Titel
Rohrpost
,
Anlage zur Beförderung von Briefen, Karten und Telegrammen mittels Luftdrucks in unterirdischen Rohrsträngen. Im J. 1854 nahmen Cazalet und Clark ein Patent auf die Beförderung von Paketen durch Luftdruck: Ihre Einrichtung, von Rammel bedeutend verbessert, kam in London [* 2] 1862 zur Ausführung. Die Pneumatic Despatch Company baute eine etwa 600 m lange Linie zur Beförderung von Paketen und Briefsäcken und benutzte unterirdische weite gußeiserne Röhren, [* 3] auf deren unterer, fast ebener Fläche zwei Schienen lagen.
Die auf letztern laufenden Wagen schlossen sich an die Röhrenwandungen an, und ein Zentrifugalventilator konnte die Luft im Rohr verdünnen oder verdichten. Diese Versuchslinie bewährte sich nicht, und 1874 wurde der Betrieb eingestellt. Die pneumatische Post, die gegenwärtig in London, Manchester [* 4] und andern Städten Englands besteht, schließt sich den Einrichtungen an, die inzwischen in Berlin [* 5] und Paris [* 6] getroffen waren. In Berlin waren schon 1865 einige pneumatische Verbindungen hergestellt, durch welche Telegramme zwischen dem Haupttelegraphenamt, der Börse und einigen andern Stadttelegraphenstationen befördert wurden. In Paris wurde 1867 ein pneumatisches Röhrennetz zu gleichem Zweck angelegt.
Die erste für den öffentlichen
Verkehr dienende und zur Beförderung von
Briefen und
Postkarten bestimmte Rohrpost
wurde 1876 in
Berlin mit 15
Stationen und einer Gesamtröhrenlänge von 26 km eröffnet. Bei der
Berliner
[* 7] Rohrpost
anlage
[* 8] bestehen die
Röhren
aus gezogenem Schmiedeeisen mit einem
Durchmesser von 65
mm
im Lichten. Sie besitzen einen genau kreisrunden
Querschnitt und im Innern vollkommen glatte Oberfläche. Zur
Verbindung der einzelnen
Röhren dienen
Flantschen, welche an beiden
Rohrenden aufgeschraubt und verlötet sind; je zwei solcher
Flantschen werden an den Stoßenden durch Schraubenbolzen zusammengepreßt
und mittels eines dazwischenliegenden Kautschukringes gedichtet. Im allgemeinen liegen die
Röhren in
einer Tiefe von 1,25 m unter den
Trottoirs.
Von den einzelnen Rohrpost
ämtern ausgehend, sind die
Stränge bis auf
ca. 50 m
Entfernung mit einigem
Gefälle verlegt; an den
tiefsten
Punkten befinden sich gußeiserne Behälter zur Ansammlung des Kondensationswassers. Mit jedem Rohrstrang
ist ein Telegraphenkabel zur elektrischen
Verbindung der Rohrpost
ämter untereinander eingelegt. Die
Briefe,
Karten oder
Telegramme
werden zum
Transport in cylindrische
Kapseln
[* 9] aus getriebenem Stahlblech von nahezu dem lichten Rohrdurchmesser gelegt und diese
zu 10-20 in einem Zug
vereinigt.
Als letzte Kapsel wird ein Dichtungskolben mit Ledermanschette verwendet. Nachdem dieses ganze System in die Rohrleitung eingefügt ist, wird durch Öffnen eines Hahns der Druck der komprimierten Luft auf die Sendung wirksam gemacht, während gleichzeitig auf der Empfangsstation das Ausströmen der in der Rohrleitung enthaltenen Luft durch Öffnen eines andern Hahns gestattet wird. In besondern Fällen bedient man sich des Aussaugens der Luft von der Empfangsstation aus, wobei dann an der Abgangsstation der Luftzutritt gestattet werden muß. Die Geschwindigkeit der Bewegung beträgt ca. 1000 m in der Minute. Auf den Maschinenstationen wird die zum Betrieb erforderliche verdichtete und ver-
[* 1]
^[Abb.: Rohrpost
apparat.]
¶
mehr
dünnte Luft erzeugt und in eisernen Behältern aufgespeichert. Die
[* 10]
Figur gibt das Bild eines einfachen Rohrpost
apparats für
Ämter mit Luftbehältern; bei Rohrpost
apparaten ohne Luftwechselhahn für Ämter ohne Luftbehälter fehlen der Hahn a
[* 11] u. die
Röhren o u. p. Die Hähne a b d sind Dreiwegehähne, von welchen der Anlaßhahn d mittels einer einfachen
Kurbel,
[* 12] der Hauptbeförderungshahn b und der Luftwechselhahn a dagegen mittels Schraube ohne Ende und Wellenrades gedreht werden.
Steht die Kurbel oder der Scheibenkranz des Wellenrades nach oben, so sind die sämtlichen am Hahn zusammentreffenden Rohrleitungen abgesperrt; durch Umlegen der Hähne nach rechts oder links können je zwei dieser Röhren untereinander in Verbindung gebracht werden. Es treffen zusammen:
1) am Hauptbeförderungshahn b das bei m vom Hauptrohr sich abzweigende weite Rohr mit dem in die atmosphärische Luft mündenden offenen Rohr q und dem zum Luftwechselhahn, bez. den Luftbehältern führenden Rohr s; 2) am Luftwechselhahn a das Rohr s mit den Zuleitungsrohren p und o zu den Behältern für verdichtete und verdünnte Luft; endlich 3) am Anlaßhahn d das aus dem Hauptrohr in der Nähe der Empfangskammer k sich abzweigende enge Rohr mit einer in die freie Luft ausmündenden Fortsetzung desselben und einem kurzen Verbindungsstück zu dem Rohr s. Das Hauptrohr läßt sich am Punkt f1 mittels einer Absperrscheibe, welche durch die Scheibenstange f regiert wird, verschließen.
Die angenommenen Züge werden nach Öffnung der aus der Zeichnung ersichtlichen Verschlußklappe der Empfangskammer k entleert, die abzusendenden dagegen durch Einlagen der Büchsen und des Treibers in die für gewöhnlich mit der Einlegeklappe h verschlossene Öffnung des Hauptrohrs verladen. Bei Apparaten, welche nur zum Absenden bestimmt sind, bleibt die Empfangskammer mittels der Druckklappe g beständig abgesperrt. Auf jeder Empfangskammer ist ein mit dem Hauptrohr in Verbindung gesetztes Manometer [* 13] montiert.
Soll mittels des Rohrpost
apparats ein Zug
mit verdichteter Luft abgesandt werden, so werden zunächst nach
Öffnung der Einlegeklappe h die Büchsen und der Treiber verladen. Darauf wird, vorausgesetzt, daß der nötige Druck vorhanden
ist, was am Manometer j erkannt werden kann, die Einlegeklappe geschlossen und mittels des Anlaßhahns verdichtete Luft hinter
den Zug
geführt, welche denselben über die Abzweigkammer hinaus bis in das Hauptrohr treibt. Hierauf ist
der Hauptbeförderungshahn b so zu stellen, daß die Verbindung von dem Behälter für verdichtete Luft über den Luftwechselhahn
und den Hauptbeförderungshahn hinweg nach dem Hauptrohr hergestellt wird, so daß die jetzt beim in die Rohrleitung tretende
verdichtete Luft den Zug
zum nächsten Rohrpostamt
treibt.
Das Empfangen dieses Zugs in einem Rohrpost
apparat ohne Luftwechselhahn würde in folgender Weise vor sich
gehen. Während der Bewegung des Zugs ist der Hauptbeförderungshahn b des Empfangsapparats so gestellt, daß die vor dem Zug
hergetriebene
Luft durch die Abzweigkammern u. das offene Rohr q entweichen kann. Ist der Zug
in der Nähe des Amtes angekommen,
was an dem veränderten Geräusch der ausströmenden Luft erkannt werden kann, so schließt man den Hauptbeförderungshahn
u. stellt dafür mittels des Anlaßhahns d eine Verbindung der Rohrleitung mit der äußern Luft her, so daß die hinter dem
Zug
befindliche verdichtete Luft genötigt ist, jenen in die Empfangskammer zu treiben.
Ist der Zug eingelaufen, so wird der Anlaßhahn nieder geschlossen und gleichzeitig durch Hinunterstoßen der Scheibenstange f die Rohrleitung abgesperrt, worauf die Empfangskammer geöffnet und der Zug entleert werden kann. Demnächst ist durch passende Stellung des Hauptbeförderungshahns die Abzweigkammer mit der äußern Luft in Verbindung zu bringen, damit die in der Rohrleitung befindliche verdichtete Luft einen Ausweg findet, und die Absperrscheibe wieder hoch zu ziehen.
Soll mittels des zuletzt beschriebenen Apparats ein Zug mit verdünnter Luft zurückgesandt werden, so ist es zunächst erforderlich, die mit dem Vakuumbehälter in Verbindung gebrachte Rohrleitung vor der Empfangskammer abzuschließen, damit die Einlegeklappe geöffnet und der Zug verladen werden kann. Dies wird erreicht, indem man die Absperrscheibe mittels der Scheibenstange f herunterstößt. Dann läßt man mittels des Anlaßhahns Luft in die Empfangskammer einströmen, öffnet die Einlegeklappe und verladet den Zug. Darauf wird die Einlegeklappe wieder geschlossen u. mittels des Anlaßhahns eine kurze Verbindung mit der Rohrleitung hergestellt, um die Luft in der Empfangskammer zu verdünnen und dadurch den Zug im Rohr vorläufig festzuhalten, dann die Scheibenstange aufgezogen und nun zunächst mittels des Anlaßhahns und, sobald der Zug die Abzweigkammer passiert hat, mittels des Hauptbeförderungshahns Luft in die Rohrleitung gelassen, welche den Zug infolge der vor ihm bestehenden Luftverdünnung zum nächsten Amte treibt.
Hier wird bei der Annäherung des Zugs der Hauptbeförderungshahn geschlossen und dafür mittels des Anlaßhahns eine Verbindung zwischen dem Vakuumbehälter und der Empfangskammer hergestellt, wodurch der Zug in letztere eingesaugt wird. Ist derselbe eingelaufen, so muß, um das Öffnen der Empfangskammer zu ermöglichen, durch Umlegen des Anlaßhahns zunächst Luft eingelassen werden; darauf wird der Hauptbeförderungshahn in seine Normalstellung zurückgebracht.
Sowohl Abgang als Ankunft der Züge werden in allen Fällen dem korrespondierenden Amte durch telegraphische Signale angezeigt. Die Berliner Anlage zählte 1887: 31 Ämter mit 8 Maschinenstationen und 53 km Rohrlänge. Zur Beförderung gelangten jährlich rund 2,800,000 Sendungen. In Paris hatte das Röhrennetz 1887 bereits eine Ausdehnung [* 14] von 140 km, und es waren durch dasselbe die in der Stadt vorhandenen 92 Telegraphenanstalten untereinander verbunden.
Vgl. Wiebe, Die Rohrpost
anlage
zu Berlin (das. 1877) und verschiedene Veröffentlichungen im »Archiv für Post und Telegraphie« (Berl. 1876 u.
ff.).