Reval,
[* ] Hauptstadt des russ. Gouvernements Esthland, malerisch an einer tiefen Bucht des Finnischen Meerbusens und an der Eisenbahn St. Petersburg-Reval gelegen, ist nächst Petersburg, Riga und Odessa der bedeutendste Seehandelsplatz des russischen Reichs. Sie hat in ihrer Bauart völlig den mittelalterlichen Charakter beibehalten. Die Straßen der von starken Mauern und Türmen umgebenen Altstadt sind eng und unregelmäßig; auf 43 m hohem Fels liegt der sogen. Dom mit dem alten Schloß und den Kron- und Landesbehörden; rings um die Stadt dehnen sich weit die Vorstädte aus, die sich jetzt, da die Festungsgräben ausgefüllt sind, meist unmittelbar an die
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frühern Thore anschließen. hat 7 evangelische (darunter 2 esthnische), 6 griechische und eine kath. Kirche. Sehenswerte Gebäude sind: die Domkirche mit vielen Gräbern (z. B. des bekannten Matthias v. Thurn, des schwedischen Generals Karl Horn, den Mausoleen des Feldmarschalls Pontus de la Gardie, des Admirals Greigh und des Weltumseglers Krusenstern);
die Olaikirche, im gotischen Stil, mit 145 m hohem Turm;
die Nikolaikirche, mit interessanten Altertümern aus katholischer Vorzeit, einem Totentanz und den Grabmälern des Herzogs Peter Friedrich August von Holstein-Beck und des bei Narwa gefallenen Herzogs von Croy;
das Rathaus, mit dem reichsten baltischen Urkundenarchiv seit dem 13. Jahrh.;
das Ritterhaus;
das Schwarzhäupterhaus (Sitz eines 1343 gegründeten Klubs), mit wertvollen Altertümern;
das Haus der großen Gilde, mit Sälen in prachtvoller Spitzbogenführung;
das Haus der Canuti-Gilde, worin die Esthländische Litterarische Gesellschaft und das Provinzialmuseum, das seltene Antiquitäten, Kunstwerke, numismatische und ethnographische Sammlungen und die größte Petrefaktensammlung von Tieren des silurischen Systems enthält.
Die Einwohnerzahl beträgt (1885) 51,277, darunter (1881) 12,823 Deutsche, 8681 Russen, 27,173 Esthen, meist Arbeiter und Dienende, und 994 Juden; der Konfession nach sind 80 Proz. evangelisch. Reval besitzt eine Admiralität und einen sichern, geräumigen Hafen. Die Fabrikthätigkeit ist gering, sie erstreckt sich nur auf Spiritus-, Essig-, Branntwein- und Wollwarenfabrikation; der Handel aber hat seit Eröffnung der Baltischen Eisenbahn einen hohen Aufschwung genommen.
Die Ausfuhr (1887 an Wert 25,708,000 Rubel) besteht in Spiritus, Getreide, Flachs, Knochen und Vieh; die Einfuhr (1887: 64,542,000 Rub.) in Baumwolle, Maschinen, Farbstoffen, Steinkohlen, Salz, Öl, Wein und Thee. Die Zahl der im auswärtigen Verkehr eingelaufenen Schiffe belief sich 1887 auf 626 mit 363,988 Ton. hat 3 Gymnasien, ein Theater, besuchte Seebäder und ist Sitz eines deutschen Konsuls. Neben der Stadt das von Peter I. erbaute Lustschloß Katharinenthal mit herrlichem Eichen- und Lindenpark, ein Hauptvergnügungsort. - Reval wurde 1219 vom Dänenkönig Waldemar II. gegründet, hatte von Anbeginn an eine niedersächsische Bevölkerung, kam 1346 mit Esthland durch Kauf an den Deutschen Orden und war im 14. und 15. Jahrh. eine der hervorragendsten Städte des Hansabundes.
Nach dem schrecklichen Vernichtungskrieg, der den Untergang der livländischen Selbständigkeit nach sich zog, kam es 1561 an Schweden und 1710 durch Kapitulation an Rußland.
Vgl. »Führer durch Reval und seine Umgebungen« (Reval 1878);
Bunge, Die Revaler Ratslinie und Geschichte der Ratsverfassung (das. 1874);
Amelung, Revaler Altertümer (das. 1884);
Hansen, Die Kirchen und ehemaligen Klöster Revals (3. Aufl., das. 1885);
W. Stieda, Revaler Zollbücher und Quittungen (in den »Hansischen Geschichtsquellen«, Bd. 5, Halle 1887).