Rolandslied
,
ein dem karolingischen
Sagenkreis angehöriges episches Gedicht in altdeutscher
Sprache,
[* 2] verfaßt zwischen 1127 und 1139 von
einem
»Pfaffen
Konrad«, der in
Diensten
Heinrichs des
Stolzen stand und von diesem zur Bearbeitung des
Stoffes nach der französischen
»Chanson de
Roland« (hrsg. von
Michel, Par. 1869; von
Böhmer,
Halle
[* 3] 1872; von
Gautier, Par. 1875; von
Kölbing, Heilbr. 1877; von
Th.
Müller,
Götting. 1878; von
Förster, Heilbr. 1886; vgl. Seelmann,
Bibliographie des altfranz. Rolandsliedes
,
Heilbr. 1888) veranlaßt wurde. Der
Inhalt des
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Gedichts ist im wesentlichen folgender: Kaiser Karl d. Gr. von einem Engel gemahnt, zieht nach Spanien [* 5] gegen die Heiden. Fast das ganze Land ergibt sich ihm bis auf Saragossa, [* 6] wo König Marsilie thront. Auf seines Neffen Roland Rat sendet Karl dessen Stiefvater Genelun als Abgeordneten an den königlichen Gegner. Genelun, hinter Rolands Vorschlag schlimme Absicht vermutend, beschließt, jenen zu verderben. Er rät dem Heidenkönig, sich scheinbar dem Kaiser zu unterwerfen, um dann seine Feinde desto sicherer zu vernichten, heuchelt bei Karl guten Erfolg der Botschaft und überredet ihn, abzuziehen und Roland als Statthalter im eroberten Land zurückzulassen.
Die Absicht gelingt. Roland, zurückgeblieben mit dem Kreuzheer, wird im Thal [* 7] Roncesvalles von den Heiden verräterisch überfallen. In furchtbarem Kampf thut er mit seinem Schwert Durendart, seinen Freund Olivier und den Erzbischof Turpin zur Seite, Wunder der Tapferkeit, erliegt aber der Übermacht. In der höchsten Not stößt er in sein elfenbeinernes Heerhorn Olifant, daß der Schall [* 8] das mächtige Getümmel der Schlacht weit übertönt und bis zum fernen Kaiser dringt.
Eilig zieht dieser herbei, doch zu spät; er trifft seine Paladine als Leichen, unterwirft die Heiden im Kampf und rächt dann
den Verrat an Genelun, welcher zu Aachen,
[* 9] wie der Schluß des Gedichts berichtet, von Pferden zerrissen wird.
Das Rolandslied
bleibt in der Form hinter den bedeutendern epischen Erzeugnissen einer spätern Zeit zurück, ist
aber reich an gewaltigen, echt volksmäßigen Zügen; die Glaubensfreudigkeit der Zeit spricht sich darin in oft großartiger
Lebendigkeit aus. Ein Bruchstück des Gedichts wurde zuerst in Schilters »Thesaurus antiquitatum teutonicarum«, Bd. 2 (Ulm
[* 10] 1727), veröffentlicht. Vollständige Ausgaben besorgten W. Grimm (mit Einleitung über die Geschichte der zu Grunde liegenden
Sage, Götting. 1838) und Bartsch (Leipz. 1874). Das Gedicht des Pfaffen Konrad erfuhr um 1250 durch den Stricker (s. d.), einen
österreichischen Dichter, welcher dabei jedoch auch noch französische Gedichte über Karl d. Gr. benutzte,
eine verbreitende und poetisch abschwächende Bearbeitung, welche unter dem Titel: »Karl« bekannt ist und sich gleichfalls
bei Schilter findet (hrsg. von Bartsch, Quedlinb. 1857). Eine treuere Umarbeitung enthält das dem Anfang des 14. Jahrh.
angehörende, in niederfränkischer Sprache geschriebene cyklische Gedicht »Karlmeinet« (hrsg. von Keller, Stuttg. 1858).
Vgl.
W. Wald, Über Konrad, den Dichter des deutschen Rolandsliedes
(Halle 1879).