Rind.
[* 2] Das Klassifikationssystem der europäischen Rind
errassen von L.
Rütimeyer nach den Schädeltypen
in: 1)
Primigenius,
Ur-, 2) Brachyceros, kurzhornige, und 3) Frontosus, großstirnige
Rassen, hat sich als nicht stichhaltig
herausgestellt und kann daher nicht mehr aufrecht erhalten werden. Nach
Rütimeyer soll das Steppenvieh und Niederungsvieh
von dem ausgestorbenen
Ur
(Bos primigenius) abstammen, was jedoch angefochten wird. Zu den Brachyceros-Rassen
soll das einfarbige Gebirgsvieh und zu den Frontosus-Rassen die bunten Thallandrassen und das Landvieh gehören.
Nach Baranski (»Tierproduktion«, 1. Teil, Wien [* 3] 1890) muß bei Aufstellung eines natürlichen Klassifikationssystems nicht nur der veränderliche Schädel, sondern auch die geographische Ausbreitung, die geschichtliche Entwickelung, die Anatomie des Skelettes, das Exterieur etc. in Erwägung gezogen werden. Baranski unterscheidet das europäische in drei primäre Gruppen:
1) Steppenvieh, 2) nordisches (a. blondes westeuropäisches Vieh von
roter Haarfarbe oder rotes deutsches Landvieh, b. dunkles europäisches Vieh oder Niederungsvieh) und 3) alpines Vieh
(a. einfarbiges alpines Vieh oder Braunvieh, b. Fleckvieh).
Krafft unterscheidet die zahlreichen Rind
errassen
nach ihrer geographischen Verbreitung und mutmaßlichen
Verwandtschaft in: 1)
Steppen-, 2)
Niederungs-, 3) einfarbige Gebirgs-,
4) bunte Thalland-, 5) Land-, 6) englische und 7) französische
Rassen.
Auf den großen englischen und amerikanischen landwirtschaftlichen Zuchttierausstellungen gewinnen die hornlosen Rassen, und zwar nicht allein die Red Polled, sondern auch die Aberdeen [* 4] Angus, Welsh, Galloways etc. sowohl in Reinzucht als auch in Kreuzungen gegenwärtig immer mehr Terrain. Bei der heutigen hohen Entwickelung der Viehzucht [* 5] erscheinen in der That die Hörner überflüssig, und die Beseitigung derselben ist eine humane Pflicht. In Amerika [* 6] sucht man daher das Enthornen auf mechanischem und züchterischem Wege zu erreichen.
Verwerflich ist die Ausbohrung der Hornwurzel bei Kälbern oder die gebräuchlichere Enthornung 2-3jähriger Tiere mit der Säge, [* 7] auf welche Art in den Vereinigten Staaten [* 8] in den letzten zwei Jahren ca. 10 Mill. Rinder [* 9] enthornt wurden. Empfehlenswerter ist die Unterdrückung des Hornwachstums bei jungen Tieren unter Anwendung chemischer Mittel, indem man die Hornerhöhungen 8-14 Tage alter Kälber mit einer ätzenden Flüssigkeit (Dehorning liniment, March chemical Dehornes) einigemal bestreicht. Am geeignetsten aber ist das Vorgehen der Polled Durham Association, d. h. Zuchtgenossenschaft hornloser Durhams (Sekretär [* 10] A. E. Burleigh in Mason, Illinois), welche auf züchterischem Wege die Enthornung anstrebt.
Vgl. Freytag, Tabellarische Übersicht der europäischen Rinder (Halle [* 11] 1890,2 Blatt); [* 12]
Wagner, Rind
viehschläge
Ostfrieslands
(Emden
[* 13] 1885);
Nörner, Fleckvieh der Schweiz [* 14] (Berl. 1888);
Flückiger, Das Berner Fleckvieh (2. Aufl., Bern [* 15] 1888);
Kaltenegger, Die österreichischen
Rind
errasse
(Wien 1879-89, Heft 1-4);
Sieglin, Rind
erzucht in
Württemberg
[* 16] (Stuttg. 1888);
Colemann-Zöppritz, Englische [* 17] Viehrassen (das. 1887);
Settegast, Die deutsche Viehzucht (Berl. 1890);
Krafft, Tierzuchtlehre (5. Aufl., das. 1890);
»Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft« (das. 1889-90).