(hebr. Schofetim), in der luther.
Bibelübersetzung Bezeichnung derjenigen
Personen, welche in dem Zeitraum
von
JosuasTod bis auf
Samuel, von
ca. 1450 bis etwa 1100
v. Chr., da die
Hebräer eines gemeinsamen Oberhaupts entbehrten, entweder
durch
Wahl und Aufruf oder aus freiem Entschluß von Zeit zu Zeit an die
Spitze des israelitische
Volkes
oder einzelner
Stämme desselben traten.
IhreNamen sind: Othniel, Ehud, Schamgar, Barak,
Gideon,
Abimelech, Thola, Jair,
Jephtha,
Ibzan, Elon, Abdon,
Simson,
Eli,
Samuel. Auch eine Richterin,Deborah, welche, mit Barak vereint, gegen die Feinde zog, wird
genannt. Die Thaten der einzelnen Schofetim sind in dem alttestamentlichen
Buch der Richter (die
Elis und
Samuels
im 1.
Buch Samuelis) nur fragmentarisch erzählt.
Kommentare zu demselben lieferten
Studer (2. Aufl., Bern
[* 2] 1842),
Bertheau (2. Aufl.,
Leipz. 1884),
Keil (2. Aufl., das. 1874).
(Judex), die mit der Ausübung der staatlichen
Gerichtsbarkeit betraute
Person; insbesondere der
zur Ausübung der
Rechtspflege in einem bestimmten
Bezirk und in einem bestimmten
Umfang berufene Beamte (Berufsrichter, Beamtenrichter).
Die
Zuständigkeit der
Gerichte und der bei denselben thätigen Richterbeamten ist in jedem geordneten Staatswesen durch
Gesetz
und
Verordnung normiert (s.
Gericht); für das
Deutsche Reich
[* 3] ist dies namentlich durch das Gerichtsverfassungsgesetz vom geschehen.
Doch werden die
Verwaltungsrechtspflege und die
freiwillige Gerichtsbarkeit durch die Reichsgesetzgebung nicht berührt. Dagegen
enthält das Gerichtsverfassungsgesetz die
Garantien für die Unabhängigkeit des Richterstandes, indem es zugleich die Voraussetzungen
für die Fähigkeit zum Richteramt festsetzt. In letzterer Beziehung wird dreijähriges
Studium der
Rechtswissenschaft auf
einerUniversität verlangt und Ablegung zweier
Prüfungen, zwischen denen ein dem Vorbereitungsdienst
gewidmeter Zeitraum von mindestens drei
Jahren liegen muß.
Übrigens ist auch jeder ordentliche öffentliche Rechtslehrer an einer deutschen
Universität zum Richteramt qualifiziert.
Überhaupt ist jeder, der in einem
Bundesstaat die Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat, zu jedem Richteramt im ganzen
Umfang des
DeutschenReichs befähigt;
nur für die Mitglieder des
Reichsgerichts wird noch erfordert, daß sie das 35. Lebensjahr
vollendet haben. Das Gerichtsverfassungsgesetz schreibt ferner die Ernennung der Richter auf Lebenszeit vor; die Richter sollen
einen festen
Gehalt mit Ausschluß von
Gebühren beziehen, auch darf denselben wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus
ihrem Dienstverhältnis, insbesondere auf
Gehalt,
Wartegeld oder
Ruhegehalt, der
Rechtsweg nicht verschlossen werden.
Ebenso ist der
Grundsatz der sogen. Inamovibilität der Richter sanktioniert, durch die Bestimmung
nämlich, daß Richter wider ihren
Willen nur kraft richterliche
Entscheidung und nur aus den
Gründen und unter den
Formen, welche
die
Gesetze bestimmen, dauernd oder zeitweise ihres
Amtes enthoben
oder an eine andre
Stelle oder in den
Ruhestand versetzt werden können, abgesehen von unfreiwilligen
Verletzungen infolge einer Veränderung in der
Organisation derGerichte oder ihrer
Bezirke. Diese sämtlichen Vorschriften beziehen sich jedoch nur
¶
Die Grunde, welche einen in Ansehung einer einzelnen Untersuchungs- oder Zivilprozeßsache unfähig machen, sind in der deutschen
Strafprozeßordnung und in der Zivilprozeßordnung aufgeführt; so ist z. B. ein in einer Untersuchung unfähig, in
welcher er selbst der Verletzte, in einer Prozeßsache, in welcher er selbst Partei, in einer Rechtssache,
in der er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist, etc. Auch kann ein Richter wegen Besorgnis
der Befangenheit aus allen Gründen abgelehnt werden, welche geeignet sind, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.
1) Joseph, dramat. Dichter und Publizist, geb. zu Wien,
[* 5] ist historisch merkwürdig dadurch, daß
er der erste Theaterdichter war, welcher eine Tantieme und zwar die Einnahme der dritten Aufführung seiner Stücke erhielt.
Auch ist er der Gründer einer im österreichischen Dialekt geschriebenen Zeitschrift: »Eipeldauer Briefe«
(gegründet 1785),
die nach ihm von Gewey, Bäuerle, Gleich, Weiß und AntonLanger (unter dem Titel: »Briefe des Hans Jörgel«)
fortgesetzt wurde und eine reiche Quelle
[* 6] für interne Sittengeschichte und den Volksdialekt bildet. Richter polemisierte auch gegen
den Hanswurst. Von seinen eignen Stücken, für die Gegenwart ohne Wert, wurden die »Zimmerherren in Wien«
und das Schauspiel »Das Räubermädchen von Baden«
[* 7] noch im ersten Viertel des 19. Jahrh. auf Wiener Vorstadtbühnen gegeben.
Richter hatte fremde Länder besucht und in Frankreich den Encyklopädismus kennen gelernt, den er auch durch sein »ABC-Buch für
große Kinder« nach Wien zu verpflanzen suchte und zwar mit vielem Erfolg. Er war rastlos in der Polemik
gegen alle, welche KaiserJoseph bekämpften; starb Seine »Sämtlichen Schriften« erschienen in 12 Bänden (Wien 1813).
2) Jean PaulFriedrich, gewöhnlich mit dem Schriftstellernamen, den er selbst gewählt hatte, Jean Paul genannt,
der gefeiertste unter den deutschen Humoristen, wurde zu Wunsiedel geboren. SeinVater, dort Rektor und Organist (die
Mutter war aus Hof
[* 8] gebürtig, Tochter eines wohlhabenden Tuchmachers), erhielt, als Jean Paul zwei Jahre zählte, die Pfarrstelle
des unweit Hof lieblich gelegenen Dorfs Joditz, und hier verbrachte der Dichter seine Kindheitsjahre in
stiller, häuslicher Beschränkung, meist sogar von der Dorfschule fern gehalten.
Aus jener Zeit stammte die NeigungJeanPauls zum Stillleben, zum »geistigen Nestmachen«, der er sein ganzes Leben lang treu blieb.
In dem nahen Schwarzenbach, wohin der Vater 1776 versetzt wurde, besuchte der Knabe zuerst regelmäßig die
öffentliche Schule, blieb aber im übrigen meist auf selbstgewählte Bildungsmittel angewiesen. Er las schon damals in regellosem
Durcheinander alles, was ihm vorkam; in Exzerptenhefte, welche bald zu Foliantendicke anschwollen, trug er, wie er das bis
ins Alter fortgetrieben hat, die mannigfaltigsten Notizen ein.
Das unermeßliche Detail aus den verschiedenartigsten Wissensgebieten, welches er in dieser Art
zusammenhäufte,
diente ihm später nicht eben vorteilhafterweise zur Verwertung in seinen Schriften. Um Ostern 1779 bezog er das Gymnasium in
Hof. Bald darauf starb sein Vater. Die Mittellosigkeit der Mutter wurde zwar anfangs für Jean Paul wenig fühlbar, weil seine
Familie Unterstützung bei den Hofer Großeltern fand. Als aber nach kurzer Zeit auch diese starben, ohne
daß von ihrem Vermögen etwas an JeanPaulsMutter kam, kehrte bei dieser bitterste Armut ein, unter welcher auch der Dichter
lange Jahre schwer zu leiden hatte.
Schon während seiner Gymnasialzeit regte sich in Jean Paul schriftstellerische Produktionslust. So schrieb
er 1780 eine Anzahl Aufsätze über philosophische und naturwissenschaftliche Gegenstände. Unter den ihm damals bekannten
Schriftstellerei wirkte Hippel am stärksten auf ihn. 1781 ging er nach Leipzig,
[* 9] um Theologie zu studieren; es war ihm jedoch
mit seiner Brotwissenschaft von Anfang an kein rechter Ernst. Unter den Professoren, welche er hörte,
fesselte ihn der PhilosophPlatner eine Weile; bald aber zog er sich fast ausschließlich auf litterarische Privatstudien zurück.
Jetzt wurde Rousseau sein Lieblingsautor, auch von den englischen Humoristen und Satirikern fühlte sich das wahlverwandte
Element in ihm mächtig angezogen. Zu den elf großen Quartbänden von Exzerpten, die er nach Leipzig mitgebracht,
gesellte sich hier eine weitere stattliche Reihe. Jean Paul trug mit bienenartiger Emsigkeit unglaubliche Massen von Notizen
zusammen; in zierlicher Schrift wurden Sammlungen witziger Einfälle, interessanter Begebenheiten, Anekdoten u.
dgl. angelegt und fortgeführt; ein besonderes Buch, welches den Titel »Thorheiten« trug, füllte sich mit Stoff zu künftigen
Satiren.
Als aber gegen Ende 1781 die materielle Bedrängnis immer höher stieg und die Hoffnung auf Gelderwerb durch Unterricht fortwährend
unerfüllt blieb, beschloß er, aus schriftstellerischen Arbeiten den Lebensunterhalt für sich und die Seinigen zu gewinnen.
Er arbeitete zunächst, angeregt durch des Erasmus »Encomium moriae«, ein (bis jetzt ungedrucktes) »Lob der
Dummheit« aus, in welchem diese redend eingeführt wird und ihr Eigenlob verkündigt. Das Buch fand keinen Verleger. Dagegen
gelang es Jean Paul, einen solchen für eine Sammlung einzelner satirischer Aufsätze zu finden, die anonym unter dem Titel:
»Grönländische Prozesse« (Berl. 1783) erschien und Satiren über Schriftsteller, Theologen, Weiber, Stutzer, den
Ahnenstolz u. dgl. enthielt.
Der Stil des Buches ist schon echt Jean-Paulisch, insofern es darin von oft sehr gesuchten, oft aber auch überaus treffenden
Gleichnissen wimmelt und die Antithese bereits als eine bis zum Übermaß gebrauchte Form der Diktion dort vorherrscht. Es
weht ein Geist freisinniger Auflehnung gegen alles Dumme und Schlechte durch das Buch; aber schon hier,
wie in allen spätern Werken JeanPauls, ist zu merken, daß der Verfasser die Welt und das Leben mehr aus Büchern als aus unmittelbarer
Erfahrung kannte.
Die »Grönländischen Prozesse« fanden bei Publikum und Kritik kühle Aufnahme, der Verleger Voß hatte keine Lust
zu weitern Experimenten mit dem jugendlichen Autor; dennoch arbeitete dieser rüstig fort und schrieb neue satirische Aufsätze.
Aber mitten in dieser Thätigkeit sah er sich von der Not gedrängt, seinen Gläubigern durch heimliche Entfernung von Leipzig
auszuweichen. Im November 1784 traf er, fast erstarrt vor Kälte und mit erfrorner rechter Hand,
[* 10] in Hof ein,
wo jetzt seine Mutter in den beschränktesten Umständen lebte. Unter mannigfaltiger Störung und Entbehrung setzte
¶
mehr
er dort seine Studien und Arbeiten fort. Versuche, durch Vermittelung berühmter Schriftsteller (er wandte sich an Herder, Wieland,
Lichtenberg u. a.) einen Verleger zu gewinnen, schlugen fehl. Zu Anfang 1787 bot sich endlich
dem Dichter wenigstens ein Unterkommen als Hauslehrer dar, er übernahm den Unterricht eines jüngern Bruders seines Freundes
Örthel zu Töpen. Seine dortige Stellung war jedoch unbehaglich, und schon im Sommer 1789 kehrte er nach
Hof zurück.
Inzwischen schrieb er neue Satiren unter dem Titel: »Auswahl aus des TeufelsPapieren« (Gera
[* 12] 1789), die ebensowenig Aufsehen erregten
wie JeanPauls Erstlingsbuch. Im März 1790 übernahm dieser aufs neue ein Lehramt. Einige Familien zu Schwarzenbach
beriefen ihn zum Unterricht ihrer Kinder, und jetzt betrieb der Dichter sein Amt in angenehmen persönlichen Verhältnissen
mit wahrhaft begeisterter Freudigkeit. Die Sonntagsbesuche in Hof gewährten erquickliche Erholung, und in dem damals mit
seinem dortigen FreundOtto immer inniger geschlossenen Herzensbund erwuchs ihm ein köstlicher Besitz für
sein ganzes späteres Leben. Um jene Zeit beschloß der Dichter, sich zuerst in einer größern Schöpfung, einem pädagogischen
Roman, zu versuchen.
Ehe derselbe aber in Angriff genommen wurde, entstanden einige kleinere Humoresken: »Die Reise des Rektors Fälbel und seiner
Primaner«, »Des Amtsvogts Freudels Klaglibell über seinen verfluchten
Dämon« und das »Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wuz in Auethal«. Sogleich nach Vollendung
des »Wuz« begann Richter den beabsichtigten großen Roman. Während der Arbeit zwar verflüchtigte sich der ursprüngliche Plan,
die »Unsichtbare Loge« (Berl. 1793, 2 Bde.)
blieb unvollendet; »eine geborne Ruine« nannte der Dichter selbst sein Werk, in welchem neben einzelnen
unvergleichlich schönen Stellen bereits die ganze Unfähigkeit JeanPauls zu plastischer Gestaltung, die maßlose Überwucherung
der phantastischen Elemente und alles, was sonst den reinen Genuß an seinen Dichtungen stört, zu Tage trat.
Gleichwohl bildet das Erscheinen des Buches in JeanPaulsLeben einen Wendepunkt günstigster Art. Das verhältnismäßig hohe
Honorar, das es eintrug, endete zunächst die materielle Not des Dichters; nicht minder wirkte es geistig befreiend und ermutigend
auf ihn. Im Herbst 1792 legte er seine Hand an einen neuen Roman, den »Hesperus« (Berl. 1795),
der sich gleich der »Unsichtbaren
Loge« eines großen Erfolgs beim Publikum erfreute. Seit dem Frühling 1794 wieder in Hof bei der Mutter weilend,
schrieb er in den nächstfolgenden Jahren: »Das Leben des Quintus Fixlein« (Bair. 1796),
ein humoristisches Idyll wie das Leben
Wuz', nur in breiterer Anlage;
die »Biographischen Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin« (Berl. 1796),
ein Romantorso
mit satirischem Anhang;
die »Blumen-, Frucht- und Dornenstücke, oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten
Siebenkäs« (das. 1796-97, 4 Bde.),
in gewissem Sinn die beste Schöpfung des Dichters, welcher in den Persönlichkeiten des sentimentalen Siebenkäs und des satirischen
Leibgeber die entsprechenden Elemente seiner eignen Natur zu verkörpern versuchte.
Noch während der Arbeit an dem letztgenannte
Roman empfing Jean Paul eine briefliche Einladung nach Weimar,
[* 13] von weiblicher Hand geschrieben. In der Ilmstadt, meldete die
Briefstellerin, die sich Natalie nannte (welchen Namen der Dichter alsbald einer Gestalt im Siebenkäs anheftete), seien die
besten Menschen von JeanPauls Werken entzückt. Ohne Verzug folgte dieser dem Ruf. Seine
Aufnahme übertraf
alle seine Erwartungen; vor allen andern begegnete ihm Charlotte v. Kalb (die pseudonyme Briefschreiberin) mit glühender Verehrung.
»Sie ist ein Weib wie keines«, berichtete Jean Paul an FreundOtto, »mit einem allmächtigen Herzen, mit einem Felsen-Ich, eine
Woldemarin.« Zurückhaltender empfingen Goethe und Schiller den Hesperusverfasser, der sich in Weimar meist
im Kreis
[* 14] des ihm wahlverwandten Herder bewegte. In jene Zeit fallen die Anfänge des »Titan«, die Abfassung des »Jubelsenior«
(Leipz. 1797) und die Schrift »Das Kampanerthal, oder: Die Unsterblichkeit der Seele« (Erfurt
[* 15] 1798). Im Sommer 1797 trat eine
neue weibliche Gestalt auf die Lebensbühne des Dichters, Emilie v. Berlepsch, eine junge und schöne
Witwe, mit der Jean Paul eine Reihe wunderlich exaltierter Szenen durchmachte.
Fast hätte eine (vermutlich unglückliche) Heirat den dramatischen Abschluß gebildet. Im Oktober 1797 führte eine Reise nach
Leipzig den nun berühmt Gewordenen auf den Schauplatz seiner einstigen Kümmernis, und jetzt drängten sich die Bewunderer
um ihn. 1798 folgte auf Einladung der Herzogin Amalie ein abermaliger Besuch in Weimar. Nach einem kurzen
Aufenthalt in Hildburghausen
[* 16] (Frühjahr 1799), wo er vom Herzog den Titel eines Legationsrats erhielt, ging Jean Paul nach Berlin,
[* 17] in der Absicht, sich dort dauernd niederzulassen. Im Mai 1801 verheiratete er sich daselbst mit der Tochter
des Tribunalrats Meyer, aber eine vom König erbetene Versorgung blieb versagt. Von den damals entstandenen Werken sind hervorzuheben:
»Palingenesien« (Gera 1798, 2 Bde.);
Schon im Mai 1803 verließ er Meiningen wieder und siedelte sich nach kurzem Aufenthalt zu Koburg
[* 19] in Baireuth
[* 20] an, wo er bis zu seinem Tod wohnen blieb. Das nächste größere Werk des fortan in nur selten unterbrochene idyllischer Zurückgezogenheit
lebenden Dichters war ein philosophisches, die »Vorschule der Ästhetik« (Hamb. 1805, 3 Bde.;
Tübing. 1813),
ein Buch voll geistreichster Einfälle, aber auch voll konfuser Theoreme. Danach folgte die Abfassung
der »Flegeljahre« (Tübing. 1804-1805, 4 Bde.). Auch in diesem Roman, welcher zu den genialsten SchöpfungenJeanPauls gehört
und ihm selbst die liebste blieb, hat er die eigne Doppelnatur, die Gemütsinnigkeit und die humoristische Neigung seines
Wesens, jene in dem weich gestimmten Walt, diese in dessen Zwillingsbruder Vult, zur Darstellung bringen
wollen. In der »Levana, oder Erziehungslehre« (Braunschw. 1807, 3 Bde.;
Stuttg. 1815, 4. Aufl. 1861) sollten die in der »Unsichtbaren
Loge«, im »Titan« und in den »Flegeljahren« in Romanform dargelegten
Grundsätze theoretisch ausgeführt wiederkehrt. Während der Zeit der französischen Fremdherrschaft schrieb Jean Paul zu
eigner und seines Volkes Erheiterung die Humoresken: »Des Feldpredigers Schmälzle Reise nach Flätz« (Tübing.
1809) und »Doktor Katzenbergers Badereise« (Heidelb. 1809; Bresl.
1823),
zwei Erzählungen von derbster Komik. Aber auch in ernsthaftern, wenngleich an satirischen Schlaglichtern reichen Schriften
suchte er den gesunkenen Mut der Nation aufzurichten, so in der »Friedenspredigt in Deutschland«
[* 21]
¶
9) Eugen, deutscher Politiker, wurde im Mai 1890 bei der Neubildung des engern Ausschusses
der deutsch-freisinnigen Fraktion des Reichstags und des preuß. Abgeordnetenhauses nicht wieder zum Vorsitzenden gewählt,
weil ein gemäßigterer Teil der Partei mit seiner politischen Haltung nicht einverstanden war. Doch trat Richter deshalb nicht
aus der Partei aus, erklärte aber zu gleicher Zeit, daß er sein Verhalten nicht ändern könne und wolle,
worauf eine Versöhnung zu stande gebracht wurde. Von seinen Schriften ist noch das weitverbreitete »Abc-Buch für freisinnige
Wähler« (6. Jahrg., Berl. 1890) anzuführen.
Auch besorgte er eine Neuausgabe von Diesterwegs »Wegweiser zur Lehrerbildung« (6.,
nach der Ausgabe letzter Hand bearbeitete Auflage, Frankf. 1890) und ist Herausgeber der »PädagogischenBibliothek; Sammlung der
wichtigsten pädagogischen Schriften älterer und neuerer Zeit« (Leipz., seit 1870).
»Deutsche Redensarten« (1889) u. a.
In Kehrs »Geschichte der Methodik« (2. Aufl.) bearbeitete er den Geschichtsunterricht.
Seit 1874 leitet er die Zeitschrift »Der
praktische Schulmann« (1852 von Körner begründet),
seit 1887 den 1846 von Nacke begründeten »Pädagogischen Jahresbericht«
und die »Neudrucke pädagogischer Schriften« (Leipz., seit 1890).
3) Gustav, Philolog und Historiker, geb. zu Naumburg
[* 26] a. S., studierte Philologie und Geschichte in Jena
[* 27] und Bonn
[* 28] und
verfolgte seit Ostern 1862 die Laufbahn eines Gymnasiallehrers in Posen,
[* 29] Schulpforta und Weimar, wo er als Oberlehrer und Professor
wirkte, bis er im Herbst 1876 zum Direktor des neuen Gymnasiums zu Jena berufen wurde. Richter nahm lebhaften
Anteil an dem Bestreben, die Unterrichtsmethode in höhern Schulen zu bessern, was ihn mit H. Perthes (s. d.) und später mit
O. Frick (s. Bd. 17) zusammenführte und zum Anschluß an den Deutschen Einheitsschulverein bewog.
1) Adrian Ludwig, Maler, Illustrator und Radierer, geb. zu Dresden, erhielt den ersten Unterricht
in der Kunst von seinem Vater, dem Kupferstecher Karl August R., zeigte aber größere Neigung zur Malerei und insbesondere
zur Landschaft. Schon 1820 machte er mit dem Fürsten Narischkin eine Reise durch Frankreich nach Nizza,
und später eine zweite in die deutschen Alpen, auf der er Studien machte, deren Verwertung ihn 1823 in den Stand setzte,
nach Italien zu gehen, wo er sich bis 1826 weiter ausbildete und seine landschaftlichen Bilder in innigen Zusammenhang mit
dem Menschenleben brachte. 1838 erhielt er eine Anstellung als Zeichenlehrer bei der Porzellanfabrik
in Meißen, bis er 1836 an die Akademie zu Dresden berufen wurde, wo er viele Jahre als Professor und Vorstand des Ateliers
für Landschaftsmalerei wirkte.
Anfangs entnahm er in seinen landschaftlichen Genrebildern die Motive aus Italien und aus den deutschen
Gebirgen und dem deutschen Volksleben (fünf dieser Landschaften im Museum zu Leipzig, eine im Museum zu Dresden), bis ihn
der Anblick der Illustrationen des Grafen Franz von Pocci zu dem Gebiet führte, auf dem er unerreicht dasteht. Zunächst
beschränkte er sich nämlich auf die eigentliche Illustration fremder poetischen Erzeugnisse, z. B.
Volks-(Anmerkung des Editors: ERGÄNZUNGSSTRICH!)
¶
mehr
und Studentenlieder, Musäus' «Volksmärchen», Hebels «Alemannische
Gedichte», Schillers «Glocke», Bechsteins «Märchenbuch»
u. a., die, in unzähligen Exemplaren verbreitet, einen Schatz von Bildern bieten, in denen
sich Humor und Tiefe des Gemüts mit dem Schönheitssinn um den Vorrang streiten. Noch reicher aber entfaltete er sein Talent,
noch beliebter wurde er beim deutschen Publikum und namentlich in der Kinderwelt durch die Ergüsse seiner
eignen Phantasie und seines eignen Herzens, in denen er mit offenem Auge und geschickter Hand aus dem unversiegbaren Born
des Lebens schöpft.
Das sind seine Bilderhefte: Erbauliches und Beschauliches, Fürs Haus, Das Vaterunser, Altes und Neues u. a., die eine Fülle
von Lieblichkeit, Innigkeit und tiefer Menschenkenntnis offenbaren und so unendlich viel zur Hebung und Förderung des Holzschnitts
in Deutschland gewirkt haben. Unter seiner großen Zahl von Radierungen befinden sich allein 70 Ansichten aus der Umgegend
von Dresden. Er ist Komtur des sächsischen Albrechtsordens, Ritter des österreichischen Franz-Josephs- und des bayrischen
Michaelsordens.
2) Gustav, Landschaftsmaler, geb. zu Dessau, war 1863-66 Schüler der Akademie
in Berlin, bildete sich dann unter MaxSchmidt und durch Studienreisen in Deutschland aus. Er brachte bis jetzt einige recht
ansprechende Wald- und Gebirgslandschaften aus der Umgegend von Dessau, aus dem Harz und andern Gegenden
des mittlern Deutschland. Er lebt in Berlin.
3) Gustav Karl Ludwig, Historien- und Porträtmaler, geb. zu Berlin, Schüler der dortigen Akademie
und Eduard Holbeins (gest. 1875), ging nach Paris, wo er 1844-46 im Atelier Cogniets arbeitete, der einen großen Einfluß
auf ihn ausübte. Von 1847-49 verweilte er in Rom, später wiederholt in Frankreich und Italien, 1861 in
Ägypten und 1873 in der Krim. Nach seiner ersten Rückkehr aus Rom führte er zunächst im nordischen Saal des Neuen Museums
zu Berlin in stereochromischer Technik drei von den Friesbildern (Baldur, die Walküren und
Walhalla) aus, die bereits ein
glänzendes Zeugnis seines eminenten koloristischen Talents ablegten.
Bald nachher brachte er in der Weihnachtsausstellung von Transparentgemälden eine Auferweckung der Tochter des Jairus, die
dem König so gefiel, daß er ihm die Ausführung als Ölbild in großem Maßstab auftrug. Das Bild, 1856 vollendet (Nationalgallerie),
rief als erstes Erzeugnis der realistischen Auffassung biblischer Motive wie als glänzende Errungenschaft
der modernen französischen Schule einen gewaltigen Enthusiasmus hervor, obwohl es nicht frei ist von dem der Pariser Schule
eignen theatralischen Anstrich. 1856 brachte er auch sein erstes durchschlagendes Porträt, das schon damals in diesem Fach
die Krone der Ausstellung war, wie es noch heutzutage der Fall ist. 1859 erhielt er den Auftrag, für
das Maximilianeum in München den Bau der ägyptischen Pyramiden zu malen, machte dazu seine Studien in Ägypten und vollendete 1873 das
Bild, das sowohl in den Einzelheiten wie im ganzen Kolorit meisterhaft, aber keine eigentliche historische Komposition ist.
Bei seinem Mangel an der Gabe der dramatischen Darstellung ist er ungleich bedeutender in Einzelfiguren
und in Porträten, denen er sich daher mit Vorliebe zuwandte. Dahin gehören unter den Einzelfiguren: eine Ägypterin, eine
Odaliske, ein neapolitanischer Fischerknabe, Zigeunermädchen in der Krim, und unter seinen Porträten als die hervorragendsten:
der Sultan Abd ul Medschid, die Herzogin von Edinburg, der Fürst von Pleß, zwei Bilder seiner eignen
Familie (1874),Kaiser Wilhelm (für Breslau) und derselbe als Brustbild in Civil (1877), die Kaiserin Augusta
(1878) und namentlich die Fürstin von Karolath-Beuthen (1872), die
Gräfin Károlyi (1878), die weltbekannte ganze Figur der Königin Luise
(1879, jetzt eine Zierde des Kölner Museums) und das diesem ebenbürtige einer brasilischen Dame (Berliner
Ausstellung 1880). Er besitzt zahlreiche Medaillen, ist Professor und Mitglied der Berliner Akademie sowie Ehrenmitglied
der Akademien in Wien und München.
¶
Herm.
Eberhard, Botaniker, Arzt und mediz. Schriftsteller, geb. zu Leipzig, seit 1831 praktischer Arzt zu Dresden, wurde 1838 Professor
an der dortigen chirurg.-mediz. Akademie, 1849 wegen angeblicher Teilnahme an dem Maiaufstande in Untersuchung gezogen und 1851 zwar
völlig freigesprochen, jedoch auf Wartegeld gesetzt. Er starb zu Dresden. Richter hat sich besonders durch seine vielseitige
schriftstellerische Thätigkeit bekannt gemacht; auch kämpfte er unverdrossen für eine zeitgemäße Medizinalreform und
veranlaßte (1872) die Gründung des Deutschen Ärztevereinsbundes. R.s mediz. Hauptwerke sind der «Grundriß zur
innern Klinik» (4. Aufl., 2 Bde.,
Lpz. 1860) und das «Organon der physiol.
Therapie» (ebd. 1850). Unter seinen zahlreichen andern Schriften sind hervorzuheben: «Flora der phanerogamischen Gewächse der
Umgegend von Leipzig» (mit Klett, Lpz. 1830),
eine kritische Gesamtausgabe von Linnés «Systema, genera, species plantarum»
(ebd. 1835-40),
Joh. Paul Friedr., gewöhnlich Jean Paul genannt, deutscher Humorist, geb. zu Wunsiedel, war der
Sohn des dortigen Lehrers und Organisten, der 1765 Pfarrer zu Joditz, 1776 Pfarrer zu Schwarzenbach wurde und hier 1779 starb.
Nachdem Richter zwei Jahre lang das Gymnasium zu Hof besucht hatte, bezog er 1781 die UniversitätLeipzig, um
Theologie zu studieren, widmete sich jedoch vorzugsweise und bald ausschließlich der Litteratur und veröffentlichte
anonym eine Anzahl Satiren u. d. T. «Grönländ.
Prozesse» (2 Bde., Berl. 1783-84),
die aber wenig Anklang fanden.
Mittellosigkeit nötigte ihn, 1784 Leipzig zu verlassen und sich nach Hof zu seiner in den dürftigsten
Verhältnissen lebenden Mutter zu begeben, wo er seine Studien und Arbeiten fortsetzte.
1787-89 wirkte Richter als Hauslehrer in
Töpen bei Hof und übernahm 1790 den Unterricht der Kinder mehrerer Familien in Schwarzenbach; 1789 gab er eine neue Sammlung
Satiren u. d. T. «Auswahl aus des Teufels Papieren» (Gera 1789) heraus. Aber erst 1792 wurde ihm durch
K. Ph. Moritz, dem er die Handschrift seines ersten Romans «Die unsichtbare Loge» (2 Bde.,
Berl. 1793; 2. Aufl. 1821) mit der Bitte um Unterbringung bei einem
Buchhändler zugeschickt hatte, die Aussicht auf allgemeinere Anerkennung und ein sorgenfreieres Leben eröffnet.
Seit 1794 lebte er wieder in Hof, von Zeit zu Zeit auch in Bayreuth
[* 33] bei einem Freunde. Es erschienen jetzt
nacheinander folgende Werke von ihm: «Hesperus» (4 Bde.,
Berl. 1794),
«Biogr. Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin» (ebd. 1796),
«Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit
des Armenadvokaten Siebenkäs» (4 Bde., ebd. 1796-97;
neu bearbeitet von einem Enkel R.s [B. Förster], 2 Bde., Stuttg.
1891),
«Der Jubelsenior» (Lpz. 1797) und «Das
Kampaner Thal»
[* 34] (Erf. 1798). Sein Name gehörte bereits zu den gefeiertsten in Deutschland, als er, nach dem Tode seiner Mutter,
im Herbst 1797 nach Leipzig übersiedelte. Schon im folgenden Jahre zog ihn aber die Liebe zu Herder, dem
er im Sommer bei einem Besuche in Weimar bereits nahe getreten war, nach Weimar. Hier lebte er unter manchen Anregungen und
Aufregungen (Verlobung und Entlobung mit Karoline von Feuchtersleben) mit großen, dichterischen Arbeiten beschäftigt, bis
er, nach einem kurzen Aufenthalt in Hildburghausen, währenddessen ihn der Herzog von Sachsen-Hildburghausen
zum Legationsrat ernannte, 1800 nach Berlin übersiedelte.
Dort lernte er Karoline Mayer, eine anmutige, geist- und gemütvolle, hochgebildete Tochter des Geh. Tribunalrats Mayer, kennen,
mit der er sich im Mai 1801 vermählte und nach Meiningen zog. Hier vollendete er seinen «Titan» (6 Bde.,
Berl. 1800-3, in anthologischer Bearbeitung hg. von O. Sievers, Wolfenb. 1878). In diesem Roman und in den «Flegeljahren»
(4 Bde., Tüb. 1804-5) erreichte
Richter seinen schriftstellerischen Höhepunkt. Nachdem er 1803 nach Coburg
[* 35] übergesiedelt war, nahm er 1804 seinen
bleibenden Wohnsitz in Bayreuth. Von dem Fürst-Primas von Dalberg erhielt er 1808 einen Jahrgehalt von 1000 rhein.
Fl. ausgesetzt. Seit dem Tode seines einzigen, hoffnungsvollen Sohnes, 1821, begann er ebenfalls zu kränkeln und starb König
Ludwig I. von Bayern
[* 36] ließ ihm 1841 in Bayreuth ein von Schwanthaler entworfenes Standbild errichten.
R.s schriftstellerische Natur ist so reich und vielseitig, daß es sehr schwer hält, ein Gesamturteil
über sie abzugeben. Nachdem er in seinen ersten Schriften eine nur auf Einzelnes und Nahes gehende, doch nirgends verletzende
Satire geübt hatte, erhob er sich schnell auf die höhere Stufe des Humors, welcher alle Einzelheiten und Zufälligkeiten
von dem Standpunkte einer umfassenden Grundidee aus betrachtet. Jedoch spricht er diese Grundidee nicht
selbst aus, sondern stellt die ihr nicht entsprechenden Thätigkeiten und Zustände so dar, daß daraus ihre Unzulänglichkeit
der Idee selbst gegenüber hervorgeht. Adel der Gesinnung, kindliche Liebe und Milde, tragische Wehmut und grollender Zorn,
überströmende Gedankenfülle ist ihm in reichem Maße verliehen. Leider aber besaß er wenig Sinn für
¶
mehr
künstlerische Form, und in dieser Hinsicht kann keins seiner Werke als vollendet gelten. Ein charakteristischer Beweis dafür
ist auch, daß er nie im stande war, seine Poesie in feste metrische Form zu fassen. Hiermit hängt zusammen der übertriebene
Gebrauch, den er von seiner umfassenden und mannigfaltigen Gelehrsamkeit macht, das Übermaß in Anwendung
von Bildern, wo der Witz sich nicht selten auf Unkosten des Gefühls geltend macht, die unbefangene Harmlosigkeit, mit der
er seine Gedankenspäne ausschüttet. Von Komposition hat er keinen Begriff; selbst sein Geschmack ist sehr unsicher; er gefällt
sich in Schrullen und Capricen. Am besten gelungen sind ihm kleine idyllisch-humoristische Bilder.
Von R.s humoristischen Dichtungen sind noch zu erwähnen: «Dr. Katzenbergers Badereise» (3 Bde.,
Heidelb. 1809; hg. von O. Sievers in der «Bibliothek der deutschen Nationallitteratur des 18. und 19. Jahrh.», Lpz.
1879),
«Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz» (Tüb. 1809),
«Der Komet, oder Nikolaus
Marggraf» (3 Bde., Berl. 1820-22).
Werke philos. Inhalts sind die «Vorschule der Ästhetik» (3 Bde.,
Hamb. 1804; 2. Aufl., Tüb. 1813) und
«Levana oder Erziehungslehre» (2 Bde.,
Braunschw. 1807; 4. aus dem litterar. Nachlaß vermehrte Aufl.,
Stuttg. 1861; vgl. O. Kayser, Edelsteine
[* 38] aus JeanPauls Levana, Lpz. 1879). In Rücksicht auf Zeitereignisse
schrieb er die «Friedenspredigt an Deutschland» (Heidelb. 1808),
«Mars
[* 39] und Phöbus'
Thronwechsel im J. 1814» (ebd. 1814) und «Polit. Fastenpredigten»
(Stuttg. und Tüb. 1817),
in denen er in seiner Weise strafte, tröstete und erhob. Die Sammlung seiner «Sämtlichen»
Werke", die er kurz vor seinem Tode vorbereitete, umfaßt 65 Bände (Berl. 1826-38 u. ö.). Dazu kommen
noch «Polit. Nachklänge» (hg. von E. Förster, Heidelb.
1832),
«Der Papierdrache», sein letztes Werk (hg. von E. Förster, 2 Bde.;
Frankf. 1845),
«R.s Briefwechsel mit seinem Freunde Chr. Otto» (4 Bde., Berl. 1829-33),
«JeanPaulsBriefe
an eine Jugendfreundin» [RenataOtto] (hg. von J. Fr. Täglichsbeck, Brandenb. 1858),
«Briefe von Charlotte von Kalb an JeanPaul» (hg. von P. Nerrlich, Berl. 1882),
«Denkwürdigkeiten aus dem Leben R.s» (hg. von E. Förster, 4 Bde.,
wovon drei nur Briefe enthalten, Münch. 1863). Eine vollständige Ausgabe seiner Werke mit einer Biographie
von Gottschall erschien in 60 Teilen (Berl. 1879),
in 6 Bänden von Nerrlich (in Kürschners
«Deutscher Nationallitteratur», Stuttg. 1883-88).
Einen Schlüssel zur tiefern Einsicht in das Wesen dieses Schriftstellers gewährt das von ihm selbst
begonnene, dann aus seinen Papieren, Briefen und mündlichen Überlieferungen von Chr. Otto und E. Förster fortgesetzte Werk
«Wahrheit aus JeanPauls Leben» (8 Bdchn., Bresl. 1826-33). Außerdem vgl.
Spazier, Jean PaulFriedrich Richter, ein biogr. Kommentar zu dessen Werken (5 Bde.,
Lpz. 1833);
Nerrlich, Jean Paul und seine Zeitgenossen (Berl. 1876);
ders., Jean Paul, sein Leben und seine
Werke (ebd. 1890);
Ludwig, Maler, geb. zu Dresden, erhielt den ersten künstlerischen Unterricht
durch seinen VaterKarlAugust Richter, einen geschickten Kupferstecher im landschaftlichen Fache. Der Sohn sollte ebenfalls Kupferstecher
werden, erhob sich aber bald zur künstlerischen Selbständigkeit, bestärkt durch Vorbilder Chodowieckis und gefördert durch
die Landschaftsmaler Dahl und Friedrich. Von einer 1820 mit dem Fürsten Narischkin unternommenen Reise durch Frankreich im Sommer 1821 nach
Dresden zurückgekehrt, erhielt er durch den dortigen Buchhändler Arnold die Mittel zu mehrjährigem Aufenthalt
in Italien,
[* 40] wo er sich 1823-26 unter dem Einfluß Jos. Ant. Kochs und J. Schnorrs ausbildete und bereits 1824 mit einem Bilde
des Watzmann Erfolg hatte.
Sein nächstes Ziel wurde die bedeutendere Belebung der Landschaft durch die menschliche Gestalt. Aus
dieser Richtung ging eine innige Verschmelzung von Genre und Landschaft hervor. Großenteils sind die Gegenstände dem ital.
Naturleben entnommen; manche gehören aber auch dem deutschen Leben an. Aus dieser Zeit stammt Rocca di Mezzo (1825) und Thal
bei Amalfi mit Aussicht auf den Golf von Salerno (1826; beide im Museum zu Leipzig.
VonRichter selbst radiert).
Richter war 1828 nach Meißen
[* 41] übergesiedelt, um als Lehrer an der mit der Porzellanmanufaktur verbundenen Zeichenschule zu wirken;
in dieser Zeit hauptsächlich mit Radierungen nach seinen ital. Studien beschäftigt, malte er als Ergebnis einer Elbthalfahrt
das Bild Ruine Schreckenstein (1835; Museum in Leipzig. 1837; Galerie zu Dresden), Ariccia und Civitella (für
Herrn von Quandt). Nach Aufhebung der Meißner Zeichenschule 1836 lebte er dauernd in Dresden und widmete sich neben der Thätigkeit
als Lehrer der Landschaftsmalerei an der Kunstakademie und neben der Ausführung von Gemälden, wie: Landschaft im Riesengebirge
(1839; Nationalgalerie zu Berlin), Landleute im Gebet (1842), Erntezug in der röm. Campagna (1843; letztere
beide im Museum zu Leipzig), seit 1841 mit Vorliebe der bildlichen Bearbeitung der deutschen Volksdichtungen.
Einigen frühern Radierungen, wie Rübezahl und Genoveva, folgten viele ansprechende Blätter zum «Malerischen und romantischen
Deutschland», denen sich Holzschnitte für Märchen, Legenden u. s. w. anschlossen. Mit dieser Thätigkeit
erreichte Richter erst seine Bedeutung als gemütvoller Schilderer idyllischer Scenen aus dem Volksleben. Dabei hat
er das große Verdienst, den Holzschnitt nach dem Vorbilde Dürers auf seine ursprüngliche Einfachheit zurückgeführt zu
haben. Es entstanden: 1838 Bilder zu den «DeutschenVolksbüchern», hg. von Marbach, 1840 zu Dullers «Geschichte
des deutschen Volks», 1841 zum «Landprediger von Wakefield», 1842 zu Musäus' «Volksmärchen» und zu Nieritz' «Kalender», 1844 und 1846 zu
den «Studenten- und Volksliedern»;
1853 das illustrierte Bechsteinsche «Märchenbuch», 1851-55 «Beschauliches
und Erbauliches» (Probe daraus s. Tafel: Deutsche Kunst VII,
[* 37]
Fig. 6) und das «Goethe-Album», 1855 «Christenfreude», 1856 das
Vaterunser, 1857 die Bilder zu Schillers«Glocke», 1858-61 die vier Hefte «Fürs Haus», 1860 «Der
gute Hirt», 1861 der Sonntag, 1862 Es war einmal, 1864 der NeueStrauß,
[* 42] 1866 Unser täglich Brot,
[* 43]
¶