Rhēum
L.
(Rhabarber),
Gattung der Polygonaceen, robuste, ausdauernde
Kräuter mit dickem, holzigem,
häufig mehrköpfigem
Rhizom,
[* 2] dicken, einjährigen, hohlen
Stengeln, zum Teil grundständigen, sehr großen, langgestielten,
ganzrandigen, buchtig gezahnten oder handförmig gelappten, am
Rand oft welligen Blättern, häutigen, verwelkenden
Tuten,
in
Rispen, seltener in
Ähren stehenden
Blüten und dreikantiger, dreiflügelige
Frucht. Etwa 20
Arten im südlichen
Sibirien,
Zentralasien,
[* 3] dem
Himalaja und Südrußland. Rheum
officinale Baillon (s. Tafel
»Arzneipflanzen
[* 4] I«),
[* 5]
bis 2 m hoch, mit 15-20 cm über den Boden hervorragendem, mehrköpfigem Rhizom, sehr großen, aus herzförmigem Grund eiförmigen, zugespitzten, handförmig, großfünf- oder siebenlappigen Blättern mit gelappten und gezahnten Abschnitten und dichten, traubigen, zu großen, terminalen Rispen vereinigten Blütenständen, wurde 1867 von Dabry im südöstlichen Tibet entdeckt, wird dort auch kultiviert und findet sich außerdem wahrscheinlich im westlichen und nordwestlichen China. [* 6] Diese Pflanze ¶
mehr
liefert in ihrer Wurzel [* 8] den offizinellen Rhabarber, jedoch stammt derselbe zum Teil vielleicht auch von andern Arten. Diese Pflanzen wachsen auf den Weiden der Hochebene in den chinesischen Provinzen Petschili, Schansi, Schensi, Honan, Kansu, welche sich bis zur Gobiwüste und der Grenze Tibets erstreckt, in Tsinghai und in den Gebirgen von Setschuan; Hauptstapelplatz ist Sining. Über die Gewinnung und Zubereitung der Wurzel ist sehr wenig bekannt; sie wird wohl von sechs- bis achtjährigen Pflanzen gesammelt, alsbald geschält (mundiert), durchbohrt, auf Fäden gereiht, getrocknet, später dann noch auf verschiedene Weise zubereitet.
Die Stücke des Handels sind von unregelmäßiger Gestalt, etwa 10 cm lang, außen gelb, mit weißen, körnig-kristallinischen Feldern, von glänzenden, gelben bis dunkel braunroten Adern durchzogen. Die Wurzel riecht und schmeckt eigentümlich aromatisch, bitterlich herb, enthält Chrysophansäure, harzartige Stoffe, ein Glykosid (Chrysophan), Emodin, eigentümliche Säuren, Stärkemehl etc., viel oxalsauren Kalk (welcher beim Kauen der Wurzel knirscht), etwa 13-14 Proz. Asche etc. Der wirksame Bestandteil ist vielleicht die Chrysophansäure, doch ist hierüber nichts Sicheres bekannt.
Rhabarber, welcher bei uns als abführendes Mittel, auch als Stomachikum und tonisches Mittel Anwendung findet, wird in chinesischen Werken bereits 2700 v. Chr. erwähnt und scheint auch schon dem Dioskorides bekannt gewesen zu sein. Eine Wurzel Rha oder Rheon, nach dem Fluß Rha (Wolga) benannt, wird im 4. Jahrh. von Ammianus Marcellinus erwähnt und dürfte unser Rhabarber gewesen sein. Die Rhacomawurzel des Plinius kam zunächst aus den Ländern am Schwarzen Meer und hieß daher Rha ponticum, während die durch das Indusland und das Rote Meer über den alten Hafenort Barbarike zugeführte Rha barbarum hieß. Im 12. Jahrh. wurde der Rhabarber wahrscheinlich auch von Indien aus eingeführt, und später, jedenfalls seit Anfang des 16. Jahrh., gelangte die Wurzel ausschließlich durch Sibirien über Moskau [* 9] in den Handel, und seit 1804 monopolisierte die russische Regierung den Handel, so daß Rhabarber nur über Kiachta eingeführt wurde (Kronrhabarber, moskowitischer, russischer Rhabarber).
Auch später, nach Aufhebung des Monopols, blieb die amtliche Kontrolle zur Ausschließung schlechterer Ware in Gebrauch und wurde so streng durchgeführt, daß nach Eröffnung der chinesischen Häfen der Rhabarber mehr und mehr den Seeweg einschlug und der Handel über Kiachta endlich ganz einging. Seit 1860 gibt es keinen Kronrhabarber mehr. Der seewärts ausgeführte chinesische (ostindische, Kanton-) Rhabarber ist viel weniger stark beschnitten als der russische und in der Qualität viel gemischter, oft schwärzlich, innen kernfaul.
Als Stammpflanzen des Rhabarbers wurden früher auch Rheum
palmatum L., Rheum
undulatum L., Rheum
compactum L.,
Rheum
australe Don., sämtlich in Mittelasien, genannt; die Wurzeln derselben weichen aber von der Handelsware mehr oder weniger
ab. Rheum
Rhaponticum L., in Sibirien, im Altai und südlichen Ural, an der Wolgamündung, in den südkaspischen Gebirgen, in Chorasan,
am Schwarzen Meer viel kultiviert, hat eine dem chinesischen Rhabarber ähnliche Wurzel und ward früher,
in Persien
[* 10] noch jetzt, als Surrogat desselben benutzt.
Bei Banbury in Oxfordshire wurde diese Pflanze seit 1777 kultiviert, und ihre Kultur hat sich bis in die Gegenwart erhalten;
auch Frankreich und Ungarn
[* 11] bauen Rheum
Rhaponticum, Mähren
[* 12] Rheum
compactum, Österreichisch-Schlesien Rheum
australe; doch
haben alle
diese Kulturen nur lokale Bedeutung. Rheum
Rhaponticum (Varietät Queen Victoria)
[* 13] wird auch der Blattstiele
halber gezogen. Dieselben sind sehr stark, saftig, schmecken angenehm säuerlich süß und geben, mit Zucker
[* 14] eingemacht, ein
vortreffliches Kompott. In Frankreich kultiviert man zu demselben Zweck Rheum
undulatum, in England Rheum
ribes in zahlreichen Varietäten.
Dort ist der eingemachte Rhabarber besonders beliebt, während bei uns das an den Namen sich knüpfende Vorurteil allgemeinerer Benutzung entgegensteht. In Frankreich bringt man die Blattstiele als Tartreum auf den Markt. In England wird aus dem Safte der Blattstiele mit Wasser, Zucker und etwas Traubenwein Champagner dargestellt; in Persien ißt man die Blätter als Gemüse; die im Frühjahr eben aus der Erde kommende, etwa 25 cm hohe Blütenknospe gibt, wie Blumenkohl zubereitet, eine schmackhafte Speise. Allgemein dienen die Rhabarberarten auch als Zierpflanzen.