Titel

Rheinau
(Kt. Zürich,
Bez. Andelfingen).
355-394 m. Gem. und Pfarrdorf auf der kleinern der von einer grossen Schlinge des
Rhein gebildeten zwei
Halbinseln, deren grössere, «der Schwaben» geheissen,
zum Grossherzogtum
Baden gehört. An der Strasse
Marthalen-Jestetten und 2 km sö. der badischen Station
Altenburg-Rheinau der
Linie Zürich
Eglisau-Schaffhausen. Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen nach
Marthalen, Zollamt. Gemeinde, zusammen mit der
Anstalt: 120
Häuser, 1454 Ew. (wovon 837 Katholiken und 616 Reformierte); Dorf: 103
Häuser, 628 Ew. Acker-
und Weinbau; wohlbekannt sind der Rheinauer
«Klosterwein» und der an den
Hängen sw. vom Dorf wachsende «Korbwein».
Der
Rhein fliesst hier wie fast überall auf der ganzen Strecke Schaffhausen
Basel
in einem 30-40 m tiefen
Bett, das er sich in die fluvioglazialen
Niederterrassenschotter eingeschnitten hat. Refugium; Festungsanlagen aus der Bronzezeit; Funde von Münzen
aus der Eisenzeit. Römischer Wachtturm (specula)
am Rhein zwischen Rheinau
und
Ellikon. Einzelfund aus der Römerzeit. Alemannensiedelung.
853: Rinaugia;
858: Rinauwa;
1243: Rinouwe;
1280: Rinouw. Auf einer
Insel im
Rhein liegt in 357 m die berühmte ehemalige Benediktinerabtei
Rheinau
, deren Gründungszeit unbekannt ist, die aber schon 925, als sie von den ins Land eingefallenen
Ungarn zerstört wurde, in Blüte stand.
Bald nachher wieder aufgebaut, erfreute sie sich unter den Königen aus sächsischem
und aus salischem
Haus der Reichsunmittelbarkeit, worauf sie später der Reihe nach unter die Kastvogtei der
Grafen von
Rheinfelden,
von
Lenzburg und von
Habsburg-Laufenburg kam.
Graf Rudolf von
Lenzburg erhob 1126 Rheinau
zur Stadt, die
er mit Mauern und Gräben umgab und in deren Nähe er wahrscheinlich auch eine Veste erbaute. Während der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts hatte die unterdessen den
Grafen von
Sulz zugefallene
Rheinau (Ober) - Rhein

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Stadt unter der Gewalttätigkeit ihrer neuen Herren stark zu leiden, bis sich 1449 Bürger und Mönche empörten und die feste
Burg gänzlich zerstörten. 1455 stellte sich dann Rheinau
unter den Schutz der Eidgenossen, welches Verhältnis bis 1798 dauerte.
Alle das Kloster betreffenden politischen, diplomatischen und Hoheitsfragen wurden von der Tagsatzung
erledigt. Zur Zeit der Reformation kam das Kloster für einige Zeit unter weltliche Verwaltung, wurde aber nach dem zweiten
Kappelerkrieg wieder hergestellt. Im 18. Jahrhundert entfaltete sein Propst und Archivar Moritz Hohenbaum van der Meer eine
umfangreiche gelehrte Tätigkeit und schrieb u. a. 1778 eine Kurze Geschichte der tausendjährigen Stiftung des
freyeximierten Gotteshauses Rheinau.
Das Kloster besass im nördl. Kanton Zürich, in Schaffhausen und Thurgau, sowie in Süddeutschland umfangreichen Grundbesitz und zahlreiche Hoheitsrechte. Zu Beginn der helvetischen Umwälzung flüchteten sich Abt und ein Teil der Konventualen mit den wertvollsten Klosterschätzen über den Rhein nach Jestetten und später ins Schloss Oftringen 1798 wurden die Klostergüter säkularisiert und 1799 das Kloster aufgehoben, wobei um die Teilung zwischen Zürich, Schaffhausen und Thurgau Streitigkeiten entstanden.
Die Mediationsakte stellte dann das Kloster wieder her und teilte es dem Kanton Zürich zu. Abt und Konventualen kehrten zurück. Aber schon 1836 übernahm der Staat Zürich die Verwaltung des Klosters, untersagte die Aufnahme von Novizen und hob es dann 1862 endgiltig auf. Der letzte Abt war Leodegar Ineichen von Urswil. 1867 wandelte man den alten Bau in eine Pflegeanstalt für unheilbare Geisteskranke um, die zuerst mit 458 Pfleglingen bezogen wurde. Seither hat sich die Zahl der Kranken Jahr für Jahr gesteigert, und es blieb die Anstalt trotz Neubauten und Erweiterungen immer überfüllt. So wurde dann 1898 der Bau einer neuen Anstalt etwa 800 m weiter nach S. (395 m über Meer) beschlossen, die 1901 mit 4 Pavillons eröffnet werden konnte. 1903 betrug der Bestand der beiden Anstalten zusammen 940 Kranke und 105 Wärter und Wärterinnen. Die Anstalt hat einen grossen, 151 ha umfassenden landwirtschaftlichen Betrieb mit viel Acker-, Wies- und Rebland, sowie mit 13 Pferden, 71 Stück Rindvieh und 69 Schweinen. Dieser Betrieb liefert einerseits einen grossen Teil der Lebensmittel für die Anstalt und gibt andererseits erwünschte Gelegenheit, einem Teil der Pfleglinge geeignete Arbeit zu verschaffen. Die Klosterkirche beherbergt heute noch eine Anzahl von historischen Schätzen.
Bibliographie:
Van
der Meer, Moritz Hohenbaum. Kurze Geschichte des Gotteshauses Rheinau.
Donaueschingen 1778;
Kloster Rheinau.
(Neujahrsblatt
Winterthur. 1828);
Kloster Rheinau
(in den Quellen zur Schweizergeschichte. 1883);
Mayer J. G. Das Stift Rheinau
und die Reformation (in den Kat hol. Schweizerblättern. 1889. 3);
Erb, Aug. Das Kloster Rheinau
und die helvet.
Revolution.
Zürich
1895; Rahn, J. Rud. Die letzten Tage des Klosters Rheinau
(in der Neuen Zürcher Zeitung 1896, 201 ff.); Dändliker, C. Wie
Rheinau
zürcherisch wurde (in der Schweizer. Rundschau. Juni 1891); Meyer von Knonau, Ger. Kartular von
Rheinau
(im Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich.
I); Waldburger, Aug. Rheinau und die Reformation (im Jahrbuch für Schweizer
Geschichte. 1900); Rothenhäusler E. Das alte Konventgebäude zu Rheinau (im Anzeiger für schweizer. Altertumskunde. 1900).