Riesen
,
Menschen, deren Körperhöhe über das gewöhnliche
Maß sehr großer
Menschen hinausgeht. Als
Übergangsformen
gelten die Hochwuchstypen von 175-205
cm
Länge, die bei uns etwa 5-6 Proz. der
Bevölkerung
[* 2] bilden.
Ihre
Größe ist meist auf
Vererbung zurückzuführen. Sie besitzen einen relativ kleinen
Kopf, kurze
Wirbelsäule, etwas verlängerten Brustkorb, längere
Arme und
Beine, verminderte Schulterbreite, erhöhte Hüftbreite, alles mit zahlreichen individuellen Schwankungen.
Riesen
von 250-260
cm Körperlänge sind große Seltenheiten, und vielleicht wird ein
Maß von 253
cm nie überschritten.
Bei den Riesen
zeigt sich oft geringe
Festigkeit
[* 3] der
Knochen
[* 4] mit allerlei
Abweichungen, der
Kopf ist relativ klein, die Kieferregion
meist übermäßig hoch, der
Unterkiefer monströs und vorgeschoben,
Lippen und
Nase
[* 5] sind oft gewulstet,
Masse und Leistungsfähigkeit der
Muskeln
[* 6] stehen nicht im normalen
Verhältnis zur
Größe, und die körperliche
Kraft
[* 7] ist daher
gering. Nur die Kaumuskulatur ist hoch entwickelt. Die geistigen Fähigkeiten sind in der
Regel unterdrückt; schwerfällig
bis zur
Trägheit, bietet der echte
Riese mit seinen schlotterigen
Gliedern oft ein
Bild des Jammers.
Die Fortpflanzungsfähigkeit fehlt meist. Der Riesen
wuchs (Macrosomia) ist fast ausschließlich auf das männliche
Geschlecht
beschränkt, er erscheint nicht erblich, beginnt mit dem 9.-10. Lebensjahr und ist wohl auf eine besondere Üppigkeit
des Anlagematerials des
Fötus zurückzuführen. Auf diese
Weise kommt es zu einer
Steigerung der knochenbildenden
Prozesse, die zwar bis zu einem gewissen
Grad in das Gebiet des
Normalen fällt, meist aber mit zweifellos krankhaften Vorgängen
verknüpft ist; daher zeigen die Riesen
meist krankhaften
Habitus und gehen früh zu
Grunde.
Vgl. Langer, Wachstum des menschlichen Skeletts (»Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften« 1872);
Taruffi, Della macrosomia (Mail. 1879);
Bollinger,
Zwerg- und Riesen
wuchs (Berl. 1884). -
Riesen
spielen in den
Mythen und
Sagen der
Völker eine bedeutende
Rolle, bald als rein mythologische
Personifikationen, bald als
phantastische
Vorstellungen von Urgeschlechtern. Die
Urgeschichte der Israeliten erzählt sowohl von riesen
haften Völkern
in
Kanaan, z. B. den riesigen
Kindern Enaks in
Hebron, den Rephaim, Nephilim, als von einzelnen riesen
haften
Menschen, wie
Goliath.
Die
griechische Mythologie hatte ihre Riesen
, als
Personifikation unbändiger
Naturkräfte, in den
Giganten, dem
Ägäon,
Antäos,
den
Aloiden und
Kyklopen.
[* 8] Nach der
Vorstellung der
Römer
[* 9] waren besonders die nördlichen Gegenden mit Riesen
bevölkert.
In der indischen
Mythologie brachte
Brahma Riesen
hervor, die im
Kampf mit den
Göttern mit dem
Blitz besiegt werden. Auch die
Tataren,
Finnen,
Slawen und andre
Völker wissen in ihren
Sagen und
Märchen von Riesen
zu erzählen. In der germanischen Götterlehre bilden
die Riesen
den
Gegensatz zu den
Göttern und Lichtwesen,
¶
mehr
und zwar unterscheidet die nordische Mythologie Joten, Bergriesen
, Trolden oder Tröllen, gespenstige Wesen in Riesen
gestalt,
und Thursen oder Zauberriesen.
Sie sind ursprünglich die Personifikation des Ungeheuern und Ungestümen, Finstern und Feindseligen
in der Natur, der rohen, ungezähmten Elemente, namentlich des Sturms und Unwetters. Bei den Skandinaviern erscheinen sie in
spezieller Beziehung zu den Winterstürmen als Eis- und Frostriesen.
Die deutschen Volkssagen nennen die
Riesen Hünen.
In der Heldensage erscheinen Sigenôt und Fasold als Riesen. Die letzte Rolle spielen die in den Ritterromanen des Mittelalters neben Zwergen, Feen und Zauberern; der Volksglaube versetzte ihren Wohnsitz in ferne Gegenden, wohin sie allmählich zurückgedrängt worden. Ohne Zweifel fanden die Sagen von Riesen wie von andern Ungeheuern (Drachen etc.) eine immer neue Stütze in der Auffindung von Knochen ausgestorbener Dickhäuter, wie denn z. B. der heil. Augustinus den Zahn eines Mammuts für den Backenzahn eines Riesen erklärte, aus dem die Zähne [* 11] für 100 gewöhnliche Menschen geschnitten werden könnten.