Titel
Robespierre
(spr. robbespjähr), 1) Maximilien
Marie Isidore, eigentlich de Robespierre
, einer der
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hervorragendsten Männer der franz. Revolution, geb. zu Arras, [* 3] besuchte, früh verwaist, durch die Gunst des Bischofs Conzié von Arras das Collège Louis le Grand zu Paris, [* 4] widmete sich sodann dem Studium der Rechtswissenschaft und ließ sich in seiner Vaterstadt als Advokat nieder. Seine lebhafte Beteiligung an den litterarischen Bestrebungen bewirkte seine Ernennung zum Präsidenten der Akademie von Arras. 1789 als Deputierter von Arras in die Nationalversammlung gewählt, spielte er anfangs eine untergeordnet Rolle, da weder seine äußere Erscheinung noch seine rednerischen Leistungen ihn empfahlen.
Seine extremen doktrinären Anschauungen riefen oft das Gelächter der Versammlung hervor. Er forderte Preßfreiheit, allgemeines Stimmrecht, Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien, Aufhebung der Todesstrafe, Beseitigung der Privilegien des Klerus u. a., indem er die Vernunft als einzige Grundlage, die Tugend als Ziel jeder Staatsordnung hinstellte. Indes seine Unerschrockenheit und Zähigkeit und der ihn begleitende Ruf der Unbestechlichkeit verschafften ihm allmählich Achtung und Einfluß.
Zugleich trat sein argwöhnischer, mißtrauischer Charakter hervor, namentlich in seinen Reden im Jakobinerklub, dessen Präsident
er 1790 wurde. Das Königtum bekämpfte er seit der Flucht des Königs, den er fortan als Verräter betrachtete. Der verhängnisvolle
Beschluß, daß kein Mitglied der Konstituierenden Versammlung in die Legislative gewählt werden dürfe, war sein
erster großer parlamentarischer Erfolg. Nach dem Schluß der Konstituante wurde Robespierre
einer der populärsten Revolutionsmänner.
Er zog damals in die einfache Wohnung des Tischlers Duplay, dessen Tochter Lenore seine Geliebte wurde. Robespierre
wirkte als öffentlicher
Ankläger beim Tribunal von Paris, welches Amt er jedoch im Mai 1792 niederlegte, und als Redner im Jakobinerklub.
Kurze Zeit redigierte er den »Défenseur de la Constitution«, der jedoch keinen Erfolg hatte. Bei den Wahlen zum Nationalkonvent
war Robespierre
einer der ersten, welche aus der Wahlurne hervorgingen. Schon galt er als der Stimmführer der großen radikalen Partei,
welche die Revolution bis zu allen ihren Konsequenzen durchzuführen entschlossen war, und war Haupturheber
der Verurteilung u. Hinrichtung des Königs. Hierauf benutzte er seine einflußreiche Stellung zum Sturz der Gironde (Anfang Juni
1793) und nahm unter dem Eindruck des die Katastrophe begleitenden Schreckens als Präsident des Wohlfahrtsausschusses faktisch
die Diktatur in die Hand.
[* 5]
Jetzt in der Lage, sein Ideal, die Wiedergeburt der Gesellschaft und die Herrschaft der Tugend, zu verwirklichen, scheute er kein Mittel, dies zu erreichen; die blutige Vertilgung des alten verderbten Geschlechts, der Verräter und Verschwörer schien ihm vor allem notwendig. Doch verleiteten ihn sein Ehrgeiz und die Furcht, seine Popularität zu verlieren, oft zu Inkonsequenzen und zum Verrat an seinen Freunden. Ohne Widerstand zu finden, setzte er die neue Verfassung außer Geltung und erstickte 1793, indem er offen erklärte, daß, um ein neues goldenes Zeitalter der Freiheit heraufzuführen, Gewalt und Schrecken die Ordnung des Tags bilden müßten, den Widerstand der Parteien unter Blutströmen.
Dann wandte er sich, um allein zu herrschen, gegen seine bisherigen Helfershelfer und brachte Hébert Danton und die Cordeliers (5. April) sowie Chaumette (13. April) auf das Schafott. Nun schien ihm niemand mehr bei Aufrichtung seiner Herrschaft im Weg zu stehen; die Würde und Machtbefugnis eines Hohenpriesters der demokratischen Idee war das Ziel seines ehrgeizigen Strebens. Den ersten Schritt zu dessen Erreichung bezeichnete seine Erklärung im Mai 1794, daß das französische Volk an ein höchstes Wesen glaube. Am 20. Prairial zeigte er sich in der Majestät einer priesterlichen Stellung, indem er vor den Tuilerien vor der versammelten Menge eine Rede zu Ehren des höchsten Wesens hielt.
Als er aber auch jetzt mit den blutigen Schreckensmaßregeln fortfuhr und die im Juni eingeleitete Reorganisation des
Revolutionstribunals 1285 Menschen dem Blutgerüst überlieferte, gab die Furcht seinen Gegnern und Rivalen Mut zu geheimer Verständigung,
und so stieß Robespierre
im Wohlfahrtsausschuß auf unerwartete Opposition. Um einen vernichtenden Schlag auf seine
Gegner zu führen, denunzierte Robespierre
8. Thermidor in einer glänzenden Rede vor der Versammlung ein Komplott, welches
auf Spaltung des Konvents hinarbeiten sollte.
Die Rede ward schweigend vernommen; als aber Lecointre den Druck derselben beantragte, verlangte man vorher
die Prüfung des Antrags durch die Ausschüsse. Am 9. Thermidor (27. Juli) ließen Robespierres
Gegner ihn nicht zu Wort kommen. Tallien
hielt eine feurige Anklagerede gegen ihn, und ein Mitglied wagte den Antrag auf Robespierres
Verhaftung, die nebst der Couthons
und Saint-Justs sofort dekretiert wurde. Robespierre
ward nach dem Luxembourg gebracht, vom Volk aber befreit und
auf das Stadthaus geführt, wo inzwischen Robespierres
gleichfalls durch Zufall befreite Genossen schon eingetroffen waren.
Die Unschlüssigkeit und Unthätigkeit Robespierres
lähmten jedoch die ihm anhängende Kommune, während der Konvent eine
ungeahnte Energie zeigte und dem Oberbefehlshaber Barras den Befehl zum Angriff erteilte. Als dieser das
Stadthaus stürmte, versuchte Robespierre
, sich durch einen Pistolenschuß zu töten, zerschmetterte sich jedoch nur
die Kinnlade. Er ward in die Conciergerie geschafft, von wo aus er 10. Thermidor (28. Juli) gegen 6 Uhr
[* 6] nachmittags mit 20 Genossen
zum Schafott auf dem Eintrachtsplatz gefahren wurde. Als sein Haupt fiel, ertönte aus der Menge lautes
Händeklatschen. Sein Sturz bezeichnete das Ende des Schreckensregiments, das für Robespierre
nur ein Übergang zur Erreichung seines
Ideals sein sollte. Die Überhebung, ein widerstrebendes Geschlecht vertilgen zu wollen, war Robespierres
Frevel; seine Intelligenz
hatte einen beschränkten Gesichtskreis, sein Charakter war durch krankhafte Überreiztheit getrübt. Er
war kein Staatsmann, aber ein glänzender Parlamentsredner. »Œuvres choisies de Max. Robespierre«
wurden von Laponneraye und Carrel
(Par. 1832-42, 3 Bde.), in Auswahl von
Vermorel (das. 1865) herausgegeben.
Vgl. Tissot, Histoire de Robespierre
(Par. 1844, 2 Bde.);
Lewes, Life and correspondence of Robespierre
(Lond. 1849);
Hamel, Histoire de Robespierre
(Par. 1865-67, 3 Bde.);
Héricaut, Robespierre et le comité de salut public en l'an II (2. Aufl. 1877);
Brunnemann, Leben M. Robespierres (Leipz. 1880);
Schumm, M. Robespierre (Freiburg [* 7] 1885).
2) Augustin Bon Joseph, jüngerer Bruder des vorigen, geb. 1764 zu Arras, wurde gleichfalls im Collège Louis le Grand zu Paris erzogen und war später Advokat in seiner Vaterstadt. 1792 in den Nationalkonvent gewählt, schloß er sich der radikalen Partei an und stand stets auf der Seite seines Bruders, ohne selbst eine hervorragenden Rolle zu spielen. Als Repräsentant des Volkes war er eine Zeitlang im südlichen Frankreich, dann als Kommissar bei der italienischen Armee thätig, wo er mit Bonaparte befreundet wurde. Am 9. Thermidor auf sein ¶
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Verlangen mit seinem Bruder verhaftet, dann befreit und aufs Stadthaus gebracht, stürzte er sich beim Anrücken Barras' durch ein Fenster auf die Straße, brach ein Bein und wurde halbtot zugleich mit seinem Bruder guillotiniert. Die Schwester beider, Charlotte de Robespierre, Gegnerin der Grundsätze ihrer Brüder, weil sie leichtfertig und frivol war, Geliebte Fouchés, dem ihr Bruder jedoch ihre Hand verweigerte, erhielt vom Direktorium eine Pension von 6000 Frank, welche ihr die spätern Regierungen, wenngleich verkürzt, auch bewilligten, und starb in Paris. Unter ihrem Namen wurden in den »Mémoires de tous« (Bd. 4) Memoiren veröffentlicht.