Rietschel
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Ernst, Bildhauer, geb. zu Pulsnitz in der sächs. Lausitz, kam 1820 in die Kunstakademie zu Dresden [* 2] und führte schon nach einigen Jahren selbständig eine gegen 2,5 m hohe Statue Neptuns für den Marktbrunnen zu Nordhausen [* 3] aus, welche in Eisen [* 4] gegossen ward. 1826 begab er sich nach Berlin, [* 5] wo sich Rauch seiner besonders annahm, und 1828 gewann er das akademische Stipendium zum Besuch Italiens. [* 6] Da er aber als Nichtpreuße von der Konkurrenz ausgeschlossen war, so erhielt er auf Empfehlung des Senats den Preis von der sächsischen Regierung ausgezahlt. 1830 besuchte er Italien, [* 7] ward aber schon im folgenden Jahr zurückgerufen, um in Rauchs Atelier die kolossale sitzende Statue des Königs Friedrich August von Sachsen [* 8] für Dresden in Angriff zu nehmen (in Bronze [* 9] gegossen, im Zwingerhof). 1832 wurde er als Professor an die Dresdener Akademie berufen und entfaltete dort eine umfangreiche, schöpferische und Lehrthätigkeit, welche die Dresdener Bildhauerschule begründete. Er starb in Dresden.
Auf der Brühlschen Terrasse ward ihm ein Denkmal von Schilling errichtet. Seine Hauptwerke sind: die Reliefs am Giebelfeld des Augusteums zu Leipzig [* 10] und in der Aula daselbst der Cyklus von zwölf großen Reliefs, die Hauptepochen der Kulturgeschichte der Menschheit darstellend (1835 bis 1838);
die Reliefs in den Giebelfeldern des Dresdener Theaters (s. Tafel »Bildhauerkunst [* 11] VII«, [* 12] Fig. 3, 1839), die durch dessen Brand 1869 zu Grunde gingen;
die Reliefs in dem Giebelfeld des Opernhauses zu Berlin;
eine lebensgroße Darstellung Marias, am Leichnam Christi knieend, in der Friedenskirche zu Potsdam [* 13] (Pietci, 1845);
Thaers Statue in Bronze, 1850 in Leipzig, und Lessings Statue, 1853 in Braunschweig [* 14] enthüllt, ein Meisterwerk realistische Porträtbildnerei (s. Tafel »Bildhauerkunst IX«, [* 15] Fig. 3);
eine Reihe dekorative Arbeiten in Sandstein am Neuen Museum zu Dresden;
die kolossale Doppelstatue Goethes und Schillers, welche 1857 in Weimar [* 16] aufgestellt ward;
für die Walhalla die Büsten Luthers, des Kurfürsten August II. von Sachsen, Rauchs und andre Reliefporträte;
das Lutherdenkmal für Worms, [* 17] von dem er jedoch nur ein kleines Modell des Ganzen und die Statuen Luthers (s. Tafel »Bildhauerkunst IX«, [* 15] Fig. 4) und Wiclefs vollendete;
die Ausführung nach seinem Entwurf übernahmen seine Schüler Donndorf und Kietz.
Von seinen kleinern Arbeiten der Genreplastik sind in Abgüssen verbreitet die Reliefs des Christengels, der vier Tageszeiten, der Amoretten auf Panthern etc. ist der Hauptvertreter jener Richtung in der Plastik, welche die Idealität mit der treuesten Naturwahrheit zu vereinigen strebt und dadurch die Entwickelung der Bildnerei über Rauch hinausgeführt hat. Seine Hauptwerke sind: Lessing, Luther und die Pietà. Eine Sammlung von Abgüssen seiner Werke ist im R.-Museum in Dresden aufgestellt.
Vgl.
Oppermann, E. Rietschel
(2. Aufl., Leipz. 1873), woraus die »Jugenderinnerungen« 1881 besonders
abgedruckt sind.