Herm.
Eberhard,
Botaniker,
Arzt und mediz. Schriftsteller, geb. zu
Leipzig,
[* 2] seit 1831 praktischer
Arzt zu
Dresden,
[* 3] wurde 1838 Professor
an der dortigen chirurg.-mediz.
Akademie, 1849 wegen angeblicher
Teilnahme an dem Maiaufstande in Untersuchung gezogen und 1851 zwar
völlig freigesprochen, jedoch auf Wartegeld gesetzt. Er starb zu
Dresden. Richter hat sich besonders durch seine vielseitige
schriftstellerische Thätigkeit bekannt gemacht; auch kämpfte er unverdrossen für eine zeitgemäße Medizinalreform und
veranlaßte (1872) die Gründung des
Deutschen Ärztevereinsbundes. R.s mediz. Hauptwerke sind der «Grundriß zur
innern Klinik» (4. Aufl., 2 Bde.,
Lpz. 1860) und das «Organon der physiol.
Therapie» (ebd. 1850). Unter seinen zahlreichen andern
Schriften sind hervorzuheben: «Flora der phanerogamischen Gewächse der
Umgegend von
Leipzig» (mit Klett, Lpz. 1830),
eine kritische Gesamtausgabe von Linnés «Systema, genera, species plantarum»
(ebd. 1835-40),
Joh.
Paul Friedr., gewöhnlich
Jean Paul genannt, deutscher
Humorist, geb. zu Wunsiedel, war der
Sohn des dortigen Lehrers und Organisten, der 1765 Pfarrer zu Joditz, 1776 Pfarrer zu
Schwarzenbach wurde und hier 1779 starb.
Nachdem Richter zwei Jahre lang das Gymnasium zu
Hof
[* 5] besucht hatte, bezog er 1781 die
UniversitätLeipzig, um
Theologie zu studieren, widmete sich jedoch vorzugsweise und bald ausschließlich der Litteratur und veröffentlichte
anonym eine Anzahl Satiren u. d. T. «Grönländ.
Prozesse» (2 Bde., Berl. 1783-84),
die aber wenig Anklang fanden.
Mittellosigkeit nötigte ihn, 1784
Leipzig zu verlassen und sich nach
Hof zu seiner in den dürftigsten
Verhältnissen lebenden
Mutter zu begeben, wo er seine
Studien und
Arbeiten fortsetzte.
1787-89 wirkte Richter als Hauslehrer in
Töpen bei
Hof und übernahm 1790 den Unterricht der
Kinder mehrerer Familien in
Schwarzenbach; 1789 gab er eine neue Sammlung
Satiren u. d. T. «Auswahl aus des
Teufels Papieren» (Gera
[* 6] 1789) heraus. Aber erst 1792 wurde ihm durch
K. Ph.
Moritz, dem er die Handschrift seines ersten
Romans «Die unsichtbare Loge» (2 Bde.,
Berl. 1793; 2. Aufl. 1821) mit der Bitte um Unterbringung bei einem
Buchhändler zugeschickt hatte, die Aussicht auf allgemeinere
Anerkennung und ein sorgenfreieres Leben eröffnet.
Seit 1794 lebte er wieder in
Hof, von Zeit zu Zeit auch in
Bayreuth
[* 7] bei einem Freunde. Es erschienen jetzt
nacheinander folgende Werke von ihm: «Hesperus» (4 Bde.,
Berl. 1794),
«Biogr. Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin» (ebd. 1796),
«Blumen-,
Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand,
Tod und
Hochzeit
des Armenadvokaten Siebenkäs» (4 Bde., ebd. 1796-97;
neu bearbeitet von einem Enkel R.s [B. Förster], 2 Bde., Stuttg.
1891),
«Der Jubelsenior» (Lpz. 1797) und «Das
Kampaner
Thal»
[* 8] (Erf. 1798). Sein
Name gehörte bereits zu den gefeiertsten in
Deutschland,
[* 9] als er, nach dem
Tode seiner
Mutter,
im Herbst 1797 nachLeipzig übersiedelte.
Schon im folgenden Jahre zog ihn aber die Liebe zu Herder, dem
er im
Sommer bei einem Besuche in
Weimar
[* 10] bereits nahe getreten war, nach
Weimar. Hier lebte er unter manchen Anregungen und
Aufregungen
(Verlobung und Entlobung mit Karoline von Feuchtersleben) mit großen, dichterischen
Arbeiten beschäftigt, bis
er, nach einem kurzen Aufenthalt in
Hildburghausen,
[* 11] währenddessen ihn der
Herzog von
Sachsen-Hildburghausen
zum Legationsrat ernannte, 1800 nach
Berlin
[* 12] übersiedelte.
Dort lernte er Karoline Mayer, eine anmutige, geist- und gemütvolle, hochgebildete Tochter des
Geh. Tribunalrats Mayer, kennen,
mit der er sich im Mai 1801 vermählte und nach
Meiningen
[* 13] zog. Hier vollendete er seinen
«Titan» (6 Bde.,
Berl. 1800-3, in anthologischer Bearbeitung hg. von O. Sievers, Wolfenb. 1878). In diesem
Roman und in den «Flegeljahren»
(4 Bde., Tüb. 1804-5) erreichte
Richter seinen schriftstellerischen Höhepunkt. Nachdem er 1803 nach Coburg
[* 14] übergesiedelt war, nahm er 1804 seinen
bleibenden Wohnsitz in
Bayreuth. Von demFürst-Primas von Dalberg erhielt er 1808 einen Jahrgehalt von 1000 rhein.
Fl. ausgesetzt. Seit dem
Tode seines einzigen, hoffnungsvollen
Sohnes, 1821, begann er ebenfalls zu kränkeln und starb König
Ludwig I. von
Bayern
[* 15] ließ ihm 1841 in
Bayreuth ein von
Schwanthaler entworfenes
Standbild errichten.
R.s schriftstellerische Natur ist so reich und vielseitig, daß es sehr schwer hält, ein Gesamturteil
über sie abzugeben. Nachdem er in seinen ersten
Schriften eine nur auf Einzelnes und Nahes gehende, doch nirgends verletzende
Satire geübt hatte, erhob er sich schnell auf die höhere
Stufe des
Humors, welcher alle Einzelheiten und Zufälligkeiten
von dem Standpunkte einer umfassenden Grundidee aus betrachtet. Jedoch spricht er diese Grundidee nicht
selbst aus, sondern stellt die ihr nicht entsprechenden Thätigkeiten und Zustände so dar, daß daraus ihre Unzulänglichkeit
der Idee selbst gegenüber hervorgeht.
Adel der Gesinnung, kindliche Liebe und
Milde, tragische Wehmut und grollender Zorn,
überströmende Gedankenfülle ist ihm in reichem
Maße verliehen. Leider aber besaß er wenig
Sinn für
¶
mehr
künstlerische Form, und in dieser Hinsicht kann keins seiner Werke als vollendet gelten. Ein charakteristischer Beweis dafür
ist auch, daß er nie im stande war, seine Poesie in feste metrische Form zu fassen. Hiermit hängt zusammen der übertriebene
Gebrauch, den er von seiner umfassenden und mannigfaltigen Gelehrsamkeit macht, das Übermaß in Anwendung
von Bildern, wo der Witz sich nicht selten auf Unkosten des Gefühls geltend macht, die unbefangene Harmlosigkeit, mit der
er seine Gedankenspäne ausschüttet. Von Komposition hat er keinen Begriff; selbst sein Geschmack ist sehr unsicher; er gefällt
sich in Schrullen und Capricen. Am besten gelungen sind ihm kleine idyllisch-humoristische Bilder.
Von R.s humoristischen Dichtungen sind noch zu erwähnen: «Dr. Katzenbergers Badereise» (3 Bde.,
Heidelb. 1809; hg. von O. Sievers in der «Bibliothek der deutschen Nationallitteratur des 18. und 19. Jahrh.», Lpz.
1879),
«Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz» (Tüb. 1809),
«Der Komet, oder Nikolaus
Marggraf» (3 Bde., Berl. 1820-22).
Werke philos. Inhalts sind die «Vorschule der Ästhetik» (3 Bde.,
Hamb. 1804; 2. Aufl., Tüb. 1813) und
«Levana oder Erziehungslehre» (2 Bde.,
Braunschw. 1807; 4. aus dem litterar. Nachlaß vermehrte Aufl.,
Stuttg. 1861; vgl. O. Kayser, Edelsteine
[* 17] aus JeanPauls Levana, Lpz. 1879). In Rücksicht auf Zeitereignisse
schrieb er die «Friedenspredigt an Deutschland» (Heidelb. 1808),
«Mars
[* 18] und Phöbus'
Thronwechsel im J. 1814» (ebd. 1814) und «Polit. Fastenpredigten»
(Stuttg. und Tüb. 1817),
in denen er in seiner Weise strafte, tröstete und erhob. Die Sammlung seiner «Sämtlichen»
Werke", die er kurz vor seinem Tode vorbereitete, umfaßt 65 Bände (Berl. 1826-38 u. ö.). Dazu kommen
noch «Polit. Nachklänge» (hg. von E. Förster, Heidelb.
1832),
«Der Papierdrache», sein letztes Werk (hg. von E. Förster, 2 Bde.;
Frankf. 1845),
«R.s Briefwechsel mit seinem Freunde Chr. Otto» (4 Bde., Berl. 1829-33),
«JeanPaulsBriefe
an eine Jugendfreundin» [RenataOtto] (hg. von J. Fr. Täglichsbeck, Brandenb. 1858),
«Briefe von Charlotte von Kalb an JeanPaul» (hg. von P. Nerrlich, Berl. 1882),
«Denkwürdigkeiten aus dem Leben R.s» (hg. von E. Förster, 4 Bde.,
wovon drei nur Briefe enthalten, Münch. 1863). Eine vollständige Ausgabe seiner Werke mit einer Biographie
von Gottschall erschien in 60 Teilen (Berl. 1879),
in 6 Bänden von Nerrlich (in Kürschners
«Deutscher Nationallitteratur», Stuttg. 1883-88).
Einen Schlüssel zur tiefern Einsicht in das Wesen dieses Schriftstellers gewährt das von ihm selbst
begonnene, dann aus seinen Papieren, Briefen und mündlichen Überlieferungen von Chr. Otto und E. Förster fortgesetzte Werk
«Wahrheit aus JeanPauls Leben» (8 Bdchn., Bresl. 1826-33). Außerdem vgl.
Spazier, Jean PaulFriedrichRichter, ein biogr. Kommentar zu dessen Werken (5 Bde.,
Lpz. 1833);
Nerrlich, Jean Paul und seine Zeitgenossen (Berl. 1876);
ders., Jean Paul, sein Leben und seine
Werke (ebd. 1890);
Ludwig, Maler, geb. zu Dresden, erhielt den ersten künstlerischen Unterricht
durch seinen VaterKarlAugustRichter, einen geschickten Kupferstecher im landschaftlichen Fache. Der Sohn sollte ebenfalls Kupferstecher
werden, erhob sich aber bald zur künstlerischen Selbständigkeit, bestärkt durch Vorbilder Chodowieckis und gefördert durch
die Landschaftsmaler Dahl und Friedrich. Von einer 1820 mit dem Fürsten Narischkin unternommenen Reise durch Frankreich im Sommer 1821 nach
Dresden zurückgekehrt, erhielt er durch den dortigen Buchhändler Arnold die Mittel zu mehrjährigem Aufenthalt
in Italien,
[* 19] wo er sich 1823-26 unter dem Einfluß Jos. Ant. Kochs und J. Schnorrs ausbildete und bereits 1824 mit einem Bilde
des Watzmann Erfolg hatte.
Sein nächstes Ziel wurde die bedeutendere Belebung der Landschaft durch die menschliche Gestalt. Aus
dieser Richtung ging eine innige Verschmelzung von Genre und Landschaft hervor. Großenteils sind die Gegenstände dem ital.
Naturleben entnommen; manche gehören aber auch dem deutschen Leben an. Aus dieser Zeit stammt Rocca di Mezzo (1825) und Thal
bei Amalfi mit Aussicht auf den Golf von Salerno (1826; beide im Museum zu Leipzig.
VonRichter selbst radiert).
Richter war 1828 nach Meißen
[* 20] übergesiedelt, um als Lehrer an der mit der Porzellanmanufaktur verbundenen Zeichenschule zu wirken;
in dieser Zeit hauptsächlich mit Radierungen nach seinen ital. Studien beschäftigt, malte er als Ergebnis einer Elbthalfahrt
das Bild Ruine Schreckenstein (1835; Museum in Leipzig. 1837; Galerie zu Dresden), Ariccia und Civitella (für
Herrn von Quandt). Nach Aufhebung der Meißner Zeichenschule 1836 lebte er dauernd in Dresden und widmete sich neben der Thätigkeit
als Lehrer der Landschaftsmalerei an der Kunstakademie und neben der Ausführung von Gemälden, wie: Landschaft im Riesengebirge
(1839; Nationalgalerie zu Berlin), Landleute im Gebet (1842), Erntezug in der röm. Campagna (1843; letztere
beide im Museum zu Leipzig), seit 1841 mit Vorliebe der bildlichen Bearbeitung der deutschen Volksdichtungen.
Einigen frühern Radierungen, wie Rübezahl und Genoveva, folgten viele ansprechende Blätter zum «Malerischen und romantischen
Deutschland», denen sich Holzschnitte für Märchen, Legenden u. s. w. anschlossen. Mit dieser Thätigkeit
erreichte Richter erst seine Bedeutung als gemütvoller Schilderer idyllischer Scenen aus dem Volksleben. Dabei hat
er das große Verdienst, den Holzschnitt nach dem Vorbilde Dürers auf seine ursprüngliche Einfachheit zurückgeführt zu
haben. Es entstanden: 1838 Bilder zu den «DeutschenVolksbüchern», hg. von Marbach, 1840 zu Dullers «Geschichte
des deutschen Volks», 1841 zum «Landprediger von Wakefield», 1842 zu Musäus' «Volksmärchen» und zu Nieritz' «Kalender», 1844 und 1846 zu
den «Studenten- und Volksliedern»;
1853 das illustrierte Bechsteinsche «Märchenbuch», 1851-55 «Beschauliches
und Erbauliches» (Probe daraus s. Tafel: Deutsche Kunst
[* 21] VII,
[* 16]
Fig. 6) und das «Goethe-Album», 1855 «Christenfreude», 1856 das
Vaterunser, 1857 die Bilder zu Schillers«Glocke», 1858-61 die vier Hefte «Fürs Haus», 1860 «Der
gute Hirt», 1861 der Sonntag, 1862 Es war einmal, 1864 der NeueStrauß,
[* 22] 1866 Unser täglich Brot,
[* 23]
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