St. Gallen,
dessen Vögte zuerst im Schloss Rorschach (St. Annaschloss)
und nachher im KlosterMariaberg ihren Sitz hatten. Seit 1803 umfasste Rorschach als zweitgrösster Bezirk des eben gegründeten Kantons St. Gallen
die jetzigen Bezirke Rorschach und Tablat
und die an der Sitter gelegenen Gemeinden Straubenzell und Gaiserwald des jetzigen Bezirkes
Gossau.
Seine Beschränkung auf den heutigen Umfang erhielt der Bezirk 1831.
(Kt. St. Gallen,
Bez. Rorschach). 401-450 m. Gem. und kleine Stadt, Bezirkshauptort; am linken Ufer des Bodensees und 11,5
km nö. St. Gallen.Strassen nach Rheineck, Heiden, St. Gallen
und Arbon. Automobilwagenkurs nach Rheineck. Station der Linien nach Romanshorn, St. Gallen,Sargans-Chur
und Bregenz und Ausgangsstation der Zahnradbahn Rorschach-Heiden. Hafen und Dampfschiffstation. Postbureau,
Telegraph, Telephon; Zollamt 1. Klasse. Um 4800: 1150 Ew., 1850: 1750, 1900: 9140 und 1905: rund 12000 Ew. 5935 Katholiken
und 3139 Reformierte;
Mehr als ⅓ der
Gesamtbevölkerung sind Ausländer (Deutsche, Oesterreicher, Italiener). Kathol. und reform. Kirchgemeinde.
1900: 1867 Haushaltungen in 695 Häusern. 1905 betrug das Steuerkapital 22 Mill. Franken.
Rorschach ist ein bedeutender Handels- und Transitplatz und war einst einer der grössten Weizenmärkte der Schweiz. Der Bahnhof
steht unter allen schweizerischen Bahnstationen mit Bezug auf den Personenverkehr im 7., mit Bezug auf
den Warenverkehr im 13. und mit Bezug auf die Einnahmen im 8. Rang. Auch der Hafen zeigt reges Leben. Rorschach verdankt einen
grossen Teil seines Aufschwunges dem Dampferverkehr auf dem Bodensee und der hier stattfindenden Kreuzung von vier bedeutenden
Eisenbahnlinien.
Die
Umgebungen bilden einen wahren Obstbaumwald, in den zahlreiche Landhäuser und Schlösser eingestreut
erscheinen. Gesundes Klima; mitunter starke und heftige Winde im Winter, erfrischende und kräftigende Seebrise im Sommer.
Beliebtes Ausflugsziel der Ostschweizer. Mehrere Badanstalten. Kranken- und Waisenhaus. Reformierte Kirchgemeinde seit 1854. Zu
der 1862 erbauten ersten reformierten Kirche hat sich 1904 ein imposantes neues Gotteshaus gesellt, dessen Turm
die zweitgrösste Glocke der Schweiz enthält.
Die aus dem 17. Jahrhundert stammende katholische Pfarrkirche ist vor mehreren Jahren restauriert worden und enthält schöne
Gemälde und eine bedeutende Orgel. Katholische Jugendkirche in gotischem Stil. Elektrizitäts- und Gaswerk, Hauswasserversorgung.
In dem vom Staat 1864 angekauften Kloster Mariaberg befindet sich das kantonale Lehrerseminar. Zwei Primarschulhäuser.
Realschule. Katholisches Töchterinstitut mit Internat. Je ein grosses privates Knaben- und Mädcheninstitut.
Sehr reges geselliges Leben und zahlreiche Vereine und Gesellschaften aller Art. Bankgeschäfte; Hauptfiliale der Toggenburger
Bank in monumentalem Neubau. Vier Buchdruckereien und drei Zeitungen. Grosse Stickerei-, Spitzen- und Musselinfabrik (Aktiengesellschaft)
mit eigener Färberei, Appretur und Kartonschachtelfabrik; sie beschäftigt 2000 Arbeiter, zählt etwa 100 Stickmaschinen
mit Wasser- oder Dampfbetrieb und steht vor einer bedeutenden Erweiterung mit umfangreichen Neubauten.
Giesserei und Maschinenfabrik (speziell für maschinelle Einrichtung von Ziegeleien und Backsteinfabriken) mit 180 Arbeitern.
Marmor-, Granit- und Syenitwerke (Sägen, Schleifen und Bildhauerei). Armeekonservenfabrik (Obst-, Gemüse- und Fleischkonserven).
Bitterfabrikation. Teigwarenfabrik. Reparaturwerkstätten der S. B. B. mit 200 Arbeitern. Mechanische
Werkstätten, Turbinenbau. Zementindustrie. Grosse Bleicherei und Appretur. Bedeutender Handel mit Brettern.
Piano- und Orgelfabrik. Grosse Indiennedruckerei mit 250 Arbeitern. Bedeutende Mühlen in der Nähe. Gartenbau, Baumschule
auf Mariaberg. Ziegelei. Drei Bierbrauereien. Photographen- und Lithographenateliers. Umfangreiche Bahnhofanlage mit geräumigen
Bauten. Am Seeufer das aus dem 18. Jahrhundert stammende monumentale Kornhaus. Viele alte Patrizierhäuser
mit Erkern und reichem ornamentalen Schmuck; besonders bemerkenswert das Rathaus und das sog. Kettenhaus.
Ueber der Stadt in beherrschender Lage das ehemalige Kloster Mariaberg (s. diesen Art.). Prachtvolles Postgebäude. Monumentaler
St. Jakobsbrunnen. Neues Bezirksgefängnis. Man plant den Bau eines neuen Stadthauses. In der Umgebung
viele schöne Landhäuser, so u. a. die VillaSeefeld, Eigentum der Prinzessin von Wied. Im See vor Rorschach hat man 1865 und 1866 Pfahlbauten
aufgefunden; Reste der alten Römerstrasse von Arbor Felix (Arbon) nach Brigantium (Bregenz) beim ehemaligen Frauenkloster zu
St. Scholastika.
Dieses entstand 1616 aus der Vereinigung der beiden alten Klöster im Hundtobel (1411 gegründet) und
im Steinertobel bei Steinach (1430 gegründet) und ist mit seinen Insassen 1905 nach Tübach übergesiedelt. Im See stand einst
ein alter Wachtturm. Nach dem Sturz der Römerherrschaft erscheint Rorschach seit dem 7. Jahrhundert als ein dem Kloster
St. Gallen
gehörender Meierhof. Im 7. Jahrhundert Rorshahun;
Schiffahrt und Fischfang liessen hier ein Dorf entstehen, das bald zusammen mit dem Rorschacherberg und Grub zu einer eigenen
Pfarrei erhoben wurde, deren Kirche zu den ältesten im Lande zählte. Als der Personen- und Warenverkehr zwischen Deutschland
und Italien immer bedeutender wurde, erhielt Abt Cralo 917 von Kaiser Otto I. für Rorschach das Markt-,
Zoll- und Münzrecht. Obwohl der Abt als Reichsfürst über alle der Abtei gehörenden Ländereien die Oberhoheit hatte,
blieb doch der Blutbann über Rorschach und einige andere Orte dem Kaiser selbst vorbehalten, der ihn durch besondere Reichsvögte
ausüben liess. Es waren dies zuerst die reichen Herren von Wartensee, als deren erster 1264 Ritter Heinrich
erscheint.
Nach ihrem Erlöschen 1361 folgten die Blarer und dann die Edeln von Rorschach, deren Burg (das heutige St. Annaschloss) oben
am Rorschacherberg stand und die zu jener Zeit zu den wohlhabendsten und einflussreichsten Dienstleuten der Fürstäbte
von St. Gallen
zählten. Weil sie zugleich Bürger der Stadt St. Gallen waren, blieben sie zur Zeit der Appenzellerkriege
neutral, während die Bürger des Fleckens Rorschach treu zum Abt hielten und dafür schwer büssen mussten, bis sie sich 1406 mit
den St. Gallern und den Appenzellern verbündeten. Im Frieden von 1408 wurde aber Rorschach dem Abt zurückgegeben.
1449 mussten die Edeln von Rorschach alle ihre Güter und Rechte dem Kloster St. Gallen
verkaufen, worauf ihr Schloss
Sitz des äbtischen
Vogtes oder Amtmannes wurde. Um dem beständigen Streit mit der Stadt St. Gallen ein Ende zu machen, beschloss Abt Ulrich Rösch
1486, das Kloster nach Rorschach zu verlegen. Aber schon 1489 wurden die neuen Bauten von den St. Gallern
und Appenzellern zerstört, denen sich 1490 auch die Bewohner von Rorschach und des Unter Rheinthales anschlossen.
Als der Kampf allgemein zu werden drohte, legten sich die Eidgenossen ins Mittel und zwangen die Aufständischen zur Unterwerfung.
Die Appenzeller verloren ihre Vogteien, die Untertanen des Abtes wurden bestraft, und die Stadt St. Gallen
musste eine Entschädigung von 10000 Gulden bezahlen. Abt Gotthard baute das zerstörte Kloster in Rorschach unter dem Namen
Mariaberg wieder auf. Es diente nun zunächst für Schulzwecke und wurde dann Sitz des äbtischen Vogtes.
Rorschach ging als eine der ersten Gemeinden der äbtischen Länder zur Reformation über, musste aber
bald zum alten Glauben zurückkehren. Abt Bernhard (1588-1622) suchte den Ort als Handelsplatz zu fördern, begünstigte die
Einführung neuer Industrien und gründete hier eine Buchdruckerei. Abt Pius wollte auf Mariaberg eine katholische Universität
einrichten, musste aber das dafür bestimmte Kapital zu Verteidigungsmassregeln gegen die schwedischen
Armeen (30 jähriger Krieg) verwenden. Fürstabt Zölestin II. gestaltete Rorschach zum ersten Kornmarkt der Schweiz und liess 1748 durch
den Italiener Bognato am Seeufer das grosse
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Bezirk des Kantons St. Gallen.
Karte des Bezirks: der Massstab ist mittelst der Zeichnung unten auf der Seite der verbesserten
Wappen am Ende dieses Bandes zu korrigieren.
Die Viehzählung von 1906 hat folgende Resultate ergeben.
(Kt. St. Gallen,
Bez. Rorschach).
Diese Stadt zählt heute (1910) 14000 Ew. Fast der ganze Flächenraum der Gemeinde ist von modernen
Bauten bedeckt und von breiten Strassen durchzogen.