Riesengebirge
,
der höchste Teil der
Sudeten (s. d.) und das eigentliche Hochgebirge derselben.
Das Riesengebirge
im engern
Sinn erstreckt sich von den
Quellen des
Zacken bis zum Ursprung des
Bober.
Dort erhebt es sich unmittelbar östlich
vom Iserkamm über dem 720 m hohen
Paß
[* 2] zwischen
Schreiberhau in
Schlesien
[* 3] und Harrachsdorf in
Böhmen,
[* 4] hier fällt es
zum tiefen
Einschnitt ab, dem die für die
Kriegsgeschichte
Schlesiens so wichtige
Straße von
Landeshut nach
Trautenau folgt.
Es hat die
Länge von etwa 37 und eine
Breite
[* 5] von 25 km, so daß es im ganzen gegen 1110 qkm (20 QM.) umfaßt.
Hirschau - Hirschberg

* 6
Hirschberg.
Von der südlichen oder böhmischen Seite, wo
Hohenelbe 455 m ü. M. liegt, steigt das Riesengebirge
nur allmählich
aufwärts bis zu dem eigentlichen, kaum 6 km breiten Hochgebirge, dessen höchste, nebeneinander liegende Bergkuppen und
Bergrücken den
Kamm des
Gebirges bilden, auf welchem die
Grenze zwischen
Böhmen und
Schlesien hinläuft. Dagegen stuft es sich
weit steiler von dem dem Nordrand weit näher gerückten höchsten
Kamm in den 1000 m tiefer gelegenen
freundlichen, reich angebauten
Kessel des
Hirschberger
Thals ab, wo
Warmbrunn 351 und
Hirschberg
[* 6] 313 m ü. M. liegen.
Bogen (Baukunst)

* 9
Bogen.
Hier bietet es dem
Auge
[* 7] einen mannigfach ausgeschweiften
Rücken
(Kamm), steile Felsabhänge und abwechselnd tiefe, finstere
Schluchten dar. Der
Kamm hat eine durchschnittliche
Höhe von 1250 m, während eine
Reihe von Gipfeln auf
demselben über 1350 m ansteigen, und im allgemeinen erscheint er von der Nordseite wie eine
Mauer, über die nur wenige Fußsteige
führen,
und die nur in der Mitte einen
Einschnitt besitzt, der bis 1100 m
Höhe, bis in die Waldregion, hinabgeht.
Es folgen in diesem Grenzrücken von W. nach
O.: der
Reifträger (1350 m), das
Hohe Rad (1509 m), die
Große
Sturmhaube (1424
m), die
Kleine
Sturmhaube (1369
m) und gegen das
Ostende
[* 8] der höchste
Berg Mitteldeutschlands, die 1603 m hohe
Schneekoppe (s. d.).
Nordöstlich von letzterer folgt dann der
Forstkamm mit der
Schwarzen
Koppe (1349 m), weiterhin der
Schmiedeberger
Kamm, an welchen sich nordwärts bis zum
Bober der
Landeshuter Kamm anschließt, während der Hauptkamm hier einen
Bogen
[* 9] nach
S. macht und als Riesengebirge
im Kolbenberg östlich von Kleinaupa endigt.
Über den beschriebenen Hauptkamm des
Gebirges zieht sich die schlesisch-böhmische Landesgrenze, so daß
nur der kleinere nördliche Teil des Riesengebirges
dem preußischen, der größere südliche dagegen dem österreichischen
Staat angehört. Mit dem Hauptzug parallel laufen, durch ein unterbrochenes Längenthal davon getrennt, im S. die
Böhmischen Kämme,
in der Mitte durchbrochen durch die tiefe Thalschlucht der
Elbe, die sich dort aus der auf der hoch gelegenen
und ausgedehnten
Mulde der Elbwiese im W. entspringenden
Elbe, welche bei dem Hinabstürzen in den tiefen Elbgrund den Elbfall
bildet, und dem von der großen
Weißen
Wiese im O. herabkommenden
Weißwasser gesammelt hat, nachdem bereits zuvor sich mit
Elbe und
Weißwasser die Gewässer aus den Siebengründen, gleichfalls dem Hauptkamm auf seiner südlichen
Seite entfließend, vereinigt haben.
Auf den Böhmischen Kämmen sind der Brunnberg (1502 m), südlich von der Schneekoppe, und der schmale, zackige Ziegenrücken im O., der Krkonosch (1478 m) und der Kesselberg (1435 m) im W. vom Elbdurchbruch, im S. vom Ziegenrücken der Lange Grund mit dem Klausenwasser und dem vielbesuchten Dorf St. Peter bemerkenswert. Zwischen den Westenden der beiden Ketten sammelt sich die Kleine Iser, während vom Südostgehänge der Schneekoppe der 400 m tiefe pittoreske, felsige Aupa- oder Riesengrund nach Böhmen hinabzieht.
Das von Iser und Aupa eingeschlossen südlichere Gehänge ist ein von zahlreichen südlich verlaufenden Schluchten durchschnittenes Waldland. Das Nordgehänge hat ebenfalls tiefe, felsige Schluchten, deren Gewässer sämtlich zum Bober fließen; unter ihnen sind die westlichen der Zacken, die Zackerle und Kochel (diese beiden bekannt durch ihre Wasserfälle). Unter den felsigen Schluchten der Nordseite sind die des Kleinen und Großen Teichs, im NW. der Schneekoppe, mit kleinen Seen in der Tiefe, aus denen die Lomnitz abfließt, und vor allen die großartigen Felsenschluchten und Kessel der Kleinen und Großen Schneegrube, am Hohen Rad, zu nennen, in deren Tiefe sowie in der Agnetendorfer Schneegrube sich dauernde Schneeflecke erhalten.
Riesenhirsch - Riesens

* 10
Seite 13.827.
Unter den Randhöhen des Riesengebirges
auf seiner Nordseite, also am
Hirschberger Thal, treten ganz besonders
der Gräberberg mit der Annakapelle, über Arnsdorf und Seidorf, der durch seine prachtvolle Aussicht und seine Burgruine
berühmte
Kynast (589 m), über
Hermsdorf, und die Bismarckhöhe, auf dem
Hummel zwischen
Petersdorf und Agnetendorf, hervor.
Das Hauptgestein des Riesengebirges
ist
Granit, welcher aus der Tiefe des
Hirschberger
Thals bis zum
Rücken
der
Böhmischen Kämme im S. reicht, von wo
an am übrigen Südgehänge kristallinisches Schiefergebirge, vorzugsweise
Glimmerschiefer,
herrscht, der auch den Südosten und
Osten einnimmt, wo er bis auf die
Höhe
¶
mehr
der Schneekoppe reicht. Das granitische Terrain ist auf seinen Höhen mit Felsmeeren von Granitblöcken bedeckt und reich an pittoresken Felsmassen und Einzelfelsen, sowohl auf der Höhe des Kammes als auf der Abdachung;
auch die Betten der Bäche sind erfüllt von wild übereinander liegenden Blöcken. Zu den Felsen der Höhe gehören: der Teufelstein, über dem Großem Teich;
der Mittagstein, an der Seite der Kleinen Sturmhaube;
der Mädelstein, zwischen der Kleinen und Großen Sturmhaube;
die Rübezahlkanzel, unweit der Schneegrubenbaude, und zahlreiche andre. Zu den geognostischen Merkwürdigkeiten des Gebirges gehören einzelne Porphyrgänge, so im Granit vom Quirlberg bei Hermsdorf bis zu den Schneegruben sowie am Annaberg [* 11] über Seidorf und in Fragmenten am Kleinen Teich;
auch Basalt tritt in einer kleinen Partie südöstlich vom Kynast auf.
Bergbau [* 12] wird nur in geringer Ausdehnung [* 13] auf der böhmischen Seite am Riesengrund betrieben; wie zahlreich aber vor alten Zeiten die Erzwäschen, wahrscheinlich Zinnseifen im R. gewesen sind, dafür zeugen die Seifengründe und Seifenberge auf der schlesischen und böhmischen Seite des Hauptzugs. Zwischen den Straßen von Schreiberhau nach Harrachsdorf und von Landeshut nach Trautenau führen nur Paschersteige über das Gebirge.
Fichte

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Fichte. Das Riesengebirge
erhebt sich aus der Region des Laubholzes mit seinen höchsten Gipfeln bis über die des Krummholzes. In den
tiefern Gründen kommen mit dem Nadelholz Buche, Eiche und Birke als Laubholz vor; von 500-1300 m herrscht aber der Nadelwald,
aus Fichten und Tannen bestehend. Über 1200 m fängt meist schon das baumlose Hochgebirge an, beginnend mit den Zwergformen
der Fichte
[* 14] und Vogelbeere, über welchen bei 1300 m Höhe die Zwergkiefer mit einigen zwergigen Laubhölzern
(darunter auch Salix Lapponum) die Holzpflanzen sind, die erstere oft undurchdringliche Dickichte bildend.
Mit ihnen finden sich zahlreiche subalpine und alpine Pflanzen zusammen, die endlich allein noch auf den höchsten Gipfeln vorkommen. Im Hochgebirge wechseln auf den Kämmen und Kuppen mit Felstrümmern bedeckte Flächen mit solchen, wo eine dünne Erddecke den Boden bedeckt, während in allen Mulden sich Moore und offene Sümpfe, erstere oft mit schwankender Decke, [* 15] ausdehnen. Die Zwergkiefer, Gräser, [* 16] das Alpenhabichtskraut, Moose [* 17] und Flechten, [* 18] in den Mooren vorherrschend Halbgräser, insbesondere Carex-Arten, sind die Hauptformen der dünnen und magern Vegetation der Höhen.
Unter den alpinen Pflanzen des Riesengebirges
heben wir hervor: Primula minima, Anemone alpina, Alchemilla
fissa, Geum montanum, Potentilla aurea, Swertia perennis, Gentiana verna, Veratrum album, neben welchen zahlreiche andre vorkommen.
Auch alpine Tiere finden sich schon, wie die Alpenlerche und von Fischen der Saibling. An den geschützten und tiefern, wiesenreichen,
sanftern Gehängen haben sich im Hochgebirge und am obern Rande des Waldes die Eingebornen in Holzhäusern
(s. Baude) angesiedelt, um Rindvieh- und Ziegenzucht zu betreiben.
Reichenbach (Moritz vo

* 19
Reichenberg.
Die bekanntesten sind: die 1255 m hoch gelegene Hampelbaude auf der schlesischen Seite, die Riesenbaude am westlichen Fuß
des Koppenkegels auf der böhmischen Seite, die Wiesenbaude auf der Weißen Wiese im N. des Brunnenbergs,
die Spindler- und die Petersbaude zu beiden Seiten der mittlern Kammsenkung, die Schneegrubenbaude an der Großen Schneegrube
in der Höhe von 1455 m, die letztere ausschließlich dem Fremdenverkehr dienend. Die Futter- oder Sommerbauden dienen nur
in der
Sommerszeit zur Aufnahme von Vieh und Hirten für die Nacht auf den entfernten Weiden, die man nur
14-16 Wochen im Sommer, meist bis gegen Ende September, mit dem Vieh betreibt, welches dann zu den Winterbauden zurückgeführt
wird. Zu den schönsten Punkten, von wo aus man auf schlesischer Seite das Riesengebirge
übersieht, gehört der Scholzenberg bei
Warmbrunn, indem man von hier aus die Gebirgskette in ihrer ganzen Ausdehnung überschaut; auf böhmischer Seite der mit einer
Wallfahrtskirche gekrönte Tabor bei Lomnitz. Am Westende des Gebirges führt die Straße von Hirschberg nach Reichenberg
[* 19] in Böhmen,
am Ostende die schon erwähnte Straße und die Eisenbahn von Landeshut nach Trautenau vorüber; neuerdings
führt auch eine Kunststraße von Hermsdorf unterm Kynast im Hirschberger Thal über den Gebirgskamm nach St. Peter in Böhmen
(im obern Elbthal). Der Touristenverkehr im R. ist ein sehr starker; kaum ein andres Gebirge Deutschlands
[* 20] hat so zahlreichen
Zuspruch aufzuweisen. Neuerdings ist durch die Thätigkeit des Riesengebirgsvereins auch dafür gesorgt,
daß den Reisenden mehr von dem dort so fehlenden Komfort geboten wird.
Vgl. Willkomm, Handbuch für Reisende durch das Riesengebirge
(4.
Aufl. von Herloßsohn, Leipz. 1853);
Letzner, Wegweiser durch das (in »Meyers Reisebüchern«, 6. Aufl., das. 1888).