Riechen
,
s. Geruch und Geruchswerkzeuge.
Riechen
5 Wörter, 41 Zeichen
Riechen,
s. Geruch und Geruchswerkzeuge.
(Olfactus), das Vermögen, mittels des Riechnervs eigentümliche Empfindungen (Gerüche) wahrzunehmen, welche sich aber nicht genauer beschreiben lassen. Der Vorgang beim Riechen besteht darin, daß die Endorgane des Geruchsnervs (nervus olfactorius) durch die Berührung mit gewissen flüchtigen oder gasförmigen Stoffen, die mit dem Einatmungsstrom in die Nasenhöhle gelangen, in Erregung versetzt werden. Diese Erregung wird durch die Fasern des Geruchsnervs auf das Zentralorgan des Geruchssinns im Gehirn [* 3] übertragen, und dadurch wird in uns die Vorstellung einer Geruchsempfindung erweckt, deren Quelle [* 4] wir stets unwillkürlich nach außen verlegen. Als das Organ des Geruchssinns wird gewöhnlich die Nase [* 5] bezeichnet; genau genommen jedoch ist es nur ein kleiner Teil der Nasenschleimhaut, welcher beim Riechen unmittelbar in Frage kommt (s. Nase). Alle Wirbeltiere besitzen deutliche Geruchsorgane und also wahrscheinlich ¶
auch einen mehr oder weniger entwickelten Geruchssinn. Beständig im Wasser lebende Tiere können aber natürlich keine Geruchsempfindungen haben, welche denen der Lufttiere vollkommen entsprechen; dieselben werden mehr den Geschmacksempfindungen analog sein, wie denn überhaupt die Eindrücke beider Sinne manches Gemeinsame haben. Bei den Fischen ist aber das Geruchsorgan so deutlich ausgebildet, daß man bei ihnen auch wirklich Geruchsempfindungen voraussetzen muß, obwohl direkte Beobachtungen darüber noch nicht gemacht wurden oder wenigstens nicht entschieden haben.
Hühner [* 7] und sperlingsartige Vögel [* 8] verraten einen stumpfen Geruchssinn, einen schärfern die Klettervögel, [* 9] besonders die Papageien, die Raub- und Schwimmvögel, [* 10] den schärfsten die Sumpfvögel. Bei den Säugetieren ist das Geruchsorgan weit entwickelter als selbst bei dem Menschen, und so äußern auch viele von ihnen unzweideutige Spuren einer so hohen Entwickelung dieses Sinnes, daß man selbst Bedenken tragen würde, sie der Wirkung desselben zuzuschreiben, wenn eine andre Erklärung zulässig und nicht die Ausbildung ihrer Riechwerkzeuge dem entsprechend wäre. Man unterscheidet die Säugetiere hinsichtlich des Geruchssinns in solche, die spüren, und solche, die wittern. Bei dem Spüren wird die Luft willkürlich eingezogen, und es geschieht mehr in der Nähe; das Wittern wird mehr durch Einströmen der vom Wind getriebenen Luft in die Nasenlöcher erregt und wirkt mehr in die Ferne. Spürende Tiere sind besonders die Raub- und Nagetiere. [* 11] Zu den witternden gehören die Wiederkäuer, [* 12] Dickhäuter und Einhufer.
Die Geruchsempfindungen besitzen keine definierbaren Qualitäten. Wir unterscheiden sie indes ziemlich scharf nach den einzelnen Stoffen, durch welche sie hervorgerufen werden, und wir pflegen sie auch nach diesen Stoffen zu bezeichnen. Eine Reihe von Empfindungen, welche durch die Nasenschleimhaut vermittelt werden, und welche man gewöhnlich für Geruchsempfindungen ausgibt, z. B. der stechende Geruch, sind nichts andres als Gemeingefühlsempfindungen, welche mit der spezifischen Energie des Riechnervs nichts zu schaffen haben.
Grundbedingung für die Geruchsempfindung ist natürlich ein vollkommen normales Verhalten der Endorgane des Riechnervs. Leichte katarrhalische Entzündungen der Nasenschleimhaut (Schnupfen) stören die Geruchsempfindung ganz erheblich. Wenn man, auf dem Rücken liegend, die Nasenhöhlen [* 13] mit Wasser gefüllt hat, so wird dadurch das Geruchsvermögen für einige Minuten vollständig aufgehoben. Ein gewisser Grad von Feuchtigkeit der Riechschleimhaut (er wird hervorgebracht durch die Schleimdrüsen) ist dagegen eine notwendige Vorbedingung für das Zustandekommen von Geruchsempfindungen.
Bei trockner Nase, z. B. im Beginn des Schnupfens, riechen
wir entweder gar nichts, oder der Geruch ist wenigstens stark beeinträchtigt.
Geruchsempfindungen kommen ferner nur dann zu stande, wenn die riechenden
gasartigen Stoffe in einem Luftstrom mehr oder weniger
rasch in die Nase eingezogen werden. Stagniert dagegen die riechende
Luft in der Nasenhöhle, so haben
wir keine Geruchsempfindungen; ebensowenig dann, wenn der Luftstrom von der Mundhöhle her in die Nasenhöhle streicht.
Daß nur gasförmige Substanzen den Riechnerv zu erregen vermögen, beweist der Umstand, daß bei der Anfüllung der Nasenhöhle
mit stark riechenden
Flüssigkeiten, z. B. Eau de Cologne, keine Geruchsempfindungen wahrgenommen werden.
Die Intensität der Geruchsempfindungen, welche durch verschiedene Stoffe
hervorgerufen wird, ist außerordentlich verschieden.
Je mehr die in die Nase eingezogene Luft von einem gewissen Riechstoff enthält, umso stärker ist natürlich die Empfindung
davon; doch genügen außerordentlich geringe Mengen zur Hervorbringung einer Geruchsempfindung. So riecht die
Luft noch nach Brom, wenn 1 ccm derselben nur noch 1/30000 mg Brom enthält, und nach Moschus, wenn der Nase noch weniger als 1/2000000
mg eines weingeistigen Moschusextrakts dargeboten wird; von Schwefelwasserstoff wird noch weniger als ein Milliontel in der
Luft deutlich wahrgenommen.
Geradezu wunderbar erscheint die Feinheit des Geruchssinns in den Leistungen der Spürkraft mancher Tiere.
Mit der längern Dauer des Geruchseindrucks ermüdet die Riechschleimhaut nach und nach. Wenn wir uns einige Zeit in einer
riechenden
Luft aufhalten, so verschwindet endlich die Geruchswahrnehmung für den beständigen Geruch, ohne daß dadurch
die Fähigkeit für die Wahrnehmung andrer Gerüche abnimmt. Die Bezeichnung der Gerüche als angenehm
oder unangenehm, die übrigens eine rein individuelle und willkürliche ist, beruht zum Teil auf Vorstellungen, die sich an
die Geruchsempfindung anschließen.
Diese Vorstellungen wechseln schon mit den physiologischen Körperzuständen. Dem Hungrigen z. B. duftet eine Speise äußerst angenehm in die Nase, während bei dem Gesättigten dadurch Widerwille erregt wird.
Vgl. Cloquet, Osphresiologie oder Lehre [* 14] von den Gerüchen, von dem Geruchssinn etc. (Weim. 1824);
Bernstein, [* 15] Die fünf Sinne (Leipz. 1875);
v. Vintschgau, Physiologie des Geruchssinns (in Hermanns »Handbuch der Physiologie«, das. 1880);