(BriefSt.Pauli an die
Römer),
[* 2] das ausführlichste und für Beurteilung des Paulinischen
Lehrbegriffs wichtigste
Sendschreiben des
ApostelsPaulus. Dasselbe ist während des
Winters 58-59 zu
Korinth
[* 3] abgefaßt und nach
Rom
[* 4] geschickt, um die
dortigen
Christen mit dem Paulinischen
Evangelium bekannter zu machen, bestehende
Vorurteile aufzuheben
und die beabsichtigte
Reise des
Apostels nach
Rom vorzubereiten. Beanstandung haben nur die beiden letzten
Kapitel erfahren;
zumal im letzten scheint vieles eher auf
Ephesos
[* 5] als auf
Rom zu weisen. Der
Brief ist unzähligemal kommentiert worden.
Brief des ApostelsPaulus an die Römer, enthält die vollständigste und gereifteste
Darlegung des eigentümlich Paulinischen Evangeliums, doch ist die Briefform nicht etwa lediglich Einkleidung, sondern der
Römerbrief ist ein richtiger Brief, der seine Veranlassung in der beabsichtigten Reise des Apostels nach Rom hat und dem Zwecke dient,
einer zum großen Teile aus geborenen Heiden, aber unabhängig von Paulus und unter dem geistigen Einfluß
des Judenchristentums entstandenen Gemeinde seine Auffassung des Christentums nahe zu bringen und sich dadurch eine günstige
Aufnahme in Rom zu bereiten.
Obwohl Paulus das Volk der Römer zu den Heidenvölkern zählt, dem er ebenso wie Griechen und Barbaren das Evangelium zu predigen
verpflichtet sei, setzt er in seinen Argumentationen doch vorzugsweise jüdisch gebildete Leser voraus
und sucht seine Theologie vor dem jüd. Bewußtsein zu rechtfertigen. Der Brief sucht zunächst das religiöse Bewußtsein des
Judentums über die durch den Tod Christi ermöglichte «Rechtfertigung aus Glauben allein durch die Gnade» ins klare zu setzen,
im Gegensatz zu der jüd. Rechtfertigung aus den Werken des Gesetzes, sofern die Juden ebensowenig wie
die Heiden durch eigene Gesetzeserfüllung das Wohlgefallen Gottes zu verdienen vermögen, vielmehr auch ihrerseits durch selbstverschuldete
«Ungerechtigkeit» dem göttlichen Zorn verfallen seien. Er zeigt, wie statt
dessen eine Gerechtigkeit aus Glauben durch Christi Sühntod gleicherweise für Heiden wie für Juden ermöglicht
sei, weist deren alttestamentliche Begründung im GlaubenAbrahams nach und erläutert sodann die Übertragung von Gerechtigkeit
und Leben von dem einen Christus auf die vielen Menschen durch die Parallele
[* 7] mit der Übertragung von Sünde und Tod von dem einen
Adam auf alle seine Nachkommen. Hieraus rechtfertigt Paulus sein Evangelium für das sittliche Bewußtsein
des Judentums, indem er zeigt, daß die durch Christi Tod erlangte Freiheit von dem Gesetz keine Freiheit zum Sündigen sei,
wie vielmehr die Gläubigen in der Taufe mit Christus auf geheimnisvolle Weise in Todes- und Lebensgemeinschaft getreten sind,
dadurch der im Fleisch
¶
mehr
herrschenden und durch das Gesetz nur noch mehr aufgereizten Sünde absterben und zu einem neuen Leben im Geiste Christi erweckt
werden. Ein dritter Teil richtet sich sodann an das nationale Bewußtsein des Judentums und zeigt, wie die äußere leibliche
Zugehörigkeit zum Bundesvolke noch kein Anrecht aus die göttlichen Verheißungen gebe, Gott vielmehr
hinsichtlich der Personen, die er begnadigen oder verwerfen wolle, unbedingte Freiheit habe. Gleichwohl habe Gott durch die
zeitweilige Verwerfung Israels nur das Gesetz seiner Heilsordnung offenbar machen wollen, daß das Heil aus freier Gnade komme
und nicht aus der Menschen Verdienst; die Verheißungen Gottes aber würden dereinst auch an dem gesamten
Israel noch in Erfüllung gehen, da die Berufung der Heiden nur dem Zwecke diene, Israel zur Nachfolge zu reizen und dann zuletzt
sich aller zu erbarmen. Den Schluß machen sittliche Mahnungen, die durch die besondern Verhältnisse der röm. Gemeinde
veranlaßt sind, persönliche Mitteilungen und Grüße. Der Brief ist, wenn auch neuerdings von Loman,
Stecku. a. (s. Galaterbrief) angezweifelt, doch zuverlässig echt, nur über die Zugehörigkeit der
zwei Schlußkapitel oder doch einzelner Teile derselben zum ursprünglichen Römerbrief wird gestritten. Die Abfassungszeit fällt
ins J. 59. - Aus der reichen Litteratur über den Brief sind hervorzuheben: die Kommentare von Weiß (in
H. A. W. Meyers «Kommentar», 8. Aufl., Gött.
1891),
Godet (deutsch von Wunderlich, 2 Bde., 2. Aufl.,
Hannov. 1892-93) und Lipsius (im «Handkommentar zum
NeuenTestament», Bd. 2, Abteil.
2, 2. Aufl., Freib. i. Br. 1892);