[* 2]
(Roma),
[* 3] Hauptstadt des röm. Weltreichs (s.
Römisches Reich), in der
LandschaftLatium am
Tiber unterhalb der Einmündung
des
Anio gelegen, da, wo die Schiffbarkeit des
Stroms beginnt und das
Thal
[* 4] desselben in seinem Unterlauf am meisten von
Hügeln
eingeengt wird (s. den
Plan, S. 898). Die Ortslage
war in den tiefer gelegenen Teilen sumpfig, den
Überschwemmungen
des
Tiber ausgesetzt und daher ziemlich ungesund. Die ältesten
Erinnerungen städtischen Anbaues knüpfen sich an den isolierten
Palatinischen
Berg, die sogen.
Roma quadrata, welche mit ihren drei
Thoren als
Gründung des
Romulus galt.
Die
Tradition läßt Rom unter der Königsherrschaft dann in folgender
Weise sich vergrößern. Zur
Roma
quadrata kam zunächst die folgenreiche Ansiedelung der
Sabiner unter
TitusTatius auf dem
Mons
[* 5]
Capitolinus und der Südspitze
des
Collis Quirinalis, das sogen. Capitolium Vetus, hinzu. Auch die nordöstlich an den
MonsPalatinus stoßende Anhöhe Velia
ward frühzeitig mit Heiligtümern und Ansiedelungen besetzt; ebenfalls schon in alter Zeit ward ferner
der
Cälius mit etruskischen Geschlechtern unter
Cäles Vibenna bevölkert.
Der
Aventinus ward unter
Ancus Marcius von latinischen Städtegemeinden kolonisiert; dieser König überbrückte auch den
Tiber
und befestigte jenseit desselben den
Janiculus.
Tarquinius Priscus, etruskischem Vorbild folgend, ließ durch seinen großartigen
Kloakenbau die sumpfigen Gegenden zwischen dem
Palatinus und dem
Kapitol trocken legen und anbauen;
Servius Tullius
erweiterte die Stadt durch Hereinziehung des
Viminalis und Quirinalis und umgab alle bis dahin angebauten
Hügel und Stadtteile
links des
Tiber durch eine zusammenhängende
Mauer
(Agger Servii Tullii), von welcher noch ansehnliche Reste erhalten sind.
Ihre Bedeutung als Stadtbegrenzung verlor diese Servianische
Mauer nach dem Hannibalschen
Krieg.
Schon in der
republikanischen Zeit wurde sie vielfach verbaut; doch können wir ihren Zug
und
Umfang aus den Resten und der bekannten
Lage der
Hauptthore (im ganzen 16-18) noch bestimmen. Die frequentesten
Thore, in welche die begangensten Landstraßen einmündeten,
waren: die
PortaCarmentalis, gleich unter dem
Kapitol an dem Abhang, der zum
Tiber hinabführt, der Haupteingang
zum
Marsfeld;
die
Porta Esquilina und die
Porta Collina, beide an der östlichen
Seite der Stadt.
Der letzte römische König hatte die unter seinen Vorgängern begonnenen Bauten, insbesondere den
kapitolinischen
Tempel,
[* 6] vollendet und die Stadt dadurch ihren Einigungspunkt in religiöser und sakraler Hinsicht erhalten. Die erste
feste
Einteilung des gesamten Stadtgebiets in vier
Regionen zu administrativen
Zwecken rührt derSage nach
von
Servius Tullius her und blieb bis zur neuen
Organisation des gesamten städtischen
Wesens durch
Augustus in Geltung. Nach
den neuesten Forschungen nahm indessen die
Entwickelung Roms folgenden Verlauf. Zu der ältesten, der Palatinischen Stadt
wurden zunächst der Cermalus (südwestlicher Abhang des
Palatin), die Velia, der Oppius und Cispius und
zwei
Thäler, Fagutal (zwischen Oppius und Cispius) und
Subura (zwischen Velia und
Viminalis), gezogen, und so entstand das
Septimontium, die Siebenhügelstadt (was nicht in dem bekannten spätern
Sinn zu verstehen ist).
Die nächste
Phase ist die Vierregionenstadt, welche durch Einbeziehung des
Cälius, Quirinalis,
Viminalis und des Kapitolium
entstand und in vier
Regionen (1.
Cälius und
Subura; 2. Oppius, Cispius und Fagutal; 3.
Viminalis und Quirinalis; 4.
Palatinus,
Velia und Cermalus; außerdem das
Kapitol mit den allen vier gemeinsamen Heiligtümern und der
Burg) zerfiel. Daraus entwickelte
sich schließlich das Servianische Rom, die Stadt der republikanischen Zeit, zu welcher noch ein
Teil des Quirinalisrückens, der
Aventinus und das Tiberufer nördlich von letzterm gezogen wurde.
Durch den
Einfall der
Gallier ward die Stadt 390
v. Chr. fast ganz in
Asche gelegt, ihr Wiederaufbau aber geschah in sehr eiliger,
planloser
Weise. Im J. 443 war das öffentliche Bauwesen und die städtische
Polizei derAufsicht der
Zensoren
unterstellt worden; aber erst der
ZensorAppiusClaudius Cäcus (312) schritt zu bedeutendern
Unternehmungen behufs gemeinnütziger
Zwecke. Von ihm rühren z. B. die
Via Appia,
Aqua Appia u. a. her. Vorstädte außerhalb der
Mauern entstanden erst, als wegen
der Ausbreitung der
Grenzen
[* 7] des
Reichs kein feindlicher
Angriff auf die Stadt selbst mehr zu befürchten
war.
Der
Richtung auf das Nützliche, welche das römische Bauwesen auch in der spätern Zeit unter den
Kaisern eingehalten hat,
verdanken die
Basiliken am
Forum,
[* 8] viele
Tempel, Marktplätze,
Brücken,
[* 9]
Aquädukte etc. ihre Entstehung. Die reiche
Nobilität
steuerte freigebig zur Aufführung öffentlicher Gebäude,
Denkmäler,
Hallen,
Bogen
[* 10] und
Tempel bei, und
ihr verdankt vornehmlich die griechische
Architektur ihre
Aufnahme in der Stadt. So ward das äußere Ansehen derselben ein
immer stattlicheres und prächtigeres. Eine neue
Epoche begann aber mit der Kaiserherrschaft, indem nicht nur manche ganz
neue
Arten von Gebäuden, z. B. die Kaiserpaläste, entstanden, sondern auch die von
den Machthabern seit
Pompejus und
Cäsar übernommene Obsorge für den Unterhalt der unbemittelten
Menge sowie für Befriedigung
ihrer Schaulust allerlei
Anlagen und Bauten zur
Anstellung öffentlicher
Spiele u. dgl. nötig fand (s.
unten).
Um dem durch die große
Ausdehnung
[* 11] der Stadt veranlaßten
Bedürfnis einer polizeilichen
Ordnung und Beaufsichtigung derselben
zu genügen, führte
Augustus eine neue
Einteilung derselben in 14
Regionen ein, welche nach und nach mit
Namen bezeichnet wurden, die man den bedeutendsten Örtlichkeiten derselben oder den in ihrem
Mittelpunkt gelegenen
Hügeln
und
Plätzen entnahm. Jede derselben stand unter einem
Curator, denen für die Straßenquartiere Vicomagistri untergeordnet
waren; für die Sicherheits- und
Feuerpolizei hatten je zwei zusammen eine
Kaserne für eine
Kohorte der
Vigiles.
Nero gab sodann durch seine großartige
Restauration¶
mehr
des bedeutendsten Teils der Altstadt nach dem eine volle Woche dauernden Brand vom Jahr 65, welcher sich über 11 Regionen erstreckte
und 3 völlig in Asche legte, der Stadt ein ganz neues Ansehen. Die bisher meist engen Straßen und Plätze wurden seitdem breiter
und geräumiger und mit Säulenhallen versehen; eine solidere Bauart trat an die Stelle der alten. Die
folgenden Kaiser, namentlich Trajan, Hadrian, die Antonine, gefielen sich besonders in der Schöpfung großartiger und schmuckreicher
Markt- und Gerichtsplätze, prächtiger Tempel und Basiliken, kolossaler Grabmonumente u. dgl.
Unter den spätern Kaisern zeichneten sich namentlich Septimius Severus und Caracalla durch Baulust aus,
welcher durch eine Feuersbrunst unter Commodus' Regierung bedeutend Vorschub geleistet ward. Um dieselbe Zeit beginnt in dem
Aussehen der Stadt sich ausländischer Geist und Geschmack bemerklich zu machen (z. B. Caracallas ägyptische Bauten und Heliogabalus'
syrische Tempel), so wie auch in der immer zunehmenden Menge von Kasernen sich der jetzt kulminierende Militärdespotismus
kundgibt.
Aurelian umgab die seit Sulla über die Servianische Mauer hinausgewachsene Stadt wiederum mit Befestigungswerken, welche sämtliche 14 Regionen,
also Altstadt und Vorstädte, umfaßten und erst durch Probus vollendet wurden. Diese Aurelianische Mauer stimmt mit den jetzigen
Mauern und Thoren Roms im wesentlichen überein. Die wichtigern der 14 Thore wurden nach den durch sie hinführenden
Landstraßen benannt, so: die PortaFlaminia (jetzt bei Porta del Popolo), Porta Aurelia (bei PortaSan Pancrazio), Porta Portuensis
(bei Porta Portese) und Ostiensis (PortaSanPaolo), Porta Appia (PortaSan Sebastiano), Porta Asinaria (bei der PortaSan Giovanni),
Porta Nomentana (bei PortaPia), Porta Salaria (Porta Salara) u. a. Die letzten Kaiser, welche bedeutendere
Restaurationen und Neubauten vornahmen, waren Diocletianus und Maxentius, dessen Bauten aber meist erst unter Konstantin d. Gr.
vollendet wurden.
Aus der Zeit dieses Kaisers stammt das Regionenverzeichnis her, die einzige einigermaßen vollständige Übersicht der ganzen
Stadt, welche wir aus dem Altertum noch besitzen. In der folgenden Zeit hat sich das Aussehen Roms vornehmlich
durch die Bedürfnisse des christlichen Kultus verändert, welche zahlreiche kirchliche Prachtgebäude hervorriefen, während
die profanen Monumente aus der klassischen Zeit, namentlich seit der Einnahme der Stadt durch Alarich (410) und Geiserich (455),
verfielen. Trotzdem war im Anfang des 9. Jahrh. noch vieles vorhanden,
wovon uns der sogen. Anonymus Einsiedlensis berichtet. Aber die Stürme des Mittelalters vernichteten das meiste von diesem,
und die »Mirabilia urbis« beweisen, daß im 12. und 13. Jahrh.
nicht allein schon ein völliger Ruin des Altertümlichen, sondern auch eine große Unsicherheit aller alten Erinnerungen und
Überlieferungen eingetreten war.
Hinsichtlich der Größe und des Umfanges der Stadt fehlen uns zuverlässige statistische Angaben. Der Umfang des Aurelianischen
Mauerbaues wird jetzt als 22-23 km betragend angegeben, das von ihr umschlossene Areal auf ca. 1230 Hektar. Was die Bevölkerungsverhältnisse
betrifft, hat J. Beloch (»Die Bevölkerung
[* 13] der griechisch-römischenWelt«, Leipz. 1886) auf drei verschiedene
Arten für die ersten
drei nachchristlichen Jahrhunderte eine Einwohnerzahl von etwa 800,000 Seelen berechnet, für die Sullanische Zeit etwa 400,000;
Pöhlmann dagegen hat nachgewiesen, daß es auch nicht annähernd möglich ist, Roms Einwohnerzahl für irgend einen Zeitpunkt
zu bestimmen. Die Häuser der Stadt selbst waren entweder Domus oder Insulae. Jenes waren die zu eigner
Bewohnung splendider eingerichteten Häuser der Vornehmern (die palazzi des neuern Rom); diese dagegen wurden von den mittlern
und niedern Klassen bewohnt, waren daher meist Miethäuser mit mehreren Stockwerken übereinander (Trajan beschränkte ihre
Höhe auf 60 Fuß), jedes mit einem besondern Zugang.
Solche Häuser waren oft bis unter das Dach
[* 15] mit Menschen angefüllt. Die gepflasterten Fahr- und Hauptstraßen
hießen Viae oder Plateae. Solche waren: die Via sacra, die alte Prozessionsstraße, welche in der Richtung vom Kolosseum
[* 16] zum
Kapitol das Forum durchschnitt;
die Via nova am Palatin und die Prachtstraße gleiches ^[richtig: gleichen] Namens in der zwölften
Region;
die Via lata (der jetzige Corso) u. a. Clivi hießen die zu den Hügeln hinaufführenden, gleichfalls
gepflasterten Fahrwege (nur für Fußgänger waren die Gradus oder Semitae), z. B. der Clivus Capitolinus, die einzige Fahrstraße,
welche zum Kapitol hinaufführte, der Clivus publicus am Aventin u. a. Die Vici waren die kleinern
und gewöhnlichen Verbindungswege der Stadt, deren mehrere ein Compitum oder Straßenviertel (später
gleichfalls Vicus genannt) begrenzten;
ferner unmittelbar
südlich von letzterm die uralte Holzbrücke, der Pons sublicius, dessen Reste gewisser heiliger Gebräuche
wegen erhalten wurden;
endlich die im MittelalterPons Probi Theodosii et Valentiniani genannte Brücke
[* 17] unter dem Aventin.
Unter
den Plätzen waren die Areae die zahlreichsten, freie Räume, wie sie bald als Umgebungen von Tempeln und Palästen sich notwendig
machten (Area Capitolina, Palatina), bald aber auch selbständig angelegt wurden, etwa mit einem Heiligtum
oder einem Denkmal, wonach sie genannt wurden. Manche derselben dienten auch als Verkaufsplätze oder hatten ihren Namen von
bestimmten Personen. Ein geräumigerer und von vielen und mannigfaltigen Gebäuden, Tempeln, Basiliken und Hallen eingeschlossener
freier Platz bildete ein Forum.
die Horti
Lucullani oder Valeriani auf dem Pincius (Collis hortorum);
die Horti Maecenatis, welche einen Teil des Campus Esquilinus umfaßten;
die von Pallas, dem Freigelassenen des KaisersClaudius, angelegten Horti Pallantiani im äußersten Osten;
endlich jenseit des
Stroms die Horti Agrippinae oder Neronis, mit einem berühmten Zirkus, und die Horti Domitiae;
unter dem
Janiculum die von Septimius Severus angelegten Horti Getae, weiter stromab die von Cäsar zu Volkslustbarkeiten hergestellten
und von Augustus mit einer Naumachie versehenen Horti Caesariani.
Unter den merkwürdigen Örtlichkeiten der Stadt steht das berühmte Forum Romanum obenan. Dieser Mittelpunkt
des städtischen und politischen Verkehrs in den Zeiten der Republik, 154 m lang, 52 m breit, lag zwischen dem Kapitol und Palatin
in der Hauptausdehnung von NW. nach SO. An der Nordseite stand schon in der Königszeit das Rathaus (die Curia Hostilia) auf
dem Comitium, wo sich die Patrizier in den Kuriatkomitien versammelten, diesem schräg gegenüber, am Fuß
des Palatin, der Vestatempel und die Regia (die Wohnung des Pontifex maximus); der freie Platz in der Mitte war der Versammlungsort
für die Plebs, seit dem Jahr 42 v. Chr. (s. unten) aber der Sitz des politischen Lebens mit der Rednerbühne
(rostra), anfangs von Straßen eingefaßt, auf die sich Laden und Verkaufshallen von Fleischern und andern Handwerkern, von
Wechslern etc. öffneten. Im Lauf der Zeiten wurden hier Tempel, öffentliche Gebäude und Denkmäler verschiedener Art errichtet.
Das älteste, noch jetzt erhaltene ist der am Abhang des Kapitols liegende Carcer Mamertinus, ursprünglich ein
Brunnenhaus in der Nordecke des Forums. Andre Hauptheiligtümer des Forums aus ältester Zeit waren der Saturntempel am Kapitol
und der Tempel der Dioskuren
[* 18] (Templum Castorum) vom Jahr 484 an der Südseite, dann östlich vom Carcer der Tempel der Concordia
(366). Dem immer mehr wachsenden Verkehr bei den Gerichtsverhandlungen suchte man durch Errichtung von
Basiliken (offenen, von Säulenhallen umgebenen Höfen) nach den Seiten hin Raum zu schaffen: 185 erbaute der alte Cato die Basilica
Porcia;
179 folgte die Basilica Aemilia, 169 die Basilica Sempronia, 121 die Basilica Opimia.
Unter den Stürmen der Bürgerkriege
sank die alte Kurie in Trümmer, wurde zwar von Sullas Sohn Faustus wiederhergestellt, aber später von
Cäsar niedergerissen. Durch letztern wie besonders durch Augustus erhielt das Forum eine ganz neue Gestalt, die durch die modernen
Ausgrabungen im wesentlichen zu Tage getreten ist. Cäsar begann 54 v. Chr. den Bau der Basilica Julia, die Augustus vollendete,
wobei die Läden und Laubengänge, welche das Forum früher umgaben, weggeräumt wurden.
Derselbe errichtete auch eine neue Kurie (CuriaJulia, heute Sant' Adriano) und dem Cäsar zu Ehren die Aedes Divi Julii, an der
Ostseite des Forums, mit der Fronte nach dem Kapitol, in nächster Nähe des Kastortempels und der Regia, vor welchem Tempel
zugleich die neuen Rostra (Rednerbühne) ihren Platz fanden, die zum Unterschied von den alten, am Westende des Forums belegenen
(RostraNova, im Gegensatz zu der allerältesten, dicht vor derCuria Hostilia belegenen Rednerbühne) die RostraJulia genannt
wurden.
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