Renan
(spr. ronang), Joseph Ernest, franz. Orientalist, geb. zu Tréguier im Departement Côtes du Nord, gab den geistlichen Beruf, den er erwählt hatte, 1846 auf und widmete sich dem Studium der semitischen Sprachen. Seit 1856 Mitglied der Akademie der Inschriften, unternahm er 1860 im Auftrag der Regierung eine wissenschaftliche Reise nach Syrien, worüber er »Mission de Phénicie« (1874) veröffentlichte, und ward nach seiner Rückkehr 1862 zum Professor der hebräischen, chaldäischen und syrischen Sprache [* 2] am Collège de France ernannt. Hatte er in verschiedenen wissenschaftlichen Werken Anstoß erregt, so rief er vollends durch sein allbekanntes Werk »Vie de Jesus« (Par. 1863, 2 Bde.; 13. Aufl. 1867; deutsch, 4. Aufl., Leipz. 1870) die allgemeinste Sensation hervor. Das Buch wurde in fast alle europäischen Sprachen übersetzt und veranlaßte ¶
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eine ganze Flut von Gegenschriften (s. Jesus Christus, S. 217). Infolgedessen seiner Professur entsetzt und die ihm angebotene Stelle eines kaiserlichen Bibliothekars ablehnend, unternahm eine Reise nach Ägypten. [* 4] Erst im Dezember 1871 erhielt er die Erlaubnis, seine Vorlesungen am Collège de France wieder zu eröffnen, und wurde 1878 Mitglied der Akademie. Unter seinen übrigen Arbeiten, die sich sämtlich durch gefällige Darstellung und glänzenden Stil, aber auch durch Vertrautheit mit den Resultaten der deutschen Forschung auszeichnen, sind hervorzuheben: »L'Averroès et l'averroïsme« (1852, 3. Aufl. 1869);
»Histoire générale et système comparé des langues sémitiques« (1855, 4. Ausg. 1864);
ferner: »Études d'histoire religieuse« (Sammlung von Aufsätzen aus Zeitschriften, 1857, 7. Aufl. 1864);
»De l'origine du langage« (1863, 4. Aufl. 1863);
»Essais de morales de critique« (1859, 3. Aufl. 1867);
rhythmische Übersetzungen des Buches Hiob (3. Aufl. 1865) und des Hohenliedes (4. Aufl. 1870);
»Nouvelles observations d'épigraphie hébraïque« (1867) u. a. Die Geschichte des Urchristentums (»Histoire des origines du christianisme«),
deren erster Teil das »Leben Jesu« darstellt, setzte Renan
fort in den zum Teil auch
in deutscher Übersetzung erschienenen Werken: »Les apôtres« (1866),
»Saint-Paul« (1869),
»L'Antéchrist« (1871),
»Les évangiles et la seconde génération chrétienne« (1877),
»L'Église chrétienne« (1878),
»Marc-Aurèle et la fin du monde antique« (1882) und »Index général« (1883).
Auch hat er in seinen »Questions contemporaines« (1868),
an die sich die Schrift »La réforme intellectuelle et morale« (1871) anschließt, der Politik seinen Tribut gezollt. Seine jüngsten Werke sind: »Dialogues et fragments philosophiques« (1876; deutsch, Leipz. 1877);
»Mélanges d'histoire et de voyages« (1878);
»Conférence d'Angleterre« (1880);
»L'Ecclésiaste« (2. Ausg. 1882);
»Le [* 5] judaïsme et le christianisme« (1883);
»L'islamisme et la science« (1883);
»Nouvelles études d'histoire religieuse« (2. Ausg. 1884);
»Discours et conférences« (1887);
»Histoire d'Israël« (1887 ff.);
ferner einige Dramen, wie »Caliban, suite de La Tempête« (1878),
eine Satire auf Gambetta mit der Fortsetzung: »L'eau de jouvence« (1880),
»Le prêtre de Nemi« (1885),
»L'abbesse de Jouarre« (21. Aufl. 1887) u. a., die als »Drames philosophiques« (1888) gesammelt erschienen, und »Souvenirs d'enfance et de jeunesse« (1883; deutsch, Basel [* 6] 1884).